Donnerstag, 8. August 2013

GuangXi China Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie


GuangXi China Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie



Dort, wo bizarre Karsthügel und steile Reisterrassen die wohl eindrucksvollsten Landschaften Chinas formen, wird die Natur zum Bühnenbild.

4       Die Erde muss bei der Geburt dieser Land¬schaft einen Schluckauf gehabt haben. So steil ragen die Karstberge als Hörner und Höcker, Kuppen und Köpfe, Zacken und Zipfel empor. Zu ihren Füßen gleiten hunderte Kormoran-fischer auf ihren Flößen im Takt der Orchester¬musik durchs Wasser. Grelle Lichtblitze zucken, Scheinwerfer tauchen die Szene mal in Grün, Blau oder Lippenstiftrot. Schließlich geht der Mond auf, schwebt über der Wasseroberfläche. Ein Mädchen tanzt darauf von einer Sichelspitze zur anderen und singt vom Leben ihrer dritten Schwester Liu.
Seit über fünf Jahren wird das Musical „Sanjie Liu" auf einer der größten
Landschaftsbühnen der Welt aufgeführt. Da¬bei singen, turnen und tanzen über

600 Darsteller auf dem Li-Fluss vor 2000 Zuschauern. Nahezu jede dieser Vorstellungen ist ausverkauft.
Regissieur Zhang Yimou choreografierte die Olympischen Sommerspiele in Peking und gilt mit seinen Filmen „Hero" und „Leben!" als chi¬nesischer Steven Spielberg. Das farbenfrohe Spektakel auf dem Fluss verschont den Besucher mit landesüblichem Kitsch und beeindruckt trotzdem. Dabei geht es um das Leben der Feld¬arbeiterin Liu Sanjie, die einer Legende nach die beste Sängerin der Zhuang-Minderheit war und sich in ihren Liedern gegen die Unterdrückung durch die örtlichen Despoten auflehnte.
Heute wird das dritte Kind einer Minderheiten¬familie oft als „Liu-Kind" bezeichnet. Die Zhuang sind inzwischen mit 16 Millionen Men¬schen das größte der 56 Minderheitenvölker Chinas und leben im autonomen Gebiet Gu-

angxi. Eine faszinierende Gegend, die aufgrund ihrer bizarren Gipfel zum Weltnaturerbe zählt. Seit Jahren tuckert täglich eine Armada von Aus¬flugsschiffen mit jährlich bis zu 20 Millionen Besuchern den berühmten Fluss entlang.
Buddha der Barmherzigkeit
Auf Deck werden die Digitalkameras aus den Taschen gekramt, während wie vor 100 Jahren ei¬ne Frau am Ufer ihre Wäsche im Flusswasser wäscht. Auf der anderen Uferseite gleitet der „Buddha der Barmherzigkeit" vorbei, ein Hügel mit besonders dickem Bauch. Ihm folgen „Pin¬sel" und „Zankapfel" und tausende weitere Hügel ohne Namen.
Vor etwa 300 Millionen Jahren war das ganze Gebiet von einem Meer bedeckt. Dann ver-dichteten sich Reste von Fischknochen und Gräten mit Karstschlarnm, wurden an die Ober¬fläche gepresst und dort von Sonne und Wind in ihre bizarren Formen gemeißelt. Ein Grund, wa¬rum auf den Gipfeln Korallenversteinerungen zu finden sind.
„Für uns sind die Landschaft und das Musical nichts Besonderes", sagt Shi Lou und lacht, „wir sind hier aufgewachsen." Sie wischt sich die Hände am Snoopy-Motiv auf ihrer Küchen¬schürze ab. Die 28-Jährige vom Volk der Yao wohnt eine Tagesreise weiter nördlich. An die¬sem Tag kocht sie Rindfleisch mit gerösteten Erdnüssen für ihre Herbergsgäste. Dazu hackt ihr Mann das Fleisch in Stücke. In der Küche bau¬meln Mettwürste von der Decke. Darunter ste¬hen auf einem Waschbecken die Zahnputzbecher der Familie. Viel Platz gibt es nicht: Im Sommer ist jedes Zimmer und jedes Bad vermietet. Das Holzhaus hat der Schwiegervater, wie es hier Tradition ist, vor acht Jahren ganz ohne Nägel gebaut. Es liegt 1060 Meter über dem Meeres-spiegel inmitten der Longji Reisterrassen bei Dazhai, zweieinhalb Autostunden nördlich von Guilin, und ist nur zu Fuß erreichbar.
„Langhaardorf" Huangluo
Frauen in indigoblauen Trachtenblusen und mit wettergegerbten Gesichtern tragen das Gepäck der Gäste in Bastkörben auf dem Rücken hoch. Bei jedem Schritt wackeln die Creolen in ihren Ohrtunneln: In ihrer Jugend war es Tradition, sich zur Hochzeit die Ohrläppchen weiten zu las-sen. Die Yao haben ihre eigene Sprache, können aber auch Mandarin, die jüngeren Englisch.
Die älteren Yao tragen Tracht und traditionelle Frisuren. Dabei wickeln sie ihr Haar im Kreis um den Kopf. Der Nachbarort Huangluo ist als „Langhaardorf" bekannt. Die Frauen vom Red Yao Volk lassen sich nur einmal im Leben die Haare schneiden - kurz bevor sie heiraten. Der abgeschnittene Haarschopf wird anschließend als Perücke in die Frisur eingeflochten. Oft sieht man

