Paddeltour auf der Werra
Author D. Selzer-McKenzie
Youtube-Video: https://youtu.be/_axw22xFCXw
Im Kanu durch Deutschlands Mitte: Bei einer Paddeltour auf
der Werra erlebt man Thüringen aus ungewohnter Perspektive. Der Fluss bietet
grüne Weidentunnel und offene Auenlandschaften, am Ufer begleiten einen
mittelalterliche Burgen und Schlösser.
4 Uralte Weiden
strecken ihre knorrigen Äste aus, als wollten sie einen aufhalten. Manchmal
muss man sich tief ducken, um unter ihnen durchtreiben zu können, sonst würden
sie die Wasserwanderer aus den Kanus werfen. Das Laub bildet einen grünen
Tunnel, den das Son-nenlicht nur gefiltert durchdringt. Erlen reihen das Ufer,
dahinter ein paar Ulmen und Eschen: An manchen Stellen des Flusses haben sich
noch Altärme und Auwälder mit den typischen Baum¬arten erhalten.
Mit hellen Pfiffen begleitet einen hier ein fliegen¬der
Edelstein: Den blau-rot gefiederten Eisvogel bekommt man anderswo nur mit Glück
zu Ge¬sicht. Doch wo die Natur noch Natur sein darf, ist die Werra wildschön
wie ein Dschungelfluss. Was nach der nächsten Kurve kommt? Von der
Werraffhüringen
n Quelle im
Thüringer Wald
n Kanu-Einstieg
in Meiningen
n 230 Kilometer
bis zur Weser
Werra lässt sich selbst Andreas Pfannstiel immer wieder aufs
Neue überraschen. Seit mehr als 20 Jahren stattet er mit seiner Firma
diejenigen mit Kanus und der passenden Ausrüstung aus, die den Fluss für eine
Tagestour oder bei einer länge¬ren Reise erkunden wollen. Doch die Werra hat,
obwohl sie vielerorts ausgebaut und begradigt wurde, ihren naturnahen Charakter
bewahrt. „Mal taucht ein Fischotter vor einem auf, mal muss man einen
umgestürzten Baum umschif¬fen: Eine Tour auf dem Wasser ist hier jedes Mal ein
Abenteuer."
Selbst für Anfänger geeignet
300 Kilometer schlängelt sich die Werra durch Thüringen und
Hessen, um sich schließlich in Hannoversch Münden mit der Fulda zur Weser zur
vereinigen. Die Strömung ist so gemütlich, dass auch Anfänger auf ihr paddeln
können. Be¬liebt sind die offenen und kippstabilen Kanadier: Hier hat nicht nur
eine vierköpfige Familie Platz, es passen auch noch Ausrüstung und Gepäck
hi¬nein. Wer noch nie gepaddelt hat, bucht zunächst
am besten eine geführte Tour. „Viele Gäste sitzen zum ersten
Mal im Leben in einem Kanu. Doch die Paddelschläge, die wirklich wichtig sind,
lernt man schnell", sagt Andreas Pfannstiel.
Vielfalt am und im Fluss
Vom Städtchen Meiningen aus, wo die meisten Kanuten starten,
ist die beliebte Panoramastre¬cke bis Treffurt in einigen Tagen zu schaffen.
„Zu DDR-Zeiten war die Werra ökologisch tot, weil das Abwasser ungeklärt
eingeleitet wurde. Heute hat der Fluss nahezu wieder
Badewasser-Quali¬tät", freut sich Thomas Wey vom Bund für Um¬welt und
Naturschutz. Mit dem Projekt „Leben¬dige Werra" soll die Vielfalt der
Lebensräume am und im Fluss erhalten und erweitert werden. Bei Lauchröden
wurden auf zehn Kilometern die Ufer aufgeweitet. Ein Problem bleibt die
Versal¬zung des Flusses: „Die Kali-Industrie darf ihre Lauge weiterhin in die
Werra pumpen. Fischen macht das Salz das Leben schwer, doch immer¬hin ist die
Sole für uns Menschen ungefährlich." Am Ufer der Werra begleiten einen
verschlafeneÖrtchen und die Kurstadt Bad Salzungen. Auf jedem zweiten Hügel
steht eine Burg. Man kann seine Nächte in Hotels und Pensionen, aber auch an
ungewöhnlichen Orten verbringen. Auf dem Campingplatz in Breitungen stehen
Schä¬ferwagen, und bei Martin Koenitz im Schloss Breitungen tauchen Gäste in
die Geschichte des Anwesens ein.
