Freitag, 10. Juni 2016

Trading: Der Rubel rollt


Trading: Der Rubel rollt

Author D. Selzer-McKenzie

Youtube-Video: https://youtu.be/yIV_ddK2GU8

Die nahende Fußball-Europameisterschaft ist eine willkommene Gelegenheit, einen Blick auf den Währungsmarkt Europas sowie auf die Gewinner und die Verlierer der ersten fünf Monate des Jahres zu werfen. Vielleicht lassen sich daraus einige Prognosen für die folgenden Fußballwochen ableiten.

 

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Im Allgemeinen zeigen sich Währungs¬märkte häufig trendstark. Das soll heißen: Ist der Trend erst einmal etabliert, dann kann er durchaus lange laufen. Deswegen sind solche Überraschungen wie kürzlich in England, als Leicester City zum Unmut mancher Buchma¬cher englischer Fußballmeister wurde, recht sel¬ten. Immerhin hatten die britischen Wettbüros die Wahrscheinlichkeit auf einen Titelgewinn des Au-ßenseiters zu Saisonbeginn bei 5000 zu 1 quotiert. Diese Quote entspricht derselben Wahrscheinlich¬keit, mit der ein Auffinden des Monsters von Loch Ness oder des Yeti eingepreist worden war. Sogar zehnmal so hoch setzten Buchmacher die Wahr¬scheinlichkeit an, dass US-Präsident Obama eine der beliebtesten Verschwörungstheorien bestätigt: Die Mondlandung hat nie stattgefunden. So kann man sich irren.

STÄRKEN DER SCHWÄCHE

Bei der Betrachtung der Devisenmärkte gibt es einen wichtigen Ausgangspunkt: Viele Zentralban¬ken oder Regierungen vertreten die Meinung, dass eine schwache Heimatwährung wirtschaftliche Vorteile bringt. Nämlich in der Form, dass die hei-

 

mische Exportindustrie angekurbelt wird und auf der anderen Seite Importe teurer werden, also auch aus diesem Grund die heimische Industrie Vorteile erlangt. Die eigene Währung abschwächen — das wäre quasi so, als würde eine Fußballmannschaft dauerhaft ins eigene Tor schießen. Auch dafür hat die Fußballstatistik ein vergleichbares Vorbild zu bieten: 149 Tore schoss der Verein Stade Olym-pique de l'Emyrne gegen den AS Adema auf Mada¬gaskar. Es waren alles Eigentore der Spieler dieser Mannschaft aus Protest gegen — wie sie meinten — falsche Schiedsrichterentscheidungen. Mancher Zentralbank- oder Regierungschef würde diesem Vorbild sicher nacheifern. Allerdings würde er sich damit Ärger anderer Staaten einhandeln, denn Ab-wertungswettkämpfe sind sicherlich zumindest bei den Ländern, deren Währung aufwertet, nicht wirklich gern gesehen.

VON DER WÄHRUNG ZUM EM-TITEL

Da Deutschland schließlich Europameister werden will, und absichtliche Eigentore sicher nicht hilf¬reich wären, wirft X-press einen Blick auf die Wert-veränderung des Euro gegenüber den Währungen der an der Fußball-EM teilnehmenden Länder im Jahr 2016. Unter Umständen lässt sich daraus ir-gendwie ableiten, dass Deutschland zwangsläufig Europameister werden muss. Viel schlechter als das Orakel von Kraken oder anderen Vertretern der Fauna kann es ja kaum werden.

Einfach zu ergründen ist es nicht, schließlich nutzen neun der 24 EM-Teilnehmerländer den Euro als Währung: neben den Deutschen auch die Fran¬zosen, Österreicher, Portugiesen, Spanier, Italiener, Belgier, Slowaken und Iren.

Dann gibt es noch einige Teilnehmerstaaten mit Währungen, die nicht gerade die Umsatzlis¬ten der gehandelten Devisen anführen. So zum Beispiel der rumänische Leu, der albanische Lek, die kroatische Kuna und die ukrainische Hrywnja. Da diese Währungen eher wenig gehandelt wer¬den, könnte man nun davon ausgehen, dass diese Länder keine Chance auf den Titelgewinn bei der Europameisterschaft haben werden. Kroatien hätte vielleicht bessere Karten gehabt, wenn es seinen

 

ehemaligen Nationaltrainer Niko Kovac, der mittler-weile Eintracht Frankfurt trainiert, behalten hätte.

