Zukunft des Euro Trading SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Einst wurde der Euro im Rahmen eines europäischen Friedensprojekts gestartet. Doch davon ist heute nicht mehr die Rede, mehr und mehr gleicht die Eurozone einer Zweckehe. Dabei profitiert gerade Deutschland vom Euro.
Nach monatelangem Streit und zähen Verhandlungen haben sich die 17 Staats- und Regierungschefs der Eu-rozone und der Internationale Wäh-rungsfonds (IWF) am 21. Juli auf ein neues Rettungspaket für Griechenland einigen können. Das Paket wird ein Volumen von bis zu 159 Milliarden Euro haben. Zu den 109 Milliarden, die vom Europäischen Rettungsfonds EFSF und vom IWF bereitgestellt wer¬den, kommen noch einmal voraussicht¬lich 50 Milliarden Euro von Seiten privater Banken und Versicherungen.
Damit scheint die Aktion „Rettet Grie¬chenland" vorerst in trockenen Tüchern zu sein. Doch die Kritik ebbt nicht ab. Schon kurz nach der Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses meldete sich die Europäische Zentralbank (EZB) ungewöhnlich offen zu Wort. Sie mahnt zu Reformen und warnt davor, weitere Euro-Länder, die in die Krise rutschen, umzuschulden. Ähnliche Kritik kommt auch von der Deutschen Bundesbank. Bundesbankpräsident Jens Weidmann befürchtet eine Transferunion und schwindende Haushaltsdisziplin in Eu
ropa. Wie steht es also um das euro¬päische Gemeinschaftsprojekt „Euro"? Hat der Euro eine Zukunft? Fragen, die an Brisanz kaum zu überbieten sind, weil jede Antwort weitreichende Folgen hat. Fragen, die aber jetzt be¬antwortet werden müssen, weil die Wirtschafts- und Finanzkrise gravie¬rende Mängel in der Konstruktion der Europäischen Wirtschafts- und Wäh¬rungsunion (EWWU) aufgedeckt hat. Auf jeden Fall lohnt ein Blick in die Vergangenheit, denn der Euro hat eine geschichtliche Dimension
Kurze Geschichte des Euros. In den 1950er-Jahren wurde angesichts der katastrophalen Folgen zweier Welt-kriege, die sich zu großen Teilen auf dem europäischen Kontinent zugetra-gen haben, der Versuch unternommen, in Teilbereichen eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zu betreiben, die indirekt auch der Verständigung ehe¬mals verfeindeter Staaten dienen soll¬te. Es wurden drei Organisationen gegründet, die Europäische Gemein¬schaft für Kohle und Stahl (EGKS), die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomge¬meinschaft (Euratom). Mitglieder der drei Organisationen waren anfänglich die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Italien. Die EWG wur¬de im Vertrag von Maastricht 1992 zur Europäischen Gemeinschaft (EG) aus¬gebaut. Gleichzeitig wurde als Über¬bau die Europäische Union (EU) ge¬gründet. Neben wirtschaftlichen Auf¬gaben wurden der EU auch judikative und exekutive Kompetenzen übertra¬gen, zudem wurde eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik anvisiert. Schon im Vorfeld von Maastricht wur¬de die EWWU gegründet, mit dem Ziel, einen einheitlichen Währungsraum zu schaffen. Nach der Einführung des Euros als Buchgeld 1999 wurde dieser Plan schließlich 2002 durch die Aus¬gabe der neuen Geldscheine verwirk¬licht. Heute bilden innerhalb der EU 17 Staaten einen Währungsraum.
Europa als Friedensprojekt. „Geis¬tiger Hintergrund" sämtlicher Bemühun¬gen der Schaffung eines ökonomisch vereinten Europas war und ist es aber, über eine gezielte wirtschaftliche Ver flechtung militärische Konflikte für die Zukunft auszuschließen. Gleichzeitig sollte und soll es zu einem politischen Zusammengehen der europäischen Länder kommen. Doch schon zu Zeiten des Vertrags von Maastricht gab es Widerstand in Politik und Gesellschaft. Kritiker bemängelten die ihrer Meinung nach unverantwortliche Übertragung nationaler Kompetenzen an eine sup¬ranationale Institution und die zu hohen Kosten, die für die Schaffung eines ein-heitlichen Binnenmarktes anfallen. Die¬se Kritik hat sich bis heute massiv ver-schärft. Dabei wird aber gerade jener eben skizzierte „geistige Hintergrund" vergessen. Stattdessen wird das euro¬päische Zusammengehen als Last ver-standen. „Dass die europäische Idee aus einem von Kriegen geschundenen Kontinent eine Insel von Frieden und Stabilität gemacht hat, gilt als Kalen¬derspruch von vorgestern. Jetzt geht es vor allem um die Frage, wie man ver
hindern kann, dass aus Europa eine Transfer-Union wird", so das kritische Resümee des Spiegels in „Europa ver¬dient mehr Euphorie" (Mai 2011).
