Sonntag, 2. August 2015

Problem-Börse China


Problem-Börse China

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/1HRvVTreojA

Die Kurse an Chinas Börse sind massiv eingebrochen. Die Regierung in Peking reagiert mit Handelsverboten und Leitzinssenkungen. Eine aktuelle Einschätzung.

Ein rasanter Kursrutsch an den Börsen in China hat in den zurückliegenden Wochen für Unruhe am Markt gesorgt. Der SSE Composite Index (Shanghai Stock Exchange Composite Index) hat binnen weniger Wochen rund ein Drittel seines Wertes eingebüßt. Von 5.200 Punkten Mitte Juni ging es in einem Zug runter auf 3.400 Punkte im Juli. Das ist im Grun¬de genommen erst einmal nichts Ungewöhnliches, schlie߬lich hat der Index zuvor kräftig zugelegt, noch Mitte 2014 notierte er nur bei 2.000 Punkten (siehe dazu auch Seite 44). Das Problem daran ist aber, dass gerade in den Monaten zuvor sehr viele chinesische Kleinanleger ihr Erspartes an die Börse gebracht haben, ermuntert von der Regierung inPeking, sich um die Altersvorsorge zu kümmern. Sie fü-1--nun um ihr Vermögen, Panik macht sich breit.

Damit erinnert der Kurssturz an das Geschehen am deuts:-. - Neuen Markt vor 14 Jahren. Auch dieser wurde da—unter sehr viel Jubel und Klatschen nach oben gejagt, a_ :¬nachdem die Berliner Regierung intensiv auf die BevöLke-_ eingeredet hatte, sie müsse sich jetzt sofort um ihre ..1:1 cherung im Alter sorgen (Stichwort Riester).

Druck auf Peking nimmt zu. Die Lage in China ist jedochfid hoch verschuldet, ein Millionenheer von Wanderarbei-:e-n zieht durch das Land, an der Peripherie begehren un--_e-schiedliche Volksgruppen auf und der Versuch der Regie--_fig, den Konsum zu stärken, trägt noch nicht die erhofften zejchte. Zugleich wächst der Druck aus dem Ausland, die rtschaft zu liberalisieren, Handelsbeschränkungen abzu-:ajen und die Währung, den chinesischen Renminbi, freizu-zeben. Zudem verstärken die USA seitJahren ihre militärische =--äsenz im Pazifikraum. Die deutliche Steigerung des chi--esischen Militäretats zeigt die wachsende Unsicherheit

_ fiter der Politelite in Peking. Und diese schwelgt immer -och in der Vorstellung, mit allumfassenden Maßnahmen alles und jeden kontrollieren zu können.

Riesige Vermögensvernichtung. Doch das könnte ein Fehler sein, wie manche Marktbeobachter befürchten. Die Börse zu retten, das könnte unter Umständen auch die Mächtigen n Peking überfordern. Durch Verbote und Handelsbeschrän-Kungen versucht man derzeit noch, den Fall der Kurse ab¬zubremsen. Mittlerweile dürfen fast die Hälfte aller in Shanghai notierten Aktien überhaupt nicht mehr gehandelt ,werden und Großaktionären ist es schlichtweg verboten zu :erkaufen. Zudem hat die People's Bank of China (PBoC), die Notenbank in Peking, die Leitzinsen weiter gesenkt und die staatlichen Pensionskassen teilten mit, dass sie zukünftig 30 Prozent ihres Vermögens in Aktien investieren werden. Gleichzeitig kündigten staatliche Konzerne wie die Bank ICBC

 

INDEXMONITOR

und der Energiekonzern Petrochina an, in großem Mengen eigene Aktien zurückzukaufen.

Ob all diese Maßnahmen jedoch helfen, wird abzuwarten bleiben, aber es wäre wünschenswert. Denn der Kurssturz stellt die derzeit größte Bedrohung für das globale Wirt¬schaftsklima dar, weitaus größer als ein möglicher Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Das Vermögen, das durch den Einbruch allein des SSE Composite Index vernichtet wurde, dürfte sich auf rund drei Billionen US-Dollar belau¬fen, das wäre mehr als zehnmal so viel wie die griechische Wirtschaftsleistung. Auch wenn in den westlichen Medien das Thema Griechenland und der Grexit dominieren, China ist derzeit das Problem. Peking hat das Potenzial, die Welt¬wirtschaft in den Abwärtsstrudel zu ziehen, nicht Athen.

Nur eine Korrektur? Der Kurssturz an Chinas Börsen hat auch den Handelsplatz in Hongkong nach unten gerissen. Der Hang Seng China Enterprises Index rutschte von 15.000 auf 11.000 Punkte. Ein Blick auf den langjährigen Verlauf zeigt aber auch, dass damit der Aufwärtstrend noch nicht gebrochen ist. So dramatisch und gefährlich der Rückgang ist, noch scheint er in „normalen" Bahnen zu verlaufen. Zudem halten sich seine Rückwirkungen auf die chinesische Wirtschaft in Grenzen. So meint etwa Liu Ligang, Chefvolks¬wirt der australischen Großbank ANZ: „Alles in allem ist das chinesische Finanzsystem noch recht gesund. Und solange es den Banken gutgeht, ist es nur schwer vorstellbar, dass sich diese Börsenkrise in eine Finanzkrise verwandelt."

Viele Analysten gehen nach wie vor davon aus, dass der Kursrückgang nur eine Korrektur ist, nachdem die Aktien zuvor so stark gestiegen waren, und keine nachhaltige Trendwende. Einige Banken raten ihren Kunden deshalb zu einem sukzessiven Einstieg in chinesische Aktien. Die britisch-asiatische Bank HSBC etwa setzt das Jahresendziel des SSE Composite Index von 3.400 auf 4.000 Punkte hoch. Das wäre im Vergleich zum aktuellen Niveau kein großes Aufwärts¬potenzial, aber eben auch, und das ist die gute Nachricht, kein größeres Abwärtspotenzial mehr.

Ohnehin scheint nach den kräftigen Verlusten nun erst einmal eine Phase der Beruhigung und Besinnung anzustehen. Es eilt also nicht mit einem Engagement in China, aber auf die Watchlist sollte man Chinas Aktienmarkt nun unbedingt setzen

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