STOLPERNDES PFUND

Drei Teilnehmerländer nutzen das Pfund Sterling als Heimatwährung, England, Nordirland und Wales. Abgesehen davon, dass England nach der ersten Runde in jedem Spiel ein Elfmeterschießen drohen könnte, bei dem es naturgemäß ausscheiden wür¬de, hat sich das britische Pfund gegen den Euro bis dato seit Jahresbeginn sehr schwergetan. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe gab es 2016 mehr als sechs Prozent gegenüber der Gemein-schaftswährung nach. Das kann nur ein schlech¬tes Omen für die Fußball-EM sein. Zudem steht in England am 23. Juni auch die Abstimmung über den Verbleib in der EU an (siehe dazu auch Seite 9). Großbritannien wird Ende Juni daher wichtigere Fragen diskutieren als die um das runde Leder. Das

OSTEUROPA NICHT GUT GENUG

Ein enges Rennen liefern sich bislang der Euro und die Währungen der östlichen Nachbarländer Ungarn und Tschechien. Während der polnische Ztoty seit Jahresbeginn aktuell über zwei Prozent gegen den Euro abgewertet hat, werden die tsche¬chische Krone und der ungarische Forint nahezu unverändert zu den ersten Kursen des neuen Jahres 2016 gehandelt. Damit kristallisiert sich also kein klarer Favorit heraus. In diesem Fall sollten Anleger einfach mal darauf vertrauen, dass das Orakel für ein Euroland als EM-Favoriten stimmen wird. Also naheliegenderweise für Deutschland.

KANDIDATEN MIT GERINGEN CHANCEN

Die isländische Krone legte seit Jahresbeginn zwar um rund ein Prozent gegenüber der Ge-meinschaftswährung zu. Da meldet sich aber der Fußballsachverstand und sagt, dass es genauso unwahrscheinlich wäre, dass Island Europameister würde, wie eine Wette, dass Leicester englischer Fußballmeister werden würde — ups. Nun ja.

Die Schweden hatten die Deutschen bei der Qualifikation zur letzten Fußball-EM etwas geär¬gert, als sie im Berliner Olympiastadion aus ei¬

 

nem 0:4-Rückstand noch ein 4:4 machten. Eine grandiose Leistung. Da jedoch die schwedische Krone — im Gegensatz zur norwegischen Krone, aber Norwegen ist ja diesmal nicht dabei ... — im laufenden Jahr gegen den Euro bis jetzt um 1,6 Prozent nachgab, kommt Schweden ebenso wenig für den Europameistertitel infrage. In ähnlicher Grö-ßenordnung hat auch der Schweizer Franken gegen den Euro im Jahresverlauf abgewertet. 2015 wäre der Schweiz der Titel übrigens nicht zu nehmen gewesen. Er stieg kräftig an.

Die türkische Lira hat sechs Prozent gegen den Euro verloren, kommt also als Titelanwärter auch nicht in Betracht. Etwas schwieriger wird es nun mit dem Rubel. Die russische Währung ist 2016 bis Mitte Mai nämlich der Gewinner an den Märkten für Währungen. Gegen die europäische Gemein¬schaftswährung legte sie um knapp acht Prozent zu. Auweia. Da muss ein alter Chartisten-Trick her. Man betrachtet nicht die Wertveränderung des Rubel gegen den Euro seit Jahresbeginn, sondern über genau ein Jahr. Und siehe da — schon hat der Rubel um circa ein Drittel gegen den Euro abgewer¬tet. Und scheidet damit aus dem EM-Rennen aus.

EURO ALS KLARER SIEGER

Also ist nun folgerichtig, wenn auch teilweise etwas holprig, bewiesen, dass der Weg zum EM-Titel für ein den Euro als Zahlungsmittel benutzendes Land mehr oder weniger frei ist. Die Frage ist, welches der neun Euroländer. Man muss es dem Nachfolger des Kraken Paul, der 2010 alle WM-Spiele korrekt vorhersagte, etwas einfacher mit der Auswahl ma¬chen, indem nur das Glas mit der Deutschlandfahne mit leckeren Miesmuscheln bestückt wird. Die an¬deren acht Gläser bleiben leer. Wäre doch gelacht, wenn hier nicht das „richtige" Ergebnis rauskäme.




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