Freitag, 28. Februar 2014

Angkor Wat Khmer Cambodia von Selzer_McKenzie SelMcKenzie

Angkor Wat Khmer Cambodia  von Selzer_McKenzie SelMcKenzie
Video: http://youtu.be/AjfVMIPZN5o
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VON D.SELZER_MCKENZIE

Angkor Wat Khmer Cambodia  von Selzer_McKenzie SelMcKenzie

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VON D.SELZER_MCKENZIE










Derjenige, der es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, ist es schwierig, sich ein so wildes und baufälliges Durcheinander von Leben und Verwesung, von zügellosem Grün im Krieg mit einem unbeweglichen grauen Tod vorzustellen. Trotzdem erlangt der Stein durch diesen Kampf eine Art Leben, da er zwischen zwei Feuern gefangen ist. Zweige bäumen sich auf und abwärts, um die Ruinen zu zerstören, wodurch die Architektur — genötigt, an dieser Schlacht teilzunehmen — eine unvergleichliche Dynamik, im Gegensatz zu ihrer statischen Aufgabe nimmt." (Osbert Sitwell 1939)
Die ersten Europäer, die die ehemalige Hauptstadt der Khmer zu Gesicht bekamen, waren Missionare und Geschäftsreisende aus Portugal, Spanien und Frankreich. Jedoch erst der französische Naturkundler Henri Mouhot lenkte durch seine Veröffentlichungen das Interesse der westlichen Welt auf die Tempelanlagen.
Erste Expeditionen führten Douart de Lagree (1866) und Louis Delaporte (1873) durch. Sie lieferten endlich auch genauere, nachprüfbare Erkenntnisse und dazu erstaunliche Kunstwerke nach Frankreich. Dank der Bemühungen der 1889 gegründeten „ficole francaise d'ExtrneOrient" und der späteren „Conservation d'Angkor" tauchten nun nach und nach die herrlichsten Bauwerke wieder auf.
Heutzutage weiss man, dass Angkor im 9. Jahrhundert als Hauptstadt des Reiches der Khmer, das damals neben Kambodscha auch Gebiete von Vietnam, Laos und Thailand umfasste, gegründet wurde. Es handelt sich um die gewaltigste Tempelstadt Hinterindiens, die in ihrer Blütezeit 80 km bedeckte und auf denen 600 über und über mit Skulpturen geschmückte Tempel standen.
Wie die Pyramiden von Gizeh ist die Stadt Zeugnis einer Hochkultur, die erst entstehen konnte, nachdem es den Khmer gelungen war, Nahrungsmittelüberschüsse zu erwirtschaften. Dies geschah vor allem mithilfe eines neuen Bewässerungssystems, das sich von Angkor aus über das Land verbreitete. Der so erreichte ausgeglichene Wasserhaushalt wurde um das Jahr 1000 zum wirtschaftlichen Motor einer Gesellschaft, die sich vor allem durch eine straffe Organisation auszeichnete. In der Blütezeit von Angkor lebten in seiner Umgebung ca. eine Million Khmer. Damit war die Ansiedlung in ihrer Zeit die grösste Stadt der Erde.
Seinen Höhepunkt erreichte das Angkorreich unter dem König Suryavarman II. (1113 bis 1150). Durch eine Reihe von siegreichen Kriegen erlangte das Reich seine grösste Ausdehnung. Im Zenit von Macht und Reichtum errichtete man die bedeutendste der Tempelanlagen: Angkor Vat.
Blütezeit und Niedergang
Das Reich von Angkor ging wahrscheinlich unter, weil über die massenhafte Errichtung von Tempeln die Instandhaltung der Bewässerungsanlagen vernachlässigt worden war. Durch den Bruch eines der Stauseen kam es zu einer sintflutartigen Überschwemmung, die grosse Teile der Bewässerungskanäle  Grundlage für den Reichtum der Stadt  zerstörte. Ausserdem weiss man heute, dass sich über Jahre das Land um Angkor herum geotechnisch hob, wodurch sich der Grundwasserspiegel wiederum senkte, mit der Folge, dass die Flüsse und Bäche sich tiefer in den Boden gruben und Teile der Bewässerungssysteme nicht mehr versorgten.
Der Tempel mit allen zugehörigen Bauten entstand innerhalb von nur 37 Jahren. König Suryavarman II. liess ihn dem hinduistischen Gott Vishnu weihen.
Die Anlage liegt inmitten eines 150 Meter breiten Wassergrabens, der die Seitenlängen von 1000 mal 800 Metern aufweist.
Das darin wie auf einer Insel liegende Ensemble ist nach dem Muster einer strengen Achsensymmetrie errichtet. Zwei Achsen, die als Strassen benutzt werden, kreuzen sich rechtwinklig im Zentralheiligtum. Das Geviert kann also durch vier Tore betreten werden. Im Grundriss ist der Bezirk ausserdem durch das Strassenkreuz in vier Quadrate unterteilt. Die Baumeister wählten wohl die Zahl 4 als Grundeinteilung des Bauwerks, weil sie im Hinduismus die Bedeutung absoluter Vollkommenheit hat.
Erscheinen die auf der Insel errichteten Bauten aus der Luft betrachtet wie aus einem Guss, stellt sich bei näherem Hinsehen heraus, dass es sich auch hier, wie bei der Gesamtkonzeption, um eine nach den strengen Regeln der Geometrie entworfene Anordnung von Türmen, Galerien, Wällen, Portalen und Höfen handelt, die auf verschiedenen Ebenen erbaut und durch Treppen miteinander verbunden sind.
Hinter dem Wassergraben befindet sich zunächst eine Mauer. Im Abstand von 400 Metern dazu stösst man auf eine weitere Umfriedung, innerhalb derer der eigentliche Tempel steht.
Während dort auf vier abgestuften Terrassen die Götter hierarchisch nach ihrer Wichtigkeit leben, hat Vishnu, der Gott, dem der Tempel geweiht wurde, seinen Platz im Inneren der fünf zentralen Turmbauten (Prasat). Der mittlere Turm ist ausserdem das Grabmal Suryavarmans II.
Die Architektur ist zwar durch den Einfluss Indiens stark geprägt, doch drückten die einheimischen Baumeister der Anlage ihren eigenen Stempel auf, sodass von einem eigenständigen Baustil gesprochen werden kann.
Es handelt sich bei Angkor Vat jedoch nicht einfach nur um einen Tempel. Zugleich ist die Anlage eine Nachbildung des Universums, wie es in den Vorstellungen der hinduistischen Mythologie beschrieben wird. So symbolisieren die grossen Wassergräben das Urmeer, die Galerien die Gebirgsketten und die Türme den Sitz der Götter.
Damit wurde in Angkor das klassische Programm des hinduistischen Tempelbaus verwirklicht, der der indischen Vorstellung der Welt entsprach. Dabei wurde der Berg Meru als Wohnsitz der Götter und Mittelpunkt der Welt besonders verehrt. Die ihn symbolisierenden zentralen Turmbauten (Prasat) waren Zeichen der Macht des herrschenden Königs und standen im Mittelpunkt des Reiches. Sie durften nur von hohen Priestern oder dem König selbst betreten werden.
Nachdem Suryavarman II. gestorben war. wurde das Heiligtum neben seiner Tempelfunktion zu einem Mausoleum und galt als heiliger Ort, an dem sich der tote König mit der Gottheit vereinigt hatte. Der König wurde somit selbst zum Gott und lebte in dessen Statue weiter. Wohl aus diesem Grund ist der Tempel nach Westen ausgerichtet, damit die letzten Strahlen der untergehenden Sonne als Sinnbild für Vergehen und Tod die letzte Ruhestätte des toten Königs beleuchten. Aufgrund ihrer Vereinigung mit den Göttergestalten wurden die Könige der Khmer bereits zu Lebzeiten als Halbgötter verehrt und als irdische Vertreter einer Gottheit betrachtet (Gottkönigs oder DevarajaKult).
Die Tempelbauten selbst waren als Wohnstätten den Göttern vorbehalten. Für den König und die Priester wurden zwischen den Steinbauten Wohngebäude aus Holz errichtet. Dies war auch der Ort eines regen Hoflebens, wo der König, der nicht nur die Funktion eines religiösen Führers hatte, Gericht hielt und seinen Untertanen, die sich in Hüttensiedlungen am Rande des Tempelbezirks angesiedelt hatten, Audienzen gewährte. Insgesamt lebten in diesem inneren Tempelbereich etwa 20.000 Menschen.
Die grosse Zeit Angkor Vats war bereits im 13. Jahrhundert vorüber, jedoch wurde die Anlage weiterhin in Stand gehalten. Endgültig als Mittelpunkt des Reiches aufgegeben wurde sie erst im späten 16. Jahrhundert.
Schutzlos und ausgebeutet
Bereits der letzte grosse König des Angkorreiches war zum Buddhismus übergetreten. Seitdem sind es vor allem buddhistische Mönche, die sich um den Erhalt der Anlage kümmern, die ihnen bis heute als Kultstätte dient. Die heutige Erscheinung der Gebäude hat viel von der ursprünglichen Konzeption eingebüsst. Die Metallverkleidung grosser Teile fiel wahrscheinlich bereits kurz nach Aufgabe der Stadt Plünderern zum Opfer. Ein weiterer Feind des Bauwerks ist die Natur: Vor allem die Regenfälle des Monsuns setzen der Anlage zu und lassen den Sandstein porös werden. Die Roten Khmer liessen den Tempel weitgehend unbehelligt. Nach ihrem Sturz ist es vor allem die internationale Antiquitätenmafia, die das Areal ausbeutet, das aufgrund seiner immensen Grösse schwer zu kontrollieren ist.
Auf den Europäer wirkt die Anlage jedoch nach wie vor märchenhaft. Dies ist vor allem dem überreichen Figurenschmuck zu verdanken. Allein die Galerie, die die zentralen fünf Türme umgibt, ist mit über 1600 Apsaratänzerinnen verziert, von denen jede für sich individuell gestaltet ist.
In einer Länge von über 800 Metern bedeckt das grösste zusammenhängende Flachrelief die Wände. Es erzählt von Schlachten der Menschen und zeigt Generäle, Krieger, Streitwagen, Elefanten und Musikanten. Auch Kämpfe zwischen Sagengestalten und vielarmigen Dämonen samt den Heerscharen von Affenkriegern, die sie befehlen, sind dort festgehalten. Am berühmtesten ist die Darstellung vom Quirlen des Milchmeeres, das seinen Ursprung in einer indischen Sage hat. Götter wie auch Dämonen wühlen das Milchmeer auf, um Amtra, das Lebenselixir, zu finden. Der Streit der Gewalten ist auf drei Ebenen dargestellt. Auf der untersten befinden sich echte und der Phantasie entsprungene Wassertiere. Darüber sind eine Reihe von 92 Dämonen zu sehen, die mit einem Kamm versehene Helme tragen, auf der dritten Ebene ausserdem 88 Götter, die mandelförmige Augen und eine Haartracht in Form eines Kegels aufweisen. Jede Gruppe zieht an einem Ende einer riesigen Schlange, die das Milchmeer symbolisiert. Um das Elixier aus der Schlange zu wringen, halten die Dämonen den Kopf und die Götter den Schwanz, verdrehen dabei ihre Körper und bewegen ihn vor und zurück.
Die Elefantenterrasse des Tempels Banteay Srei gehört zur Tempelanlage von Angkor in Kambodscha
Nicht nur die Monsunregen setzen den Bauwerken der Tempelanlage zu. Auch die Vegetation erkämpft sich ihren Platz zurück und treibt den Verfall weiter voran.
Blick auf ein Steinrelief mit der Statue einer indischen Tänzerin (Apsara) in der Tempelanlage von Angkor in der Provinz Siem Reap in Kambodscha.
Den Regenfällen des Monsuns schutzlos ausgeliefert: der individuell gestaltete und überreiche Figurenschmuck.

Als der französische Naturforscher Henri Mouhot im Januar 1860 den Bayon von Angkor Thom entdeckte, fand er sich geradezu überwältigt von den rätselhaften Gesichtern, die die Wände zierten, und von der jenseitigen Architektur Als erster Mensch seit Jahrhunderten brach er in die Stille und das Geheimnis dieses Tempels ein. Dichter Dschungel beherbergte die grandiosen Ruinen — und eine Legende, die über viele Generationen von Bauern, religiösen Führern und Mönchen weitererzählt worden war So wurde die grossartige Kultur von Angkor wiedergeboren, auch wenn sie nie völlig in Vergessenheit geraten war Es war die Kultur eines Reiches, dessen Hauptstadt 500 Jahre lang Angkor gewesen war Sicherlich war Mouhot nicht der erste Mensch aus dem Westen, der sich in den Dschungel nördlich von Kambodschas Grossem See hineinwagte, der während der Monsunzeit zu einem riesigen Schlammbecken wird. Aber er war es, der einer langen Liste von Archäologen, Abenteurern und Plünderern (ernsthaften Wissenschaftlern und Restauratoren wie auch Scharlatanen) den Weg ebnete, die alle ihren Anteil daran haften, dass wir heute so viel über diese bedeutende Zivilisation wissen. Und er öffnete dem Strom der modernen Besucher Tür und Tor, den man in gewisser Hinsicht — bedenkt man die Charakteristika und die intrinsische Instabilität der Ruinen von Angkor— durchaus als „Massentourismus" bezeichnen kann und der heute zwar eine wichtige wirtschaftliche Ressource darstellt, zugleich aber auch ein ernsthaftes Problem.
Das Kambodscha von heute, das sich zu Recht als Erbe des grossen KhmerReiches versteht, ist eine kleine Nation, die eine reiche und beneidenswerte Geschichte hat, noch dazu eine der turbulentesten von ganz Asien. Die Roten Khmer (19751978) unternahmen den irrsinnigen Versuch, die Geschichte dieser Nation auszulöschen, alle Spuren der Vergangenheit zu zerstören und sozusagen aus dem Nichts eine neue Gesellschaft aufzubauen. Nach dieser grausamen und dramatischen Epoche war Kambodscha gezwungen, seine eigenen Wurzeln in seiner früheren Pracht wieder zu entdecken und darum zu kämpfen, eine neue Zukunft darauf aufzubauen.
Die Kambodschaner haben ihr ruhmreiches Erbe nie wirklich aus den Augen verloren oder vergessv1, denn die Grundlage dieser Identität war eine aussergewöhnliche ethnische Homogenität: 90 Prozent der heute etwa 10 Millionen Kambodschaner gehören zur ethnischen Gruppe der Khmer. Diese erstaunliche Dominanz hat eine lange Geschichte, die mit dem Reich zu tun hat, das vom 9. bis 15. Jahrhundert den Grossteil Indochinas regierte und bis heute ein unverzichtbarer Bezugspunkt für die KhmerKultur und die kambodschanische Nation wie eigentlich für ganz Südostasien ist Allerdings gibt es grosse Bereiche, die noch immer geheimnisumwoben sind und in die auch die Archäologie und die Vergleichende Kulturforschung nicht viel Licht bringen können. Die frühen Phasen ihrer Geschichte liegen ebenso im Dunkeln wie die Rolle, die die hinduistischbuddhistische Kultur Sumatras und Javas in ihr spielte. Gleiches gilt für die eigentliche Herkunft der kleinen Fürstentümer, die im 7. Jahrhundert begannen, sich zu einem einzigen, wenn auch ziemlich instabilen KhmerReich zu vereinen. Zum Beispiel haben archäologische Funde und indirekte Dokumentation ergeben, dass die alte einheimische Zivilisation überwiegend urban geprägt war und als solche die Architektur und Kunst einer riesigen Kontinentalregion beeinflusste.
Doch das ist nur einer der vielen Widersprüche, die die geheimnisvolle AngkorZivilisation birgt — die heutigen Khmer verstehen sich noch immer als Mitglieder einer Agrarzivilisation, deren Existenz und Uberleben vom Rhythmus des Anbaus von Reis auf überfluteten Feldern abhängt. Dieser Reis ist nicht nur das Grundnahrungsmittel der Menschen hier, sondern ein Symbol für das menschliche Dasein mit seinen Zyklen, seinen Erfolgen und Misserfolgen. Somit begegnet uns hier ein ländliches Gesellschaftskonzept, das sich an den Werten und Rhythmen der Natur orientiert und die Stadt mit ihrer Entfremdung und ihren Antagonismen ablehnt. Das KhmerKönigreich, das in bestimmten Epochen die territoriale Ausdehnung und die Merkmale eines echten Imperiums aufwies, hob sich auch in dieser Hinsicht vom Rest Asiens ab, wo zumeist diejenigen Mächte erfolgreich waren, denen es gelang, eroberte Völker zu assimilieren und zu integrieren, und die nicht einfach als blosse Militärmacht auftraten. Die Khmer jedoch stellten anderen gegenüber immer wieder klar, dass es zu ihrem Modell keine Alternative gab, dass man es akzeptieren und sich ihnen vollkommen unterwerfen musste. Die einzige Alternative war die Vernichtung. Will man die Macht der Khmer erklären oder definieren, spielt auch ihr Standort (besser gesagt: der Standort ihres Dreh und Angelpunkts Angkor) eine Rolle, in einem Gebiet, das am Rande Kontinentalasiens und abseits der grossen Handels, Pilger und Eroberungsrouten lag. Im Licht dramatischer historischer Entwicklungen, Klimaveränderungen und eines Wandels in derWasserversorgung und im Wasserkreislauf ist es heutzutage schwierig, zu entscheiden, ob die neue KhmerMacht die Ebene rund um den nördlichen Verlauf des TonleSapFlusses in Kambodscha aus defensiven, aus politischen oder aus materiellen Gründen als ihr Zentrum wählte oder ob hier eine Kombination dieser Faktoren ursächlich ist.
Wir wissen wenig über die Rolle der Geomantik, über die Bedeutung von Konzepten, die vor dem Aufstieg des Hinduismus bestanden, über den Buddhismus als spätere Staatsreligion und über Stätten, wo sich Glaubensgrundsätze, Mythen und Schaffenskraft konzentrierten und verbreiteten. All das wurde bislang wenig untersucht, aber es war in der Vergangenheit sicherlich wichtig, genauso wie es im Leben der Kambodschaner heute immer noch eine wichtige Rolle spielt. Das ganz besondere Machtkonzept der Khmer und seine religiöse Herleitung oder Inspiration sind ein wichtiges und interessantes Thema, das noch untersucht und diskutiert werden muss. Sicherlich ist die Tatsache, dass die KhmerZivilisation über Jahrhunderte in Vergessenheit geriet, auch der Situation geschuldet, die durch die Krise des Reiches entstand. Mehrere Jahrhunderte lang war das Gebiet des heutigen Kambodscha eingekeilt zwischen zwei verfeindeten Nachbarn:Thailand (das früher Siam hiess) und Vietnam. Siam sorgte auch für den endgültigen Untergang von Angkor Ende des 15. Jahrhunderts. Von dieser Zeit bis zur Annexion Kambodschas durch Frankreich im Jahre 1863 blieb die Stadt unter siamesischer Herrschaft. Während des Zweiten Weltkrieges übernahmen die Siamesen für einen kurzen Zeitraum noch einmal die Herrschaft über die nördlichen Provinzen Siem Reap und Battambang, wo die wichtigsten archäologischen Stätten der Khmer liegen (tatsächlich bedeutet der Name Siem Reap „von Siam erobert").
Heute entsteht unter den Kambodschanern ein neues Bewusstsein für den Wert ihrer Vergangenheit, und Angkor wird allmählich zum Symbol eines kulturellen Erbes, das die heutigen Khmer als ihre ganz eigene, exklusive und zugleich universelle Kultur definieren können. Davon zeugt sogar die kambodschanische Nationalflagge, auf der die Türme von Angkor Wat zu sehen sind. Und doch ist sich hier jeder bewusst, dass der neue Materialismus und die verschiedenen importierten Kultureinflüsse einen hohen Preis mit sich bringen.
Das Ziel dieses Buches ist es, die Entwicklung und die Hintergründe einer der glanzvollsten und langlebigsten Kulturen ganz Asiens zu skizzieren. Von klassischen Studien bis hin zu neuesten Theorien bietet es für jeden etwas, und es ist für alle gedacht, die sich über die wichtigsten Fakten der KhmerKultur informieren möchten (ohne romantische Vorstellungen und Stereotypen), und diese sollen auf einfache, ansprechende Weise präsentiert werden. Wir wollen nicht nur zeigen, was zur Faszination für diese grossartige Zivilisation beigetragen hat, sondern vielleicht auch weitere Untersuchungen anregen, die zu mehr direktem Wissen führen.
DIE ARCHAISCHE EPOCHE (6. bis 2. Jh. v. Chr.)
Gegen Ende der Eisenzeit erlebte die Region, die sz.ä.en von den Khmer beherrscht werden ...Cnce. den Aufstieg kleiner Fürstentümer _in.: 2iireicher Städte, vor allem entlang zen Ufer der Flüsse Tonle Sap und Mekong. .As sch die Navigationstechnologie verbessere. wurden die Küsten von Kambodscha und Vietnam an Handelsrouten angeschlossen. die in Rom und im Nahen Osten ihren Anfang nahmen und bis Indien und China reichten. Pilger und Kaufleute liessen sich im Gebiet des heutigen Kambodscha und entang des unteren Verlaufs des Mekong nieder; sie brachten heterogene kulturelle und religiöse Gepflogenheiten und Praktiken mit, vor allem aus dem indischen Raum.
DIE PRÄ_ANGKOR_EPOCHE ( I . bis 8. Jahrhundert)
Diese Epoche erlebte den Aufstieg von Funan, einer kommerziellen Konföderation im MekongDelta, das seinen Einfluss auf das südliche Kambodscha eine lange Zeit immer mehr erweiterte. Zu einem späteren Zeitpunkt (Wissenschaftler streiten sich noch über die genauen Daten der historischen Ereignisse um Funan, und es gibt hier kaum eine nennenswerte historische Dokumentation) führte eine Spaltung in der Konföderation zur Entstehung von Chenla, wahrscheinlich einem weiteren Zusammenschluss von Stadtstaaten und kommerziellen Anlaufhäfen. Die erste buddhistischhinduistisch inspirierte Skulptur stammt aus dieser Zeit In der Folgezeit wurde der indische und hinduistische Einfluss immer stärker, so dass er sich nicht nur in der örtlichen Religion offenbarte, sondern in jeder Facette des gesellschaftlichen Lebens, unter anderem in der religiösen Architektur und Kunst. Vom indonesischen Reich Srivijaya ausgehende Feldzüge, die zwar auf kleine Territorien begrenzt waren, aber erhebliche kulturelle Auswirkungen hatten, untergruben die Macht von Chenla. Diese Situation machten sich die KhmerClans zunutze; sie eroberten immer grössere Territorien und wurden unabhängiger, vor allem in Mittel und Nordkambodscha.
DIE ANGKOR_EPOCHE (9. bis 13. Jahrhundert)
Im Jahre 802 wurde Jayavarman II., eine historische Figur, die in vielerlei Hinsicht noch im Dunkeln liegt, aber sicherlich von der javanischen Kultur und der hinduistischen Religion beeinflusst war, in einer Zeremonie unter Vorsitz der Brahmanen des Phnom Kulen zum König der Khmer des zukünftigen Angkor ernannt. Mit seiner Krönung traten zwei Merkmale der KhmerHerrscher in den Vordergrund: ihre Rolle als Chakravartin (universeller Souverän) auf politischer Ebene und als Devaraja (Gottkönig) auf religiöser und dynastischer Ebene. Bis heute hat man keine Inschrift gefunden, die aus seiner Regierungszeit stammt; die Hauptquelle für Informationen über diesen König ist die Stele von Sdok Kak Thom, die ein paar Jahrhunderte nach seinem Tod angefertigt wurde.
Ab Jayavarman II. war die Staatsreligion mehrere Jahrhunderte lang das Mahayana (der Buddhismus des „Grossen Fahrzeugs"), aber zugleich verehrte man die Götter des hinduistischen Pantheons und stellte sie in den Mittelpunkt der Kulte. Jayavarman gründete Hariharalaya in der Nähe des späteren Angkor, aber erst unter seinen Nachfolgern traten die eminent urbanen Merkmale der KhmerZivilisation vollends zutage.
Yasovarman 1. gründete Angkor (im Bereich des östlichen Baray). Suryavarman II. errichtete von 1130 bis 1150 AngkorWat. Im Jahre 1177 wurde Angkor von den Cham, die ihr Reich in Mittel/Südvietnam hatten, geplündert Während der Regierungszeit Jayavarmans VIII. erreichte das KhmerReich seine grösste Ausdehnung. Eine neue Hauptstadt, Angkor Thom, wurde gegründet, und dort errichtete man den Bayon.
DIE NACHKLASSISCHE EPOCHE ( I 3. bis 15. Jahrhundert)
Wiederholte Invasionen seitens derThai schwächten die politische und militärische Macht des KhmerReiches, und der TheravadaBuddhismus wurde zur Staatsreligion. Pali, die Sprache des TheravadaKanons, ersetzte Sanskrit als offizielle Sprache buddhistischer Texte.
Von 1309 bis 1431 regierten schwache Könige, die immer mehr Territorien einbüssten, und Angkor wurde mehrmals geplündert. Das Jahr 1431 markiert die letzte grosse Invasion seitens der Thai. Sie eroberten Angkor, beraubten es der meisten seiner Kunstschätze und brachten diese in ihre eigene Hauptstadt, Ayutthaya.
NIEDERGANG UND RENAISSANCE (16. bis 19. Jahrhundert)
Im Jahre 1528, nach Jahrzehnten der Instabilität und des allmählichen Verlusts von Angkor kontrollierter Territorien, verlegte König Ang Chan I. seine Hauptstadt weiter nach Süden, nach Lovek. Später nahm Phnom Penh, unter anderem im Zuge dynastischer Streitigkeiten, an Bedeutung zu und wurde schliesslich zur Hauptstadt dessen, was vom KhmerReich übrig geblieben war. Aus Angkor und den anderen grossen KhmerStädten wanderten immer mehr Einwohner ab. Das Verdienst darum, die Erinnerung an diese Städte am. Leben gehalten zu haben, gebührt den buddhistischen Klostergemeinschaften — in einigen Fällen waren diese sogar die einzigen, die in den folgenden Jahrhunderten noch dort wohnten.
Zur „Wiederentdeckung" von Angkor (der allerdings mehrere Berichte an die französischen Kolonialbehörden vorausgingen) kam es im Januar 1860, als der französische Naturforscher Henri Mouhot mitten im Urwald die Ruinen von Angkor Thom fand und drei Wochen lang erforschte. Seine Entdeckung und die Erzählungen anderer Reisender führten dazu, dass die Franzosen im Juni 1866 eine archäologische Expedition nach Angkor schickten — dies war der Beginn umfangreicher Restaurierungs und Erhaltungsmassnahmen, die bis heute andauern und nur in jener Zeit unterbrochen wurden, als die Roten Khmer an der Macht waren (19751978).

MILITÄRPARADE. DETAIL EINES FLACHRELIEFS IN DER ÄUSSEREN GALERIE DES BAYON.

DIE TÜRME DES BAYON IN ANGKOR THOM SIND MIT GESICHTERN VON LOKESHVARA VERZIERT, DIE EIGENTLICH KÖNIG JAYAVARMAN VII. DARSTELLEN.
DER SANDSTEINKOPF (HÖHE 40 CM) ZEIGT JAYAVARMAN VII., DEN GROSSEN KHMERKÖNIG, DER DIE STADT ANGKOR THOM ERRICHTETE  HÖHEPUNKT VON KUNST UND ARCHITEKTUR DER KHMER (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).


