Brahmaputra River China India Reise Travel SelMcKenzie Selzer-Mckenzie
Brahmaputra River China India Reise Travel SelMcKenzie Selzer-Mckenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Bei einer Fahrt auf dem Brahmaputra kommt man der Natur ganz nahe: Nashörner grasen am Ufer, Delfine springen und im Delta erstreckt sich der weltgrößte Mangrovenwald.
Gerade hat hier jemand die Zeit angehalten. Nein, zurückgedreht. Der Ameisenhaufen namens Stadt ist verschwunden: All der lärmende Verkehr und die Menschenmassen, all die hektische Ge¬schäftigkeit des modernen Indien sind zurückge¬blieben. Kein Gestank mehr, keine Enge. Stattdessen Stille, nur von ein paar musizierenden Vögeln unter¬brochen. Eine ganz neue Kulisse, in der die Natur Regie führt, in der nur noch Landschaft, Tiere und ein paar Fischer auftreten. Ein Ambiente, in dem man plötzlich entspannen und genießen kann.
Nebel über Sandbänken
Das Panorama des ersten Morgens: Am Horizont
leuchten schneebedeckte Gipfel, die letzten Aus
läufer des Himalaya, vom Rouge der aufgehenden
Sonne bemalt. Ein wenig tiefer erahnt man das
Hellgrün der Plantagen, des größten zusammen
hängenden Tee-Anbaugebiets der Welt, auf denen
der Assam-Tee heranwächst. Auch der Brahmaputra
hat zu dieser frühen Stunde schon ein wenig Make
up aufgelegt: Nebel liegt über den kilometerlangen
Sandbänken, zwischen denen der träge Strom mä
andert. Und am Ufer, mit Dunst zwischen
Ravennagras und mächtigen Bäumen, wu
chert der Dschungel des Kaziranga-Nationalparks.
„Für mich ist das Schutzgebiet
ein Garten Eden", sagt Dushyant Parasher und zählt begeistert auf: „Tiger, Leopard, Lippenbär; Kragenbär und Asiatischer Wildhund leben hier. Am Boden sieht man Wasserbüffel, Schweinshirsche —winzig wie ein Reh — und große Zackenhirsche mit ihrem imposanten Geweih. Im Geäst über den Elefanten kann man manchmal Weißbrauen¬gibbons erspähen. Viele vom Aussterben bedrohte Säugetierarten haben hier Asyl gefunden. Auch die Vogelwelt ist einzigartig." Für den indischen Natur¬schützer und Fotografen, der eigentlich in einem Vorort Neu-Delhis lebt, ist das Schutzgebiet so etwas wie ein zweites Zuhause. Seit Jahrzehnten arbeitet er immer wieder im Park, der seit 1985 zum Unesco¬Weltnaturerbe zählt.
Das Schutzgebiet war damals allerdings nicht wirk
lich effektiv und kam selbst auf die Rote Liste: In den
80er-Jahren fielen derart viele Wilderer ein, dass der
Nationalpark immer wieder vor dem Aus stand.
Dushyant Parashers nächster Bildband wird nun
aber „Kaziranga — Paradise regained" heißen: In
zwischen hat sich die Tierpopulation erholt, weil
Ranger rund um die Uhr patrouillieren und der
Öko-Tourismus bei den Menschen in der Region für
zusätzliche Einnahmen sorgt
Kaziranga ist trotz seines Artenreichtums vor allem für ein Tier bekannt: das Indische Panzernashorn. „Früher war die Art über den ganzen Subkontinent verbreitet, von Pakistan bis nach Burma", erzählt ein Nationalpark-Guide. „Heute ist das leider an¬ders: Es gibt wahrscheinlich nur noch weniger als 3000 Tiere. 2048 davon sind hier im Nationalpark, das hat unsere letzte Zählung ergeben." Deren Lebensraum ist dank des mächtigen Brahmaputra perfekt. Denn der gewaltige Strom überflutet wäh¬rend der Regenzeit von Juli bis Oktober zwei Drittel des Parks. Der fruchtbare Schlamm, der sich dabei ablagert, wirkt in den folgenden Monaten als natür¬licher Dünger für das Gras, das die Nashörner so ger¬ne futtern — bis zu 150 Kilo am Tag.