wie die Frauen am Flussufer ihre Haare waschen. Das ganze Gebiet um Jinjiang und Dazhai wird von verschiedenen Minderheiten der Yao, Zhu-ang, Miao und Dong bewirtschaftet. Sie bauen hauptsächlich Reis an. Die Felder zählen zu den größten ihrer Art in China. Einer Legende nach lebte vor langer Zeit ein himmlischer Büffel hier, der sehr viel Dung hinterließ. Nach Jahren - so glaubte man - verwandele sich dieser in der Erde zu Gold.
Zwei Reisfelder weiter unten
Davon hat Schwiegervater Pan noch nichts ge¬merkt. „Das Pflügen ist das Schwerste", sagt der hagere Mann, „auch wenn ich dafür einen Wasserbüffel vom Nachbarn leihen kann." Sein Enkelsohn wird wohl eines Tages in die Stadt ge¬hen, um dort sein Geld auf leichtere Art zu ver¬dienen. Sicher wird er dann die Farben seiner Heimat vermissen: Im Frühling leuchten die Hänge grün, im Sommer gelb und im Herbst orange. So wie die Karstberge haben auch die Reisterrassen eigene Namen wie „Wirbelsäule des Drachen" oder „Goldener Buddha-Gipfel". An den schönsten Stellen stehen Warnschilder, die um Achtsamkeit bitten. Denn wer auf den schmalen, steilen Wegen zwischen den Stufen ¬abgelenkt vom Staunen und Fotografieren - die Balance verliert, landet schnell mal zwei Reisfelder tiefer.
Tiere in der Landwirtschaft: Viele Bauern arbeiten noch mit Wasserbüffeln.

Am Abend begrüßen Zikaden die Dämmerung mit einem lauten Zirpkonzert. Urplötzlich fällt die Nacht ins Land, als hätte jemand das Licht ausgeknipst. Ein paar Hunde bellen, dann ist es still.
Am nächsten Morgen weckt Shi ihre Gäste schon um fünf Uhr früh. Noch ganz verschlafen schnü¬ren sie die Wanderschuhe und stiefeln in den kühlen Morgen hoch ins „Musikparadies", so heißt ein Aussichtspunkt mit Blick auf die Reis-felder. Eine ganze Gruppe Urlauber aus den um¬liegenden Herbergen wartet schon dort. Jeden Morgen veranstaltet die Natur hier nämlich ihr eigenes Licht-Spektakel. Ganz langsam kriecht die Sonne hinter der Bergkuppe hervor. Dabei glänzen die mit Wasser gefüllten Felder wie tau¬sende Streifen Silberpapier. Und plötzlich gießt der Tag mit Schwung sein Licht in die Landschaft. So wie es kein Musical-Scheinwerfer je schaffen würde

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