Über die früheste Geschichte des Gebiets Kambodscha, das damals (wie heute) von zyklischen Regenfällen profitierte, die den Boden fruchtbar machten, aber zugleich für ein hohes Mass an Instabilität im Leben der Bevölkerung sorgten, wissen wir nur sehr wenig. Die älteste bekannte Siedlung, Loang Spean in der Provinz Battambang, stammt aus dem 4. Jahrtausend v. Chr.: ein Netz von Höhlen, deren Bewohner Vasen mit Schnur und Kammmotiven und Werkzeuge aus geschliffenem Stein herstellten. Andere Stätten, die verschiedene Grade der menschlichen Entwicklung aufzeigen, datieren auf das 15. bis 2. Jahrhundert v. Chr. Ein Faktor, der dabei immer wieder auftaucht, sind die kontinuierlichen Anstrengungen, der Ressource Wasser auf positive und nützliche Weise Herr zu werden — vor allem dem potenziell verheerenden Monsunregen, der bis zum heutigen Tag Jahr für Jahr Opfer fordert und einen Teil der Bevölkerung zwingt, vorübergehend in sicherere Regionen umzusiedeln. Dies hat zur Annahme geführt, dass dieVorfahren der Khmer ebenfalls stark von diesen Umständen beeinflusst waren — Umständen, die weder eine sesshafte Lebensweise noch die Produktion und Entwicklung eines komplexen Handwerks begünstigten.
Dennoch zeugen archäologische Funde, vor allem Trommeln, Glocken und alltägliche Ornamente und Objekte aus Bronze sowie Artefakte aus Stein mit Inschriften darauf, die allesamt aus der Zeit vor dem I. Jahrhundert v. Chr stammen, von der Präsenz und Dauer der Bronzezeit im Gebiet Kambodscha. Die meisten dieser Funde kommen aus den archäologischen Stätten Samraong Saen und Anlung Phdao in der Provinz Kampong Chhnang, Kbal Romeah in der Provinz Preah Vihear, Laang Spean in der Provinz Battambang, Srae Sbauv und Phnom Roluoch in der Provinz Kracheh und Memut in der Provinz Kampong Cham. Diese liegen alle ausserhalb der Provenienz der späteren KhmerZivilisation.
Da man in der gesamten Region Indochina seit frühesten Zeiten das Überleben menschlicher Gemeinschaften durch den Anbau von Reis, die Domestizierung von Rindern und Wasser

büffeln und die Verwendung von Metall sicherstellte und sich ähnlicher animistischer Rituale bediente, kann man nicht umhin zu denken, dass ein Teil des Vermächtnisses von Angkor aus früheren Traditionen stammen und Einflüsse von aussen aufweisen muss.
Von Anfang an war die Region, in der später das Machtzentrum der Khmer lag, einem starken und dauerhaften Einfluss der Zivilisation Indiens ausgesetzt, die sich auf ein viel grösseres Gebiet erstreckte: von Burma bis zur Peripherie Ginas, von Tibet bis zum malaiischindonesischen Archipel. Der lang anhaltende Einfluss war mit Sicherheit religiös geprägt und er brachte einerseits den Buddhismus und den Hinduismus mit, die einander ergänzten, aber auch eine markante kulturelle Prägung, die dem Patronat der Höfe entstammte, die Religion und !Künstlerische Ausdrucksmittel zur moralischen Unterstützung und Rechtfertigung ihrer Macht verwendeten. Um das 5./6. Jahrhundert n. Chr. herum hatten im Süden Indochinas, auf der Malaiischen Halbinsel, auf Sumatra und auf Java bereits indisch geprägte Königreiche und Fürstentümer Gestalt angenommen.
Archäologische Funde scheinen zu bestätigen, dass auf der Malaiischen Halbinsel und in den südlichen Deltaregionen von Myanmar (Burma),Thailand und Kambodscha zwischen dem I. und 3. Jahrhundert n. Chr. sowohl der Hinduismus als auch der Buddhismus zum ersten Mal durch Händler und Pilger Einzug hielten, deren Reiserouten Indien mit dem Süden Burmas, dem mittleren und südlichen Siam, dem MekongDelta und der Küste Vietnams verbanden. Die schnelleVerbreitung der beiden grossen Religionen Indiens, die eine reiche künstlerische und literarische Tradition mit sich brachten, führte nicht nur zum Import faszinierender Zeremonien und Rituale, sondern ging zudem Hand in Hand mit der Entwicklung der ersten wichtigen staatlichen Einrichtungen in der Region: Aus Handelsposten (oder einem Teil eines grösseren Verbands von Handelsposten) wurden politische Körperschaften, die sich besser verteidigen und ihre Aktivitäten besser koordinieren konnten. Diese hatten nicht nur einen anderen Ursprung und grössere Ausmasse als die kleinen Königreiche der Bronzezeit, sondern besassen vor allem eine ganz neue Identität. Über tausend Jahre lang sorgte der Einfluss Indiens für eine kulturelle Einheit der verschiedenen Länder der Region.
Die Sprachen Sanskrit und Pali, die indische Schrift, Theravada und MahayanaBuddhismus, brahmanischer Hinduismus (der auf dem Brahman basiert, der Einheit und Synthese aller als „Atman" bezeichneten individuellen Seelen) und andere Strömungen des Hinduismus fanden weite Verbreitung durch direkten Kontakt und durch die mythologische und philosophische Literatur aus Indien. Diese übte eine besonders starke Anziehungskraft auf eine Bevölkerung aus, die zum grössten Teil nur eine mündliche Überlieferung kannte, aber für die Einführung eines Schriftsystems nach indischen Vorbildern äusserst empfänglich war und ihre Sprachen bereitwillig mit einem „gehobenen" Vokabular anreicherte, das hauptsächlich aus Indien stammte. Besonders beliebt und verbreitet waren die Epen Mahabhorata und Ramayana. Sie erwiesen sich für die örtliche Literatur und bildende Kunst als geradezu unerschöpflicher Quell der Inspiration.
Die Herrscher von Funan und Chenla, den ersten staatlichen Strukturen, die den zeitgenössischen und nachfolgenden Zivilisationen einen deutlichen Stempel aufdrückten, waren Hindus. Über ihre Frühgeschichte ist ausser Legenden und Mythen kaum etwas bekannt, aber sicherlich war sie geprägt von einer Verbesserung der Agrartechniken, der Tierhaltung und der Keramikherstellung an leicht zugänglichen Orten in privilegierter Lage in breiten Flusstälern oder entlang der Küsten. In jedem Fall entstand erst in den ersten Jahrhunderten christlicher Zeitrechnung eine Zivilisation, die man als echten Vorläufer der Kultur von Angkor ansehen kann.
Der eigentliche Name dieser Zivilisation ist unbekannt, aber chinesische Chroniken des 3. Jahrhunderts n. Chr. bezeichnen sie als Funan, wahrscheinlich eine Verzerrung des Wortes bnam (in der modernen KhmerSprache Phnom), was so viel wie „Berg" bedeutet Ihrem Namen zum Trotz erstreckte sich ihre Einflusssphäre auf das MekongDelta und die Südküsten des heutigen Kambodscha und Vietnam. Die Bevölkerung stammte sicherlich von dort und sprach eine Sprache, die zur Gruppe der MonKhmerSprachen gehörte.
Es gibt Anzeichen dafür, dass Funan eine Seemacht mit ausgeprägter kommerzieller Ader war Bei Ausgrabungen in Oc Eo im südlichen Vietnam, dem wohl wichtigsten Zentrum und bedeutendsten Hafen von Funan, entdeckten Archäologen zahlreiche Artefakte, die vom Handel mit Indien, China und sogar dem Römischen Reich zeugen.
Wir besitzen nur wenige gesicherte Erkenntnisse über Funan, ausser dass es offenbar die Fähigkeit besass, seine Handelswege abzusichern, und dass es effizient regiert wurde. Viele Facetten seiner Kultur stammten mit Sicherheit aus Indien und wurden von indischen Kaufleuten mitgebracht, die in dieser Zeit auf den Handelsrouten zwischen der Arabischen Halbinsel und dem Fernen Osten sehr aktiv waren. Sie waren es wahrscheinlich, die die kulturellen, philosophischen und religiösen Vorstellungen einführten, die zur Entwicklung des Reiches beitrugen.Tatsächlich kann man feststellen, dass der indische Einfluss schon für die allerersten Ursprünge der FunanKultur eine ganz wesentliche Bedeutung hatte.
Ein lokaler Mythos erzählt, dass die Welt vom König der mythologischen Schlangen (sogenannten Nagas) erschaffen wurde, die das Wasser tranken, das die Erde überschwemmt hatte, wodurch die terra firmo entstand. Historisch gesehen entstand das Reich vermutlich aus der Eheschliessung zwischen dem indischen Brahmanen Kaundinya und Soma, einer einheimischen NagaPrinzessin. Tatsächlich muss der brahmanische Einfluss absolut notwendig gewesen sein, wenn es stimmt, was chinesische Chroniken berichten — nämlich dass Vertreter der höchsten Kaste des Hinduismus, der Brahmanen, die das alte philosophische und religiöse Wissen der Inder hüteten, nach Funan geholt wurden, um als Berater diverser örtlicher Herrscher tätig zu sein.
Doch obgleich Indiens Einfluss auch in Bezug auf Aspekte ausserhalb der religiösen Praxis, z. B. in der Politik, von grosser Bedeutung war, kann man nicht von einer kompletten „Indianisierung" der Strukturen und Bevölkerung von Funan sprechen. Faktisch war es eine teilweise Indianisierung, die die nachfolgenden Staaten bis zum Entstehen des 9merReiches prägte. Augenscheinlich war es nicht nur das erhabene religiöse und sozialreligiöse Wissen Indiens, das zum Wachstum und Prestige dieses zwischen Geschichte und Legende oszillierenden Reiches beitrug, denn dieses Wissen ging mit fortgeschrittenen Kenntnissen in der Hydraulik und Ingenieurskunst einher So wurden auf Luftbildern einer Forschungskampagne der 1930er Jahre in diversen FunanStätten Anzeichen umfangreicher Bewässerungsnetze sichtbar Die Fähigkeit, die turbulenten Wasser des Mekong zu kanalisieren und für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, impliziert, dass dieses Reich mehr war als eine blosse Seemacht, sondern dass es sich auch auf eine effiziente Nutzung der Landwirtschaft stützte.
Wir wissen nichts über etwaige Ursachen der Krise, die Funan heimsuchte, bevor es im 6. Jahrhundert vom Königreich Chenla — höchstwahrscheinlich selbst eine Föderation aus Stadtstaaten — annektiert wurde. Diese Annexion war indes kein besonders traumatisches Ereignis. Stattdessen passte sich die Bevölkerung von Funan allmählich der des siegreichen Chenla an. In chronologischer Hinsicht war Chenla der direkte Vorgänger der KhmerZivilisation, die allerdings über die Vermittlung von Chenla auch aus Funan einige grundlegende Elemente übernahm.
Chinesischen Dokumenten zufolge scheint es, als sei Chenla zunächst ein Vasallenstaat von Funan gewesen, der um das Jahr 550 herum unabhängig wurde. Und nach etwa 60 Jahren (was uns wiederum chinesische Chroniken verraten) gelang dem Reich dann die komplette Annexion seines mächtigen Rivalen. Chenla absorbierte dabei nicht nur die Bevölkerung von Funan, sondern auch die meisten seiner kulturellen Werte, die aus Indien stammten. Während Funans Zentrum ausserhalb des heutigen Kambodscha lag befand sich die erste Hauptstadt von Chenla, Ishanapura, die um das Jahr 613 in der Nähe von Sambor Prei Kuk gegründet wurde, in der heutigen kambodschanischen Provinz KampongThom.
Nach der Annexion Funans wurde Chenla in zwei Teile geteilt, einen Nord und einen Südteil. Die historischen Quellen aus China nennen in diesem Zusammenhang das „LandChenla" und das „WasserChenla". Das Herz des Nordteils war die Region von Champassak im heutigen Laos, während der Südteil die alte Grenze von Funan im Delta und an der Ostküste wiederverwendete. Um 7 I 5 erlebten beide Teile von Chenla eine weitere Zersplitterung, die sich für das Königreich als fatal erwiesen haben muss. Zu dieser Zeit — und dies war wohl der Hauptgrund für die Schwächung und Spaltung von Chenla wie zuvor von Funan — befand sich die gesamte Region bereits unter Druck durch die Expansion des buddhistischen Reiches Srivijaya, das von der Insel Sumatra aus seinen Einflussbereich auf einen Grossteil der Inseln Asiens und nun auch auf Teile des heutigen südlichen Thailand bis hin zur

Malakka ausdehnte. Gleichzeitig sicherte Srivijaya seine Handelsweege über das Meer gut ab, was die territoriale, politische und kulturelle Expansion ermöglichte.
DIESE SKULPTUR DES DÄMONS MUKHA (ODER KALA) ENTDECKTE OC EO, EINER FUNDSTATTE IM MEKONGDELTA
EIN DETAIL DER KÖNIGLICHEN PROZESSION AUS DEM EPOS RAMAYANA AUF EINEM STEINRELIEF IM NÖRDLICHEN PAVILLON DER WESTLICHEN GALERIE VON ANGKOR WAT.
DER SCHLACHT VON LANKA, EINER DER WICHTIGSTEN EPISODEN IM RAMAYANA. FLACHRELIEF IN DER WESTLICHEN GALERIE VON ANGKOR WAT.

DIESE BRONZENE DONGSONRITUALTROMMEL (HÖHE 61 CM, DURCHMESSER 78 CM), GEFUNDEN IN VIETNAM, STAMMT AUS DEM 3. BIS 1. JAHRHUNDERT V. CHR. (MUSEE GUTMET, PARIS).

DIESER PATINIERTE BRONZEBEHÄLTER (HÖHE 24 CM), EIN ARTEFAKT DER DONGSONKULTUR, KANN INS 6./5. JAHRHUNDERT V. CHR. DATIERT WERDEN (MUSEE GUIMET, PARIS).

Vom 5. bis 13. Jahrhundert kamen in der Region mächtige Staaten an die Macht, deren Architektur und bildende Kunst stark vom Buddhismus geprägt waren. Anders als beim HinayanaEinfluss zuvor war dies jedoch nicht das Ergebnis langer ermüdender Wallfahrten seitens missionarischer Mönche oder Pilger, die die heiligen Stätten Nordindiens besuchten. Die hier angewandte Art des Buddhismus war das Mahayana. Es kam direkt vom indischen Subkontinent über die Seewege, die sich am regelmässigen Monsun orientierten. Diese religiöse Strömung, die sich aus der „Doktrin des Erleuchteten" entwickelte, legt den Schwerpunkt auf Mitgefühl und die gemeinsame Suche nach Erleuchtung anstatt auf individuelle Erlösung und klösterliches Leben.
Die wahren Hochburgen des Hinduismus waren vom 8. bis 13. Jahrhundert Kambodscha und Java. In Thailand, Burma und Laos konnte diese Religion indes nie wirklich Fuss fassen, hier dominierte weiterhin der HinayanaTheravadaBuddhismus. Nachdem der Buddhismus in Indien als Folge der islamischen Eroberung des Subkontinents nahezu entwurzelt war, verlor die MahayanaStrömung im 9. Jahrhundert in Südostasien wieder an Popularität und wurde durch die Lehren des Theravada ersetzt die von Mönchen aus Sri Lanka wieder eingeführt wurden.
Die Ikonographie südostasiatischer Bildhauerkunst spiegelt deutlich die Einflüsse Indiens wider, die nach der Zeitenwende in der Region Einzug hielten und zum grössten Teil aus religiösen Quellen schöpften. Künstlerisch gesehen wurden in ganz Südostasien die Wesen des buddhistischen und hinduistischen Panxeons mit originären ikonographischen Merkmalen ausz._estattet die fast unverändert auf sie übertragen wurden.
DAS PORTRÄT ZEIGT HARIHARA IN SEITEN UND FRONTALANSICHT, EINE DER GOTTHEITEN, DIE DIE EIGENSCHAFTEN VON SHIVA UND VISHNU IN SICH VEREINEN. DER STEINERNE KOPF (HÖHE 43 CM) WURDE IN PRASAT PHNOM DA GEFUNDEN UND DATIERT INS 7 JAHRHUNDERT (MUSEE GUIMET, PARIS).

DIESE SANDSTEINSKULPTUR VON VISHNU AUS TUOL DAI BUON (HÖHE 183 CM) STAMMT AUS DEM 6./7 JAHRHUNDERT UND ZEIGT DIE VIER HÄNDE DES GOTTES, IN DENEN ER STETS EINE KUGEL, EINEN KNÜPPEL, EINE MUSCHEL UND EINE SCHEIBE ODER EIN RAD HÄLT (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).
DREI BEISPIELE DER HOCH RAFFINIERTEN PORTRÄTKUNST DER PRÄANGKORZEIT. EIN BUDDHAKOPF AUS DEM 6./.Jhd.  (HÖHE 28 CM; MATERIALMUSEUM PHNOM PENH). DER KFIEGSGOTT SKANDA UND SEIN REITTIER, EIN IPRIU (HÖHE 80 CM, LÄNGE 50 CM), IN EINER SKULPTUR AUS KDEI ANG (MUSEE GUIMET) GANESHA, DER ELEFANTENKÖPFIGE GOTT
MAITREYA, DER E3ODHISATTVA, DER OFT ALS ZUKÜNFTIGER BUDDHA IDENTIFIZIERT WIRD, IST EINES DER HÄUFIGSTEN MOTIVE IN DER KHMERKUNST. HIER SIEHT MAN IHN ALS SKULPTUR AUS DEM 7/8. JAHRHUNDERT (HÖHE 28 CM; MUSEE GUIMET, PARIS).
LOCKIGES HAAR, LÄNGLICHE OHRLÄPPCHEN UND GESCHWUNGENE AUGENBRAUEN SIND DIE MERKMALE DIESES BUDDHAKOPFES (HÖHE 21 CM), DER IM MEKONGDELTA ENTDECKT WURDE (MUSEE GUIMET, PARIS).
LOKESHVARA, DER BODHISATTVA DER BARMHERZIGKEIT UND DIE ZENTRALE FIGUR DES MAHAYANABUDDHISMUS, IM PORTRÄT (HÖHE 21 CM) UND IN GESTALT EINER FIGURINE (650700, HÖHE 80 CM; MUSEE GUIMET, PARIS).
MAITREYA, DER KOMMENDE BUDDHA, MIT DEN HÄNDEN IN VIER VERSCHIEDENEN MUDRAPOSITIONEN (HÖHE 45 CM; MUSEE GUIMET, PARIS).
Dies war der geographische, politische, religiöse und kulturelle Kontext, in dem die Geschichte der Khmer ihren Ausgang nahm. Viele Aspekte dieses Volkes sind immer noch geheimnisumwittert, zuerst einmal seine Herkunft. Wahrscheinlich waren die Khmer Teil der paläoindonesischen Volksgruppe. Für das 2. Jahrhundert v. Chr. ist ihre Präsenz in Indochina in der PrädeltaRegion des Mekong (Bassac im heutigen Vietnam) dokumentiert. Bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. waren die Khmer, wie wir durch chinesische Quellen wissen,Vasallen von Funan.Als dieses Reich zerfiel, gründete eine KhmerGruppe namens Kambuja („Kinder von Kambu", einer Figur der hinduistischenMythologie) ein unabhängiges Königreich nördlich desTonle Sap. Historische Quellen vermitteln lediglich einen Hauch dieser chaotischen Zeit, der PräAngkorEpoche. Diese obskure Epoche endete wohl erst im frühen 9. Jahrhundert mit dem Auftreten derjenigen Herrscher, die durch diverse Tempelbauten den Grundstein des KhmerReiches legten: Bhavavarman I. liess den Phnom Da bauen, Isanavarman I. schuf den Sambor Prei Kuk und Jayavarman I. den Prei Khmeng. Die einzigen Zeugen der Konsolidierung der Macht der nunmehr unabhängigen Khmer Ende des 7. bis Anfang des 9. Jahrhunderts sind die Steine, die verwendet wurden, um den Prasat Andet, den Prasat Ak Yum und den Kampong Preah zu errichten. Recht wenig wissen wir indes aus historischen Quellen über die Sitten und Bräuche der Bevölkerung und die politische Situation in der Region.
Nach einer weiteren dunklen Epoche vereinte Jayavarman II. (der wahrscheinlich aus Srivijaya stammte, dem Inselreich, dem die Khmer bis zu einem gewissen Grad Untertan waren und wohin seine Familie vermutlich wegen der Um stände in Indochina ins Exil geschickt wurde) im 9. Jahrhundert das Land und gründete in der Gegend, in der später Angkor seinen Siegeszug antrat, vier Städte. Seine Nachkommen erweiterten den Herrschaftsbereich der Khmer in Richtung Laos im Norden und Siam im Westen, sie nahmen das Mel
DARSTELLUNG DES KÖNIGS UND SEINES HOFSTAATS UNTER DEM SCHUTZ EINES BODHISATTVA, ABGEBILDET AUF EINEM SANDSTEINTÜRSTURZ AUS KAMPONG THOM (HÖHE 54 CM, LÄNGE 185 CM; NATIONALMUSEUM PHNOM PENH

KAMPF ZWISCHEN MEHREREN MÄNNERN UND EINEM LÖWEN. SAMBOR PREI KUK NIMMT VIELE ARCHITEKTONISCHE UND BILDHAUERISCHE ELEMENTE DER KÜNFTIGEN ZIVILISATION VON ANGKOR VORWEG.
EIN KUDU, DER KLASSISCHE HUFEISENBOGEN INDIENS, SCHMÜCKT DIE SEITE EINER CELLA AUS SANDSTEINBLÖCKEN IN SAMBOR PREI KUK. DIESE ART DER DEKORATION IMITIERT DIE TRADITIONELLE HOLZARCHITEKTUR.
Ob es nun das Nachfolgereich alter Konföderationen wie Funan und Chenla war (deren Existenz von Gelehrten wie Claude Jacques infrage gestellt wird aufgrund der Übersetzung von Inschriften in der Sprache der Khmer, von SanskritInschriften und späteren chinesischen Quellen, die man allesamt als Quellen lange Zeit unterschätzt hat) oder ein direktes Ergebnis der inneren Entwicklung der Khmer — das vom MahayanaBuddhismus und vom Hinduismus beeinflusste Reich Angkor beherrschte den grössten Teil des kontinentalen Südostasien und errichtete zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert überall beeindruckende architektonische Werke. So wurde errechnet, dass allein in Kambodscha und Thailand etwa 900 Tempel erbaut wurden.
Angkor stand im Mittelpunkt dieser architektonischen Entwicklungen. In seiner Blütezeit beherbergte und versorgte dieser religiöse und zivile Komplex eine Million Einwohner. Und obwohl einige Forscher wie der australischeArchäologe und Experte für vorindustrielle urbane Zivilisationen Roland Fletcher es nicht für bewiesen halten, dass Angkor tatsächlich eine bewohnte Stadt war, sind die grossenTempelstädte der Region (zumeist nahe dem heutigen Siem Reap erbaut) das unsterbliche Zeugnis der Nachfolger Jayavarmans II., des Gründers des KhmerReiches, und über Jahrhunderte der ganze Stolz einer Nation — wovon noch heute die Silhouette von Angkor Wat auf der Flagge Kambodschas.
Doch wie alle grossen Zivilisationen hatten auch die Khmer eine Geschichte, die nicht immer linear verlief und in der Phasen der Weiterentwicklung und des Niedergangs einander abwechselten, wahrscheinlich aufgrund menschlich beeinflusster wie auch umweltbedingter Ursachen. Und wie bei allen grossen Zivilisationen ist das durch materielle Hinterlassenschaften und zeitgenössische sowie spätere Quellen projizierte Bild dieser Kultur dasjenige, das sie zu jener Zeit zeigt, in der sie am wohlhabendsten, kreativsten und einflussreichsten war — eine Zeit, die wir aus Gründen der Bequemlichkeit gerne „klassisch" nennen.
Die klassische Epoche der Khmer lag zwischen 80 und 1327, also zwischen der Thronbesteigung Jayavarmans II. und dem Tod Shrindrajayavarmans. Dieser Zeitraum bietet alle wesentlichen Merkmale der KhmerZivilisation. Einige von ihnen gab es schon vor dieser Zeit, andere existierten den ganzen langen Zeitraum über: ein Universalherrscher an der Spitze eines Staates mit imperialen Charakteristika; eine Hauptstadt, Angkor, wie es sie in dem betreffenden Zeitraum in der Welt kaum ein zweites Mal gab; Hinduismus und MahayanaBuddhismus als Staatsreligion; eine religiöse Architektur, die hauptsächlich aus Stein (Sandstein oder Laterit) und zum geringeren Teil aus Holz errichtet wurde; Staatstempel, die auch für den dynastischen Kult genutzt wurden; eine Verehrung der dem Kosmos innewohnenden kreativen Kraft, die mit dem Linga gleichgesetzt wurde, dem steinernen Symbol für Shivas Phallus;Tempeltürme (Prasats), die die Bilder der Götter beherbergten, oft mit QuincunxGrundriss und durch Stufenpyramiden gestützt wichtige und umfangreiche hydraulische Einrichtungen, darunter Kanalnetze und riesige Stauseen (Barays); ein Netzwerk aus grossen Strassen,Wegestationen und Ziegelbrücken; Inschriften in Khmer oder Sanskrit (die letzte ist auf exakt 1327 datiert); eine grösstenteils hinduistische Ikonographie, die insbesondere aus indischen Epen und den Puranas abgeleitet war.
Bis zum Jahr 802 bestand die politische Organisation der Khmer aus zahlreichen kleineren Königreichen auf der Basis eines ClanSystems, dessen homogene ethnische und kulturelle Zusammensetzung permanente Konflikte nicht zu vermeiden imstande war. Konflikte, die entweder zwischen den Clans untereinander ausbrachen oder mit benachbarten Mächten wie den Cham, die im heutigen Zentralvietnam lebten.
Die Thronbesteigung durch Jayavarman 1. im Jahre 657 kann als Anfang dessen gelten, was wir heute als AngkorEpoche der KhmerZivilisation bezeichnen. Nicht alle Wissenschaftler sind sich darin einig, dass dieser Herrscher der erste König der Khmer war. Tatsache aber ist, dass die Khmer während seiner Regierungszeit in den von Funan abgerungenen Gebieten ihre Macht konsolidierten. Es ist äusserst bezeichnend, dass das fragile Königreich mehr als ein Jahrhundert nach seinem Tod im Jahre 681 von Fragmentierung und Anarchie bedroht war und sogar beinahe wieder ganz unterging, da der König keine männlichen Erben hatte.
Gegen Ende des 8. Jahrhunderts führte die Krise von Chenla, das sich das Territorium und die kulturellen Eigenarten von Funan einverleibt hatte, zur Erweiterung des javanischen Protektorats auf diese Region und ihre Bevölkerung; dazu gehörten auch semiunabhängige KhmerGruppen. Doch vielleicht war die Zeit einfach reif für eine Veränderung: Es war eine Situation, in der starke und weitreichende politische Kräfte entstanden, die auf weiterentwickelten Kulturen und auf religiösen Überzeugungen gründeten, die universelle Gültigkeit vermittelten. Ein Katalysator war notwendig und dieser fand sich schliesslich in einer Persönlichkeit, die so bedeutend wie geheimnisvoll war: Jayavarman II. Dieser Name, der allgemeine Bekanntheit erlangt hat, kommt in verschiedenen Chroniken und Inschriften vor Allerdings war der postume Titel, der ihm von seinen Nachfolgern verliehen wurde, Parameshvara („oberster Herr"), eine Bezeichnung, die ihn zugleich auf mythologischer wie auf politischer Ebene auszeichnet — Positionen, die mit dem Konzept und der Definition von Macht bei den Khmer untrennbar verbunden waren.
An diesem Punkt müssen wir jedoch in der Chronologie wieder einen Schritt zurückzugehen, um den Kontext besser zu verstehen, in dem die Ereignisse rund um die Herrschaft Jayavarmans II. stattfanden. Die Erfolgsgeschichte der Khmer von Angkor begann mit dem Zerfall von Chenla und der daraus entstehenden Möglichkeit für die unternehmungslustigen Anführer der Khmer, ihre Ansprüche auf Land und Macht anzumelden. Man hat die Geschichte der Khmer, eines geteilten Volkes von ungewisser Abstammung, das zu einem der grössten asiatischen Reiche aufstieg und dies fünf Jahrhunderte lang blieb, rekonstruiert, anhand von Denkmälern und Reliefs, anhand von Artefakten, die man bei archäologischen Ausgrabungen fand, und Inschriften in Pali, Sanskrit und Khmer, die man innerhalb der Grenzen des alten Reiches entdeckte. Die Inschriften geben uns Genealogien und Chronologien an die Hand, mittels derer wir einen Überblick über diese Zivilisation erhalten. Daneben enthalten sie eine Unmenge heterogener Daten, die von den Tugenden einzelner Herrscher erzählen und uns Einzelheiten über Tempelgründungen, architekten und sponsoren nennen sowie über die politischadministrative Organisation des Reiches. Es ist diese grosse Menge an Informationen über die offizielle, politische und religiöse Sphäre, die grosse Lücken hinterlässt wenn es um das tägliche Leben nicht nur des einfachen Volkes geht, sondern auch der Adligen und Militärs. Es scheint fast, als ob nur das Übernatürliche — und das, was davon ins tägliche Leben, in Politik und Religion hineinspielte — wirklich wichtig oder erwähnenswert war
Das trifft in einem Masse zu, dass selbst zu einer so wichtigen historischen Figur wie Jayavarman II. ausschliesslich sekundäre Quellen erhalten sind. Bisher hat man keine Inschrift entdeckt, die direkt aus der Zeit seiner Herrschaft stammt. Unsere Hauptquelle zu ihm ist die Stele von Sdok KakThom, die erst zwei Jahrhunderte nach seinem Tod angefertigt wurde. Diese Stele, die man im Südosten Thailands fand, war dem Purohita (dem führenden Offizianten der HinduTradition) des Hofs Udayadftyavarmans II. (1 I. Jahrhundert) gewidmet und aus ihrer Inschrift erfahren wir, dass Jayavarman zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der javanischen SailendraDynastie zu Gast war und später nach Kambodscha zurückkehrte. Grund und Dauer dieses Aufenthalts sind bislang unklar Arabische Quellen sprechen davon, dass ein Teil der Sailendra einen Feldzug zur See unternahm und in der Hauptstadt des KhmerReiches landete, das sich an den Ufern des Tonle Sap ausgebreitet hatte. Nachdem man den jungen König der Khmer getötet und sein Reich zum Vasallenstaat gemacht hatte, zogen sich die Sailendra zurück und nahm einige Geiseln mit darunter den zukünftigen König. Chroniken, die direktere Verweise auf Jayavarman bieten, erwähnen keinen Aufenthalt auf der Insel Java, was zu der Annahme führte, dass er tatsächlich von der Malaiischen Halbinsel stammte oder aus einem anderen Gebiet, das vom Sailendra Reich kontrolliert wurde.
EINE CHAMSTATUE DES VISHNU AUS DEM 6. JAHRHUNDERT (HISTORISCHES MUSEUM, HOCHIMINHSTADT).
Wann genau der spätere Kaiser aus Indonesien oder aus einem anderen Land, das von Java beherrscht wurde, zurückkehrte, ist ungewiss, vermutlich aber datiert die Rückkehr um 790. Danach führte er zwölf Jahre lang geschickte Feldzüge, um seine Macht auszubauen und das vom ihm beherrschte Gebiet zu erweitern, das zum grössten Teil aus kleinen entlang der Ufer des Mekong verstreuten KhmerFürstentümern bestand. Während dieser Zeit suchte Jayavarman (jaya = siegreich, vorman = Schild, Beschützer) auch nach einem sicheren Ort, an dem er seine Hauptstadt errichten konnte. Nachdem er einige Zeit herumgereist war und temporäre Städte hatte errichten lassen, gründete er Indrapura, seine erste stabile Hauptstadt, am Unterlauf des grossen Flusses Indochinas. Diese Stadtgründung war ein deutliches Zeichen seiner konsolidierten Macht. Aber offenbar reichte ihm dies nicht, denn nach und nach verlegte er sein Machtzentrum an verschiedene andere Orte, bis er sich endgültig entschied. Seine Wahl fiel auf Hariharalaya nahe dem späteren Angkor in der heutigen Region mit dem Namen Roluos auf der weiten bewässerten Ebene nördlich des Tonle Sap („Grosser See"), der den gleichen Namen hat wie sein Ausfluss. Der Grund für diese häufigen Umzüge war wohl in erster Linie, dass der Herrscher nach einem Standort suchte, der ein möglichst grosses Potenzial in puncto Nahrungsmittelversorgung und Verteidigung bot. Alle Hauptstädte wurden an den Standorten bereits bestehender alter Städte errichtet, was wohl zumindest teilweise dem Bemühen geschuldet war, alle Verbindungen zu Java oder kontinentalen Territorien, die unter javanischer Herrschaft standen, zu einem gewissen Grad abzubrechen. Sei es, wie es wolle: Jayavarmans Wahl kann man aus verschiedenen Gründen als geglückt bezeichnen, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass er nun in der Lage war, die Wasserressourcen eines Grossteils der Region zu kontrollieren.
Im Jahre 802 fand auf dem Mahendraparvata (dem „Berg des grossen Indra", heute Phnom Kulen) eine feierliche Zeremonie statt, der einflussreiche Brahmanen vorstanden und bei der Jayavarman zum zweiten Mal mit dem Titel Hindu Chakravartin („Herr des Rades" oder „Herrscher der Welt") ausgezeichnet wurde. Um an dieses Ereignis zu erinnern, wurde ein Tempel für Shiva errichtet. Diese Zeremonie war wohl der Grundstein der KhmerZivilisation und einer der epochemachenden Momente in der Geschichte Indochinas. Gleichzeitig jedoch war es eine eminent politische Veranstaltung mit einem durchaus innovativen Element. Jayavarman hatte sich mit einem Ritual zum Herrscher aller Khmer aufgeschwungen, das dem Hinduismus entlehnt war und ihn zu einem Devaraja (Gottkönig) machte, wodurch Shiva — zu diesem Zeitpunkt schon lange eine äusserst beliebte Gottheit in der religiösen Sphäre der Khmer — in den Rang eines Hüters der Dynastie und des Reiches erhoben wurde. Nachdem er sich in dieser Weise selbst zu einem irdischen Pendant des Gottes erklärt hatte, verkündete Jayavarman II. seine absolute Autorität und Souveränität und den endgültigen Bruch mit Java. Somit bildeten das Konzept der göttlichen Natur des Kaisers und die Assimilation sehr vieler indischer und hinduistischer Elemente von Anfang an die Basis einer politischen Strategie, die darauf abzielte, die Menschen zu motivieren, eine solide Grundlage für eine gemeinsame KhmerZivilisation zu schaffen und zugleich eine absolute Hingabe an den Herrschenden sicherzustellen. Im Endeffekt garantierte dieser Schritt die Zukunft eines starken Reiches und einer grossen Zivilisation. Und die Wahl der Region, in der die erste Hauptstadt, Hariharalaya, entstand (die HariHara, einer Gottheit, die die Eigenschaften von Shiva und Vishnu kombinierte, geweiht war), und der nachfolgende Bau der Tempelanlage von Mahendraparvata (bis zur Rückkehr nach Hariharalaya kurz vor Jayavarmans Tod) waren durchaus kein Zufall, sondern Teil einer durchdachten Strategie. Die Hauptfeinde des neuen Staates befanden sich im Süden und im Osten und es wäre ziemlich schwierig gewesen, das Herz des KhmerKönigreiches zu erreichen und anzugreifen, das in einer abgelegenen Gegend inmitten dichter Wälder lag und nur über die unberechenbare Wasserstrasse des Tonle Sap zugänglich war. Es war eine äusserst erfolgreiche Strategie: Die Khmer verloren über sechs Jahrhunderte nur eine einzige Seeschlacht — gegen Cham im Jahre 1177. Während Jayavarmans Herrschaft wurden die Regionen von Chenla vereint und erhielten den dynastischen Namen „Kambuja", das bedeutet: „Land der Kinder von Kambu" (einem Asketen der hinduistischen Mythologie).
DIESER MAKARA IM PHNOMKULENSTIL ZIERTE EINEN TORSTURZ (HÖHE 251 CM, LÄNGE 80 CM) IM TEMPEL PRASAT KOKI (MUSEE GUTMET, PARIS).