Auf Elefanten unterwegs
Für eine Tour auf der Suche nach den gepanzerten Dickhäutern steigt man im Kaziranga-Nationalpark übrigens nicht in einen Jeep, sondern greift auf an¬dere Dickhäuter zurück, solche mit einem Rüssel: Schaukelnd, auf dem Rücken eines Elefanten, zie¬hen Besucher durch die Sümpfe. „Nashörner sind sehr territorial — sie machen es uns relativ einfach, sie zu finden", sagt der Mahout optimistisch. Dann ist es soweit, die Kameras der Besucher klicken: Auf einer Freifläche suhlt sich ein halbes Dutzend Rhinozerosse und mampft geräuschvoll das saftig Gras. Da macht es nichts, dass sich die Leoparden heute verstecken.
Andere Säugetiere sieht man dagegen einfacher, weil sie anscheinend häufig zum Spielen aufgelegt sind und sich vor Menschen nicht sonderlich fürchten. Für ein Sekündchen ragen dann die Spitzen ihrer dunkelgrauen Finnen aus dem Wasser, manchmal springen sie sogar, bevor sie sich im trüben Wasser wieder auf die Suche nach Fischen machen: Im Brahmaputra leben Süßwasserdelfine. Und weil der Strom weniger verschmutzt ist als der Ganges und ihm auch keine Dämme das Wasser abgraben, ist die Population stabil.
Sohn des Brahma
Das Wasser, durch das die Flussdelfine in Assam schwimmen, hat schon einen weiten Weg hinter sich. Denn der Strom entspringt im fernen Tibet und quert den Himalaya. Indien erreicht er im Staat Arunachal Pradesh, bevor er durchs benachbarte Assam fließt. In Bangladesch bildet er ein Delta und mündet in den Indischen Ozean. Als Brahmaputra, „Sohn des Brahma", des Schöpfers der Menschen, kennen ihn allerdings nur die Hindus in Indien. In Tibet verehrt man den „Fluss, der vom Himmel kommt", als Tsangpo, und in seinem Unterlauf in Bangladesch trägt er die Namen Jamuna, Padma und Meghna. 3450 Kilo¬meter von der Quelle
100 Jahre alte Schaufelrad¬dampfer verkehren heute noch auf dem Brahmaputra.
in den Gletschern des Dachs der Welt entfernt mün-det der mächtige Fluss ins Meer — nur Amazonas und Kongo führen mehr Wasser.
Trotzdem schlummerte der Brahmaputra lange Zeit in einer Art touristischem Dornröschenschlaf. Erst seit ein paar Jahren bietet die Assam Bengal Na-vigation Flusskreuzfahrten mit den Schiffen „Charaidew" und „Sukapha" an (Infos unter Telefon 02054/95470). Bei nur zwölf Kabinen ist es ein exklusives Vergnügen, vom Liegestuhl aus die Landschaft vorbeiziehen zu sehen, bei Landgängen die Tempel der Region zu erkunden und dem Weben von Seiden-Saris zuzusehen. Größere Schiffe haben hier keine Chance: Der manchmal viele Kilometer breite Fluss verändert so häufig seine flachen Kanäle zwischen den Sandbänken, dass Schiffe mit viel Tiefgang stecken bleiben würden.
So bleibt der Brahmaputra einer der wenigen Flüsse Indiens, die bislang noch nicht gezähmt wurden. Das ist er auch nicht, wenn er das Land verlässt, zu-sammen mit dem Ganges das größte Delta der Welt formt und sich in Bangladesch in den Indischen Ozean ergießt. Straßen gibt es hier bis heute nur we-nige. So tummeln sich nicht nur Fischerboote und
moderne Fähren auf dem Wasser, sondern auch Frachter, die aussehen wie die Piratenschiffe längst vergangener Tage. Mit etwas Glück erhascht man in einem der Kanäle auch noch einen Blick auf fah-rende Relikte, die eigentlich längst in ein Museum gehören, aber immer noch in Betrieb sind. Vor 100 Jahren, als man Bangladesch noch unter dem Namen Britisch-Indien kannte, wurden die ersten Schaufelraddampfer in Kalkutta für das Delta ge-baut, und heute fahren immer noch ein paar auf der Strecke zwischen der Metropole Dhaka und Khulna, einer Stadt im Westen des Landes. „Rocket" nannte man die Schiffe damals, weil sie schnell wa¬ren wie eine Rakete. 30 Stunden brauchen die alten Gefährte für die Strecke, und längst gibt es Alter¬nativen, mit denen man viel zügiger vorankommt. Aber eine Tour auf dem Raddampfer ist ein Erlebnis für sich. Immerhin kann man wählen, ob man in einer eigenen Kabine schlafen will (Erste Klasse) oder einfach auf dem Deck
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