Trading: Der Rubel rollt
Author D. Selzer-McKenzie
Youtube-Video: https://youtu.be/yIV_ddK2GU8
Die nahende Fußball-Europameisterschaft ist eine willkommene
Gelegenheit, einen Blick auf den Währungsmarkt Europas sowie auf die Gewinner
und die Verlierer der ersten fünf Monate des Jahres zu werfen. Vielleicht
lassen sich daraus einige Prognosen für die folgenden Fußballwochen ableiten.
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Im Allgemeinen zeigen sich Währungs¬märkte häufig
trendstark. Das soll heißen: Ist der Trend erst einmal etabliert, dann kann er
durchaus lange laufen. Deswegen sind solche Überraschungen wie kürzlich in
England, als Leicester City zum Unmut mancher Buchma¬cher englischer
Fußballmeister wurde, recht sel¬ten. Immerhin hatten die britischen Wettbüros
die Wahrscheinlichkeit auf einen Titelgewinn des Au-ßenseiters zu Saisonbeginn
bei 5000 zu 1 quotiert. Diese Quote entspricht derselben Wahrscheinlich¬keit,
mit der ein Auffinden des Monsters von Loch Ness oder des Yeti eingepreist
worden war. Sogar zehnmal so hoch setzten Buchmacher die Wahr¬scheinlichkeit
an, dass US-Präsident Obama eine der beliebtesten Verschwörungstheorien
bestätigt: Die Mondlandung hat nie stattgefunden. So kann man sich irren.
STÄRKEN DER SCHWÄCHE
Bei der Betrachtung der Devisenmärkte gibt es einen
wichtigen Ausgangspunkt: Viele Zentralban¬ken oder Regierungen vertreten die
Meinung, dass eine schwache Heimatwährung wirtschaftliche Vorteile bringt.
Nämlich in der Form, dass die hei-
mische Exportindustrie angekurbelt wird und auf der anderen
Seite Importe teurer werden, also auch aus diesem Grund die heimische Industrie
Vorteile erlangt. Die eigene Währung abschwächen — das wäre quasi so, als würde
eine Fußballmannschaft dauerhaft ins eigene Tor schießen. Auch dafür hat die
Fußballstatistik ein vergleichbares Vorbild zu bieten: 149 Tore schoss der
Verein Stade Olym-pique de l'Emyrne gegen den AS Adema auf Mada¬gaskar. Es
waren alles Eigentore der Spieler dieser Mannschaft aus Protest gegen — wie sie
meinten — falsche Schiedsrichterentscheidungen. Mancher Zentralbank- oder
Regierungschef würde diesem Vorbild sicher nacheifern. Allerdings würde er sich
damit Ärger anderer Staaten einhandeln, denn Ab-wertungswettkämpfe sind
sicherlich zumindest bei den Ländern, deren Währung aufwertet, nicht wirklich
gern gesehen.
VON DER WÄHRUNG ZUM EM-TITEL
Da Deutschland schließlich Europameister werden will, und
absichtliche Eigentore sicher nicht hilf¬reich wären, wirft X-press einen Blick
auf die Wert-veränderung des Euro gegenüber den Währungen der an der Fußball-EM
teilnehmenden Länder im Jahr 2016. Unter Umständen lässt sich daraus ir-gendwie
ableiten, dass Deutschland zwangsläufig Europameister werden muss. Viel
schlechter als das Orakel von Kraken oder anderen Vertretern der Fauna kann es
ja kaum werden.
Einfach zu ergründen ist es nicht, schließlich nutzen neun
der 24 EM-Teilnehmerländer den Euro als Währung: neben den Deutschen auch die
Fran¬zosen, Österreicher, Portugiesen, Spanier, Italiener, Belgier, Slowaken
und Iren.
Dann gibt es noch einige Teilnehmerstaaten mit Währungen,
die nicht gerade die Umsatzlis¬ten der gehandelten Devisen anführen. So zum
Beispiel der rumänische Leu, der albanische Lek, die kroatische Kuna und die
ukrainische Hrywnja. Da diese Währungen eher wenig gehandelt wer¬den, könnte
man nun davon ausgehen, dass diese Länder keine Chance auf den Titelgewinn bei
der Europameisterschaft haben werden. Kroatien hätte vielleicht bessere Karten
gehabt, wenn es seinen
ehemaligen Nationaltrainer Niko Kovac, der mittler-weile
Eintracht Frankfurt trainiert, behalten hätte.