DER TEMPEL VON PRASAT KOKI BEHERBERGT DAS BILDNIS EINES KÖNIGS (HÖHE 251 CM) UND ZWEIER DIENER. DIESE DARSTELLUNG SETZT DEN MONARCHEN MIT DEM BODHISATTVA GLEICH (MUSEE GUIMET, PARIS).
In der Gesellschaft der alten Khmer drehte sich alles um die Figur des Königs, der als Gott angesehen wurde, und sie war in Klassen gegliedert: königliche Oligarchie, Priester, Militär. Zivilbevölkerung (organisiert in Handwerkerzünften, um den Handel kümmerten sich Frauen und Chinesen) und Sklaven. Die entscheidende Rolle der Religion im soziopolitischen Kontext der Khmer wird dadurch unterstrichen, dass die führenden Priester indischer Abstammung waren und ihre Posten in matrilinearer Folge übertrugen — eine Tatsache, die neben den anderen Details den engen Kontakt zwischen den Khmer und indischen Zivilisationen zeigt, die wahrscheinlich mehrere grundlegende uralte Charakteristika teilten.
In den ersten Jahrhunderten christlicher Zeitrechnung gab es in Indochina eine ebenso starke wie friedliche „Indianisierung" seitens der Brahmanen, der Priesterkaste der Hindu, und zu einem späteren Zeitpunkt seitens buddhistischer Missionare. Die Brahmanen brachten die grosse indische Kultur nach Kambodscha mit, und zwar im Auftrag der dortigen politischen Eliten, die die komplexen HinduRituale als Mittel zum Zweck ansahen, ihre kürzlich erworbene Herrschaft religiös unterfüttern. Einige Zeit später (in einigen Regionen auch zur gleichen Zeit) verbreiteten buddhistische Mönche die Botschaft Buddhas unter der Bevölkerung und ein paar Jahrhunderte später folgten Missionare einer neuen Form des Buddhismus. dem Mahayana. Diese Religion schlug Wurzeln in einem Substra_ das zugleich hinduistisch, buddhistisch und animistisch war ,:rd am Ende löste sie den Hinduismus als Staatsreligion ab
wenn es ihr nicht gelang, die Macht der Priesterschaft zu umergraben). Bis heute praktizieren 88 Prozent der Bevölkerung deMahayanaBuddhismus.






DER KÖNIG ALS RICHTER, EIN HERAUSRAGENDES BEISPIEL UNTER DEN HOCHWERTIGEN RELIEFS IM BAYON.

OFFIZIERE AUF ELEFANTEN, FREMDLÄNDISCHE KRIEGER (VIELLEICHT VERBÜNDETE ODER CHINESISCHE SÖLDNER) UND KRIEGSELEFANTEN, DIE DEN KÖNIG ODER MITGLIEDER SEINER FAMILIE (ERKENNBAR AM KÖNIGLICHEN SYMBOL DES SONNENSCHIRMS) AM BETRACHTER VORBEITRAGEN, IN EINER EINDRUCKSVOLLEN REIHE VON FLACHRELIEFPLATTEN, DIE DIE ÖSTLICHE GALERIE DES BAYON SCHMÜCKEN (12.13. JAHRHUNDERT). THEMA IST IN DIESEM FALL VOR ALLEM DAS MILITÄR IM GEGENSATZ ZU DEN ZIVILEN ODER RELIGIÖSEN SZENEN IN DEN INNEREN GALERIEN.
AUSSERORDENTLICHE SZENEN DES TÄGLICHEN LEBENS (OBEN) BELEBEN DEN UNTEREN ABSCHNITT DER SÜDLICHEN ÄUSSEREN GALERIE DES BAYON. HAUPTTHEMA IST JEDOCH DIE SEESCHLACHT VOM TONLE SAP, DIE DIE KHMER IM JAHRE 1181 GEGEN DIE CHAM GEWANNEN. UNTEN SIEHT MAN EINEN CHAMKRIEGER AUF SEINEM SCHIFF SEINER FLOTTE
EIN WAGEN, WIE ER NOCH IMMER IN KAMBODSCHA VERWENDET WIRD, FOLGT DER MILITÄRPARADE AN DER ÖSTLICHEN GALERIE DES BAYON.
HIER DARGESTELLT IN DER SÜDLICHEN GALERIE DES BAYON UMGEBEN VON SEINEN JÜNGERN, KONKURRIERTE IM HINDUISTISCHEN GLAUBEN DER ALTEN KHMER MIT VISHNU UM DEN RANG DES BELIEBTESTEN GOTTES.


DIE KHMER WIDMETEN BRAHMA, EINER GOTTHEIT, DIE EHER SELTEN DARGESTELLT WIRD, EINEN WENIGER BEDEUTENDEN KULT. DIESE SKULPTUR (HÖHE 109 Cm) STAMMT AUS DER MITTE DES 19. JAHRHUNDERTS.
Im Laufe der Jahrhunderte und während der Zeit seiner Verbreitung bezeichnete der Begriff „Hinduismus" eine bestimmte religiöse Tradition, die in diesem Fall aus Indien kam, aber an sich hat der Hinduismus nichts mit der Tradition Indiens zu tun.Abgesehen von seiner fremdländischen Herkunft (aus Persien, um präzise zu sein) wird der Terminus "Hinduismus" angewendet, als ob' es sich um eine ganz bestimmte religiöse Erfahrung handeln würde, dabei lässt der Kontext keine Definition des religiösen Phänomens zu, die allzu restriktiv ist. Stattdessen definiert er sich in seiner Vielschichtigkeit als eine ganze Reihe verschiedener Wege in Richtung Erlösung. Heute steht der Hinduismus für diverse Praktiken, die irgendwann zwischen dem 2. und I. Jahrtausend v. Chr. entstanden und über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten reiften. Diese Praktiken resultieren aus der Begegnung verschiedener Gruppen indoeuropäischer Herkunft — insbesondere ihrer religiösen und kulturellen Ideen, die denen der alten Griechen und Römer ähnelten — auf indischem Boden mit lokalen religiösen, kulturellen und sozialen Elementen.
Die Basis bildeten drei Quellen: der Veda (der traditionell als Ausformulierung der Intuitionen oder Visionen der Offizianten und Eremiten gilt, die in den Wäldern lebten), die mythologischen Texte (u. a. die Epen Ramayana und Mahabharata) und eine Reihe von heiligen Texten unterschiedlicher Herkunft und Inhalte. Zu Letzteren gehören die Agamas, Shastras und Sutras (die den Veda und die mythologischen Schriften im Licht konkreter Anwendung und späterer Erfahrungen erklären und interpretieren) sowie die Puranas (alte Geschichten über legendäre Persönlichkeiten).All diese Texte wurden in Sanskrit verfasst, aber es gibt auch spätere Analysen und Übersetzungen in mittlere und moderne indische Sprachen. Die Kenntnis des Sanskrits und seine Weitergabe, die für die Durchführung der Rituale unentbehrlich ist, ist eines der Vorrechte der Priester oder Brahmanen. Das ist der Grund dafür, dass sie an der Spitze eines Systems stehen, das sich ursprünglich zudem in Krieger und Herrscher (Khatriya), Landwirte, Handwerker und Kaufleute (Vaisya) sowie Knechte, Bauern und Arbeiter (Shudra) unterteilte und heute ca. 3000 Kasten und Unterkasten mit verschiedenem religiösen, beruflichen und ethnischen Charakter umfasst. Ganz unten in der Pyramide des Kastensystems in Indien stehen die Dalit (die „Unberührbaren", die auch „Parias" genannt werden oder, wie Gandhi sie optimistischerweise betitelte, harüan, „Kinder Vishnus"), die animistischen und ethnischen Minderheiten und die Ausländer.
Zwar sind es vor allem die Kastenregeln mit ihrer breiten Palette von Vor und Nachteilen, die dem Individuum von Geburt an seine Rolle in der Gesellschaft zuweisen und deren Beachtung einem hilft, nach Erlösung zu streben. Doch existieren neben diesem Weg zur Erlösung, den man legalistisch nennen könnte und der auf den Veda zurückgeht, noch zwei weitere: Einer von diesen ist ein Weg grosser religiöser Hingabe, der in der Mythologie verwurzelt ist und seinen grössten Ausdruck im Kult des Vishnu (des Bewahrers) findet, vor altem in dessen Reinkarnation Krishna als Manifestation einer einzigen, höchsten Gottheit. Der andere Weg ist die Askese und diese geht zurück auf Teile des Veda (z. B. den Upanishod) sowie auf eine parallele Tradition mit stark lokaler Ausprägung, die dem Vorbild des Shiva (des Zerstörers) nacheifert. Bei der Askese sucht der Mensch dort nach Erlösung, wo sie am schwierigsten zu erlangen ist, und zwar mittels psychophysischer Techniken, durch die sich dem Menschen die ultimative und transzendente Wirklichkeit enthüllen soll.
Der Kult des Brahma, der das dritte Element des Trimurti darstellt (dasjenige des Schöpfers), ist in Indien heute selten, weil seine abstrakte Dimension eigentlich nicht so recht zur religiösen Entwicklung des Landes passte. Die Tatsache, dass jeder dieser Gottheiten, wie im Übrigen auch andere im immensen hinduistischen Pantheon, eine ganze Reihe von Symbolen, Objekten, weiblichen Gegenstücken und Reittieren zugeordnet ist, erklärt die weite Verbreitung religiös inspirierter Ikonographie, die sich über Handel und Eroberungen in fast ganz Süd und Südostasien verbreitete, wo sie modifiziert wurde, ihre wahre Bedeutung und ihren Geist aber zu bewahren vermochte.

DIE KHMER WIDMETEN BRAHMA, EINER GOTTHEIT, DIE EHER SELTEN DARGESTELLT WIRD, EINEN WENIGER BEDEUTENDEN KULT. DIESE SKULPTUR (HÖHE 109 Cm) STAMMT AUS DER MITTE DES 19. JAHRHUNDERTS.
Die Buddhismus entstand im 6. Jahrhundert v. Chr — zur Zeit philosophischer Spekulationen, in deren Zentrum die Upanishaden standen — eine spannende Epoche, die geprägt war von religiösen Aktivitäten und der Suche nach Wahrheit, die in Indien dem jainismus zum Aufstieg verhalf, im Iran dem Zoroastrismus und in China dem Taoismus. Von Anfang an zeichnete sich der Buddhismus durch seine strenge Lehre und seinen gleichzeitigen Universalismus aus. Das grundlegende Konzept, das Buddha an seine Anhänger weitergab, ist ganz einfach: Leben bedeutet Leiden und Ursache des Leidens sind das Begehren und das Festhalten am Vergänglichen.Wenn man diesesVerlangen zu beseitigen und hinter den Sinnestäuschungen und geistigen Verzerrungen die ultimative Realität zu erkennen vermag, kann man Leid undTod überwinden und das Nirwana erreichen, die Befreiung oder, wörtlicher wiedergegeben, das „Erlöschen" oder „Verwehen".
In Indien entstanden die ersten Bilder Buddhas erst Jahrhunderte nach dessen Tod. Die bildliche Darstellung überwand (teilweise dank hinduistischer Einflüsse) die ursprüngliche Abneigung des Buddhismus gegenüber jeglichen von Menschen angefertigten Bildern, insbesondere von Buddha. Parallel zur Entwicklung einer buddhistischen Ikonographie, die nach und nach Einflüsse aus dem Iran, Zentralasien, Südasien und dem Fernen Osten inkorporierte, war es die Entwicklung gemeinsamer Elemente, die mithalfen, Buddha (und später die Bodhisattvas) unter der Vielzahl verschiedener Bilder, die Asketen, Fürsten oder Götter bzw. Halbgötter anderer religiöserTraditionen darstellten, zu individualisieren. So entstanden 32 spezielle Kennzeichen der nun immer häufiger stereotypen Darstellungsweise.
Natürlich konnte man all diese Merkmale nicht in einem einzigen Bild darstellen, aber wenigstens eines oder zwei musste ein Porträt aufweisen. Und genau das war es, wodurch sich ein BuddhaBild von einem anderen unterschied. Eines der wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Elemente war das Ushnisha, eine Art Dutt oben auf dem Kopf der die Weisheit Buddhas symbolisierte. Andere Elemente waren längliche Ohrläppchen (ein Zeichen von Adel) und ein Punkt zwischen den Augen (ein Symbol für Hellsichtigkeit). Buddhas ganzer Körper wurde in stilisierter Form und nur selten mit realistischen anatomischen Details dargestellt, sofern sie nicht dazu dienten, den besonderen Charakter eines Porträts auszudrücken (z. B. asketische Spannung,Verzicht oder die Macht der wahren Lehre über das Böse). Dieser stereotype Charakter der buddhistischen Bildhauerkunst (die natürlich auch ihre Ausnahmen kannte) setzte sich nicht deshalb durch, weil die Bildhauer der damaligen Zeit nicht in der Lage gewesen wären, den menschlichen Körper präzise wiederzugeben. Im Gegenteil, die Handwerker und Künstler der Khmer unterzogen sich höchstwahrscheinlich einer langen sorgfältigen Ausbildung, im Rahmen derer sie erst nach Jahren der Erfahrung Steine — die mit wachsender Selbstsicherheit und Erfahrung immer edler wurden — bearbeiten durften, um traditionelle und religiöse Bildnisse zu schaffen und den Vorgaben und dem Geschmack ihrer Gönner gerecht zu werden. Und das war keine leichte Aufgabe. Aus diesem Grund und wegen der Bedeutung, die man in Asien der Kontinuität beimass, vor allem in einer Zivilisation, die auf Unsterblichkeit ausgerichtet war, etablierte sich aus der ständigen Wiederholung und der scheinbaren Ignoranz gegenüber allen Innovationen in der Bildhauerei ein Standard heraus, der bestimmte Merkmale, die in einem Bildnis wichtig sind, aufs Äusserste betont, um so die Überlegenheit des Buddha, seine Spiritualität und sein universelles Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. In der Kunst der Khmer wurde das Bild des Buddha bald durch Bilder der Bodhisattvas ersetzt und es erlebte erst unter dem Einfluss des Thai und TheravadaBuddhismus, in deren Zentrum die MahayanaDoktrin stand, eine Renaissance.
Bei den Khmer ist Buddhas Körper oft geschlechtslos, um Buddhas Fähigkeit zu betonen, das Verlangen zu beherrschen; die Beine sind im Lotussitz gekreuzt, und die Hände bestimmen die Disposition der jeweiligen Darstellung (Schutz, Meditation, Lehre o. Ä.). Buddhas Augen sind meist halb geschlossen und haben die Form von Lotosknospen, und seinen Mund umspielt ein kaum wahrnehmbares Lächeln  das subtile Lächeln eines Menschen, der die ultimative Erlösung erlangt hat.









DIESE ZWEI SEITEN EINES CAITYA (HÖHE 230 CM), EINES BUDDHISTISCHEN MONUMENTS, WIE MAN ES VERWENDETE, UM DIE ASCHE BERÜHMTER PERSONEN AUFZUBEWAHREN, WURDEN ENDE DES 10. JAHRHUNDERTS VERZIERT (MUSSE GUIMET, PARIS).
BRONZESTATUE DES BUDDHA (HÖHE 91 CM), AUF DER NAGA MUCHILINDA SITZEND, DIE IHN BESCHÜTZT. DIESER FUND STAMMT AUS BINH DIH IN VIETNAM UND DATIERT INS SPÄTE 12. JAHRHUNDERT (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).
IN AUFWENDIGES BRONZEPORTRÄT DES BUDDHA, DER VON EINER SIEBENKÖPFIGEN NAGA (HÖHE 49 CM) BESCHÜTZT WIRD. DIESE STATUE STAMMT AUS DEM SPÄTEN 12. / FRÜHEN 13. JAHRHUNDERT (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).

ELEMENT VON EINEM TÜRSTURZ IM PRASAT KOK PO (HÖHE 80 CM, LÄNGE 241 CM), AUF DEM DER GEIER GARUDA ABGEBILDET IST, DAS REITTIER DES GOTTES VISHNU, DER HIER AUF SEINEN SCHULTERN SITZT. ZU BEIDEN SEITEN DES GOTTES SIND FURCHTEINFLÖSSENDE KALAD ÄMONEN ZU SEHEN, DIE ZWEI NAGASCHLANGEN HALTEN (MUSEE GUIMET, PARIS).
Der Tod einer so bedeutenden Persönlichkeit wie Jayavarman II. im Jahr 850 löste zwangsläufig eine dynastische Krise aus, die mehrere Jahre andauerte. KhmerInschriften nennen die Namen von nicht weniger als 39 KhmerMonarchen in der AngkorEpoche, die auf den Thron gerufen wurden, und zwar nicht immer aufgrund ihrer Abstammung, sondern im Gegenteil sehr oft im Zuge turbulenter Ereignisse, die Momente der Krise im Reich markierten. Dies hatte nicht immer nur mit dem militärischen Druck zu tun, den benachbarte Mächte ausübten, oder mit der wirksamen Bekämpfung der Folgen von Überschwemmungen und Hungersnöten.
Zumindest teilweise lag dies auch an der grundlegenden ClanStruktur der KhmerAristokratie. Wenn ein König starb, fiel der Thron automatisch demjenigen zu, der zu einer bestimmten Zeit an der Spitze der ClanHierarchie stand, aber er musste seine Rolle anderen renommierten Exponenten der verschiedenen Zweige des Clans gegenüber verteidigen, die aufgrund der Tatsache Ansprüche anmeldeten, dass die Thronfolge patrilinear oder matrilinear vererbt wurde. Was alles noch komplizierter machte, war die häufig angewendete Praxis der Polygamie, die die Zahl der Thronanwärter noch einmal beträchtlich vermehrte, und die Aufsplitterung des Clans und seinerTerritorien in diverse Nebenlinien.
Allerdings scheint es, dass nach einem kurzen Interregnum 877), des Sohns Jayavarmans II., von Frieden und Stabilität geprägt war und genau dies erklärt vielleicht die spärlichen Informationen, die wir über diesen Herrscher besitzen. Wir wissen, dass er die Errichtung der Sakralbauten von Hariharalaya in Auftrag gab und insbesondere der Prasat Kok Po und der Prasat Prei Monti, im kraftvollen archaischen PhnomKulenStil gehalten, werden ihm zugeschrieben. Sein posthumer Name, Vishnuloka, bezieht sich auf seine Vorliebe für Vishnu, den Gott mit dem universellen Charakter, der durch seine eigenen Attribute und diejenigen seiner göttlichen Nachkommen auf Erden (Avatare), die in der HinduKunst der Khmer kaum vertreten sind, die gesamte Skala menschlicher Erfahrungen umfasst. Diese werden interpretiert und verwaltet durch den König, der mit dem Gott in Verbindung steht Der Prasat Kok Po hat noch immer zwei Türme aus Ziegelstein inmitten eines Komplexes, der von einem Wassergraben umgeben ist; auf den überlieferten Türstürzen finden sich Darstellungen von Vishnu und seinem Reittier, dem Geier Garuda. Die drei Ziegeltürme des Prei Monti, von dem nur noch Teile erhalten sind, erheben sich über einem Teppich aus Laub und Moos. Unter den wenigen Reliefs, die man noch erkennen kann, zeigt ein besonders schönes auf einem Türsturz Indra, einen indogermanischen Donnergott und Götterkönig. Dies war der richtige Zeitpunkt, um für ein inzwischen riesiges und zudem vorübergehend friedliches Reich eine Stätte zu errichten, die der Erhabenheit und (vielleicht sogar noch mehr) den Aspirationen seiner Herrscher entsprach.
Von 877 bis 889 vergrösserte Indravarman I. (der den dynastischen Namen lsvaraloka trug, wahrscheinlich der Enkel einer der Ehefrauen Jayavarmans II. war und sicherlich ein weiterer grosser Herrscher der Khmer) die bislang eher kleine Hauptstadt Hariharalaya und begann in Angkor mit dem Bau einer Tempelstadt, verbunden mit dem Aufbau eines Kanalnetzes mit grossen Reservoirs, durch das sich der Wasserstrom steuern liess. Mehr als die jedes anderen Königs brachten seine Werke die Zivilisation von Angkor dem Konzept einer „hydraulischen Gesellschaft" näher, wie sie von verschiedenen Wissenschaftlern definiert wird — eine Definition, die das Wassermanagement (für Produktions wie für rituelle Zwecke) mit der Funktion und dem Vorrecht des Königs zur Koordination und absoluten Kontrolle verbindet Dieses Konzept wurde kontrovers diskutiert, doch immerhin ermöglicht es uns eine präzise Definition der AngkorZivilisation unter Verwendung einiger erst kürzlich erworbener Kenntnisse, die mit dem täglichen Leben, der Verwaltung des Reiches und der Figur des Königs zu tun haben.
Der kleine Ort Hariharalaya (heute als RoluosGruppe bekannt) war fast komplett eine Schöpfung Indravarmans 1. und seine urbane Gestaltung und seine Architektur wurden zum Vorbild für die gesamte klassische Epoche. Ihm schreibt man auch die Errichtung des riesigen Baray in der Hauptstadt zu, den man Indratataka („Indras Meer") nannte. Die Arbeit an diesem gewaltigen Bau begann nur fünfTage nach der Krönung Indravarmans; dieses immense rechteckige Wasserreservoir, 3800 Meter lang und 790 Meter breit, fasste bis zu 700 Millionen Liter Wasser, von dem man einen Grossteil verwendete, um die Stadt mit Wasser zu versorgen und das um Land zu bewässern. Darüber hinaus führte Indravarman 1. auch die Tradition der grossen Staatstempel oder Tempelberge ein. Er selbst begnügte sich mit dem bescheideneren, aber durchaus eleganten dynastischen Tempel Preah Ko, um seinerVorfahren zu gedenken. Mit diesen beiden Elementen, dem grossen Reservoir und dem Tempelberg (wie ihn ab sofort fast jeder König neben seinem dynastischen Tempel platzieren liess), demonstrierten alle späteren Herrscher der Khmer ihre Grandezza Der hölzerne Palast Indravarmans war wahrscheinlich innerhalb des PreahKoBezirks gelegen.
Der Tempel Bakong indes befand sich südlich davon. Diese Stufenpyramide, die für den Kult des Shiva verwendet wurde und von einer doppelten Mauer umgeben war, ist ein offensichtlicher Vorläufer von Angkor Wat und Angkor Thom, In symbolischer Hinsicht stellt er den Berg Meru dar, in der hinduistischen Mythologie die Heimat der Götter Der grosse mittlere Turm ist mit Sandstein vom Phnom Kulen verkleidet, während die acht ihn umgebenden Türme aus Ziegeln bestehen und mit Stuck verziert sind. Die aus Stein gefertigte Spitze des „mittleren Meru" ist wahrscheinlich eine Rekonstruktion aus einer späteren Epoche, die vermutlich (wie das Original) das Linga beherbergte, das phallische Bildnis Shivas. Der Haupteingang des Komplexes liegt im Osten, der als heilig geltenden Himmelsrichtung, die an das göttliche Wesen des Königs gemahnt, der von den Göttern, die im Osten leben, gekrönt wurde. Wahrscheinlich war der Bakong früher voll von zahlreichen kleinen Sakralbauten; heute beherbergt er eine Gemeinde von TheravadaMönchen, die den laufenden Betrieb einer Schule gewährleisten und die verschiedenen Kultgebäude instandhalten.
Preah Ko („heiliger Stier") erhebt sich auf einer Lateritplattform und erhielt seinen Namen nach einem Standbild des Reitiers Shivas, des Stiers Nandin, im Inneren der Umfriedung. Indravarman I. widmete den im Jahr 880 Shiva geweihten Tempel seinen Eltern, seinen Vorfahren mütterlicherseits, dem Gründer der Dynastie, Jayavarman II., und seiner Frau. All diese Personen wurden durch Statuen von Shiva und seiner Gemahlin in verschiedenen Posen und von unterschiedlicher Grösse dargestellt. Mit seinen sechs Türmen und seinen alternierenden Strukturen aus Ziegeln und Stein ist Preah Ko ein äusserst interessantes Monument. Bekannt ist erjedoch vor allem für die Skulpturen von Wächtern (Dvarapala) und weiblichen Gottheiten (Devata) sowie für die Eleganz seiner Türstürze aus Sandstein, deren Träger und für die Scheintüren, die die Türme schmücken.
Nachdem er seine Hauptstadt verschönert und vergrössert hatte, erweiterte Indravarman I. die Herrschaft der Khmer im Westen bis zur KhoratHochebene in Thailand. Der Wohlstand seines Reiches und eine Epoche des Friedens erlaubten es ihm, die gewerblichen und landwirtschaftlichen Ressourcen seines Landes zur Verwirklichung grosser Projekte zu verwenden. Das unter Indravarman I. und seinen Nachfolgern gebaute komplizierte Netz von Deichen und Kanälen war der Schlüssel zum Wohlstand, den Angkor fünf Jahrhunderte lang genoss. Es bedeutete für die Bauern, dass sie in der Wasserversorgung nicht mehr vom Monsun abhängig und endlich in der Lage waren, mehr als genug Reis für die Bevölkerung zu produzieren.
Als Indravarman I. im Jahr 889 starb, stand der Staat der Khmer bereits auf einer festen territorialen, ideologischen und kulturellen Grundlage. Und er errichtete Bauwerke, die jahrhundertlang seinen Mythos stützen sollten. Heute ist es indes keine leichte Aufgabe, die Grenzen des damaligen KhmerReiches zu definieren — auch hier müssen wir uns wiederum auf Berichte auf Stelen verlassen und auf Anrufungen des Königs, die man in Fundstätten im Osten Thailands entdeckte. Die vielen Beinamen, die des Königs gedenken („ein Löwe unter den Königen", „der Fürst, der alle Tugenden besitzt" o. Ä.), zeugen von einem grossen Herrscher an der Spitze eines Staates, der zugleich als guter Militär respektiert und als besonders gerecht betrachtet wurde.
Nach dem Tod Indravarmans I. brach eine ernsthafte dynastische Krise zwischen seinen beiden direkten Nachfolgern aus, bei der es nach Meinung einiger Historiker sogar zu Seeschlachten auf dem Tonle Sap kam. Am Ende setzte sich Yasovardana durch, der im Zuge seiner Krönung im Jahr 890 den Thronnamen Yasovarman („durch Ruhm geschützt") annahm.
DER SHIVAITISCHE KOMPLEX VON BAKONG, DER ENDE DES 9. JAHRHUNDERTS VON INDRAVARMAN 1. ERRICHTET WURDE