Schaffung eines europäischen Bin-nenmarkts. Mit der Schaffung eines Währungsraums war zugleich die Hoff¬nung verbunden, eine wichtige Voraus-setzungen für einen europäischen Bin¬nenmarkt kreiert zu haben. Dieser sollte zwischen den Euro-Mitgliedsstaa¬ten einen freien Waren- und Personen¬verkehr sowie einen freien Verkehr von Dienstleistungen und Kapital sicherstel¬len. Über den gemeinsamen Binnen¬markt sollte auch ein Ausgleich zwischen den ökonomisch schwachen und öko¬nomisch starken Ländern, zwischen strukturschwachen und strukturstarken Regionen innerhalb des Währungsraums erreicht werden. Doch genau das ist nicht im gewünschten Ausmaß passiert. Zwar haben die ökonomisch schwachen
Länder nach der Einführung des Eur< vom niedrigen Zinsniveau, das ihn€ durch den „Währungspakt" besche worden ist, profitiert, doch die eigent chen Gründe für ihre ökonomiscl¬Schwäche wurden nicht beseitigt. Zudei kam es zu einem schnellen Anstieg ch Löhne und Preise in den ökonomisc schwachen Ländern. Seit der Einführur des Euros sind laut EU etwa die Lohr stückkosten in Spanien, Portugal, Grit chenland, Irland und Italien um 28 b 30 Prozent gestiegen, in Deutschlan hingegen nur um fünf Prozent. Darr hat sich insgesamt die Wettbewerbsft higkeit gerade der ökonomisch schwc chen Länder gegenüber den wirtschaf lich starken nachhaltig verschlechter
Vernachlässigung realwirtschaf licher Faktoren. Bereits in de 1990er-Jahren, im Vorfeld der Eurc Einführung, wurde unter Experten diJ kutiert, wie man einen einheitliche
Bereits in früheren Jahren gab es in Europa Versuche, eine gemeinsame, transnationale Währung einzuführen. So gründeten 1865 Frankreich, Belgien, Italien, die Schweiz und Griechenland die Lateinische Münzunion. 1872 wurde die Skandinavische Währungsunion von Schweden und Dänemark ins Leben gerufen. Beide Projekte scheiterten nach einigen Jahren, weil die teilnehmenden Staaten versuchten, ihre Staatsschulden zu monetarisieren. Das heißt, Schuldtitel der Länder wurden von deren Zentralbanken aufgekauft. Die Schulden muss¬ten also nicht über Sparprogramme oder Steuer¬erhöhungen abgetragen werden. Letztendlich kann ein solches Vorgehen zu einer Entwertung
des Geldes, zu einer hohen Inflation führen. Für „Monetarisierung der Staatsverschuldung" wird heute auch oft der Begriff „Quantitative Easing" verwendet. Zum „Quantitative Easing" bekennen sich die Notenbanken der USA, Japans, Großbritanniens und der Schweiz. In der EU vermeidet man den Gebrauch des Begriffs, de facto wird aber eine solche Politik längst betrieben. Im Mai 2010 entschloss sich die EZB zum Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt. Damit verstößt sie, so die Mei¬nung vieler Experten, gegen den „Geist der Europäischen Währungsunion (EWU)". Dieser untersagt einen direkten Aufkauf von Staats. anleihen durch die Zentralbanken.
Währungsraum schaffen kann, der auch in Krisenzeiten Bestand hat. Während man sich in der Politik zu einem späte¬ren Zeitpunkt auf Konvergenzkriterien einigte, die vor allem monetäre Größen wie Inflationsrate, Zinsniveau, Stabilität des Außenwerts der jeweiligen Landes¬währung, Staatsdefizit und staatliche Gesamtverschuldung zum Beitritt in die Euro-Mitgliedschaft berücksichtigen, forderten schon damals Fachleute auch die Beachtung realwirtschaftlicher Fak¬toren, etwa Entwicklungsstand und In-novationsfähigkeit der Wirtschaft und das Niveau von Löhnen und Preisen. Natürlich sind solche „weichen Fakto¬ren" schwieriger zu fassen, aber sie sind, so die kritische Meinung, unverzichtbar für den Fortbestand einer Währungs¬union in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten. Zudem sind sie Voraussetzung dafür, dass eine gemeinsame Wirt-schaftspolitik, die ausnahmslos in allen „Ecken und Winkeln" des Währungs¬raums greift, betrieben werden kann.