STOLPERNDES PFUND
Drei Teilnehmerländer nutzen das Pfund Sterling als
Heimatwährung, England, Nordirland und Wales. Abgesehen davon, dass England
nach der ersten Runde in jedem Spiel ein Elfmeterschießen drohen könnte, bei
dem es naturgemäß ausscheiden wür¬de, hat sich das britische Pfund gegen den
Euro bis dato seit Jahresbeginn sehr schwergetan. Zum Redaktionsschluss dieser
Ausgabe gab es 2016 mehr als sechs Prozent gegenüber der Gemein-schaftswährung
nach. Das kann nur ein schlech¬tes Omen für die Fußball-EM sein. Zudem steht in
England am 23. Juni auch die Abstimmung über den Verbleib in der EU an (siehe
dazu auch Seite 9). Großbritannien wird Ende Juni daher wichtigere Fragen
diskutieren als die um das runde Leder. Das
OSTEUROPA NICHT GUT GENUG
Ein enges Rennen liefern sich bislang der Euro und die
Währungen der östlichen Nachbarländer Ungarn und Tschechien. Während der
polnische Ztoty seit Jahresbeginn aktuell über zwei Prozent gegen den Euro
abgewertet hat, werden die tsche¬chische Krone und der ungarische Forint nahezu
unverändert zu den ersten Kursen des neuen Jahres 2016 gehandelt. Damit
kristallisiert sich also kein klarer Favorit heraus. In diesem Fall sollten
Anleger einfach mal darauf vertrauen, dass das Orakel für ein Euroland als
EM-Favoriten stimmen wird. Also naheliegenderweise für Deutschland.
KANDIDATEN MIT GERINGEN CHANCEN
Die isländische Krone legte seit Jahresbeginn zwar um rund
ein Prozent gegenüber der Ge-meinschaftswährung zu. Da meldet sich aber der
Fußballsachverstand und sagt, dass es genauso unwahrscheinlich wäre, dass
Island Europameister würde, wie eine Wette, dass Leicester englischer Fußballmeister
werden würde — ups. Nun ja.
Die Schweden hatten die Deutschen bei der Qualifikation zur
letzten Fußball-EM etwas geär¬gert, als sie im Berliner Olympiastadion aus ei¬
nem 0:4-Rückstand noch ein 4:4 machten. Eine grandiose
Leistung. Da jedoch die schwedische Krone — im Gegensatz zur norwegischen
Krone, aber Norwegen ist ja diesmal nicht dabei ... — im laufenden Jahr gegen
den Euro bis jetzt um 1,6 Prozent nachgab, kommt Schweden ebenso wenig für den
Europameistertitel infrage. In ähnlicher Grö-ßenordnung hat auch der Schweizer
Franken gegen den Euro im Jahresverlauf abgewertet. 2015 wäre der Schweiz der
Titel übrigens nicht zu nehmen gewesen. Er stieg kräftig an.
Die türkische Lira hat sechs Prozent gegen den Euro
verloren, kommt also als Titelanwärter auch nicht in Betracht. Etwas
schwieriger wird es nun mit dem Rubel. Die russische Währung ist 2016 bis Mitte
Mai nämlich der Gewinner an den Märkten für Währungen. Gegen die europäische
Gemein¬schaftswährung legte sie um knapp acht Prozent zu. Auweia. Da muss ein
alter Chartisten-Trick her. Man betrachtet nicht die Wertveränderung des Rubel
gegen den Euro seit Jahresbeginn, sondern über genau ein Jahr. Und siehe da —
schon hat der Rubel um circa ein Drittel gegen den Euro abgewer¬tet. Und
scheidet damit aus dem EM-Rennen aus.
EURO ALS KLARER SIEGER
Also ist nun folgerichtig, wenn auch teilweise etwas
holprig, bewiesen, dass der Weg zum EM-Titel für ein den Euro als
Zahlungsmittel benutzendes Land mehr oder weniger frei ist. Die Frage ist,
welches der neun Euroländer. Man muss es dem Nachfolger des Kraken Paul, der
2010 alle WM-Spiele korrekt vorhersagte, etwas einfacher mit der Auswahl
ma¬chen, indem nur das Glas mit der Deutschlandfahne mit leckeren Miesmuscheln
bestückt wird. Die an¬deren acht Gläser bleiben leer. Wäre doch gelacht, wenn
hier nicht das „richtige" Ergebnis rauskäme.
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