EINER DER ZENTRALEN TÜRME DES PREAH Ko (DER SOGENANNTE HEILIGE STIER). DIESER TEMPEL IST, WIE DER BAKONG, TEIL DER ROLUOSGRUPPE IN ANGKOR UND WIE JENER AUS ZIEGELN ERBAUT.
DIESES DETAIL DER ERHALTEN GEBLIEBENEN DEKORATION VON DER SÜDWAND DER FÜNFTEN STUFE DES BAKONG DEMONSTRIERT DIE HANDWERKLICHEN FÄHIGKEITEN DER KHMER, DIE GERADE BEI DEN TEMPELBERGEN VOLL ZUR GELTUNG KOMMEN.

EIN GARUDA, TEIL DER DEKORATION AN DEN ZENTRALEN TÜRMEN VON PREAH KO, HÄLT ZWEI NAGAS
Es war mehr die architektonische und ornamentale Tradition des Hinduismus als die des Buddhismus, die die grossen Tempel im Dschungel Kambodschas inspirierte, jene einzigartige und faszinierende Kombination aus indigenen und importierten Elementen. In den oft immensen Tempelbauten wie auch in bescheideneren, gleichwohl sehr eleganten Tempeln oder Heiligtümern näherten sich der Kult der Khmer und die Riten der heiligen Stätten dem hinduistischen Ideal des Chakravartin an, des universellen Monarchen, der Herr über die gesellschaftliche Ordnung war und Hüter des ewigen Gesetzes, und man übernahm die Mythen um den kosmischen Berg als Achse der Welt
All dies wurde zum ersten Mal im 9. Jahrhundert sanktioniert im Rahmen eines umfangreichen BrahmanenRituals auf dem Phnom Kulen für König Jayavarman II., der als Unterpfand seiner mit dem Gott Shiva eingegangenen Allianz das Linga erhielt, den phallischen Stein, der den Gott symbolisiert und der von diesem Moment an sichtbares Zeugnis seiner Macht war (mit dem Aufstieg des Buddhismus wurde das Linga durch das Bildnis Buddhas ersetzt). So entstand der Mythos vom Devaraja, vom Gottkönig, dem Beschützer des Universums, dessen Aufenthaltsort nirgendwo anders als auf dem Tempelberg sein konnte. Deshalb errichtete jeder König während seiner Regierungszeit einen persönlichen Tempel, der das Linga beherbergte, das Symbol seiner Königswürde und seiner göttlichen Essenz. Nach seinem Tod wurde derTempel zu seinem Mausoleum und zu einem architektonischen Körper mit ganz bestimmter Funktion: Die mächtigsten Könige errichteten dynastischeTempel, die nicht nur ihre Hoffnung auf ewiges Leben zum Ausdruck brachten, sondern auch eine Art Brücke zwischen Vorfahren und Nachfolgern bildeten. Jegliche

KhmerArchitektur war von der Symbolik des kosmischen Bergs inspiriert, jenes Ortes, an dem die Welt der Menschen und die Welt der Götter miteinander kommunizieren und auch interagieren — und das war der quadratischeTempelturm mit Stufenpyramide aus Ziegeln, Sandstein oder Laterit, die älteste architektonische Schöpfung der Khmer. Aus den zunächst isoliert stehenden und später zusammen zu dritt oder zu fünft gemeinsam auf einer Plattform platzierten Türmen wurde später der theatralisch anmutende Komplex des QuincunxTempelbergs mit vier Türmen an jeder Ecke des quadratischen Grundrisses und einem in der Mitte, die alle durch Säulengalerien miteinander verbunden sind.
Nichts wurde dem Zufall oder den Launen von Mäzenen oder Architekten überlassen. Die Konstruktion richtete sich nach dem, was die Mythen über die Entstehung der Welt, die aus dem fernen Indien kamen, an Regeln vorgaben. Der Tempelberg stand, wenn möglich, neben einem Wasserreservoir, das das Urmeer symbolisierte, dessen chaotische Tiefen Leben enthalten. Dieses Leben wartet darauf, durch ein Werk manifestiert zu werden: das „Buttern des Milchmeeres", das Herzstück der ältesten hinduistischen Mythen, die von den Khmer, deren Schicksal untrennbar mit dem Wasser verbunden war, übernommenen wurden.
Die Bedeutung des Baray, des grossen KhmerStaubeckens, spielte eine wesentliche Rolle bei der Konstruktion religiöser Zentren. Die Königsmacht basierte nicht nur auf heiliger Motivation, sondern auch auf der Fähigkeit eines Herrschers, so gut wie möglich mit dem Wasser umzugehen und es als Ressource auszubeuten, um die Reisfelder zu bewässern — so erhielt der Mythos eine praktische Dimension, und der König wurde zum Lebensspender.

DIE ZENTRALEN HEILIGTÜMER DES UM DAS JAHR 967 ERRICHTETEN BANTEAV SREI ZEICHNEN SICH DURCH IHR KLEINES FORMAT UND IHRE FÜLLE DEKORATIVER ELEMENTE AUS
Der Hauptteil einesTempels steht für den mythischen Berg Meru, der in der indischen Religion das Zentrum des Universums ist und die regulative Achse symbolisiert, die das ursprüngliche Chaos in die manifeste Welt verwandelt hat Die fünf symmetrisch angeordneten Türme des Tempels beziehen sich dabei auf die fünf Gipfel des Meru.
Die vorstehenden Tore an den speziellen Pavillons, die in den vier Himmelsrichtungen ausserhalb des Baus liegen, feiern die Erweiterung der königlichen Macht auf das gesamte Universum. Die Brücke mit der Schlangenbalustrade verbindet die Wohngebiete und den Tempel, also die Welt der Menschen und die der Götter Sie bezieht sich auf den Regenbogen, der Himmel und Erde verbindet, sowie auf den von den Schlangen beigebrachten Regen (daher die Präsenz der Naga).
Tatsächlich besitzt jedes Element des Bauwerks eine mythologische, allegorische oder multiple Bedeutung und dient dazu, die göttliche Dimension der Bauten hervorzuheben, die eigentlich symbolische Mikrokosmen sind: Die Schwäne und die Garuda (in der Regel als grosse Raubvögel dargestellte Fabelwesen), die an der Basis der Bauten auftauchen, teilen uns mit, dass diese Bauten letztlich nicht mehr und nicht weniger sind als Streitwagen der Götter in Form von fliegenden Palästen. Im Inneren unterstreicht das Vorhandensein von Statuen in der Gestalt von Shiva,Vishnu oder den Bodhisattvas, dass sich der Tempel selbst über seine menschlichen Konstrukteure erhebt und zur himmlischen Wohnstatt wird.
Die Skulpturen in diesen Monumenten besitzen einen ganz eigenen Wert; es ist eine Kunst mit tiefgehender religiöser Bedeutung — so tiefgehend, dass die Statuen durch eine Zeremonie „zum Leben erweckt" wurden, die man „das Öffnen der Augen" nannte. Das ist der Grund dafür, dass man Skulpturen sogar an Orten aufstellte, wo sie kein ästhetisches Bedürfnis befriedigen konnten, ganz einfach weil sie niemand zu sehen bekam. Die wichtigste Statue war der Schrein'des Geistes des verstorbenen Königs und sie stand an der Stelle, wo seine Asche aufbewahrt wurde.
Nur wenige Statuen stehen heute noch an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort, denn viele wurden später von Dieben entfernt und/oder beschädigt auf der Suche nach Schätzen, die vielleicht nie existierten oder zumindest nicht so wertvoll waren, wie die Plünderer hofften, da sie eher symbolischer Natur waren. Wie in anderen Kulturen auch waren die unterschiedlichen Funktionen, die die Voraussetzung für den Bau eines Tempels in einem religiösen Komplex bildeten, in der KhmerZivilisation eine Reaktion auf verschiedene Bedürfnisse; drei dieser Bedürfnisse waren geradezu unverzichtbar:Andacht, Gedenken und Bildung.
Genau wie in Indien bedeckten in Südostasien lange Abfolgen von Flachreliefs in verschiedenen Registern das Äussere der Tempel entlang der Wandelgänge, die üblicherweise für Prozessionen, eine übliche, religiöse Praxis, genutzt wurden. Grosse freistehende Skulpturen von Gottheiten wurden wahrscheinlich innerhalb der Kultstätten aufgestellt, wo sie im Halbdunkel an Stellen standen, die sorgfältig nach dem täglichen und jahreszeitlichen Zyklus der Sonne ausgewählt wurden, was den Bildnissen der Götter eine geheimnisvolle Note verlieh.

DIESE KÖPFE NAGAS (HÖHE 218.cm, LÄNGE 180 CM) WACHTENEINST ÜBER DIE RUINEN VON PREAH KHAN IN ANGKOR . DIE ZUM PREAH KHAN FÜHRENDE ALLEE BESASS WIE AUCH ANDERE KOMPLEXE IN ANGKOR ZWEI BALUSTRADEN IN GESTALT  VON DURCH RIESEN GESTÜTZTEN NAGAS .
Der Sinn und Zweck der kleineren Statuen, der Darstellungen von Alltagsgegenständen und der kostbaren Objekte, die bei archäologischen Ausgrabungen in grossen Mengen zutage gefördert wurden, ist weniger deutlich: Wahrscheinlich waren sie Stiftungen für den Tempel,Votivgaben oder persönliche Gegenstände.
Die HinduTempel und buddhistischen Shipas enthielten eine Vielzahl religiöser und magischer Darstellungen, wurden aber auch selbst als Kultobjekte verehrt. Man kann sie als Mikrokosmen ansehen, die die Vielfalt des Universums widerspiegeln oder,'wie gezeigt, die Struktur des kosmischen Bergs der alten indischen Mythologie, des Wohnsitzes der Götter, oder auch die Erschaffung der Welt. Sie standen im. Mittelpunkt des gesellschaftlichen Miteinanders und das Schicksal der gesamten Nation der Khmer stützte sich auf seine wichtigsten Kultstätten.
Normalerweise waren die Fassaden eines HinduTempels nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet, und die Türme waren ebenfalls in vier Richtungen um einen mittleren Turm herum angeordnet. Der Grundriss war quadratisch, mitunter auch rechteckig. Den Haupttempel umgab eine Umfriedung mit einer oder mehreren Mauern; tlen Zugang zu den Höfen darin boten aufwendige überdachteGänge, die die einzelnen Höfe miteinander verbanden. Die komplette Struktur glich einem Mandala, der grafischen Darstellung der Vielfalt und kreisförmigen Natur der Existenz und ihrer Erfahrungen.
Diese Kosmologie, für deren Bau je nachdem, wo und .wann er errichtet wurde, verschiedene Baustoffe verwendet wurden, findet man in ganz Südostasien in buddhistischen Komplexen (wie der Bayon von Angkor, der Borobudur auf Java oder die burmesischen Stupas in Pagan) ebenso wie in hinduistischen (wie Angkor Wat).
Im kambodschanischen KhmerReich beruhte der Kult des Gottkönigs (Devaraja) auf der Annahme, dass der Souverän Vermittler und Interpret des Willens der Götter war und dass die Gottesstatuen in den Tempeln, die der König bauen liess, Zeichen dafür waren, dass die Götterwelt dem König das Recht verlieh, zu herrschen. Während die hinduistischen Herrscher Shiva oder Vishnu als Schutzgötter auswählten und sich somit in Gestalt dieser Gottheiten darstellen liessen, bezogen sich die buddhistischen Könige nicht in gleicher Art und Weise auf Buddha (der auf jeden irdischen Besitz und jegliches Prestige verzichtet hatte), sondern stattdessen auf einen der vielen Bodhisattvas, von denen man glaubte, dass sie nicht nur noch immer am Leben in dieser unserer Welt teilnahmen, sondern zudem über aussergewöhnliche Kräfte verfügten.
Der dritte Grund für den Bau der Tempel war die Vermittlung von Kenntnissen im Bereich der Religion, was wiederum durch die entsprechende Architektur und Ikonographie unterstützt wurde: Im Innerer) einer architektonischen Struktur, die symbolisch für das Universum stand, besassen die grossen narrativen Reliefs an den Tempelwänden auch eine wichtige erzieherische Funktion. Die KhmerHerrscher gaben (vor allem in Kambodscha) für die Tempelmauern sehr grosse Reliefs in Auftrag, die ebenso historische oder hagiographische Episoden aus der buddhistischen Tradition zeigten wie lebhafte Darstellungen von Episoden aus der hinduistischen Mythologie. In einigen Fällen jedoch boten sie im Rahmen der typischen Interaktion zwischen Götter und Menschenwelt auch einen detaillierten Blick auf das Leben bei Hofe, auf die Adligen und die Bürgerlichen — wertvolle Dokumente über historische Ereignisse, alltägliche Gewohnheiten, wirtschaftliche Aktivitäten und künstlerische Tätigkeiten.
ANTHROPOMORPHE STATUE MIT AFFENKOPF WAR EINER DER HÜTER DES TEMPELS BANTEAY SREI

EIN WÄCHTER MIT DEN ZÜGEN EINES YAKSA

GARUDA WIRD AUF VERSCHIEDENE WEISE DARGESTELLT. DIESE STATUE AUS DEM TEMPEL BANTEAY SREI
Von Anfang an besass das Reich der Khmer drei Grundlagen: seine Lage (um die Region nördlich des Tonle Sap, des Grossen Sees, in Kambodscha), seine politische Struktur und einem Universalherrscher mit halbgöttlichen Attributen) und seine Religion (buddhistisch mit ausgeprägten hinduistischen Merkmalen bzw. Einflüssen). Alle drei dieser Grundlagen hatten ihren Mittelpunkt in Angkor, einer zugleich menschlichen wie göttlichen Stadt: Sie war Hauptstadt des Reiches und Zentrum der kulturellen und religiösen Diffusion: Drehscheibe von Handel und Transport, von kosmischer Energie und Kraft; Sitz prunkvoller Höfe mit architektonischen Werken, die ganz offensichtlich die Unsterblichteit ihrer Erbauer versinnbildlichten, als immenses memento mori und Symbol menschlicher Unzulänglichkeit und Sterblichkeit Bedenkt man, dass zu diesen Komponenten im Laufe seiner historischen Entwicklung noch wichtige Einflüsse von aussen hinzukamen, erklärt dies leicht den vielfältigen und heterogenen Charakter des KhmerReiches, seine Stärke und gleichzeitige latente Fragilität Durch jedes dieser Elemente entwickelte sich das Reich weiter zu einer dynamischen und .hoch angesehenen Zivilisation, die oft nachgeahmt wurde, aber auch voll von zerstörerischen Konflikten war.
Einmal mehr sind es die Inschriften auf den Stelen im ehemaligen Reichsterritorium, die uns mitteilen, dass Indravarmans Sohn,Yasovarman 1. (der 889 bis 900 regierte), seine Herrschaft mit einer sehr verdienstvollen Aufgabe begann, die ihm wahrscheinlich die Sympathie der gesamten buddhistischen Welt einbrachte: Er liess im ganzen Reich 100 Einsiedeleien (Ashrama) für die Mönche errichten. Die einzigen Spuren, die wir von diesen heute noch besitzen, sind Widmungsstelen, die über ein Gebiet verstreut sind, das sich von Kambodscha nacn OstThailand und SüdLaos erstreckt Wie viele andere Werke bieten uns auch diese Stelen wertvolle Informationen über die Mäzene und den Kontext ihrer Errichtung, ohne indes zu erwähnen, wer sie entwarf und baute. In einer späteren Phase konzentrierte dieser König seine aussergewöhnlich umfangreichen Bautätigkeiten vor allem auf seine kleine Hauptstadt Hariharalaya,Vor allem schuf er dort den Ahnentempel von Lolei auf der kleinen Insel mitten im IndratatakaBaray, den sein Vater hatte bauen lassen.
Lolei besteht aus vier massiven Backsteintürmen, die auf einer Plattform stehen, die ebenfalls aus Ziegeln besteht umgeben von einer Wand aus Latentblöcken. Laterit ist ein poröses und brüchiges Gestein, das erhärtet, wenn es Luft und Sonne ausgesetzt wird. Die Texte auf den aus Sandstein geschnitztenTürpfosten verraten uns, dass derTempel Indravarman geweiht war; der mit Shiva gleichgesetzt wurde.
Nachdem er seine dynastischen Pflichten erfülh hatte, richtete Yasovarman seine Aufmerksamkeit auf die Ebene im Westen, und er beschloss, dort eine neue Hauptstadt zu gründen  dort, wo heute Angkor liegt Wahrscheinlich traf er diese Entscheidung aus verschiedenen Gründen, die alle gleich wichtig waren: aus strategischen .zentraler gelegen, in einem Ges: et Bedeutung für das Reich war; eine landrouten und Wasserwege er Grossen See und den Hügel Gründen (die Wasserstrassen  de aus praktischen Gründen (es gar flaches Land, fruchtbare Böden und günstige Bedingungen).
EINE WEIBLICHE GOTTHEIT, MIT REICHEN VERZIERUNGEN UND SCHMUCK AUSGESTATTET, AUS ANGKOR WAT, DEM IDEELLEN ZENTRUM DER WELT DER KHMER.
Die neue Hauptstadt Yashodharapura („die ruhmreiche Stadt"), erhob sich auf einer kleinen ovalen Anhöhe um den Tempelberg Phnom Bakheng herum, um ihre symbolische Kraft und Bedeutung herauszustellen. Ausserhalb der Stadt hatte Yasovarman zudem noch zwei kleinere Tempel errichtet, ebenfalls in erhöhter Lage.. Der erste, den man Phnom Bok nennt, entlang der Verbindungslinie zwischen Phnom Bakheng und Prasat Rong Chen auf dem Gebirgszug Phnom Kulen, diente als Zeugnis der Gründung des Reiches und Garant für seinen Wohlstand, der zweite, Phnom Kram, liegt im Süden, mit Blick auf den grossen See Tonle Sap.
Phnom Bakheng wurde wahrscheinlich im Jahre 907 gebaut und war der bis dahin grösste und komplexeste Tempel der Khmer. Innerhalb einer Umfassungsmauer mit eingebetteten Schreinen konzipierten die Architekten eine grosse Pyramide mit fünf Terrassen, in die weitere kleine Schreine integriert waren (insgesamt 108 Stück, eine magische Zahl im Hinduismus). Dazu gehörten im Quincunx angeordnete Türme auf einer niedrigen Plattform an der Spitze der Pyramide; vier zeigten in die vier Himmelsrichtungen und der fünfte und höchste stand in der Mitte  eine symbolische Struktur (Mandala), die sich auf die Gipfel des mythischen Bergs Meru bezieht Im Hauptschrein in der Mitte des Mandalas befand sich ein dem Shiva in der Person des Yashodhareshvara („der ruhmreiche Herr") geweihtes Linga.
DER ERSTE TEMPELBERG MIT QUINCUNXSTRUKTUR WAR PHNOM ESAKHENG (HÖHE 67 Ni), ETWA IM 9./10. JAHRHUNDERT IN YASHODHARAPURA IN DER REGION ANGKOR ERRICHTET.
Drei weitere Elemente des Staatstempels Bakheng waren integrale Bestandteile der religiösen Architektur der Khmer. Das erste ist der Zugang zum nach Osten ausgerichteten Komplex, das zweite zwei Wächterlöwen im Eingangsbereich (in diesem Fall am Fusse des Hügels) und das dritte Element sind die zwei „Bibliotheken" zu beiden Seiten des Wegs, über den man den Tempel erreichte. „Bibliotheken" nennt man die charakteristischen niedrigen Anbauten in der KhmerArchitektur mit lediglich einer Kammer, die von den Buddhisten dazu genutzt wurden, die heiligen Texte und kostbaren Objekte der nahegelegenen Klostergemeinden aufzubewahren. Sie wurden wahrscheinlich ausserdem von HinduPriestem zu kultischen Zwecken verwendet Yasovarman konsolidierte die Tradition, dass jeder König zuerst den Bau einer grossen öffentlichen Anlage in Auftrag gab und danach den Bau seines Ahnentempels und des Staatstempels: Vor der Errichtung des Lolei in lndratataka hatteYasovarman bereits mit der Arbeit an einem riesigen Wasserreservoir begonnen, das 7,2 Kilometer lang und I ,6 Kilometer breit war: dem östlichen Baray oder Yashodharatataka. Der östliche Baray liegt im Osten des Tempelbergs und muss sowohl für praktische wie auch für rituelle Zwecke verwendet worden seinWahrscheinlich war dies bei allen grossen Barays der Fall, auch wenn die Motivation für diese Bauwerke noch nicht endgültig geklärt ist. Zum Beispiel gibt es keine Spuren dieser Reservoirs auf den unzähligen Flachreliefs, die so viele Details und Aspekte des Lebens im KhmerReich zeigen.
EIN LÖWE BEWACHT DAS ZENTRALE HEILIGTUM VON PHNOM BAKHENG. TROTZ DER SCHÄDEN, DIE DIE ZEIT AM LANGE VERNACHLÄSSIGTEN TEMPEL ANRICHTETE, HAT ER SEINE KOMPLEXE EPISCHE UND SYMBOLISCHE DIMENSION BEWAHRT.
AlsYasovarman I. um das Jahr 900 herum starb, hatte er zwei direkte Nachfolger: Harshavarman 1. (910923) und Isanavarman II. (923928), zwei Brüder, die komplett im Schatten der Heldentaten ihres Vaters standen und nur wenige Bauwerke hinterliessen, mit Ausnahme zweier Bauten, die auf den ersteren der beiden Brüder zurückgehen: der Baksey Chamkrong, ein kleiner Ziegelpyramidentempel im Nordosten des Phnom Bakheng, und der Prasat Krayon („KardamomHeiligtum") mit seinen drei zierlichen Ziegeltürmen, von denen der Hauptturm aussergewöhnliche Skulpturen von Vishnu und seiner Gemahlin Lakshmi beherbergt.
Im Jahre 928 beschloss der Usurpator Jayavarman IV aus uns unbekannten Gründen, die Hauptstadt nach Koh Ker, etwa 90 Kilometer nordöstlich von Angkor, zu verlegen. Dort errichtete er eine prächtige Anlage mit Hunderten von Monumenten in verschiedenen Grössen, von denen viele noch heute in den umliegenden Wäldern verborgen sind; das Betreten der Wälder ist jedoch äusserst gefährlich, da dort noch immer viele Landminen liegen. Etwa 15 Jahre lang regierte Jayavarman IV hier in einer Region, die reich an Bodenschätzen, aber relativ trocken war Seine Regierungszeit ist in zeitgenössischen Chroniken verzeichnet Der Nachwelt war er in erster Linie durch diverse grosse Steinskulpturen bekannt, die sich durch ihre aussergewöhnlich hochwertige Verarbeitung auszeichnen und ein feines Gespür für Bewegungen offenbaren. Einige dieser Skulpturen (darunter die berühmten erbittert gegeneinander kämpfenden Affenmenschen) kann man im Nationalmuseum von Phnom Penh bewundern.
Auch nach dem Ende der eher bizarren Herrschaft Jayavarmans IV muss Angkor von seinen hochqualifizierten Bildhauern profitiert haben, die den Sandstein von Koh Ker verwendeten. Der riesige königliche Palast und das im Süden des Palastes gelegene aus dem Felsen gehauene Wasserreservoir sind die wichtigsten zivilen Bauwerke dieser Stätte. Allerdings ist es auch hier wieder der Staatstempel, der Prasat Thom, der einen am meisten staunen lässt. Dieses westlich vom Königspalast gelegene Monument ist eine imposante siebenstöckige Pyramide, gekrönt von einem shivaitischen Schrein, der einst ein enormes Linga beherbergte.
Nachdem Jayavarman IV. im Jahre 941 gestorben war, regierte drei Jahre lang Harshavarman II., eine schwache Persönlichkeit, und das Reich lief Gefahr zu zerfallen, als sich mehrere niedere KhmerHerrscher entschlossen zeigten, sich vom Königreich loszusagen und unabhängig zu werden.
KOMPLEXE ORNAMENTE SCHMÜCKEN DAS ZENTRALE HEILIGTUM DES PHNOM BAKHENG, DER DEM KULT DES SHIVA GEWIDMET WAR.
DAS ZENTRALE HEILIGTUM DES PHNOM BAKHENG IST VON FASZIEN UMGEBEN, DIE DIE ECKEN DES GEBÄUDES MARKIEREN UND MIT WEIBLICHEN FIGUREN DEKORIERT SIND.