Deutschland profitiert. Da eine solche trans¬nationale Wirt¬schaftspolitik we¬der betrieben wurde, noch hät-te aufgrund der unterschiedlichen ökonomischen Lage in den meis¬ten Euro-Mit¬gliedsstaaten sinnvoll betrieben werden können, verschärften sich die Unterschiede in der Produk¬tions- und Dienst-leistungsstruktur, der binnen- und au-ßenwirtschaftlichen Entwicklung, bei Produktivität und Lohnstückkosten zu-sehends. „Die sich aufbauenden real¬wirtschaftlichen Differenzen in der Eurozone hätten nur durch eine koor¬dinierte, untereinander abgestimmte Politik ihrer Mitgliedsstaaten gedämpft und behoben werden können. Diese nahmen die Probleme aber nicht wahr, weil man annahm, dass Instabilität nur aus finanzpolitischer Verantwortungs¬losigkeit entstehen kann", so Klaus Dröger und Andreas Wehr, Mitarbeiter im Europäischen Parlament.
Es kam sogar zu einem Verdrängungs-wettbewerb, bei dem jedes Land, jede Region bestrebt war, das Beste für sich zu erreichen. „Hatte in der Vergangen¬heit eine einheitliche Währung als Ka¬talysator für eine politische Union und damit Frieden in Europa gegolten, be¬werteten die Teilnehmerländer sie nun vor allem nach ihrem nationalen öko-nomischen Nutzen", so Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten profitierte insbesondere Deutschland von dieser Entwicklung. Das Land ver-zeichnete in den letzten Jahren die niedrigsten Lohnzuwächse und die ge¬ringsten Steigerungen bei den Lohn¬stückkosten. Gleichzeitig verfügt Deutschland über eine gute Infrastruk¬tur, einen hohen Bildungsstandard und eine innovative, leistungsstarke Wirt¬schaft. So fiel es dem Land leicht, in¬nerhalb Europas seine führende Posi¬tion auszubauen, mit hohen Leistungs¬bilanzüberschüssen. „In einer Wäh¬rungsunion hat auf Dauer derjenige einen Vorteil, bei dem im Vergleich zu den anderen Mitgliedern Preise und Kosten in geringerem Maße steigen", so Roland Döhrn, Leiter des Kompe-tenzbereichs „Wachstum und Konjunk¬tur" am Rheinisch-Westfälischen Insti¬tut für Wirtschaftsforschung (RWI). Eine Entwicklung, die ohne den Euro so nicht denkbar gewesen wäre. Spätestens mit der Wirtschafts- und Finanzkrise wäre es wohl zu einer starken Aufwertung der Deutschen Mark (DM) als „sicherer Hafen" gekommen, mit negativer Rück¬kopplung auf den Export. „Der Euro ist der Vater des deutschen Exportwun¬ders", so Thomas Straubhaar vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), in einem Mitte 2010 erschie¬nenen Beitrag. „Zwar hat nach 2002 auch der Euro gegenüber dem Dollar an Wert gewonnen, aber möglicher-weise nicht so stark, wie dies bei der Mark der Fall gewesen wäre", vermu¬tet etwa Döhrn.
Vorbild „Berlin"? Doch was tun?
Um die Eurozone zu erhalten, wird eine
umfassende Reform der EU-Politik vonnöten sein. Neben einem Finanzaus-gleich zwischen wirtschaftlich starken und wirtschaftlich schwachen Ländern wird es zu größerer Lohn-Preis-Flexibi¬lität und höherer Mobilität auf dem Arbeitsmarkt kommen müssen. Zudem müsste es in den wirtschaftlich schwa¬chen Ländern zu einer strukturellen Neuaufstellung kommen, die sie in die Lage versetzt, auf Augenhöhe mit der deutschen Wirtschaft zu agieren. Ein Konzept, auf das der deutsche Philosoph Jürgen Habermas hinweist. Deutschland muss, so Habermas, die EU zwingen, sich stärker am deutschen Modell zu orientieren. Dadurch könnte Deutsch¬land allerdings zum Feindbild werden. Statt „Brüssel" wird so in Zukunft „Ber¬lin" zum Synonym für all das, was den europäischen Bürgern an der EU miss¬fällt, befürchtet Habermas. Es käme zu einer Konterkarierung dessen, was das „europäische Projekt" ursprünglich be¬zwecken sollte, die harmonische Ko¬existenz der verschiedenen Völker.