Am Wochenende herrscht auf der Werra mehr Betrieb, doch
unter der Woche sind auf dem Fluss oft nur wenige Paddler unterwegs. Am
An¬leger des Dörfchens Hörschel ist zumeist mehr los. Hier beginnt der
Rennsteig-Wanderweg. Manche machen hier auch die letzten paar Schritte ihrer
Tour: Am Holzpfahl mit den Weg¬weisem für die Route haben Wanderer viele
aus¬getretene Sportschuhe als Andenken an ihren langen Marsch zurückgelassen.
Einer der schönsten Abschnitte der Werra
„Viele Wanderer nehmen einen Werrakie-sel mit auf ihre
Reise. 169 Kilometer spä ter, zum Abschluss der Tour, werfen sie den Stein dann
in die Saale", erzählt Stefan Roth. Er unterhält in Creuzburg
und Treffurt zwei Kanustationen. Seine Hausstrecke entpuppt
sich als einer
der schönsten Abschnitte der Pad¬deltour auf der Werra:
Harmonisch vermählt sich hier die Kulturland¬schaft Thüringens mit der Wildheit
der unberührten Natur.
Zunächst passieren Kanuten eine in sie¬ben Bögen ausgeführte
Natursteinbrücke. Im Jahr 1223 ließ sie ein Thüringer Landgraf aus Sand- und
Kalksteinblöcken errichten, um den auf dem Handelsweg „via regia"
reisenden Kaufleuten einen sicheren Übergang über die Werra zu ermöglichen. Für
den himmlischen Schutz der Brücke und der Reisenden sorgt die nahegelegene
Liboriuskapelle.
Ein paar hundert Meter nach dem Kulturdenk¬mal übernimmt die
Natur. Tief hat sich die Wer¬ra hier in ein Muschelkalkmassiv eingegraben und
ein schmales Tal mit Steilhängen und weiß leuchtenden Felsen geformt. Wer sein
Kanu am Ufer festmacht, kann auf die „Ebenauer Köpfe" hinaufsteigen: Die
Felsen mit den Wacholderbü¬schen und dem kargen, der Sonne ausgesetzten
Magerrasen sind ein wichtiges Rückzugsgebiet für seltene Tier- und
Pflanzenarten.
Ein „Vöglein",
das nicht fliegen kann
An den Hängen reiht sich ein Schutzgebiet an das andere.
„Wir haben hier seltene Heuschre¬cken gefunden. Und auch 35 Arten von
Schmet¬terlingen, zum Beispiel Schwalbenschwanz und Perlgrasfalter",
begeistert sich Werra-Experte
Renrieeig
8,0 kr
32,7 k,,
64,0
Thomas Wey vom Bund für Umwelt und Natur¬schutz. In einem
Naturführer hat er'noch mehr Informationen über die Lebensräume am und im Fluss
zusammengetragen. Das Rote Wald-vöglein ist hier ebenfalls heimisch — auf dem
Bo¬den und nicht in der Luft, denn es ist eine der geschützten Orchideenarten.
Im Aufwind über den Steilhängen kreist der Rotmilan, und auf den
Felsvorsprüngen brüten Kolkrabe und die größte heimische Eule, der Uhu.
Wer anschließend wieder sportlich mit dem Paddel ins Wasser
sticht oder sich als entspann¬tere Alternative einfach von der gemächlichen
Strömung treiben lässt, reist in der Werraschlei-fe zwischen Frankenroda und
Falken ebenfalls durch artenreiches Terrain. Es zwitschert im Schilf, auf den
Feldern entlang des Flusses und im angrenzenden Wald: Nicht nur Meisen und
Lerchen lassen von sich hören, sondern auch Sumpf- und Teichrohrsänger. Auf der
Werra tummeln sich allerlei Enten, Zwergtaucher sowie ein turtelndes
Höckerschwan-Pärchen.
Königlicher Blick über -larz und Rhön
Weiter flussabwärts wartet als nächstes kulturel-
les Highlight die Fachwerkstadt Treffurt mit ihrem
Wahrzeichen, der schon von weitem sichtbaren Burg Normannstein. Vorher treibt
man mit der gemütlichen Strömung der Werra aber noch durch eine Engstelle. Über
einer gut 60 Meter hohen Felswand erheben
sich die Zinnen des Heldrasteins, den
die Thüringer Lokalpatrioten zum „König des Werratals"
gekrönt ha¬ben. Wer die Stufen zum Aussichts¬turm hinaufkraxelt, kann das gut
nachvollziehen: Der Blick auf den Harz und zur Rhön ist wirklich kö-
niglic
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.