AM MITTLEREN TURM DES PRASAT KRAVAN IST VISHNU AUF BESONDERS AUSDRUCKSVOLLE WEISE DARGESTELLT.
SÄULEN ZU EINEM EINGANG ZU EINEM DER TÜRME DES PRASAT KRAVAN. SIE STAMMEN AUS DER ERSTEN HÄLFTE DES 10. JAHRHUNDERTS.

PRASAT KRAVAN, EIN IN ARCHITEKTONISCHER HINSICHT WENIGER BEDEUTENDER KOMPLEX, WURDE ZUM GRÖSSTEN TEIL UMGEBAUT UND BESASS FÜNF TÜRME AUF EINER EINZIGEN PLATTFORM.

SEHR WENIG IST ERHALTEN GEBLIEBEN VON DEN GEBÄUDEN DER TEMPELANLAGE KOH KER, DIE ETWA 60 KILOMETER VON ANGKOR ENTFERNT MITTEN IM WALD LIEGT. WARUM SIE ERRICHTET WURDE, WEISS MAN NICHT GENAU.

DIE STADT KOH KER, AUF GEHEISS JAYAVARMANS IV. (REG. 928944) ERRICHTET, WAR ETWA 20 JAHRE LANG ANSTELLE VON ANGKOR DIE HAUPTSTADT DER KHMER
DIE ENORME GRÖSSE EINIGER STATUEN IN KOH KER DEMONSTRIERT DIESE HAND DES SHIVA, DIE 50 CM HOCH IST (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).

DEN BERÜHMTESTEN SKULPTUREN DER KHMERKUNST VERANSCHAULICHT DIE DARSTELLUNG DES KAMPFES ZWISCHEN SUGRIVA UND VALIN  (HÖHE 193 CM), DEN AFFENMENSCHEN DES RAMAYANA, DIE MERKMALE DER KUNST VON KOH KER AM BESTEN (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).

DER ÖSTLICHE MEBON, EIN VON RAJENDRAVARMAN II. (REG. 944968) ERBAUTER TEMPEL, LIEGT AUF EINER EHEMALIGEN INSEL IM ÖSTLICHEN BARAY UND VERDEUTLICHT DIE SYMMETRIE UND LEICHTIGKEIT, DIE FÜR DIE TEMPELBERGE SO CHARAKTERISTISCH IST.
Bald übernahm Harshavarmans Vetter Rajendravarman II. die Macht Er verlegte im Jahre 944 die Hauptstadt zurück nach Yashodharapura und gliederte alle Gebiete, die mittlerweile unabhängig geworden waren, wieder Ins Reich ein. Allerdings war das Zentrum seiner Macht nicht das Gebiet rund um Phnom Bakheng, sondern es lag südlich des östlichen Baray. Hier baute Rajendravarman II. zwei grosse Tempelberge. Einer war der östliche Mebon, auf einer Insel im östlichen Baray gelegen, und der andere Preah Rup, der Staatstempel — ein im Jahre 961 dem Shiva geweihter Komplex aus Ziegeln und Sandstein mit dem typischen QuincunxGrundriss. Rajendravarman IL, ein frommer MahayanaBuddhist, der dennoch den HinduGlauben vieler seiner Untertanen tolerierte, baute zudem den kleinen Tempel Bat Chum, der Buddha geweiht ist. Nur neun Jahre trennen den Bau des östlichen Mebon und des Preah Rup, zweier shivaitischerTempel mit ähnlichem Grundriss, ähnlichen Bauten und Dekorationen. Die Dekoration des ersteren Monuments ist architektonisch gesehen von höherer Qualität, die des letzteren weist eine grössere Ausgewogenheit und Leichtigkeit auf.
LAKSHMI, DIE FRAU DES VISHNU, HIER AUF DEM GOPURAM DES NORDÖSTLICHEN EINGANGS DES ÖSTLICHEN MEBON, WIRD VON ELEFANTEN MIT WASSER BESPRITZT. DAS ELEFANTENMOTIV FINDET SICH AN DIESEM KOMPLEX IMMER WIEDER.
m Mebon wird die Symbolik des mythischen Bergs Meru, zugleich Wohnstatt der Götter und Mittelpunkt des Universums, von der Platzierung des Tempels in der Mitte des grossen Sees unterstrichen. Heute ein Reisfeld, enthielt er einst 40 Milliarden Liter Wasser, die aus dem Fluss Siem Reap hineinflossen. Ein charakteristisches Merkmal der Anlage ist die Eckendekoration in der ersten und zweiten Ebene, mit dem wiederholten Motiv von Elefanten, die ganz realistisch und mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet sind. Und wieder sind es die Reliefs an den Türmen, die mit einer ausgeprägten Lebendigkeit und grossem künstlerischen Geschmack die kosmischmythologische Vision der Khmer wiedergeben im Einklang mit dem ästhetischen Kanon einer einzigen, einheitlichen Zivilisation.
Der Preah Rup wurde für Begräbnisrituale verwendet, vielleicht hat man ihn aus diesem Grund weniger beachtet Er befindet sich in leicht erhöhter Lage und dominiert so den östlichen Baray.Von besonderem Interesse sind die beiden „Bibliotheken", die den östlichen Eingang auf der zweiten Ebene flankieren und von hohen Türmen mit dekorativen Elementen gekrönt sind, die man nirgendwo anders findet, z. B. ein Stein mit hineingehauenen Darstellungen der neun Planeten der indischen Astrologie und der Askese. Die Überreste der Stuckverzierungen an den mittleren Türmen offenbaren kuriose Details: Am südwestlichen Turm finden sich ein Abbild der Brahmi, des weiblichen Gegenstücks von Brahma, und ein Vishnu in der eher ungewöhnlichen Inkarnation als Wildschwein. Apsaras umgeben die männlichen (an den Osttürmen und dem mittleren Turm) und die weiblichen Darstellungen (an den Westtürmen), die in die Nischen gemeisselt wurden.
Rajendravarman II. beschloss, als Ahnentempel den alten Baksey Chamkrong zu verwenden, einen bescheidenen Pyramidentempel am Fusse des Hügels, über dem der majestätische Phnom Bakheng thronte. Er restaurierte ihn und platzierte im Schrein an der Spitze der Pyramide eine vergoldete Statue von Parameshvara („höchster Herr" = Shiva).Während von der Umfriedungsmauer ausser den Resten eines Gopuram mit Treppe an der Ostseite praktisch nichts mehr übrig ist, sind die ursprünglichen Merkmale der Pyramide aus Laterit und Ziegeln (den typischen Baustoffen des 10. Jahrhunderts) praktisch intakt geblieben. Das fängt an mit der Grösse: Der Bau hat an der Basis eine Seitenlänge von 27 Metern und an der Spitze von 15 Metern. Er ist 13 Meter hoch, in vier Stockwerke aufgeteilt, mit vier schmalen Treppen, die in die vier Himmelsrichtungen ausgerichtet von der Basis zur Spitze führen. Das Beeindruckendste am Monument ist der Schrein an der Spitze mit 8 Metern Seitenlänge. Der einzige echte Eingang befindet sich an der Ostseite. Die Scheintüren, die in die anderen Himmelsrichtungen weisen, sind mit ihren dekorativen Stürzen und dünnen Säulen die einzigen Elemente, die aus Sandstein gefertigt sind. Sie sind mit dekorativen Schnitzereien und Inschriften verziert, die die Genealogie des Königs darstellen, bis zurück zum mythischen Asketen Kambu, dem Shiva eine himmlische Nymphe (Apsara) zur Braut gab. Ihre Nachkommen (die Kambuja) waren die Khmer bzw, in Erweiterung des Begriffs die heutigen Kambodschaner.
Der siegreiche Kampf Rajendravarmans II. gegen die Cham hat durchaus etwas Episches und bis 968, dem Jahr seines Todes, gelang es ihm mit seinen Feldzügen, den Grenzen seines Reiches ein gewisses Mass an Sicherheft zu garantieren. Dies ermöglichte seinem Sohn und Nachfolger Jayavarman V, der als Jugendlicher den Thron bestieg eine lange Regierungszeit (9681001), in der wichtige architektonische Werke entstanden. Besonders bemerkenswert unter diesen sind der beeindruckende Tempelberg Takeo und der shivaitische Komplex Banteay Srei („Zitadelle der Frauen"), den sein Vater in Auftrag gegeben hatte, der aber zu Beginn der Regierungszeit Jayavarmans V von dessen Berater, dem Brahmanen Yajnavaraha, offiziell Shiva geweiht wurde.
Banteay Srei, 22 Kilometer vom Zentrum Angkors entfernt, ist ein wahres Juwel der KhmerArchitektur, was seine reduzierte, fast miniaturhafte Grösse betrifft (die Eingänge zu den Gebäuden sind kaum mehr als 1,20 Meter hoch) und die wunderbaren Ornamente und Skulpturen, die den Bau schmücken und mehr an Holzkonstruktionen erinnern als an steinerne. Dies sind Beispiele einer ausgereiften Technik die hier mehr als irgendwo sonst ihre Inspiration bei indischenVorbildem fand, sie aber dennoch keineswegs imitierte. Die Stätte wurde von Franzosen restauriert, die hier in Angkor zum ersten Mal überhaupt die Technik der Anastylose praktizierten. Der Standort zeichnete sich dadurch aus, dass es ganz in der Nähe Lateritablagerungen gab und am nahegelegenen Phnom Kulen Steinbrüche mit rotem Sandstein, was die Erbauer jedoch merkwürdigerweise nicht dazu verleitete, ein besonders grosses Bauwerk zu errichten. Da Banteay Srei dem Kuh des Shiva geweiht was weist der Haupteingang nach Osten. Zugang zum Allerheiligsten erhält man über einen geraden erhöhten Zeremonienpfad, der von Pavillons flankiert ist und zu einem in die erste Umfriedungsmauer eingelassenen Gopuram führt und von hieraus in den Mittelpunkt des Komplexes; ein zweiter dachloser Durchgang und ein PortalPavillon in der zweiten Mauer bieten Zugang zum zentralen Teil des Baus.
Dieser mittlereTeil enthielt drei grosse Schreine (der mittlere war der wichtigste und enthielt einst ein grosses Linga) sowie zwei „Bibliotheken" und einige kleinere Gebäude. Die architektonischen Strukturen sind bemerkenswert, doch berühmt ist dieser Komplex hauptsächlich für seine Skulpturen: die beinahe freistehenden Wächter (Dvarapala) und Göttinnen (Devata), die die Türen flankieren und auch an den äusseren Mauern verewigt sind, sowie Episoden aus den Purcrias und den epischen Dichtungen, die in komplexen Bildfolgen die Tympana schmücken und Schwierigkeiten zu haben scheinen, sich zwischen all den ausgearbeiteten Pflanzenmotiven zu behaupten, die fast jeden Quadratzentimeter des Hauptteils des Komplexes bedecken. Während der Banteay Srei ein Monument für den leidenschaftlichen Glauben des Brahmanen Yajnavaraha und seiner profunden Kenntnis des vielgestaltigen hinduistischen Universums ist, so ist derTempel doch zugleich auch eine Hommage an die religiöse Toleranz des Königs. Genau wie sein Vater, der Buddhist was bereicherte er seinen eigenen Glauben an den bereits ziemlich vielfältigen MahayanaPantheon bereitwillig durch Elemente aus dem Shiva und dem VishnuKult. Seinen Staatstempel, den Takeo, liess Jayavarman V. am westlichen Ufer des östlichen Baray errichten.
DER GRUNDRISS DES ÖSTLICHEN MEBON IST EINER DER KOMPLEXESTEN ALLER TEMPELBERGE. SEINE STRUKTUR IST EINE IDEALISIERTE REPRODUKTION DES BERGS MERU.

DER PREAH RUP HAT DEN TYPISCHEN GRUNDRISS DER TEMPELBERGE DER KHMER; VARIABLE ELEMENTE SIND DABEI DIE GRÖSSE, ANZAHL UND FUNKTION DER KLEINEREN GEBÄUDE, UMFRIEDUNGEN UND HÖFE.

DIE FÜNF MITTLEREN TÜRME DES TEMPELBERGS PREAH Rup NAHE DES ÖSTLICHEN BARAY, ZEICHNEN SICH DURCH EINE GROSSE FORMALE AUSGEGLICHENHEIT AUS.

BANTEAY SREI, EIN KOMPLEX AUS DER ZWEITEN HÄLFTE DES 10. JAHRHUNDERTS, LIEGT ETWA 27 KILOMETER VOM MITTELPUNKT ANGKORS ENTFERNT. DAS FOTO ZEIGT DIE VORKAMMER (MANDAPA) DES ZENTRALEN PRASAT.

DAS FRÜHESTE BEISPIEL FÜR DIE VERWENDUNG VON ROTEM SANDSTEIN IN DER SAKRALARCHITEKTUR DER KHMER IST BANTEAY SREI. DIESER TEMPEL IST NICHT NUR GUT ERHALTEN, SONDERN VERFÜGT AUCH ÜBER AUSGEZEICHNET GEARBEITETE SKULPTUREN, DIE NOCH IMMER INTAKT SIND, WIE DIESE APSARA.

DER BAKSEY CHAMKRONG, IM JAHRE 947 SHIVA GEWEIHT, ZEICHNET SICH DURCH SEINE EINFACHHEIT AUS. WAHRSCHEINLICH ERFÜLLTE ER EINE FUNKTION IM BEREICH DER BEGRÄBNISRITEN.
DIE SOGENANNTE ZITADELLE DER FRAUEN LIEGT MITTEN IN EINEM WALD, WAS IHRE FASZINATION NOCH ZUSÄTZLICH STEIGERT. SIE ZEICHNET SICH DURCH IHRE WINZIGEN GEBÄUDE AUS. DIE ABBILDUNG ZEIGT DAS ÜBERDACHTE EINGANGSTOR DER ZWEITEN UMFRIEDUNG.


AN DEN MEISTEN DER GEBÄUDE SIND, ZUSAMMEN MIT STILISIERTEN PFLANZENMOTIVEN VOR ALLEM IM MITTLEREN ABSCHNITT, SYMBOLISCHE UND MYTHOLOGISCHE ERZÄHLUNGEN DARGESTELLT.

VON KLEINER GRÖSSE, ABER MIT PERFEKTEN PROPORTIONEN UND DETAILS  DIE MENSCHLICHEN FIGUREN, WIE DIESE FRAU AUF DEM HAUPTSCHREIN, IM BANTEAY SREI ZÄHLEN ZU DEN SCHÖNSTEN, DIE DIE KUNST DER KHMER ZU BIETEN HAT

DER VON SHIVA BESIEGT WIRD (DER IHN HIER ÜBERRAGT), IST EIN ALLES ZERSTÖRENDER DÄMON, DER HEILIGE STÄTTEN SCHÜTZT. HIER ZIERT ER EINEN DER EINGÄNGE DES BANTEAY SREI.

KALA HÄLT ZWEI NAGAS IM MUND  EIN HÄUFIGES MOTIV IN DER KHMERKUNST, DAS AM BANTEAY SREI MIT EINER FÜLLE VON DETAILS AUSGEFÜHRT WURDE.

Tankeo, unvollendet  AUS UNS UNBEKANNTEN GRÜNDEN UNVOLLENDET, BIETET TAKEO EINEN ERHABENEN EINDRUCK, DER DURCH DIE VERTIKALE AUSRICHTUNG UND DIE REDUZIERTHEIT DER BEGLEITENDEN ARCHITEKTONISCHEN ELEMENTE NOCH AKZENTUIERT WIRD.
EIN RECHTECKIGER, NICHT QUADRATISCHER GRUNDRISS MIT TÜRMEN IM QUINCUNX AUF DREI EBENEN EINMAL MEHR NAHM SICH DER ARCHITEKT DEN MYTHISCHEN BERG MERU ZUM VORBILD.
Während der Banteay Srei in jeder Anthologie aufgrund seiner dekorativen Elemente einen Sonderplatz einnimmt, ist der 22 Meter hohe, komplett aus Sandstein gefertigteTakeo mit dem charakteristischen QuincunxGrundriss eines der eindrucksvollsten Werke der KhmerArchitektur. Das Besondere an ihm ist, dass er unvollendet ist oder doch zumindest in seiner Gesamtheit diesen Eindruck macht, da er so einfach gehalten ist und jegliche Dekoration vermissen lässt. Glaubt man der Legende, von der wir aus einer Inschrift wissen, traf das Monument während es gebaut wurde, der Blitz — und dieses Ereignis sah man als böses Vorzeichen und beendete den Bau.
Der Tod Jayavarmans V. im Jahre 1000 beschloss ein glückliches Kapitel in der Geschichte von Angkor und beendete zugleich die direkte königliche Thronfolge, die mit Rajendravarman begonnen hatte. Nach einem kurzen Interregnum durch Udayadityavarman verlor sich die Welt der Khmer in Anarchie und Gewalt Der blutige neun Jahre andauernde Bürgerkrieg zwischen zwei rivalisierenden Fürsten, einem in Angkor und einem im Osten Kambodschas, um den Anspruch auf den Königsthron von Angkor und den Titel des Chakravartin („Herr des Rades" oder „Universalherrscher") endete mit dem Sieg des Letzteren, der den Thron unter dem Namen Suryavarman 1. (reg. 10021050) bestieg. Diese bedeutende, aber obskure historische Persönlichkeit behauptete, aus einer königlichen Familie aus Nakhon SiThammarat abzustammen (im heutigen südlichen Thailand, damals aber wahrscheinlich unter javanischer Herrschaft). Die Quellenlage ist jedoch widersprüchlich, und es sieht so aus, als habe der König dies nur behauptet, um seine auf Expansion bedachte Politik und seinen Anspruch auf Gebiete, die weit vom ursprünglichen Territorium der Khmer entfernt lagen, zu rechtfertigen.
Sicher ist, dass Suryavarman 1. die Verwaltung des Reiches neu organisierte und stärkte, Ausserdem schuf er ein System innerer Sicherheit und verschaffte sich zusätzliches Prestige durch die Erweiterung der Grenzen des Reiches nach Norden ins südliche Laos hinein und nach Süden bis auf die thailändische Halbinsel. So kontrollierten die Khmer schliesslich den Golf von Thailand und die Seewege von und nach Indochina. Um dieses Ziel zu erreichen, führte Suryavarman 1. mehrere Feldzüge gegen das Reich der Mon, die über das mittlere und südliche Thailand herrschten — eventuell annektierte er dieses Reich um das Jahr 1025 herum, Die Eroberung der wichtigen MonStadt Lavo (heute Lop Buri), die in der Folge zur Provinzhauptstadt wurde, bedeutete für den König die vollständige Kontrolle über den Unterlauf des Chao Phraya und konsolidierte die ökonomische Vorreiterstellung der Khmer in einem Grossteil Südostasiens.
Unter Suryavarman 1. erlangte das KhmerReich seine grösste territoriale Ausdehnung. Doch nicht nur dadurch verewigte sich dieser Herrscher, sondern auch und gerade durch seine grossen Leistungen als Baumeister und Reformer. Sein Königspalast, 600 Meter lang und 250 Meter breit und von dicken, 6 Meter hohen Mauern umgeben, blieb mehrere Jahrhunderte lang königliche Residenz und Dreh und Angelpunkt der kaiserlichen Verwaltung.
Suryavarman 1. war wild entschlossen, selbst im absoluten Mittelpunkt seines Reiches zu stehen und entschied sich dafür, seinen Ahnentempel, den Phimeanakas, an einem zentralen Ort nahe seiner Wohnstätte im Inneren der Palastumfriedung errichten zu lassen. Diese ungewöhnliche Wahl rechtfertigte der König der Tradition gemäss durch nächtliche Besuche im vergoldeten Turm, der vermutlich einst an der Spitze des Sakralbaus stand. Hier vereinigte sich Suryavarman mit einer Gottheit, die teils Frau war, teils neunköpfiges Reptil, um so die ursprüngliche Verbindung zwischen den Khmer und den Erdgeistern wieder herzustellen. Land und Wasser waren einst untrennbar als natürliche Elemente miteinander verbunden, deren Kontrolle die Macht des Königs rechtfertigte und seinen Besitz erweiterte. In Ruhm Suryavarmans I. mehrte: Die Pracht des westlichen Baray war und blieb unübertroffen — mit 8 Kilometern Länge, bis zu I ,6 Kilometern Breite und einer Kapazität von rund 49 Milliarden Litern besass dieses Wasserreservoir wahrhaft übermenschliche, beinahe kosmische Ausmasse. Allein dieser grandiose Bau hätte dafür ausgereicht, dass man sich auf ewig an Suryavarman I. erinnert hätte, auch wenn er erst unter seinem Nachfolger Udayadityavarman II. abgeschlossen wurde.
Und doch war es der Prasat Preah Vihear, mit dem Suryavarman I. in die Architekturgeschichte einging. Es war ein spektakulärer Komplex von grosser künstlerischer Bedeutung, der wahrscheinlich im Jahr 893 begonnen worden war und von mehreren Königen fortgesetzt wurde — unter Suryavarman I. wurde der Bau endlich fertig gestellt Die shivaitische Anlage Steht auf einer einer Felsklippe des DangrekGebirges, die die kambodschanische Tiefebene vom KhoratPlateau. Er ragt auf einer über 500 Meter hohen über der Ebene auf Die ältesten erhaltenen Teile aus der Zeit, als Koh Ker Hauptstadt des Khmer an die neueren datieren auf das 12. Jahrhundert. Der fünfte Copuram (eigentlich der erste, wenn man den Tempel in korrekten chronologischen Reihenfolge von der gegenüberliegenden Seite aus betritt) trägt noch Spuren seiner ursprünglichen Bemalung. Der nächste, der vierte Pavillon besitzt an der Südseite seiner Basis ein kleines Meisterwerk: ein Flachrelief mit der Darstellung des „Buttern des Milchmeeres". Der dritte und grösste Gopuram wird von zwei Gebäuden flankiert (die einst für Pilger als Herbergen dienten) und gewährte wahrscheinlich Zugang zu einem Areal, das der König normalerweise als Residenz verwendete, wenn er hier zu Besuch war
Es ist keine einfache Aufgabe, die Attraktivität und Faszination dieser Stätte wiederzugeben oder seine symbolische Bedeutung zu rekonstruieren. Was wir mit Sicherheit sagen können ist, dass der Prasat Preah Vihear mit seiner Symmetrie, seiner Schönheit, seinem Standort in der natürlichen Umgebung und seinem Erhaltungszustand ein aussergewöhnliches Denkmal der Grösse eines Reiches und der Weitsicht der Könige ist, die ihn errichtet hatten.
Nach seinem Tod im Jahre 1049 erhielt Suryavarman I., der seine gesamte Regierungszeit hindurch seine Vorliebe für den shivaitischen Hinduismus demonstriert hatte, den posthumen Titel Nirvanapada („der Erleuchtung erreicht hat"). Dies war zu einer Zeit, in der der König noch als Verteidiger der buddhistischen Gesetze galt, ganz natürlich, und der MahayanaBuddhismus war so stark verankert dass er ohne Weiteres in der Lage war, diverse Elemente des Hinduismus zu assimilieren, ohne seine Identität aufs Spiel zu setzen.Tatsächlich bereicherten ihn die neuen ikonographischen Einflüsse und Zeremonien,
Nach einer Epoche, in der mehrere weniger bedeutende Könige herrschten, war es Suryavarman II., der die glorreichen Traditionen der Khmer wiederbelebte. Allerdings sollte man zunächst noch einen Herrscher erwähnen, der vor ihm an der Macht war: Udayadityavarman II., dessen grösste Leistung ein Bauwerk war, das um das Jahr 1060 entstand — der Baphuon, sein Staatstempel, ein immenser Tempelberg. Er war der grösste Sakralbau seiner Zeit und seine Pracht wurde erst über ein Jahrhundert später von AngkorWat übertroffen. Noch heute gilt er als eine der bedeutendsten Errungenschaften der KhmerArchitektur.
Französische Archäologen und Ingenieure bemühten sich, das Monument in den 1960er Jahren zu retten und auch später setzten sie ihre Arbeit unter enormen Schwierigkeiten fort. Die schrittweise Rekonstruktion führte schliesslich zu einer teilweisen Wiedereröffnung des Komplexes im Jahre 2006. Danach konnte man 300 Meter der Ostfassade besichtigen sowie einen erhöhten Fussweg, der den Besuchern den Blick auf eine ganze 70 Meter lange liegende BuddhaSkulptur auf der untersten Terrasse des Baphuon gestattete, die aus dem 15. Jahrhundert stammt als der ursprüngliche Bau drastische Änderungen erfuhr und in ein Heiligtum des TheravadaBuddhismus umfunktioniert wurde. Inzwischen ist die Rekonstruktion des zentralen Teils des Komplexes abgeschlossen und der Welt wurde eines der wichtigsten Baudenkmäler von Angkor zurückgegeben. Die Arbeiten am Baphuon waren die umfangreichste und aufwendigste Restaurierungsmassnahme eines KhmerBauwerks überhaupt Wie gross diese Leistung war wird noch deutlicher, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass sie fast vollständig auf einer riesigen Zahl Fotos basierte, die man hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgenommen hatte. Nur aufgrund dieser Bilder und ein paar weniger noch intakter Teile der äusseren Umfassungsmauern waren die Archäologen in der Lage, die ursprüngliche Position aller Steine zu bestimmen, die überall auf dem Gelände verstreut lagen (insgesamt ca. 300 000), beginnend mit einer Reihe dekorativer Friese. Es war weniger eine Restaurierung als vielmehr eine veritable Rekonstruktion, die die Techniker der ücole Francaise d'Extr'emeOrient (EFEO) hier leisteten und im Rahmen derer sie zahlreiche technische Probleme zu überwinden hatten.
Das zweite grosse Projekt das man Udayadityavarman traditionell zuschreibt, ist der Bau der Deiche, die den Zu und Abfluss des Wassers im westlichen Baray regulierten, und der künstlichen Insel mit ihrem Tempel in der Mitte des westlichen Mebon (dessen einzig gut erhaltene Teile die Türme an der Ostseite sind). Die Insel war schon damals berühmt dafür, dass sie eine bronzene Kolossalstatue des während der Entstehung des Universums auf der Seite liegenden Shiva beherbergte. Der einzige überlebendeTeil dieses Kunstwerks, das zu Recht als eine der grössten Bronzeskulpturen ganz Südostasiens gilt ist ein Teil des Rumpfes mit dem Kopf und zwei Arme (1,20 Meter hoch und 2,10 Meter breit), heute im Nationalmuseum in Phnom Penh.
DER DRITTE EINGANGSPAVILLON ODER GORURAM STEHT ENTLANG DER STRASSE, DIE ZUM ZENTRALEN SCHREIN DES PRASAT PREAH VIHEAR FÜHRT.