Es fehlen Rettungskonzepte. Un-abhängig von dieser Befürchtung fehlt es jedoch ohnehin an einem umfas¬senden Konzept einer wirtschaftlichen Neuausrichtung der ökonomisch schwachen Länder. Um diese wieder auf die Beine zu stellen, wird von der EU nach wie vor auf realwirtschaftliche Größen verzichtet. „Auch bei den ak¬tuellen Auflagen, die die hoch verschul¬deten Länder erfüllen sollen, werden (monetäre) Größen der Einsparung präferiert. Damit wird die realwirtschaft¬liche Leistungsfähigkeit geknebelt, gar abgewürgt. Wie soll aber ein hoch verschuldetes Land seine Schulden je¬mals tilgen oder auch nur die Zinsver
pflichtungen erfüllen, wenn die Real wirtschaft stranguliert wird?", frag kritisch der Aachener Professor fü Volkswirtschaft Karl Georg Zinn. An dererseits haben viele Euro-Staaten die nun mit Zahlungsproblemen kämp fen, hohes Einsparpotenzial. Ein aufge blähter Staats- und Verwaltungsappara und mangelnder Wettbewerb in de Wirtschaft sind oft charakteristisch fü diese Länder. Dies gilt insbesondere fü den Krisenstaat Griechenland, desser Rettung vor einem drohenden Bankrot von vielen Marktteilnehmern gleichsan als Blaupause für die Unterstützung de anderen Krisenstaaten aus dem „Euro Club" angesehen wird.
Aktueller Stand. Der verabschiedete Maßnahmenkatalog zur Rettung Grie¬chenlands erinnert an den „Brady- Plan". Unter Leitung des damaligen US-Fi¬nanzministers Nicholas Brady wurde in den 1990er-Jahren vielen lateinameri¬kanischen Staaten, die Probleme hatten, ein individueller Umschuldungsplan angeboten. Mexiko war das erste Land, das einen Brady-Plan annahm. Den Gläubigern von Mexiko wurden stan¬dardisierte „Umschuldungspakete", später als Brady-Bonds bezeichnet, an¬geboten, aus denen sie, je nach Risiko¬einschätzung, frei wählen konnten. Bis 1994 hatten 18 Länder der Region einen Brady-Plan akzeptiert. Insgesamt wurden 60 Milliarden US-Dollar an Schulden abgeschrieben und 190 Milliarden US-Dollar in Umschuldungspakete über¬führt. Diese fanden ihren Weg an die Börse. Banken konnten so ihr Risiko managen, betroffene Staaten ihre Schul-denpakete zurückkaufen. Mexiko etwa tilgte bis 2003 alle Brady-Bonds.
Die Zukunft bleibt ungewiss. Be¬denken gegen eine Neuauflage des Brady-Plans kommen von Brady per¬sönlich. Er glaubt nicht, dass alle Besit¬zer griechischer Anleihen an einen Tisch zu bringen sind. „In Europa bräuchte man dafür ein Football-Stadion und nicht nur einen Verhandlungstisch", so Brady. Den einzigen Weg, die Schul¬denkrise zu lösen, sieht Brady im Vor¬schlag von Jean-Claude Trichet, ein europäisches Finanzministerium zu grün¬den. „Wäre es denn so abwegig, ange¬sichts eines gemeinsamen Marktes, einer gemeinsamen Währung und einer gemeinsamen Zentralbank ein gemein-sames Finanzministerium in Betracht zu
ziehen?", zitiert Brady Trichet. Damit spricht Brady einen Punkt an, der einmal im Vordergrund der „europäischen Be-wegung" stand und der auch mithilfe des Euros erreicht werden sollte: die Vereinigung der europäischen Staaten. Doch davon ist derzeit nicht mehr die Rede. Ganz im Gegenteil, die Euro¬Zone gleicht mehr und mehr einer reinen Zweckehe. Für den Euro ist das keine gute Perspektive. Eine Umschuldung Griechenlands, so wie sie nun vom EFSF und vom IWF anvisiert wird, wird auf jeden Fall eine langwierige Aufgabe werden. Der Euro bleibt damit ein „Pa¬tient in Behandlung", die Heilungschan¬cen sind bis auf Weiteres fraglich.
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