Apulien Italia Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Apulien, das sind rund 900 Kilometer Küste an Sporn und Absatz des italienischen Stiefels. Die Hafenstadt Bari war einst ein großer Umschlagplatz für Handel, Moden und Kulturen.
„Antipasti di Mare", sagt die junge Süd-italienerin, die mit einem Stapel tönerner Schalen an unseren Tisch kommt. „Si", sage ich, „pero avere ordinare anche antipasti di terra." Grammati¬kalisch ist das freilich falsch, aber ich will ja auch nur in Italien Urlaub machen und jetzt dafür sor¬gen, dass alles auf den Tisch kommt, was wir bestellt haben. Übersetzt also „haben ich bestellen auch Vorspeisen von Erde". Ich gucke die südliche Schön¬heit an, lächle und sehe zu, wie sie sich daran
Tomaten. Funghi di Bosco daneben, Waldpilze aus den dunklen, sogar in der sengenden Sommerhitze kühlen Wäldern der Gargano-Halbinsel, eingelegt in eine Art Essig mit Estragon und Saubohnen mit Canestrato Pugliese, einem Käse aus der Alta Murgia, der Region um Bari. Überbackene und ge-kochte Muscheln und eingelegter Meeresfenchel, aber auch andere Köstlichkeiten, die die Zwillings-schwester vom Meer abgestellt hat, kommen dazu. Und frisches Weißbrot mit einer scharf angebacke
im Golf von Taranto dem Sonnenuntergang z wandt. Viele der sehenswerten Orte Apuliens li an oder nahe der Küste.
Bari, die Hauptstadt Apuliens, liegt an der Adria man erst einmal die Stadtmauer passiert, mit de Baresen früher unwillkommene Besucher fern ten, befindet man sich in einem unendlich wir den Labyrinth aus engen Gassen. Die Fassader Häuser an beiden Seiten sind mit Waren beh wie in einem arabischen Basar. Folgt man ih gelangt man an Plätze, in deren Ces sich denten einer der größten Universitäten Italien einem Cappuccino vom Professor im Hörsaal e len. Im Hafen drängen sich auch heute noch Fischerboote. Bari ist auch Fährhafen. Von hier nur ein kurzer Sprung nach Griechenland
Polignano a Mare ist eine der weißen Perlen Apuliens und liegt auf einem Felsplateau über dem Meer.
nen Kruste, die ein wenig bitter schmeckt, so¬wie Taralli, kleine Brotringe mit einem leich¬ten Geschmack nach Anis. Dann natürlich ei¬ne Karaffe Rotwein. Was die Zwillinge auf den Tisch bringen, ist ein kulinarischer Streifzug durch alle möglichen Winkel Apuliens.
Erde und Meer. Mit diesem Motto könnte auch der Tourismusverband Apuliens wer¬ben. Das wird bei einem Blick auf die Land¬karte deutlich. Knapp 900 Kilometer Küste säumen den Sporn und den Absatz des italie¬nischen Stiefels. Die Adria mit der Meerenge von Otranto dem Osten und die Ionische See
Bari ist eine der Hafenstädte, in denen sich einst Kaufleute aus dem ganzen Mittelmeerraum zum Handel getroffen haben, neue Moden sahen, ganz selbstverständlich Ideen austauschten und fremde Lebensart übernahmen. Sie haben hier um Qualität und Preise für Olivenöl und Gries gefeilscht. Und sie haben in den Häfen die Verladung von Amphoren mit Wein überwacht.
Seit 2000 Jahren wird in Apulien Wein kultiviert, ge-keltert und vergoren. Seit gut zehn Jahren arbeitet eine neue Generation von Önologen in den Kellern. Sie haben die Methoden der Weinherstellung mit Hilfe von neuestem Wissen und dem Einsatz sensib¬ler Technik verfeinert. Und sie erzeugen heute tief¬dunkle, kräftige Tropfen, für die sich der Weltmarkt zunehmend begeistert. Salice Salentino ist der Star unter ihnen. Doch auch Namen wie Negramaro, Nero di Troia und Primitivo di Manduria bringt man zusehends mit Apulien in Verbindung. In den Weinhandlungen vor Ort lassen sich oft gute und noch günstige Entdeckungen machen.
Teuflisch wilde Musik
Eine Entdeckung der anderen Art machen wir, als wir an einem heißen Abend noch spät auf der Ter¬rasse eines kleinen Familienrestaurants in Lecce sit¬zen. Die lebensfrohen Wirte gesellten sich schon zu den letzten Gästen, als einer der Köche mit seinem Bandoneon um die Schulter vorbeihuscht. Er ist zu einer Tarantellaparty unterwegs. Wir müssen ihn nicht lange bitten, dass er uns eine Kostprobe seiner
Imposant: das Castel del Monte des Staufer¬kaisers
Friedrich II.
ry
Musik gibt. Und es dauert nicht lange, bis wir, ange-leitet von seiner monotonen und doch teuflisch wil-den Musik, anfangen zu wippen und mit den Füßen im Takt zu stampfen. Ob der Rhythmus ursprüng-lich aus Taranto stammt oder von der Tarantel, von der man gestochen in diese Tanzwut verfällt, bleibt offen. Es gab eine Zeit, in der die Jugend mit Taran-tella nicht viel am Hut hatte. Seit 1998 jährlich die notte della taranta stattfindet, gibt es wieder zahl-reiche Zuhörer und Tänzer.
Florenz des Südens
Lecces Altstadt wirkt aber eher wie eine Bühne für klassische Musik. Bach, Mozart und Vivaldi wä¬ren perfekt für die Kulissen von Lecces Gassen. Kirchenfassaden prahlen dort mit überbordendem Schmuck. Rosetten werden über mehrere Reihen von Putten umgarnt. Engel fliegen über die Fassade der Basilika Santa Croce, tragen Bänder, auf denen Gottes Größe gelobt wird. Meterhohe Heilige wachen auf Balustraden. Über 150 Jahre wurde hier gebaut und gefeilt. Der Barockpracht wegen wird Lecce oft auch „Florenz des Südens" genannt. Möglich war dies nicht nur, weil der Stein der Region, der Pietra
Alberobello, wo ein ganzes Stadtviertel in diesem Stil gebaut ist. Dort ertrinkt man leicht in der Folklore und übersieht am Stadtrand und in der Umgebung die Schilder, die zu Ateliers weisen, zu Galerien und Ausstellungen moderner Künstler, die sich dort eingerichtet haben.
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