VERSCHIEDENEN ARCHITEKTONISCHE ELEMENTEN DER PILGERSTATTE PRASAT

DAS ZENTRALE HEILIGTUM DES BAPHUON MIT SEINEM REICHTUM AN ARCHITEKTONISCHEN UND SKULPTURELEMENTEN IST AUFGRUND SEINER INSTABILITÄT EINER DER AM MEISTEN GEFÄHRDETEN TEILE DES KOMPLEXES.
DER BAPHUON, EINER DER WICHTIGSTEN DYNASTISCHEN TEMPEL, WIRD NOCH IMMER AUFWENDIG RESTAURIERT. HIER SEHEN WIR DAS GOPURAM, DEN EINGANG ZUM ZENTRALEN HEILIGTUM.
Auf Udayadityavarman folgte zunächst sein Bruder Harshavarman III., der 14 Jahre lang regierte und dabei mit innenpolftischen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Er unterlag als erster KhmerHerrscher den Cham. Ihm folgte Jayavarman VI., wahrscheinlich ein adliger Vasall aus der Region Khorat im Nordosten Thailands, der an die Macht kam, indem er seinen Vorgänger auf dem Schlachtfeld besiegte, Er tat wenig, um Angkors Ruhm zu mehren, errichtete jedoch in seiner Heimat einen der grössten archäologisch erschlossenen Komplexe Südostasiens, das schachbrettartig angelegte Vimayapura (heute Phimai) am Oberlauf des Mun.Vimayapura lag in einer Region, die seit der Bronzezeit besiedelt war, und wurde unter Jayavarman VI. zu einer Art „KleinAngkor", einer blühenden Provinzhauptstadt des mächtigen KhmerReiches. Wie bedeutend es war zeigt sich daran, dass die 300 Kilometer lange grosse Strasse, die Vimayapura mit Angkor verband, als wichtigste und am besten ausgebaute Route von und zu der Hauptstadt galt. Vimayapura war so sicher gelegen, dass es lange Zeit (bis zur Regierungszeit Jayavarmans VII.) keine Mauern brauchte. Der wichtigste Sakralkomplex, der Prasat Hin Phimai, hat eine ungewöhnliche Ausrichtung (nach der NordSüdAchse der Stadt anstatt der OstWestAchse) und er blickt nicht nach Osten, sondern nach Süden (oder besser gesagt nach Südosten, in Richtung von Angkor— vielleicht eine kluge Hommage an die stolze Hauptstadt des Reiches). Wie Suryavarman I. störte sich auch der ebenfalls buddhistische Jayavarman VI. nicht daran, dass sich die hinduistische Ikonographie weiter entfaltete; man findet ihre Ausprägungen in der Dekoration des Tempelkomplexes Seite an Seite mit MahayanaMotiven genau wie in den vielen kunstvollen Statuen und Alltagsgegenständen, die man bei Ausgrabungen entdeckte und die heute grösstenteils im grossen und gut organisierten Nationalmuseum der Stadt zu finden sind.
Im Gegensatz zu Angkor, das man irgendwann grösstenteils aufgab und das dadurch seine alten Stadtstrukturen bewahrte, kann man solche Strukturen in Phimai nur noch auf Luftbildern erkennen. Dank dieser Technik waren Archäologen in der Lage, den ursprünglichen Grundriss derWohngebiete von Vimayapura zu rekonstruieren und sie entdeckten, dass es im Süden der Stadt ein ziemlich grosses Wasserreservoir mit einer Tempelinsel in der Mitte gab. Der ganze Stolz des heutigen Phimai (und wahrscheinlich auch des alten Vimayapura) ist sicherlich der Prasat Hin, ein doppelt konzentrischer Tempelkomplex, dessen einzelne Teile jeweils über einen aufwendigen kreuzförmigen Eingangspavillon (Gopuram) mit eingemeisselten Darstellungen der vishnuitischen oder shivaitischen Mythologie und Episoden aus dem Leben des Buddha an den Türstürzen verfügen. Der nach Süden gerichtete Teil wird von einer Galerie mit Skulpturen von Nagas und Löwen bewacht. Ein charakteristisches Merkmal des mittleren Heiligtums (Prang) ist der helle Sandsteinturm, der eine ziemlich innovative Form aufweist, die an eine Ananas erinnert — ein Motiv, das später in Angkor und dann — nach einer Weiterentwicklung — auch bei thailändischen Tempeln verwendet wurde. Im Inneren, kaum sichtbar im Halbdunkel, steht eine Statue des Buddha, der beim Meditieren von einer Naga beschützt wird.
Der Komplex in Phimai gilt aus mehreren Gründen als innovativ. Neben dem Eingangspavillon sticht vor allem das Gebäude ausserhalb des südlichen Eingangs heraus (Phlab Phla Pleuang Khreung), das rechteckig ist und eine OstWestAusrichtung aufweist. Im Allgemeinen nimmt man an, dass es vom König und seinen Hofbeamten dazu benutzt wurde, sich auf das Betreten des sakralen Bereichs vorzubereiten. Weiterhin fällt auf, dass die charakteristische QuincunxStruktur fehlt Neben dem Hauptturm gibt es nur drei weitere Türme und diese weisen jeweils eine andere Form auf: Prang Brahmadat, Prang Hin Daeng und Klang Ngoen. Andere auffällige Gebäude sind die „Bibliothek" (Panalai), der für Predigten genutzte Saal und der BrahmanenPavillon.
DER TEMPEL VON PRASAT HIN LIEGT IN DER MITTE DES KOMPLEXES VON VIMAYAPURA (PHIMAI). ER LIEGT IN THAILAND UND IST DER GRÖSSTE AUSSERHALB KAMBODSCHAS.
VIMAYAPURA WAR DER VIELLEICHT ERSTE ARCHITEKTURKOMPLEX MIT DEM ANANASÄHNLICHEN DACH DES HEILIGTUMS, WIE MAN ES SPÄTER IN ANGKOR VERWENDETE
KARIKATURISTISCH ANMUTENDER KALA AUF EINEM FRAGMENT EINES TÜRSTURZES IM MUSEUM VON PHIMAI.
Es gibt einen Aspekt der KhmerZivilisation, der wenig bekannt ist und kaum untersucht, teils aufgrund der Schwierigkeiten dabei, ein klares Gesamtbild einer Zivilisation zu erhalten, die aus Menschen besteht und nicht nur aus Steinen: das bemerkenswerte Strassennetz, das von entscheidender Bedeutung für ein solch grosses und bevölkerungsreiches Imperium gewesen sein muss, mitten in einer Region, die seit uralter Zeit von guten Land und Seeverbindungen zwischen West/Südasien und Ostasien profitierte.
Es gibt mindestens sechs grosse Verkehrsadern, die teilweise erhalten sind und sogar bis zu einem gewissen Grad noch genutzt werden. Zwei von ihnen verliefen in Richtung Süden: die erste, von Angkor nach Kampong Thom (etwa 145 Kilometer), im Osten am Tonle Sap vorbei, die zweite nach dem östlich gelegenen Preah Khan, über Beng Mealea (97 Kilometer).Von dort aus führte eine Abzweigung nach Wat Phu in Laos, über Koh Ker (210 Kilometer). Eine weitere Strasse nach Süden führte zum Grossen See (40 Kilometer), eine nach Norden, deren letztes Stück man kaum mehr ausmachen kann, führte nach Banteay Chhmar (60 Kilometer). Die grösste von den Khmer errichtete Strasse überquerte den DangrekGebirgszug, führte dahinter auf die KhoratHochebene und erreichte nach 209 Kilometern Vimayapura (Phimai).
Ein Merkmal dieser „Schnellstrassen" der Khmer war ihre Breite, die I0 bis 25 Meter betrug, ein weiteres, dass sie teilweise erhöht lagen, mitunter bis zu 6 Meter, damit sie auch bei Überschwemmungen durch den Monsunregen noch benutz

bar waren. Diese erhöhten Strassen waren Teil eines umfangreichen Systems, mit dem man das Fliessen des Wassers kontrollierte. In einer Zeit schwerer Regenfälle fungierten sie als Barrieren und während derTrockenzeit durch kleine Auffangbecken und Brunnen als Wasserspeicher Zu diesen grossen Strassen, die den Dreh und Angelpunkt eines Netzwerks kleinerer Verkehrswege bildeten, gehörten auch Brücken und Wegstationen. Über 50 Brücken sind heute noch erhalten und. werden zum Teil noch von Fussgängern benutzt, einige sogar von Autos. Diese Brücken bestehen aus massiven Lateritblöcken; daneben verfügte man sicherlich noch über Hol4rücken oder schwimmende Brücken. In regelmässigen Abständen gab es entlang der Strassen Wegstationen für Reisende, die wahrscheinlich auch die sogenannten Feuerhäuser enthielten, 121 Strukturen, die auf Geheiss Jayavarmans VI I. gebaut wurden und deren eigentlicher Zweck unbekannt ist Möglicherweise waren es einfach Raststätten oder Kapellen, in denen bestimmte Rituale zelebriert wurden.
Von wem und wozu diese Strassen genutzt wurden, kann man auf Reliefs in Angkor sehen. Sie zeigen Fussgänger und Tiere, zweirädrige Kutschen und Elefanten, Waren schleppende Sklaven, religiöse Prozessionen, Militärparaden und prächtige königliche Wagen, die wie mythische Paläste aussahen. Es waren wichtige multifunktionale, für zivile wie für militärische Zwecke verwendete Verkehrswege, die zudem — wie bereits erwähnt — das Wasser kontrollieren halfen und eine Art sozialer Dienstleistung darstellten.
DIESER STREITWAGEN, DER DAS HEER DER KHMER BEGLEITET, GEHORT ZUM SKULPTURENSCHMUCK DES BAYON.

DIESES PANEEL MIT EINEM MYTHOLOGISCHEN MOTIV IST TEIL DES FLACHRELIEFS DES BAPHUON, AUF DEM SICH VIELE SZENEN DES ALLTÄGLICHEN LEBENS FINDEN.
Suryavarman II. bestieg den Thron im Jahre 1113 und setzte seinen alten Grossonkel Dharanindravarman I. ab, den älteren Bruder Jayavarmans VI. Seine lange Regierungszeit, die bis 1150 andauerte, zeichnete sich durch militärische Stärke, politische Stabilität und künstlerische Pracht aus. Im Jahre I 116 nahm er diplomatische Beziehungen zur chinesischen SungDynastie auf (die die Khmer gleichzeitig formal alsVasallen des chinesischen Kaisers anerkannte). Zeitgleich begannen militärische Expeditionen der Khmer gegen die Dai Viet in Nordvietnam  10 Jahre ununterbrochener Feldzüge zu Land und zu Wasser, die zu keinem Erfolg führten  und gegen ihre Nachbarn im Süden, die Cham, die Suryavarman besiegte, auch wenn er nicht in der Lage war, sie komplett zu kontrollieren. Im Jahre 1145 plünderten KhmerTruppen Vijaya, die Hauptstadt der Cham. Hiervon zeugen zwei Reliefs in Angkor Wat: Eines zeigt den König als Anführer seiner Truppen auf dem Rücken eines Elefanten und umgeben von seinen Offizieren, auf dem anderen sieht man ihn auf einem aufwendigen Thron sitzen. Bald nahmen die Cham Rache, aber zuvor konnte der Herrscher noch seine letzten Regierungsjahre dem Bau von gewaltigen Sakralbauten widmen.
Als Anhänger von Vishnu widmete Suryavarman II. dieser Gottheit den neuen Tempel von Banteay Samre, an der südöstlichen Ecke des westlichen Baray gelegen, und zurück in Angkor begann er den Bau eines der grössten architektonischen Wunderwerke derWelt:AngkorWat. Er starb vor der Vollendung des immensen Bauwerks und konnte an der Einweihung nicht mehr teilnehmen.
Bevor er seinen Ruhm und den Grossteil der Ressourcen des Imperiums auf diesen herausfordernden und anspruchsvollen Bau verwendete, dessen Errichtung rund 30 Jahre dauerte, liess Suryavarman II. zwei weitere Monumentalbauten errichten, die ziemlich weit von der Hauptstadt entfernt lagen: einmal den riesigen Komplex Beng Mealea (dessen Bastionen 45 Meter breit sind und eine Gesamtlänge von 4 Kilometern aufweisen) am Fusse des Bergs Phnom Kuten. Die architektonischen Besonderheiten dieses Monuments legen nahe, dass es (zusammen mit Prasat Hin Phimai) als Vorbild für Angkor Wat diente, das in seinem Grundriss, dem harmonischen Zusammenspiel der einzelnen Komponenten und der akzentuierten Monumentalität grosser Flächen mit strenger Dekoration ganz ähnlich ist.
Das zweite Bauwerk ist Phnom Rung, ein shivaitischer Komplex an der Spitze eines kleinen erloschenen Vulkans im heutigen Thailand an der königlichen Strasse, die Angkor und Vimayapura (Phimai) miteinander verband. Es wurde von Narendraditya errichtet, einem örtlichen Herrscher, der vermutlich mit Suryavarman II. verwandt war Sein Standort macht diesen Bau zu einem der „Höhepunkte" der KhmerZivilisation, zumindest was die Lage betrifft. Er gilt als Vermächtnis einer örtlichen Tradition, die die Berge als Ort ansah, an dem sich alle Energie konzentrierte und wo man dem Heiligen am nächsten kam. Aufgrund seiner Struktur scheint dieser Komplex  der wohl nicht Teil eines städtischen Gebietes war und auch nicht ausdrücklich als Kultstätte genutzt wurde, sondern wahrscheinlich eher eine dynastische Funktion hatte  ein Wallfahrtsort gewesen zu sein. Vielleicht war er auch in ein Wohngebiet integriert, von dem inzwischen alle Spuren verschwunden sind. Ein besonders wichtiger Aspekt dieser Stätte ist ihr Bewässerungssystem, in dessen Mittelpunkt drei grosse Barays standen; dies mag in der Tat darauf hindeuten, dass hier ziemlich viele Menschen lebten.
Aufgrund seiner Eigenheiten kann man Phnom Rung eine mittlere Position zwischen Phimai und Angkor Wat zuweisen, und tatsächlich ähnelt er diesen beiden in mancherlei Hinsicht: Man betrachte nur den Damm mit Nagas oder den Prang (Tempelturm), der dem in Phimai ähnelt, aber interessante Unterschiede aufweist, z. B. die dreieckige Form desTurms und das Vestibül zwischen dem Pavillon, der den externen Teil des Komplexes bildet, und dem eigentlichen Heiligtum. Während der Eingang des Hauptturms wie üblich nach Osten zeigt, scheint der gesamte Komplex nicht so sehr als Darstellung der stereotypen und asketischen Kosmogonie geplant zu sein. Er diente vielmehr dazu, dem Gott der Zerstörung und Wiedergeburt einen angenehmen Aufenthalt zu gewährleisten.
Den zentralen Schrein erreicht man über eine 160 Meter lange Galerie, die von Lotosknospen nachempfundenen Säulen flankiert ist. Der Weg mündet in einen Gopuram im PhimaiStil. Die Dekoration, die man in verschiedenen Bereichen des Komplexes findet, bietet äusserst lebendige Darstellungen, die vor allem aufgrund der Einheit ihrer verschiedenen Elemente bemerkenswert sind. Zum Beispiel ist oberhalb des westlichen Türsturzes des Hauptheiligtums eine Episode aus dem Ramayana eingemeisselt, die einen Tempel zeigt, der mehr oder weniger der Phnom Rung selbst ist, aber in der Form eines Streitwagens, der durch die Luft fliegt, umgeben von einem Heer aus Affen, die vom Affengott Hanuman und anderen Wesen in die Schlacht geführt werden. Die Überreste des Dreizacks an der Spitze des Heiligtums kann man kaum mehr erkennen, zu sehr hat der Zahn der Zeit daran genagt. Das Tympanon des östlichen Gopuram zeigt einen bärtigen Shiva im YogaSitz, der das Gewand eines Asketen und einen umgedrehten Dreizack als Kopfschmuck trägt. Es könnte sich sogar um ein Porträt von Narendraditya handeln, dem Erbauer desTempels. In jedem Fall demonstriert das Bild den shivaitischen Glauben dieses Herrschers genauso wie viele andere ShivaSkulpturen in diesem Komplex; Darstellungen von Vishnu sind seltener Dieses Abbild des ShivaNarendraditya wirkt besonders lebendig trotz der Tatsache, dass die weit verbreiteten Schäden, die die Zeit wie auch zahlreiche Plünderer hinterlassen haben, die vielen Bildnisse herrlicher Wesen und Nymphen, die es einst umgaben, fast vollständig haben verschwinden lassen. An der Basis des Tympanons findet sich eine einzelne männliche zwischen zahlreichen weiblichen Figuren, wahrscheinlich Edelfrauen, vielleicht sogar Königinnen. In einem anderen Bereich zeigt ein Giebel eine Figurengruppe im typischen Kontext und Stil des 13. Jahrhunderts, die offensichtlich einen Initiationsritus darstellt: eine stehende junge Frau, flankiert von einem sitzenden Beamten und einem Assistenten, und eine Figur, die ein Verwandter der Frau sein könnte.
Trotz seines Namens (wat bezeichnet auf Thai einen buddhistischen Tempel) wurde Angkor Wat (der „StadtTempel") als Ausdruck der Hingabe des Königs an die HinduGottheitVishnu konzipiert und erst viel, viel später, als Angkors Blütezeit bereits ihrem Ende entgegenging, wurde das Monument in einen buddhistischen Tempel umgewandelt. Angkor Wat liegt im südöstlichen Teil der Stadt, die von Yasovarman I. erbaut wurde. Die Anlage ist von einem Wassergraben umgeben, der von Ost nach West 1,7 Kilometer misst, von Nord nach Süd 1,5 Kilometer, und der rund 200 Meter breit ist Sie befindet sich auf einer Art Insel, die man vom „Festland" aus über einen erhöhten steinernen Damm erreicht, über den Nagas wachen. Der Bereich innerhalb der Umfriedungsmauer aus Latent misst etwa 21 Hektar
Der Komplex besteht aus einer Serie konzentrischer rechteckiger Höfe mit Galerien oderTerrassen mit Freiflächen dazwischen, die wiederum durch kreuzförmige Galerien miteinander verbunden sind. Der Haupteingang liegt im Westen, man betritt ihn über einen breiten Damm aus massiven Sandsteinblöcken, der über den Wassergraben führt. Man überquert eine kreuzförmige Terrasse, steigt eine Treppe empor und gelangt in die äusserste von drei konzentrischen Galerien, die man als dritte Galerie bezeichnet und die für ihre vielen Flachreliefs berühmt ist. Geht man durch überdachte Gänge an den beiden folgenden Galerien vorbei, dann kommt man zum eigentlichen Tempel, dessen hohe Türme, im Quincunx angeordnet, für die fünf Gipfel des Bergs Meru stehen. Im riesigen mittleren Turm kann man bis ganz nach oben steigen. Hier stand einst eine VishnuStatue, sie ist jedoch seit Langem verschwunden.Vielleicht wurde sie gestohlen, wie es leider mit den meisten Denkmälern der Stadt der Fall ist. Diese Denkmäler haben viele ihrer verwertvollen Gegenstände und Blattgold verloren — Kostbarkeiten, die man einst in einer Mulde unter einer Statue des Gottes, dem ein KhmerTempel geweiht war, verbarg. Der Zweck dieser Objekte war es nicht, die Freigebigkeit des Königs zu demonstrieren und sie stellten auch keine wertvolle Hommage an den Gott dar — vielmehr sollten sie Energie produzieren. In Angkor Wat entdeckten französische Archäologen 1934 zwei Kristallfragmente und zwei Stücke Blattgold, die tief im Lateritfundament steckten.
Die Ausgewogenheft der architektonischen Elemente mit dem äusserst faszinierenden Setting, das Künstlichkeit und Natur auf grandiose Weise miteinander verbindet, hat Angkor Wat seinen bleibenden Ruhm eingebracht, während die gewaltigen Flachreliefs der Hauptgalerie (der dritten Galerie) unschätzbare Zeugnisse künstlerischer Fähigkeiten und kultureller Synthese sind. Diese Reliefs bieten ausserdem eine genaue Darstellung vielerAspekte der KhmerZivilisation, über die wir ansonsten gar nichts wüssten.
DIESES LUFTBILD VON ANGKOR WAT ZEIGT DEN DAMM ÜBER DEN BURGGRABEN, DAS GOPURAM, DEN ZUGANG ZUM ZENTRALEN BEREICH, DER VON ZWEI „BIBLIOTHEKEN FLANKIERT WIRD, DREI KONZENTRISCHE STUFEN, VON DENEN DIE ERSTEN BEIDEN GALERIEN FLACHRELIEFSKULPTUREN AUFWEISEN, UND FÜNF TÜRME IM QUINCUNXMUSTER AUF DER OBERSTEN PLATTFORM.

BANTEAY SAMRE (MITTE DES 12. JAHRHUNDERTS), INZWISCHEN FAST VOLLSTÄNDIG REKONSTRUIERT, LIEGT STILISTISCH GESEHEN IRGENDWO ZWISCHEN ANGKOR WAT UND DEM BAYON.

PHNOM RUNG, AUF DEM GIPFEL EINES KLEINEN VULKANKEGELS IM HEUTIGEN THAILAND GELEGEN, WAR EINE WICHTIGE STADT AN DER STRASSE ZWISCHEN ANGKOR UND PHIMAI. HIER SEHEN WIR EINEN PRANG (TURM) IM ZENTRALEN HEILIGTUM.
BANTEAY SAMRE, EIN VISHNUITISCHER KOMPLEX AUS DER ERSTEN HÄLFTE DES 12. JAHRHUNDER,, IST EINER DER RESTAURIERTEN TEMPEL IN DER ANGKORREGION.
EINE GRUPPE HIMMLISCHER NYMPHEN (APSARAS) BEGRÜSST DIE BESUCHER AM EINGANG DER ERSTEN FLACHRELIEFGALERIE.
ÜBERDACHTE GALERIEN VERBINDEN DIE DREI PLATTFORMEN VON ANGKOR WAT. AUSSER VON EIN PAAR AUSSICHTSPUNKTEN AUS IST ES ZIEMLICH SCHWIERIG, EINEN ÜBERBLICK ÜBER DIESEN KOMPLEX UND SEINE FÜNF MITTLEREN TÜRME ZU BEKOMMEN.
DIESE FENSTER MIT IHREN ZARTEN, SCHLANKEN STEINSÄULEN SIND EIN VERBREITETES MERKMAL DER KHMERARCHITEKTUR UND SIND AUCH HIER EIN WICHTIGES ELEMENT.
APSARAS MIT AUFWENDIGEN FRISUREN SPIEGELN DIE FUNKTIONEN UND DIE KLEIDUNG DER TÄNZERINNEN ODER KAMMERFRAUEN BEI HOFE WIDER.
DAS BUTTERN DES MILCHME EINER DER GRUNDLEGENDEN MYTHEN DES HINDUISMUS, AUF EINEM TEIL DER FLACHRELIEFGALERIEN AUF DER ERSTEN EBENE VON ANGKOR WAT. IM ZENTRUM DIESES GROSS' ARTIGEN KUNSTWERKS STEHT DER BERG MANDARA, DER AUF EINER SCHILDKRÖTE RUHT, DIE UNTER AUFSICHT
Die meisten dieser Reliefs sind sehr schön und lebendig, nicht jedoch diejenigen in der nordöstlichen Ecke, die im 16. Jahrhundert hinzukamen. Selbst ohne Berücksichtigung der letztgenannten erstrecken sich die Flachreliefplatten über 700 Meter, und sind 2 Meter hoch — damit stellen sie die längste Abfolge steinerner Skulpturen überhaupt dar Fast ohne Unterbrechung erzählen buchstäblich Tausende Figuren HinduEpen, Episoden aus dem Purana, vom ruhigen höfischen Leben und von den blutigen Feldzügen Suryavarmans II.
Die nachfolgende Aufstellung zeigt die Anordnung der Flachreliefzyklen, beginnend an der Südseite (also der rechten Seite) der westlichen Galerie, wo der Haupteingang liegt:
— die Schlacht von Kurukshetra, Höhepunkt des hinduistischen Epos Mahabharata, zwischen den rivalisierenden Clans der Pandava und Kaurava;
— die historische Prozession unter dem Vorsitz von Suryavarman II., der hier mit seinem posthumen Namen Paramavishnuloka („der die Herrschaft des Obersten Vishnu erreicht har) genannt ist. Die lebhafte Abfolge beinhaltet Brahmanen, Hofdamen, eine Reiterparade und Fusssoldaten mit ihren Kommandanten (inklusive dem König) auf Elefanten sowie ThaiSöldner;
— Himmels und Höllenszenen, einschliesslich der Bestrafung der Verdammten im Reich von Yama, dem Gott des Todes;
— das „Buttern des Milchmeeres", Ausgangspunkt der Schöpfungsgeschichte der hinduistischen Mythologie (dieser Zyklus gilt als eines der absoluten Meisterwerke der KhmerKunst). Die Reliefs bieten eine herausragende, geradezu spektakuläre Darstellung des Vorgangs des „Butterns" des urweltlichen kosmischen Wassers, indem der Berg Mandara auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte platziert und die riesige NagaVasuki wie ein Seil um den Berg gewickelt wird, woraufhin Götter und Dämonen an beiden Enden ziehen, den Berg dadurch drehen und die Flüssigkeit in Butter verwandeln, Dabei entstehen das Elixier der Unsterblichkeit sowie die meisten Lebe und Fabelwesen;
— Vishnus Sieg über die Asuras (Dämonen); wie auch das folgende, das Krishnas Sieg über den Dämon Bana zeigt, eines der jüngsten Reliefs;
— der Kampf zwischen Göttern und Dämonen, an dem die 21 wichtigsten Götter des hinduistischen Pantheons teilnehmen und dabei jeweils auf ihrem typischen Reittier sitzen;
— die Schlacht von Lanka, bei der Rama und seine Verbündeten, das Affenheer, den Dämonen Ravana besiegen und Ramas Gemahlin Sita retten, die von Ravana entführt worden war Diese Episode aus dem Ramayana ist auch in die Eckpavillons gemeisselt.
Ein weiteres Merkmal von Angkor Wat sind die 1876 himmlischen Nymphen (Apsaras), die im gesamten Komplex verteilt sind und deren Kleidung und Accessoires ein perfektes Abbild der verschiedenen Arten von Frauen darstellen, die es am Hof des Königs gab: Konkubinen, Tänzerinnen, Dienerinnen usw. Wie die unzähligen anderen bildlichen Darstellungen, die das gesamte Bauwerk zieren und verschieden gut erhalten sind, nimmt man diese Nymphen manchmal kaum wahr, so fein und subtil sind sie angefertigt.
EINE PRINZESSIN AUF EINER SÄNFTE BETEILIGT SICH AN DEM URTEIL DER TOTEN UND FOLGT DER PROZESSION, DIE SIE INS PARADIES BRINGEN WIRD.
SURYAVARMAN II. AUF SEINEM THRON, UMGEBEN VON DIENERN, DIE IHM LUFT ZUFÄCHELN, BEHERRSCHT DIE HISTORISCHE PROZESSION IN DER HAUPTGALERIE VON ANGKOR WAT.
BEIM URTEIL DES MAMA STEIGEN DIE GERECHTEN IN DEN HIMMEL AUF, DIE ÜBELTÄTER STEIGEN HINAB IN DIE HÖLLE  ERSTERES SYMBOLISIERT DEN AUFSTIEG ZU EINER HÖHEREN KOSMISCHEN ORDNUNG, LETZTERES DIE RÜCKKEHR ZUM URZEITLICHEN CHAOS.

DIE KHMERARMEE MARSCHIERT. AUSSCHNITT AUS DEM FLACHRELIEF, DAS DIE SÜDLICHE GALERIE VON ANGKOR WAT SCHMÜCKT
INFANTERIE UND LEICHTE KAVALLERIE AUF DEM WEG ZUR FINALEN SCHLACHT BEI KURUKSHETRA.
DIE SCHLACHT VON KURUKSHETRA, DER ENTSCHEIDENDE MOMENT DES EPOS MAHABHARATA, BILDET DAS MOTIV DER FLACHRELIEFS IN DER WESTLICHEN GALERIE VON ANGKOR WAT
AUF DEM FLACHRELIEFZYKLUS, DER DEN KAMPF ZWISCHEN ZWEI RIVALISIERENDEN VERWANDTEN CLANS, DEN PANDAVA UND DEN KAURAVA, ERZÄHLT, IST DIE KHMERARMEE MIT IHREN VIELEN SOLDATEN UND IHRER MANNIGFALTIGEN AUSRÜSTUNG DARGESTELLT.
SÜNDER WERDEN IN DIE HOLLE GELEITET. DIE DRAMATIK DIESER SZENE WIRD DURCH DIE MENSCHLICHE UND MORALISCHE HIERARCHIE, DIE DURCH DIE GRÖSSE DER FIGUREN DARGESTELLT IST, NOCH ERHÖHT.
Trotz diverser Studien und andauernder Forschungsprojekte bietet Angkor Wat noch immer ungelöste Rätsel —nicht zuletzt, welchen Zweck die Anlage eigentlich erfüllte. Die Tatsache, dass sie seit 500 Jahren ein buddhistischer Tempel ist, erklärt lediglich ihr seit Jahrhunderten unverändertes Prestige. Ihre Orientierung nach Westen kann man durch Vishnu erklären, den man mit dieser Himmelsrichtung in Verbindung bringt, sowie mit der Tatsache, dass dies die Richtung der untergehenden Sonne und des Todes ist. Die letztere Beobachtung hat Wissenschaftler zu der Annahme verleitet, dass der grandiose Komplex ein riesenhaftes Mausoleum für Suryavarman II. war, das seine Asche beherbergte und zu seinem Andenken errichtet wurde. Es gibt aber auch andere Interpretationen dieses Bauwerks — astronomische, astrologische, kosmologische und natürlich religiöse, die sowohl den Grundriss als auch die Präzision und Solidität des Baus erklären würden. Solche Erklärungen gibt es auch für die meisten Tempel in Indien, die, wie gezeigt, eine konstante und primäre Inspirationsquelle für die Khmer waren.
DIE 21 GOTTHEITEN DES ALTEN VEDISCHEN PANTHEONS UND IHRE ARMEE IM NAHKAMPF GEGEN DÄMONEN IN DER SCHLACHT VON LANKA.
SCHLACHT VON KURUKSHETRA. DIE HALTUNG DER FIGUREN ERINNERT AN EINEN TANZ, UND IN DER TAT KÖNNTE DIE DARSTELLUNG VON CHOREOGRAFISCHEN AUFFÜHRUNGEN INSPIRIERT WORDEN SEIN.

MEHRERE REIHEN VON HELDEN DES MAHASHARATA MIT IHREN SCHILDEN IN REIH UND GLIED AUF DEN FLACHRELIEFS, DIE DIE INNERE GALERIE DES HAYDN SCHMÜCKEN.

TRADITIONELL EINZELN DARGESTELLT, WERDEN DIE APSARAS IN ANGKOR TEILS AUS DEKORATIVEN UND STRUKTURELLEN GRÜNDEN OFT IN SKULPTURENGRUPPEN VON ZWEI ODER DREI ABGEBILDET. EIN WEITERES CHARAKTERISTISCHES MERKMAL DIESER FIGUREN IN ANGKOR IST IHRE FRONTALDARSTELLUNG.
URSPRÜNGLICH GÖTTLICHE WESEN, WURDEN DIE WEIBLICHEN FIGUREN DER KHMERIKONOGRAPHIE OHNE RÜCKSICHT AUF IHRE URSPRÜNGLICHE FUNKTION MIT NYMPHEN BZW. HIMMLISCHEN TÄNZERINNEN, DEN APSARAS, GLEICHGESETZT.

DIE APSARAS IN ANGKOR WAT VERKÖRPERTEN EIN WEIBLICHES SCHÖNHEITSIDEAL, DAS BEI DEN KHMER MEHRERE JAHRHUNDERTE LANG BESTAND HATTE.
DIE HIMMLISCHEN NYMPHEN WERDEN MITTELS PHYSISCHER MERKMALE UND POSEN ZU KURTISANEN, DIE PRÄCHTIGE ORNAMENTE UND KUNSTVOLLE FRISUREN SCHMÜCKEN.

DIE EINFÜHRUNG DER APSARA DETAIL EINER APSARA MIT EINEM FEIN GEARBEITETEN GÜRTEL UND ARMBAND DER OBERE TEIL DER GLEICHEN FIGUR, DIE EXTREM AUFWENDIGE FRISUR HERVORHEBEND) IN DEN DEKORATIVEN KONTEXT BRINGT DIE WELT DER MENSCHEN DER NATUR NÄHER UND VERBINDET BEIDE ZU EINEM GÖTTLICHEN  DEAL.
Wächterfigur in Form eines Löwen

Wishnutisches Reliquiar
Die  Kunstfertigkeit im Umgang mit ihrem Material hatten die Bildhauer der alten Khmer aus Indien übernommen, aber schnell in einen höchst eigenständigen Stil verwandelt, der wiederum einen grossen Einfluss auf die gesamte südostasiatische Kunst ausübte. Die meisten KhmerSkulpturen sind aus Stein, was auch erklärt, warum wir so viele davon besitzen (auch wenn wohl noch weitaus mehr zerstört oder geraubt wurden). Die Motive sind zum grössten Teil HinduGottheiten, vor allem Vishnu der Erhalter und Shiva der Zerstörer, Brahma der Erhalter, der elefantenköpfige Gott Ganesha (Beschützer des Handels), diverse weibliche Gottheiten und noch viele weitere Figuren aus dem reichhaltigen hinduistischen Pantheon. Es gibt auch tierähnliche Kreaturen und fantastische Wesen, die ebenso aus der altindischen Mythologie stammen: die Schlange Naga, der Dämon Kala, der gigantische Krokodildrache Makara und die Löwen. Einige grosse Skulpturen oder Skulpturzyklen liessen sich von den wichtigen Epen Mahabharata und Ramayana inspirieren oder von uralten Legenden, die in den Puranas und in den Abhandlungen zu verschiedenen Wissenschaften oder Künsten, den Shastras, überliefert sind.
Die Kunst der Khmer war weitaus mehr als eine blosse Provinzkunst im immensen Einflussbereich Indiens. Sie verfügt nicht nur über viele originäre Elemente, sondern auch über eine übermenschliche Dimension, die in der Lage ist, die Vielfalt und Grenzen künstlerischer Erfahrung in eine grandiose und unveränderliche kosmische Realität zu übertragen und sie zu synthetisieren. In einer späteren Epoche kam zu den hinduistischen Motiven noch die buddhistische Ikonographie hinzu.
Die dem Erleuchteten gewidmete Bildhauerkunst erreichte ihren Höhepunkt im Bayon von Angkor Thom, wo in etwa 50 Türme grossartige Porträts des Bodhisattva Avalokiteshvara und des Buddha mit je vier Gesichtern gemeisselt wurden. Die rasante Entwicklung der Porträts der Bodhisattvas und vieler anderer buddhistischer Persönlichkeiten (die wiederum fast göttliche Eigenschaften erwarben, die in ziemlichem Widerspruch zum ursprünglichen Konzept dieser Religion standen) Seite an Seite mit den wichtigsten hinduistischen Gottheiten hatte gravierende Konsequenzen. Sie verhinderte einen radikalen Bruch der Ikonographie beider Religionen und führte ausserdem zur Interaktion und zum Austausch einzelner Elemente untereinander und zur friedlichen Koexistenz beider Ikonographien im Kult und in der künstlerischen Darstellung.
Oft wird darauf hingewiesen, dass die KhmerKunst bestimmte hieratische Eigenschaften und eine übersteigerte Stereotypie aufweist. Zum Teil stimmt das auch (und wird bestätigt durch die im Laufe der Jahrhunderte fast unveränderten stilistischen Merkmale, die in der orientalischen Kunst durchaus als Vorzug gelten), aber eben nur zum Teil. Trotz der Tatsache, dass jede Skulptur die hervorstechenden Merkmale der darzustellenden Person aufweist, die in den Kontext der • Beschreibungen in mythologischen Texten eingebettet sind, verfügten die Bildhauer durchaus über eine gewisse kreative Freiheit, wenn es um die Gestaltung von Details ging. Ein Beispiel dafür sind die Steinskulpturen himmlischer Nymphen namens Apsaras in Angkor Wat, von denen jede eine andere Körperhaltung und eine andere Dekoration und Ornamentik aufweist. Dennoch geht man in der Vorstellung fehl, die Kunst der Khmer sei eine Kunst gewesen, die ausschliesslich religiösen oder mythologischen Zwecken diente.Tatsächlich gibt es eine ganze Menge Werke mit weltlichen Themen. Flachreliefzyklen, wie wir sie in Angkor Thom finden, zeigen wichtige Ereignisse in der Geschichte des Reiches, z. B. Kriege gegen die Cham oder andere Invasoren, und stellen mit grosser Liebe zum Detail und erstaunlicher Erzählkunst das tägliche Leben der Khmer dar.

DIESER BUDDHA (HÖHE 103 CM) AUS DEM 11. JAHRHUNDERT WIRD WÄHREND DER MEDITATION VON EINER NAGA BESCHÜTZT. DIE FIGUR ZEICHNET SICH DURCH DIE BEWUSSTE SCHLICHTHEIT IHRER KOMPOSITION AUS (MUSSE GUIMET, PARIS).
DIE ÜBERRESTE DIESER SKULPTUR STELLEN DIE INTENSIVE KONZENTRATIONSFÄHIGKEIT UND ERHABENHEIT DES BUDDHA HERAUS  EIN SCHÖNES BEISPIEL DER KHMERKUNST .
EINE STATUE DES BODHIATIVA VAJRAPANI (HÖHE 106 CM). DIE GLEICHZEITIG ERSCHRECKEND UND GÜTIG ,IBRIME VOM ENDE DES 10.Jhd. AN GEWANN DIE IIEMIDIDMISIISCHE IKONOGRAPHIE KHMER MEHR AN BEDEUTUNG.

BuddhaKopf
DIESE BRONZENE SKULPTUR VON LOKESHVARA (HÖHE 43 CM) VERBINDET FÜRSTLICHE KLEIDUNG UND ORNAMENTE MIT BUDDHISTISCHEN ATTRIBUTEN; DIE HÄNDE ZEIGEN DIVERSE MUDRAS, RITUELLE GESTEN (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).
DIESE BRONZESTATUE (HÖHE 33 CM) AUS DEM ENDE DES 12. JAHRHUNDERTS IST EINE SELTENE DARSTELLUNG VON SADASHIVA  SHIVA IN GESTALT DES OBERSTEN HERRN (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).

DIESE VERGOLDETE BRONZESKULPTUR DES SITZENDEN BUDDHA, FLANKIERT VON ZWEI BODHISATTVAS, VERKÖRPERT DIE TIEFGRÜNDIGKEIT DER LEHRE, DIE MAN MIT SEINER VIELFÄLTIGEN ERSCHEINUNGSFORM ASSOZIIERT
DIESE ÜBERRESTE EINER BRONZESTATUE DES VISHNU, DER SICH NACH DER ERSCHAFFUNG DES UNIVERSUMS AUSRUHT (HÖHE 122 CM), WURDEN IM WESTLICHEN MEBON GEFUNDEN (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).
      
Es ist eine traurige Vorstellung, dass das Reich nach dem Tod eines solchen grandiosen Königs wie Suryavarman II. von so unschönen Vorkommnissen wie Palastverschwörungen und Machtkämpfen hinter den Kulissen heimgesucht wurde; überraschend ist dies weniger. Suryavarman II. folgte wahrscheinlich ein Usurpator, Yasovarman II., auf den Thron, der dann im Jahre 1165 von einem Hofbeamten ermordet wurde. Mehrere Jahre gingen ins Land, bevor eine Persönlichkeit wie Jayavarman VII. an die Macht kam, die in der Lage war, dem Reich sein Prestige zurückzugeben — einem Reich, das die Fähigkeit verloren zu haben schien, die zahlreichen kleineren Königreiche und Potentaten zu kontrollieren, aus denen es bestand.
Suryavarman II. konsolidierte die Strukturen und das Territorium des Reiches, Jayavarman VII. (1181 bis 1220) liess weitere steinerne Bauten und prachtvolle Kunstwerke errichten. Er war einer der wichtigsten Herrscher der Khmer und ordnete die Errichtung der beeindruckenden buddhistischen Strukturen Bayon und Angkor Thom an. Diese Werke gehören zu einem der umfangreuichsten Bauprogramme in der langen dynastischen Geschichte des KhmerReiches, im Rahmen dessen auch wichtige öffentliche Strassen, Brücken und Wegstationen entlang der wichtigsten Verkehrsadern entstanden. Als frommer MahayanaBuddhist impfte Jayavarman VII. jedem Aspekt des Lebens der Khmer die Lehre des Erleuchteten ein.
Dabei begann diese Epoche alles andere als friedlich. Bevor Jayavarman VII. effektiv die Macht übernahm, führte ein brillant geplanter und durchgeführter Marinefeldzug die Cham unter König Jaya Indravarman im Jahre 1177 vom südlichen Vietnam aus über das MekongDelta den TonleSapFluss empor bis zum Grossen See. Von hier aus erreichten die Cham Angkor. Sie plünderten es und steckten es in Brand. Diese katastrophale Niederlage war die bis dahin schlimmste in der Geschichte der Khmer und sie führte zu einer kurzen Epoche der Fremdherrschaft seitens der Cham, die allerdings nur vier Jahre dauerte, bis Jayavarman VII., bereits 50 Jahre alt, die Khmer zum Rückschlag anführte — es kam zu einer Schlacht zu Lande und zu Wasser, bei der sich der Grosse See buchstäblich blutrot färbte. Jayavarman VII. machte Angkor zur Hauptstadt und das blieb es 40 Jahre lang.Allerdings reichte dieser Sieg nicht aus, um eine so demütigende Niederlage vergessen zu machen. Daher fiel die Armee der Khmer 1190 in Champa ein und brachte den König der Cham in Ketten nach Angkor zurück. Die sukzessive Annexion von Champa 1203 war indes kurzlebig, sie dauerte nur bis zum Tod des Königs im Jahre 1220.
In vielerlei Hinsicht war Jayavarman der bedeutendste Herrscher der Khmer und er war zweifellos ein grosser Bauherr Errichtete seinen Wohnsitz in einem urbanen (heute würde man sagen: gentrifizierten) Viertel der Hauptstadt ein, das man AngkorThom („grosse Stadt") nannte — eine echte Stadt innerhalb der Stadt, 3 Kilometer x 3 Kilometer gross und von einem Wassergraben und hohen Lateritmauern umgeben. Hier gab der König dem alten Königspalast und den umliegenden Gebäuden ihre ursprüngliche Pracht zurück; ihnen gegenüber, im Osten gelegen, baute er die ElefantenTerrasse und die Terrasse des LepraKönigs, wahrscheinlich die Verbrennungsstätte, die dem Todesgott Yama geweiht war, der in der berühmten „LepraKönig"Statue dargestellt ist, die die Terrasse dominiert.
Angkor Thom hat fünf Eingänge (zwei an der Ostseite), jeweils mit einem Doppelportal, das von steinernen Elefanten flankiert wird. Die Eingänge überwachen fünf grosse BuddhaKöpfe (von denen vier in die vier Himmelsrichtungen blicken und einen der früher mit Blattgold überzogen war, in der Mitte steht). Jenseits der Mauern ist die Anlage von einem grossen Graben umzogen, über den gewaltig steinernden Dämme führen. Zu beiden Seiten der Dämme stehen 54 Statuen vom Devas (Göttern) und Asuras (Dämonen), dargestellt als furchterregende, bedrohlich wirkende Kriegen die die steinerne Balustrade ergreifen, die in Form von Nagas gestaltet ist. In der Mitte dieses urbanen Komplexes befindet sich der Bayon, Jayavarmans VII. Staatstempel. Obwohl er dem MahayanaBuddhismus gewidmet war, weist er zahlreiche Abbilder hinduistischer Gottheiten auf.
Neben dem Blick auf Angkor Wat im Sonnenuntergang gibt es nichts, was Besucher so begeistert wie der vierköpfige Bodhisattva des Mitgefühls, Avalokiteshvara, der in die vier Himmelsrichtungen blickt und von dem es ganze 54 Reproduktionen an den Tempeltürmen gibt Diese Darstellungen sind ebenso vergeistigt wie ausdrucksstark und es kann gut sein, dass sie die stilisierten Gesichtszüge des Königs tragen, der in Übereinstimmung mit seinem buddhistischen Glauben den Titel Chakravartin (Universalherrscher) abgelehnt hatte, nicht jedoch seine Sehnsucht nach Grösse und Unsterblichkeit Ähnliche Gesichtszüge trägt die Statue, die man in Preah Khan fand und die der Überlieferung gemäss den König beim Meditieren zeigt. Die grossen und langen Flachreliefzyklen im Inneren des Komplexes haben nicht den gleichen hohen künstlerischen Wert wie die in Angkor Wat, aber die Darstel lungen der grossen Schlacht gegen die Cham zur Rückeroberung Angkors und die detaillierten Darstellungen des Alltags und des höfischen Lebens sind unschätzbare Quellen und haben in erster Linie dokumentarischen Wert. Ergänzend zieht man hier die Berichte des Zhou Daguan hinzu, eines Mitglieds der diplomatischen Gesandtschaft Chinas während der YuanDynastie (die mongolischen Ursprungs war). Zhou lebte 1296/97 in Angkor, und nach seiner Rückkehr beschrieb er seinen Landsleuten die Sitten und Gebräuche in Kambodscha.
ENORME VIERKOEPFIGE SKULPTUREN DOMINIEREN DAS BEEINDRUCKENDE GOPURAM (HÖHE 23 M) DES SÜDTORS VON ANGKOR THOM, DER HAUPTSTADT JAYAVARMANS VII.

DAS NORDTOR VON ANGKOR THOM WIRD VON BESUCHERN NORMALERWEISE ALS AUSGANG GENUTZT. DREIKÖPFIGE ELEFANTEN RAGEN ÜBER DER FIGUR DES GOTTES INDRA AUF UND STÜTZEN DEN BAU AN DEN SEITEN.

DIE PARADE DER RIESEN ENDET MIT DER SPITZE DER NAGA.

DIE RIESEN WURDEN EINER NACH DEM ANDEREN AUS STEINBLÖCKEN GEMEISSELT UND DANN ÜBEREINANDERGELEGT.

DIE NAGABALUSTRADE WIRD VON 54 ÜBERNATÜRLICHEN WESEN (RECHTS GÖTTERN, LINKS DÄMONEN) GESTÜTZT UND ERSTRECKT SICH ENTLANG DER ALLEE, DIE ZUGANG ZUM NORDTOR VON ANGKOR THOM BIETET. DIE DARSTELLUNG BEZIEHT SICH AUF DAS BUTTERN DES MILCHMEERES UND DIE SCHOPFUNG.
DIE TERRASSE DER ELEFANTEN
DIE BAUTEN ÜBER DER TERRASSE DER ELEFANTEN. DIE MITTLERE TREPPE ZIEREN LÖWEN UND GARUDAS.
AN DER FASSADE DER TERRASSE DER ELEFANTEN DOMINIEREN DIE DARSTELLUNGEN VON DICKHÄUTERN, DIESE BEINAHE LEBENSGROSSEN BILDER SIND REICH AN INTERESSANTEN DETAILS. 

DIE TERRASSE DER ELEFANTEN IM OSTEN VON ANGKOR THOM IST NACH DEN DARSTELLUNGEN DIESER TIERE MIT IHREN REITERN BENANNT.

DETAIL EINES ABSCHNITTS DER FLACHRELIEFGALERIEN, DIE IN SIEBEN REGISTERN ÜBEREINANDER DIE TERRASSE DES LEPRAKÖNIGS SCHMÜCKEN.
DER LEPRAKÖNIG, WAHRSCHEINLICH EINE DARSTELLUNG DES TOTENGOTTES MAMA, STAND URSPRÜNGLICH AUF DER NACH IHM BENANNTEN TERRASSE (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).

Die Terrasse des Lepra Königs

DER KÖNIGSPALAST IN ANGKOR THOM (DER „GROSSEN STADT") IST DER MITTELPUNKT DER LETZTEN HAUPTSTADT DER REGION ANGKOR (ENDE 12./ ANFANG 13. JAHRHUNDERT).

DER BAYON, ZU VERSCHIEDENEN ZEITEN ÜBER EINER ÄLTEREN STRUKTUR ERRICHTET, IST EINES DER WICHTIGSTEN GEBÄUDE VON ANGKOR THOM.

DEN EINGANG ZUM KÖNIGLICHEN PALAST VON ANGKOR THOM MARKIEREN STEINERNE GOPURAMS. DIE WOHNGEBÄUDE SIND INZWISCHEN VERSCHWUNDEN, DA SIE AUS HOLZ GEFERTIGT WAREN. IN DIESER ANSICHT VON DER NORDÖSTLICHEN SEITE DES VON JAYAVARMAN VII. GEBAUTEN TEMPELS AUS SIEHT MAN SEHR SCHÖN DIE ARCHITEKTONISCHE KOMPLEXITÄT UND ORIGINALITÄT DES BAYON.

IM GEGENSATZ ZUR ERSTEN EBENE DES BAYON, DIE ALLEN BÜRGERN OFFENSTAND UND FÜR ZIVILE WIE FÜR ZEREMONIELLE ZWECKE GENUTZT WURDE, WAREN DIE ZWEITE UND DRITTE EBENE AUSSCHLIESSLICH KULTHANDLUNGEN VORBEHALTEN.

EINER DER ECKTÜRME MIT BLICK AUF DIE INNERE GALERIE DES BAYON.
DAS PORTRÄT DES BODHISATTVAS AVALOKITESHVARA  WOHL MIT DEN GESICHTSZÜGEN JAYAVARMANS VIII.  FINDET SICH IMMER UND IMMER WIEDER IM BAYON, EINEM ZENTRUM DES BUDDHISTISCHEN KULTS.
Sein (Zhau) Bericht ist nicht immer aus erster Hand und nur noch teilweise erhalten, aber dennoch enthält er viele wertvolle Informationen.
Während die Beschreibungen durch den chinesischen Diplomaten zur Lösung vieler Probleme und Zerstreuung vieler Zweifel, die die Geschichte der Khmer umgaben, beigetragen haben, stammt das meiste, was wir über das tägliche Leben in dieser Zivilisation wissen (auch wenn es im Vergleich mit anderen Kulturen nicht viel ist) von den grossartigen Flachreliefs, die die Wände einiger Tempel von Angkor schmücken, vor allem derjenigen in AngkorWat und im Bayon. Diese langen und im Grossen und Ganzen gut erhaltenen Reliefzyklen vermitteln uns eine Vorstellung von der Kleidung, den Berufen und sogar der Nahrung dieser Menschen hier  und von Haustieren, Transportmitteln und Häusern sowie Flora und Fauna, die untrennbar zum Leben der Khmer gehörten. Was auffällt, ist die Ahnlichkeit mit dem ländlichen Leben im heutigen Kambodscha. Die körperlichen Merkmale der herrschenden Klasse und der Könige umgibt indes noch immer teilweise ein Geheimnis, da es schwierig ist, nachzuvollziehen, ob die Darstellungen realistisch sind oder einer Art ritueller Abstraktion angeglichen. Allerdings gibt es eine direkte Quelle, bei der sich Historiker recht frei bedient haben, teils aufgrund ihrer lebendigen Darstellung, teils aufgrund ihrer genauen Daten: Es handelt sich erneut um das Reisetagebuch des Zhou Daguan. Seine detaillierte Darstellung deckt praktisch alle Aspekte des täglichen Lebens der Khmer ab, mit Ausnahme des höfischen Lebens, zu dem Ausländer keinen Zugang hatten.
So beschreibt Zhou z. B. die Eigenschaften der Bewohner: mittelgross, schwarzes lockiges Haar, fast quadratische Gesichter mit breiter Stirn, gerader Nase mit grossen Nasenlöchern und tiefliegenden Augen. Diese Merkmale sind den heutigen Kambodschanern nicht ganz unähnlich und selbst die bei Zhou beschriebene Kleidung ähnelt der heutigen zu einem gewissen Grad, zumindest der praktische sampot, eine rechteckige Stoffbahn, die von Männern wie von Frauen getragen wird, aber jeweils auf andere Art und Weise drapiert. Der deutlichste Unterschied in der Kleidung des gemeinen Volkes und des Adels lag darin, wie wertvoll der Stoff war (der aus Baumwolle bestand oder aus Seide, die aus China oder Siam importiert wurde) und wie kunstvoll er verarbeitet war (so waren in die Kleidung des Königs in aufwendigen Mustern Goldfäden eingewebt). Die Mondzyklen, die die Reisernte und die Ebbe und Flut des Grossen Sees beeinflussten, waren der zeitliche Horizont innerhalb dessen sich das Leben der Khmer bewegte und an ihnen orientierten sich die Feiertage, von denen einige — insbesondere die, die mit dem Vollmond zu tun haben — noch immer gefeiert werden.
Natürlich musste diejenige gesellschaftliche Klasse, die am meisten zur Grösse und Bedeutung des KhmerReiches beitrug, dies alles eher über sich ergehen lassen, als dass sie selbst daran beteiligt war — gemeint sind die zahlreichen Sklaven. Zu den Sklaven gehörten Menschen, die sich verschuldet hatten, Kleinkriminelle und mittelschwere Verbrecher, Kriegsgefangene und Angehörige ethnischer Minderheiten. Sie befanden sich am untersten Ende der sozialen Skala. An der Spitze standen die Adligen und die Priester, dazwischen fanden sich die zahlenmässig grössten Klassen: die Krieger und die Bauern. Die Frauen scheinen eine wichtige Rolle gespielt zu haben, sie besetzten führende politische und wirtschaftliche Positionen, wie es die traditionelle matrilineare Abstammungslinie der KhmerHerrscher ja auch nahelegt.
DIE FLACHRELIEFS, DIE DIE MAUER DER ÄUSSEREN GALERIE IM BAYON SCHMÜCKEN, ZEIGEN VIELE VERSCHIEDENE SZENEN, UNTER ANDEREM EINE MILITÄRPARADE MIT ELEFANTEN UND STREITWAGEN STEHT
Nordöstlich von Angkor Thom befand sich ein von Jayavarman errichtetes Wasserreservoir, der Baray Jayatataka („Meer des Sieges"). Er ist „nur" 3 Kilometer lang und einen Dreiviertelkilometer breit, also viel kleiner als der immense westliche und der östliche Baray (wieder stellt sich die Frage nach dem wahren Zweck dieser riesigen künstlichen Seen), aber er zeichnet sich durch seine dem Bodh sattva Avalokiteshvara geweihte Tempelinsel Neak Pean aus.
Jayavarman VII. scheint ein besonderes Interesse für die Gesundheit seiner Untertanen an den Tag gelegt zu haben, wie der Bau von 102 Krankenhäusern überall im Reich und die Einrichtung von Schwimmbädern und heissen Quellen für die Pilger, die den Neak Pean besuchten, zeigt. Viel kleiner als der Jayatataka ist das SrahSrangBecken südlich des östlichen Baray. Es scheint, als habe der König eine besondere Vorliebe für dieses „königliche Bad" gehabt, denn Jayavarman fügte dem schon vor seiner Zeit angelegten Becken eine majestätische Treppe hinzu. Vor allem wenn man diesen Ort bei Sonnenuntergang betrachtet, von der nach Westen ausgerichteten Plattform zwischen Löwen und Nagas aus, dann bietet sich einem ein geradezu atemberaubender Anblick.
Während Jayavarman VII. in seinen früheren Bauwerken (von ihrem Eigenwert einmal abgesehen — viele von ihnen sind einzigartige und wichtige Zeugnisse der Geschichte der Khmer) die säkulare und sakrale Architekturtradition weiter konsolidierte, stellte der Bau der Zitadellenklöster eine echte Innovation dar. Der König war ein glühenderVerehrer Buddhas und schenkte der Gemeinschaft der buddhistischen Mönche (als deren Patron er sich verstand) drei sehr schöne und verschieden ausgestattete Komplexe, von Gräben und Mauern umgeben, in denen sie wohnen und gleichzeitig ihre Religion praktizieren konnten.
Der grösste Komplex dieser Art ist Preah Khan, westlich des Jayatataka, und er ist zugleich besonders heterogen sowohl was seinen Gebäudetyp als auch seine religiöse Inspiration und Ikonographie betrifft — wiederum eine Kombination aus Buddhismus und Hinduismus sowie dynastischem Kult. Einige Forscher sind der Meinung, der Komplex sei vielmehr ein Studienzentrum und weniger ein echtes Kloster gewesen. In jedem Fall beherbergte er 15 000 Menschen. Er wurde auf dem Gelände der berühmten Schlacht gegen die Cham mit Hilfe von 97 840 Bewohnern der umliegenden Dörfer (wie detaillierte Chroniken berichten) errichtet.
Das zweitgrösste dieser innovativen Bauwerke ist aufgrund seines dramatischen Nebeneinanders natürlicher und von Menschenhand geschaffener Strukturen noch berühmter: Ta Prohm. Die Ecole Franpaise d'ExtrömeOrient (EFEO) hat diese Stätte zu einem gewissen Grad restauriert, die Stabilität einiger Gebäude gesichert und zugleich Teile der Zitadelle wieder zugänglich gemacht Eine Inschrift besagt, dass sich 12 640 Mönche an dieser Stätte als Bauarbeiter betätigten (vielleicht sogar diejenigen, die später hier wohnten) und dass ihnen rund 80 000 Einwohner nahegelegener Dörfer halfen. Es war ein immenser Arbeitsaufwand, berücksichtigt man die technischen Herausforderungen und die Probleme beim Besorgen von Baumaterialien wie Stein, die es an Ort und Stelle kaum gab. Heute werden die alten Gebäude geradezu erdrückt von den Wurzeln riesiger Bäume — Feigen, Banyanund Kapokbäume — und fast ein wenig entstellt durch Moos. So verbindet sich in Ta Prohm die Pracht von Angkor mit dem uralten Traum von der Unsterblichkeit, die vor allem eines ist: die Illusion, der Mensch könne sich über die Natur und die Elemente erheben. Doch gerade diese Überwucherung finden viele Besucher besonders schön. Es ist kein Zufall, dass Ta Prohm eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten Angkors ist, trotz derTatsache, dass es von der rein künstlerischen oder städtebaulichen Warte aus eigentlich nichts Neues zu bieten hat, ausser vielleicht seine Doppelfunktion als Kultstätte und Kloster.
Der dritte und letzte Komplex zeichnet sich dadurch aus, dass hier bis in die 1960er Jahre hinein fast ununterbrochen religiöse Gemeinschaften lebten; zudem ist er recht klein. Die Rede ist vom Banteay Kdei („Zitadelle der Zellen"). Die Anlage, die das Westufer des Srah Srang überblickt, ist in einem schlechten Erhaltungszustand, zum Teil aufgrund der minderen Qualität des Sandsteins, aus dem sie besteht Trotz ihrer geringeren Grösse weist sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Ta Prohm auf, mit vier Gopurams mit je vier steinernen Gesichtern, die in die vier Himmelsrichtungen blicken, und Darstellungen von Garudas.
Natürlich gehörten zu den vielen Bauwerken, die dieser aussergewöhnliche Herrscher in Auftrag gab, auch einige, die weiter vom Machtzentrum der Khmer entfernt lagen, aber immer noch an Angkor angeschlossen waren durch das Strassennetz, das Jayavarman VII. durch den Bau von Brücken und Wegstationen erweiterte und verbesserte — sicherlich für die Verwaltung eines Reiches, das fast das gesamte kontinentale Südostasien umfasste, ein unumgänglicher Schritt. Das grösste solcher abgelegener Bauwerke und zugleich in vielerlei Hinsicht das geheimnisvollste ist der Banteay Chhmar, die "schmale Festung" im Dschungel in der Nähe der nordwestlichen kambodschanischthailändischen Grenze. Die dazugehörige Stadt, 150 Kilometer von Angkor entfernt, war wohl schon während der Regierungszeit von Jayavarman II. ein wichtiger Ort. Und auch wenn er der Hauptstadt in puncto Prunk nicht gleichkam, so war er doch von grosser strategischer Bedeutung für die Kontrolle der westlichen und nördlichen Provinzen, die jetzt zum Teil zu Thailand gehören. Jayavarman VII. verschönerte und vergrösserte den Komplex und weihte ihn seinem Sohn, der im Kampf gegen die Cham gefallen war, sowie vier Generälen, die bei der Verteidigung der Hauptstadt während der Invasion 1177 ebenfalls den Tod fanden. Um den Komplex herum sind noch weitere Tempel gebaut, was einen sofort an die Architektur von Angkor Wat und Angkor Thom denken lässt. Umgeben ist er von Mauern und einem breiten Graben. Die Umfriedung misst 9 Quadratkilometer Neben der herausragenden, wenn auch ziemlich baufälligen Architektur ist Banteay Chhmar berühmt für seine Flachreliefs mit einer lebendigen und detaillierten Darstellung der Schlacht gegen die Cham sowie Szenen aus der hinduistischen Mythologie und der buddhistischen hagiographischen Tradition. Die Darstellungen der Kut (den traditionellen indischen Garudas) dienten dem Schutz des Tempels und waren eine Möglichkeit, die Macht und Herrlichkeit des Königs herauszustellen,
Etwas, was man nur im Banteay Chhmar und in keinem anderen Tempelkomplex findet, sind die Darstellungen von Kinnaris, mythischen geflügelten Wesen mit Frauenkörper. Vom künstlerischen Standpunkt aus zeichnet sich Banteay Chhmar durch seine Flachreliefs aus, die neben Szenen des höfischen Lebens auch den Bodhisattva Avalokiteshvara mit mehreren Armen zeigen. In seiner Architektur ähnelt Banteay Chhmar dem Bayon, doch die Art der Dekoration ist ganz anders, auch die bildhauerischen Arbeiten an den Türstürzen mit dem Buddha Vairocana, der vier Köpfe und acht Ohren hat, dem 32armigen Avalokiteshvara, einer zentralen Figur im MahayanaBuddhismus, und an seiner östlichen Mauer einer weiteren Darstellung der schrecklichen Schlacht gegen die Cham  ein zentrales Element bei der Konzeption des Banteay Chhmar, der eventuell als Schrein für Prinz Sintravarman und seine treuen Generäle diente, die in dieser Schlacht ihr Leben liessen.
Es ist ein riesiger Komplex (der französische Archäologe George Groslier, der ihn in den 1930er Jahren teilweise kartographierte, war der Meinung, dass er sogar grösser als Angkor Wat war), aber aus Gründen, die man nur teilweise kennt, hat er einen ziemlich chaotischen Grundriss und ist in einem sehr schlechten Erhaltungszustand  unter anderem aufgrund von jüngsten Plünderungen durch Diebe auf der Suche nach antiken Schätzen für den internationalen Markt. Seine Hauptfunktion war angeblich, die Überreste eines hochrangigen Prinzen zu beherbergen, aber diese Theorie passt kaum zu anderen baulichen Elementen wie dem riesigen Baray (1,6 Kilometer lang) mit einem Inseltempel in der Mitte, den Groslier persönlich östlich des Tempelkomplexes entdeckte.

DIE REICHE SYMBOLIK VON NEAK PEAN MACHT DIESES KLEINE BUDDHISTISCHE HEILIGTUM ZU EINEM WICHTIGEN DENKMAL.
DAS PFERD BALAHA, INKARNATION DES AVALOKITESHVARA, DAS EINST IM WASSER DES RESERVOIRS "SCHWAMM", RETTET SCHIFFBRÜCHIGE  EIN MOTIV AUS EINER BUDDHISTISCHEN LEGENDE.

PREAH KHAN, DAS „HEILIGE SCHWERT" AM UFER DES JAYATATAKABARAY AN DER NORDSPITZE VON ANGKOR, WURDE WIE TA PROHM EINST ZUM GRÖSSTEN TEIL AUFGEGEBEN. HEUTE IST DIE ANLAGE VON VEGETATION BEDECKT
DAS EINGANGSPORTAL VON PREAH KHAN, DIESER BUDDHISTISCHE KOMPLEX WEIST GUT DEFINIERTE BEREICHE AUF, DIE VISHNU, SHIVA UND DEM AHNENKULT GEWEIHT WAREN.
IM NORDEN DES KOMPLEXES PREAH KHAN FINDEN SICH IN EINEM REGISTER AN DER BASIS DER BAUWERKE DIVERSE SKULPTUREN DES ASKETISCHEN SHIVA.
DIESE GALERIE ERÖFFNETE DEN BLICK AUF DEN ERSTEN HOF IN PREAH KHAN, JENEN RIESIGEN KOMPLEX, DER TAUSENDE VON MÖNCHEN UND PILGERN BEHERBERGEN KONNTE UND DESSEN VIELE GEBÄUDE ALLE UNTERSCHIEDLICHE FUNKTIONEN HATTEN.
DIE MAUERN, DIE DEN ZWEITEN HOF UMSCHLIESSEN, ZIEREN NISCHEN MIT FIGUREN VON GOTTHEITEN SOWIE RELIEFFLÄCHEN MIT PFLANZENMOTIVEN.

DAS INNERE DES ZENTRALEN HEILIGTUMS IN PREAH KHAN ZEICHNET SICH DURCH SEINE EXTREME EINFACHHEIT AUS UND DURCH SEINE TYPISCHE KHMERARCHITEKTUR, DIE NIEMALS BÖGEN VERWENDET.
NAGASCHLANGEN SCHMÜCKEN DIE ALLEEN VON PREAH KHAN, AN DENEN NICHT NUR DIE NATUR SPUREN HINTERLIESS, SONDERN AUCH DIE ZERSTÖRUNGSWUT DER BRAHMANEN IM 13. JAHRHUNDERT.
DIESER STUPA AUS DEM 16. JAHRHUNDERT ERSETZTE EINE STATUE VON LOKESHVARA IN DER GESTALT DES VATERS JAYAVARMANS VII. ALS STRUKTURELLES UND IDEELLES ZENTRUM VON PREAH KHAN.

VOR DEM WESTEINGANG DES KOMPLEXES PREAH KHAN STEHEN ZWEI WÄCHTERSTATUEN, WÄHREND ÜBER DEM TOR EINE DARSTELLUNG DER SCHLACHT VON LANKA ZU SEHEN IST.
IM INNENHOF VON TA PROHM LIEGEN VIELE ARCHITEKTONISCHE ELEMENTE ALS TRÜMMER HERUM; DIE SEITLICHEN GALERIEN SIND VON VEGETATION ÜBERWUCHERT.
AUFWENDIGE TÜRME DOMINIEREN DAS INNERE VON TA PROHM.

EIN MONUMENTALER EINGANG BEGRÜSST DIE BESUCHER VON TA PROHM, DEM ZWEITEN BUDDHISTISCHEN KOMPLEX, DER FÜR JAYAVARMAN VII. ERRICHTET WURDE.

DIE SCHIERE GRÖSSE VON TA PROHM GIBT EINEM EIN BEINAHE KLAUSTROPHOBISCHES GEFÜHL, DAS DURCH DIE BÄUME, DIE DIE GALERIEN ZU ERSTICKEN SCHEINEN, NOCH VERSTÄRKT WIRD.

AN DEN WÄNDEN IM INNEREN TEIL DES KOMPLEXES TA PROHM WECHSELN SICH IN NISCHEN PLATZIERTE APSARAS MIT BUDDHISTISCHEN RELIGIÖSEN MOTIVEN AB.
GALERIE MIT GRABGEWÖLBE

EIN LÖWE UND EINE NAGA BEWACHEN DEN HEILIGEN BEZIRK VON BANTEAY KDEI.
DIE HALLE DER TÄNZERINNEN IM KOMPLEX BANTEAY KDEI ZEICHNET SICH DURCH SÄULEN AUS, DIE MIT FIGUREN VON APSARAS DEKORIERT SIND. DIE VIERKÖPFIGE DARSTELLUNG DES BODHISATTVA AVALOKITESHVARA DOMINIERT BANTEAY KDEI (DIE „ZITADELLE DER ZELLEN"), DEN DRITTEN VOM EIFRIGEN KÖNIG JAVAVARMAN VII. ERBAUTEN KOMPLEX.
DURCH DAS GOPURAM ERREICHT MAN DIE ZWEITE UMFRIEDUNGSMAUER VON BANTEAY KDEI UND DEN ZENTRALEN BEREICH.

BANTEAY CHHMAR IST EINE DER AM WENIGSTEN BEKANNTEN UND AM MEISTEN VERFALLENEN STÄTTEN DER KHMER, WIE DIESE TÜR MIT PLASTISCHEN DEKORATIONEN DEMONSTRIERT.  PLASTISCHE DARSTELLUNGEN VON AVALOKITESHVARA SCHMÜCKEN DIESE PFOSTEN IM KOMPLEX BANTEAY CHHMAR NAHE DER KAMBODSCHANISCHTHAILÄNDISCHEN GRENZE.

APSARAS ZWISCHEN DEN FRIESEN DER TERRASSE DER TÄNZERINNEN IM KOMPLEX BANTEAY KDEI.

BAULICHE SCHWÄCHEN UND DIE VERWENDUNG WITTERUNGSANFÄLLIGER MATERIALIEN WIE LATERIT WAREN MITVERANTWORTLICH FÜR DEN VERFALL VON BANTEAY KDEI. HIER EIN BLICK AUF DIE HALLE DER TÄNZERINNEN, EIN GEBÄUDE ÖSTLICH DES ZENTRALEN HEILIGTUMS.

STATUEN VON APSARAS UND PANEELE WECHSELN EINANDER ENTLANG DER INNENMAUERN DER UMFRIEDUNG AB, DIE DAS ZENTRALE HEILIGTUM VON BANTEAY KDEI UMGIBT.
Um das Jahr 1215 herum starb Jayavarman VII. und mit seinem Tod endete die Blütezeit der Khmer. Ihr Reich erstreckte sich mittlerweile bis an die Grenze zum Königreich Pagan in Burma, es umfasste einen Teil von Laos und fast die gesamte Malaiische Halbinsel und es war so gut organisiert und verwaltet, dass man fast glauben konnte, der Traum der Chakravartin, der halbgöttlichen Universalherrscher, vom ewigen Ruhm sei Wirklichkeit geworden. Aber das war nicht der Fall. Immerhin ging es noch mindestens ein Jahrhundert so weiter unter den Nachfolgern Jayavarmans VII. (Indravarman II. und Jayavarman VIII.) und chinesische Quellen sprechen von einer blühenden Hauptstadt mit einer Fülle herausragender Monumente mitten in Kambodscha, die Reisende aus fernen Ländern als „reich und edel" bezeichnen. Dies waren meist Kaufleute, die nach ihren aufwendigen und anstrengenden Reisen die Vorteile, die ihnen die Sicherheit und die Dienstleistungen des KhmerReiches boten, nur allzu gerne in Anspruch nahmen.Viele von ihnen mögen von den erstaunlichen Bauwerken, die die Ebene überragten und sich in Reservoirs spiegelten, die gross wie Seen waren, so überwältigt gewesen sein, dass sie die Schwierigkeiten, die dort herrschten, vielleicht gar nicht bemerkten.
Ende des 13. Jahrhunderts erlebte der Hinduismus eine vorübergehende Renaissance als Staatsreligion und die Verfolgung der Buddhisten löste wahrscheinlich eines der tragischsten und zugleich am wenigsten bekannten Ereignisse in der Geschichte der KhmerZivilisation aus: die Zerstörung der buddhistischen Bildnisse. Es handelte sich um eine wahrhaft konoklastische Wut, wenn es denn stimmt, dass alle BuddhaStatuen in Angkor verstümmelt wurden, auch das grosse Bildnis des sitzenden Erleuchteten im zentralen Schrein des Bayon, und dass keine der 45 000 Darstellungen oben an den Mauern des Preah Khan, des Ta Prohm und des Banteay Kdei verschont blieb.
Tausende Statuen wurden in Stücke geschlagen und ihre Scherben tief in der Erde vergraben. Buddhistisch beeinflusste Stätten wie der Bayon und Angkor Wat wurden an die Verehrung hinduistischer Götter angepasst, andere, kleinere Bauten ebenso. Wir wissen nicht, wer dies alles tat und warum — ebenso wenig wie wir wissen, welche Folgen die Hetze für den buddhistischen Klerus und die Gläubigen hatte. Datieren kann man diese offensichtliche Manifestation religiöser Intoleranz, wie es sie in Asien noch nie gegeben hatte und wie sie auch späterhin nur wenige Nachahmungen fand, höchstwahrscheinlich auf die Regierungszeit Jayavarmans VIII. Wie auch immer: Die Zeit des Mahayana war vorüber
Unter Indravarman III. (12951307) verbreitete sich unter den Khmer der TheravadaBuddhismus (der sogenannte Buddhismus des „Kleinen Fahrzeugs", der auf die Wiederherstellung der doktrinären Strenge des frühen Buddhismus ausgerichtet war), den missionarische Mönche aus Sri Lanka in ganz Südostasien verbreiteten. Er läutete eine neue Ära ein, in der das KhmerReich allmählich seine frühere Hegemonie verlor und auf religiöser und kultureller Ebene zunehmend von den benachbarten Mächten dominiert wurde. Die erste dieser Mächte war Thailand, das im Jahre 1350, dem Jahr der Gründung der neuen Hauptstadt Ayutthaya, zur konkreten Bedrohung für die Khmer wurde, bis es 1431 Angkor Thom belagerte und die Bewohner der Stadt zur Flucht in sicherere Gebiete zwang.
Die Chronologie der folgenden Könige der Khmer ist nicht abgesichert, die historischen Quellen sind vage und zum grössten Teil erst Jahrhunderte später verfasst worden. Es gibt keine Gewissheit über die Ursachen der Krise, die das KhmerReich durchmachte  aller Wahrscheinlichkeit nach war es eine Kombination verschiedener gleichzeitig auftretender Ursachen und Gründe. Hauptverantwortlich war vielleicht der wachsende Druck seitens der Thai, die in direktem Kontakt mit den Territorien der Khmer standen, nachdem sie Jahrhundertelang schrittweise von ihren traditionellen Zentren im Norden in die Schwemmlandebenen Mittelthailands abgewandert waren. Die Entvölkerung muss sich als fatal für den Bau und die Wartung der hydraulischen Vorrichtungen erwiesen haben, die für die Existenz der Städte unverzichtbar waren. Die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit einem autoritären und verschwenderischen Staatsapparat hatte bereits während der Regierungszeit Jayavarmans VII, zu ersten Anzeichen von Unruhe geführt und unter seinen Nachfolgern wuchs sie noch und trug mit zu einer Schwächung der zentralisierten Macht bei, für die es immer schwieriger wurde, ihre Untertanen unter Kontrolle zu halten. Als eine weitere Ursache für den Verfall des Reiches nimmt man den allmählichen Schwund der Wälder an, die Angkor mit Rohstoffen zum Bau und für den täglichen Bedarf versorgten. Des Weiteren führen Forscher eine mögliche Agrarkrise aufgrund klimatischer Veränderungen an. Gestützt wird diese Theorie durch die Beobachtung, dass Ende des 13. / Anfang des 14. Jahrhunderts immer mehr diplomatische Missionen aus China ins Land kamen, die auf der Suche nach neuen Absatzmöglichkeiten und Handelswegen waren.
Die Gründung von Phnom Penh im südlichen Kambodscha an einem für den Handel äusserst günstigen Standort war wahrscheinlich vor allem eine Reaktion auf diese Bedürfnisse. Ausserdem suchte man eine Alternative zu Angkor, das diversen Gefahren ausgesetzt war.
Die AngkorEpoche endete mit der Emigration der meisten Khmer aus Angkor, zuerst nach Basan am linken Ufer des Mekong im Jahre 1432 und dann nach Süden, wo mit Lovek im 16. Jahrhundert und Udong im 18. Jahrhundert provisorische neue Hauptstädte entstanden.Trotz allem sassen in der alten Hauptstadt zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert die Gerichte der Khmer, und dass Tempel und Klöster erhalten blieben, lag teilweise daran, dass dort zumindest bis ins 16. Jahrhundert ständig Klostergemeinschaften lebten.
Im Jahre 1434 nahm Phnom Penh die ersten Exilanten auf, die aus Angkor flohen, und es wurde immer wichtiger, bis man es schliesslich zur Hauptstadt des neuen kambodschanischen Königreichs machte.
……
DIE WICHTIGSTEN SKULPTURENZYKLEN DES KOMPLEXES BANTEAY CHHMAR, DER AUF GEHEISS JAYAVARMANS VII., EINES AUSSERGEWÖHNLICH ERFOLGREICHEN HEERFÜHRERS UND STAATSLENKERS, ERRICHTET WURDE, ZEIGEN, WIE HART DAS KHMERREICH KÄMPFEN MUSSTE, UM SEINE PRACHT UND DAS HOHE NIVEAU SEINER KULTUR ZU ERREICHEN.

EINZIGARTIGE DARSTELLUNGEN DES AVALOKITESHVARA MIT 32 ARMEN AN DEN WÄNDEN DES BANTEAY CHHMAR.
AUF DIESEM FLACHRELIEF IN ANGKOR WAT SIEHT MAN DIE ALTEN ERZFEINDE DER KHMER, DIE CHAM. SIE MACHTEN SICH DEN TOD JAYAVARMANS VII., DER ZU EINER STAATSKRISE BEI DEN KHMER FÜHRTE, ZUNUTZE.

Wie wir gesehen haben, folgte auf den Tod Jayavarmans VII. eine lange Ära des Verfalls, die zum politischen Niedergang des KhmerReiches im 14. Jahrhundert führte. Für diese Entwicklung gab es viele Gründe. Die Thai wurden zu einer ständigen Bedrohung entlang der westlichen Grenze und bald wurde der TheravadaBuddhismus (der bei den Menschen damals mit seinem Glauben an ein entbehrungsreiches Leben und eine Erlösung durch persönliche Opfer sehr beliebt wurde) zu einer ernsthaften Konkurrenz für das Mahayana, das man bei Hofe bevorzugte und das die Grundlage der königlichen Macht darstellte.
Im Jahre 1353 eroberten die Thai Angkor, die Khmer eroberten es zurück, verloren es aber in der Folge erneut viele Male wurde die Stadt geplündert und niedergebrannt. Die nördlichen Provinzen des Reiches (ein Teil des heutigen Laos) fielen Lan Chang zu, aber den eigentlichen Todesstoss versetzten Angkor die Siamesen, die 1431 Angkor Thom einnahmen. Die nunmehr entvölkerte und unsichere Region Angkor hatte jetzt nicht mehr den Status der Hauptstadt, mit Ausnahme einer kurzen Zeit im späten 16. Jahrhundert.Auch die Kunst war aus verschiedenen Gründen in einem unaufhaltsamen Niedergang begriffen. Erstens war es unmöglich, unter den gegebenen Umständen genügend Nachschub von Material zu gewährleisten, das aus den Steinbrüchen in den Ausläufern der Gebirge herbeigebracht werden musste, dutzende Kilometer von den Städten entfernt Zweitens war das Königreich inzwischen relativ arm. Das waren auch die Gründe dafür; dass die meisten kambodschanischen Skulpturen des 15. bis 17. Jahrhunderts aus Holz hergestellt wurden. Es verwundert daher nicht, dass nur wenige dieser Werke erhalten geblieben sind, bedenkt man die Verderblichkeit des Materials und das Klima der Region. Die bildende Kunst Indochinas büsste so viel von ihrer einstigen Originalität ein, und die späten Skulpturen der Khmer zeigen einen starken siamesischen Einfluss. Wohngebiete, Paläste, Tempel und andere Sehenswürdigkeiten, die die Stadt einst zu einer der schönsten Städte überhaupt gemacht hatten, verfielen. Die riesigen Bauten boten bald Affen und Fledermäusen eine neue Heimat und die aussergewöhnliche Architektur wurde von der dichten Vegetation des Urwalds überwuchert, bis sie am Ende vollständig darunter verloren ging.
Während sich der politische Brennpunkt der kläglichen Reste des KhmerReiches in der PostAngkorEpoche schnell in Richtung Phnom Penh im Süden des Landes verschob, kam es quasi automatisch auch zu einem kulturellen Niedergang. In den folgenden Jahrhunderten waren die einstige Grösse und Pracht von Angkor im realen Leben der Khmer zwar immer noch irgendwie im Unterbewusstsein präsent, aber die örtliche Kunst war ihrer traditionellen Gönner beraubt und genoss bei all den Problemen und Bedürfnissen des auf einmal schwachen und gefährdeten Reiches kaum noch Aufmerksamkeit. Stattdessen „importierten" vor allem die Franzosen die europäische Kunst und dadurch verlor die KhmerKunst weiter an Originalität und kreativen Impulsen. Dann kam die Zeit, als die Khmer ganz vor der europäischen Herrschaft kapitulierten: Im Jahre 1863 wurden sie von Frankreich annektiert und Teil des französischen Protektorats Indochina Man muss jedoch festhaften, dass die Khmer ohne diese Fremdherrschaft wahrscheinlich zwischen Siam und Vietnam aufgerieben worden wären, so dass vielleicht noch die letzten Erinnerungen an die einzigartige KhmerZivilisation ausgelöscht worden wären. Stattdessen führten der Reiz, den die exotische Kunst auf die Europäer ausübte, und die Notwendigkeit, die Kolonialgebiete kennenzulernen und zu organisieren, zu einem erneuten Interesse an der Vergangenheit: Die alten Monumente und Texte der Khmer wurden geborgen, untersucht und konserviert.

DIESER STEINERNE BUDDHAKOPF (HÖHE 86 cm), IM 15./16. JAHRHUNDERT GESCHAFFEN, WEIST NOCH IMMER SPUREN VON FARBE AUF (MUSES GUIMET, PARIS).
EINE HÖLZERNE STATUE DES 15./16. JAHRHUNDERTS (HÖHE 91 CM), DIE EINE HOCHRANGIGE PERSON BEIM BETEN ZEIGT (NATIONALMUSEUM PHNOM PENH).

DIESER IM „POSTBAYONSTIL" (HÖHE 24 CM) GEHALTENE BRONZELÖWE AUS DEM 15. JAHRHUNDERT WEIST NOCH IMMER FAST SEINE GESAMTE URSPRUNGLICHE VERGOLDUNG AUF (MUSEE GUIMET, PARIS).
TÄNZERS AUS DER POSTANGKOREPOCHE; DIE DARSTELLUNG LEHNT SICH AN DIEJENIGEN DER YAKSAS AN, WOHLWOLLENDER RIESEN DER HINDUISTISCHENMYTHOLOGIE

DANK DES EINFLUSSES BENACHBARTER KULTUREN HIELTEN IN DER POSTKLASSISCHEN ZEIT NEUE FORMEN UND MATERIALIEN WIE KERAMIK EINZUG IN DIE KUNST DER KHMER.
Die Ruinen von Angkor wurden 1860 von dem äzösischen Naturforscher und Entdecker Henri Mouhot entCeckt. und die Spuren des Königreichs Cham in Vietnam brachte mär 1885 ans Licht  dies sind die wohl wichtigsten Beispiele für c 2 Wiederentdeckung des alten Indochina. Neue WiederhersJelungs und Restaurierungstechniken, die Fotografie und e'zientere Erhaltungs und Katalogisierungssysteme verbesserten die Möglichkeit der Dokumentation von Ruinen, die man für immer verloren glaubte. Die französische Kolonialregierung chtete Museen ein und finanzierte die archäologische Echschung und KünstlerAbenteurer und Kunsthändler fanden im SIst vergessenen Angkor Inspiration und Möglichkeiten für gute  Geschäfte. Während die Vergangenheit eines ganzen Subkontinents also allmählich zu einem Instrument der Kolonialherrschlaft, zu einer Triebfeder traumhafter Exotik und zur Lebensgrundlage räuberischer Kunstsammler wurde, führte sie zugleich zum Entstehen eines neuen Nationalismus. Leider wusste dieser Nationalismus die Vergangenheit nicht in die Gegenwart zu integrieren und so erreichte er seine „Katharsis" in der Zerstörungswut der Roten Khmer.
Die AngkorEpoche, der Höhepunkt der Geschichte der Khmer, hat uns über tausend verschieden grosse Monumente aus Stein hinterlassen sowie wichtige Flachreliefskulpturen, die uns viel über das höfische Leben und den Alltag des „gemeinen Volkes", über religiöse Praktiken und Glaubensvorstellungen und über Künste, Tanz und Musik erzählen. Die Archäologie besitzt unzählige Darstellungen von Musikinstrumenten wie Harfe (pinn), einsaitige Laute (khsae muoy), Oboe (sralay), Sichelgong (peat), Gong (korng), verschiedene Zimbeln (chhap und chhing) und Perkussionsinstrumente (skor), die alle noch heute benutzt werden, natürlich mit modernen Verbesserungen. Dieser Umstand verleitet zu der Annahme, die moderne Musiktradition Kambodschas hinge direkt von der der alten Khmer ab und wäre die in Kambodscha praktizierte (bzw.wiederbelebte) Kunstform, die noch die meisten Verbindungen zum alten Reich besitze  eine Tatsache, die vielmehr zutrifft auf die Artefakte aus Bronze, Messing, Kupfer und Eisen (oder deren Legierungen), die besser erhalten sind und die die religiösen wie säkularen Traditionen Kambodschas für die Ewigkeit bewahren.

IM JAHRE 1880 VERÖFFENTLICHTE LOUIS DELAPORTE DIE REKONSTRUKTION VON ANGKOR WAT ZUSAMMEN MIT VIELEN WEITEREN BILDERN DER STÄTTE IN SEINEM BUCH VOYAGE AU CAMBODGE: L'ARCHITECTURE KHMER.
DIE MITGLIEDER DER COMMISSION D'EXPLORATION DU MEKONG IM JUNI 1866 IN DEN RUINEN VON ANGKOR_ DOUDART DE LAGREES EXPEDITION WAR DIE ERSTE SYSTEMATISCHE UNTERSUCHUNG DIESER REGION.
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