Author Selzer-McKenzie
Die Filmbilder hat der Author in Western Australia gedreht
Neben den Meeresschildkröten sind die Seeschlangen (Hydrophiinae) die bekanntesten der heute im Meer lebenden Reptilien. Sie gehören zu den Schlangen (Serpentes) und werden innerhalb dieser in die Verwandtschaft der Giftnattern (Elapidae) eingeordnet. Ihre nächsten Verwandten sind dabei offensichtlich die australoasiatischen Giftnattern (Elapidae), zu denen etwa die Taipane, Braunschlangen und Schwarzottern gehören. Von den marinen Seeschlangen sind etwa 56 Arten bekannt.
Die meisten Seeschlangen erreichen Körperlängen zwischen 1,2 und 1,4 Metern, einige Arten können jedoch auch deutlich über 2 Meter lang werden. So erreichen etwa Hydrophis cyanocinctus 2,5 Meter oder Hydrophis spiralis bis zu 2,75 Meter. Meistens werden die Weibchen deutlich länger als die Männchen. Das Gewicht der Tiere ist abhängig von Art und Geschlecht sowie vom Ernährungszustand. Die gestreifte Seeschlange Laticauda colubrina wiegt dabei im Schnitt etwa 0,9 bis 1,3 Kilogramm bei einer Körperlänge von bis zu 1,80 Metern (Voris et al. 1998).
Auch in der Körperform variieren die Seeschlangen. Astrotia stokesii etwa ist im Verhältnis zur Körperlänge eher kräftig gebaut und wirkt entsprechend plump. Viele Hydrophis-Arten haben einen extrem langen und schmalen Kopf- und Nackenbereich, der früher zu der Annahme führte, sie würden sich nur von entsprechend dünnen Aalen ernähren. Heute weiß man, dass sie in der Lage sind, Beutetiere zu schlucken, deren Körperumfang dem doppelten des Umfangs der Schlange entspricht. Der schmale Kopf dient offensichtlich dem Aufspüren von Beutetieren in engen Verstecken.
Seeschlangen unterscheiden sich aufgrund ihrer marinen Lebensweise in einigen Merkmalen deutlich von anderen Schlangen. Dabei ist das auffälligste sichtbare Merkmal der seitlich abgeflachte Schwanz, der allen Seeschlangen gemein ist. Hinzu kommt meist eine reduzierte Anzahl von Bauchschuppen (Ventralia, außer bei den Laticauda-Arten, welche sich auch an Land bewegen können) und die unter der Zunge liegende Salzdrüse, die der Ausscheidung von überschüssigem Salz dient. Des Weiteren ist der rechte Lungenflügel der Seeschlangen stark vergrößert und reicht bis in die Schwanzspitze der Tiere. Teile der Lunge dienen zudem als hydrostatisches Organ. Die Tiere können bis zu zwei Stunden lang und bis zu 180 Meter tief tauchen. Dabei helfen ihnen auch die ventilartigen Verschlüsse ihrer Atmungslöcher. Wahrscheinlich sind sie in der Lage, Sauerstoff auch über die Haut aufzunehmen und so eine bessere Versorgung zu gewährleisten.
Einige der beschriebenen Merkmale kommen auch bei anderen, nicht näher verwandten Schlangentaxa vor. So besitzen die im Brackwasser lebenden Warzenschlangen ebenfalls eine Salzdrüse, und eine Reduktion der Ventralia kann bei verschiedenen wühlenden Schlangen gefunden werden, etwa bei den Blindschlangen.
Die Seeschlangen bewohnen die tropischen Meeresregionen des Indischen Ozeans und des Pazifischen Ozeans. Man trifft sie entsprechend vom Persischen Golf bis in die japanischen Küstengewässer sowie an den Küsten der südostasiatischen Inseln bis nach Australien. Bis auf die sehr weit verbreitete Plättchen-Seeschlange (Pelamis platurus) leben alle Seeschlangen in Küstennähe.
Die Plättchen-Seeschlange hat sich außer in den genannten Gebieten bis an die Küsten Madagaskars und Südost-Afrikas sowie an die Westküste des tropischen Amerikas ausgebreitet, wobei sie auch schon im Panama-Kanal angetroffen wurde. Einige Wissenschaftler befürchten, dass sich die Schlange über den Panama-Kanal auch in die Karibik ausbreiten könnte und hier als Neozoon ein schwerwiegendes ökologisches Problem auslösen könnte.
Alle anderen Arten leben vornehmlich im Flachwasser an den Küsten, häufig im Bereich von Flussmündungen (etwa Enhydrina schistosa). In diesen Flüssen können sie mitunter auch weit ins Landesinnere eindringen, allerdings ist mit Hydrophis semperi nur eine Art bekannt, die dauerhaft im Süßwasser lebt. Das Verbreitungsgebiet dieser Schlange ist auf den etwa 270 km2 großen Lake Taal auf der Philippineninsel Luzon beschränkt. Von Laticauda crockeri sind auf den Salomonen ebenfalls Süßwasserpopulationen bekannt. In den bekannten Verbreitungsgebieten liegt der Salzgehalt bei maximal 3,5 %. Im Roten Meer mit seiner Salzkonzentration von 4 % kommen daher wahrscheinlich keine Seeschlangen vor
Seeschlangen sind wie beinahe alle Schlangen Räuber und ernähren sich vor allem von Fischen. Dabei sind einige Arten regelrechte Nahrungsspezialisten. Laticauda colubrina ernährt sich etwa vornehmlich von bestimmten Meeresaalen und Hydrophis ornatus ist auf Welse spezialisiert. Die Plättchen-Seeschlange lebt und jagt als Freiwasserspezialist beinahe ausschließlich entlang der Driftlinien, also dem Bereich, wo zwei Wasserschichten aufeinanderliegen. Hier lebt vor allem Plankton, welches Jungfische der verschiedensten Freiwasserarten anlockt. Bei Magenuntersuchungen bei dieser Art wurden entsprechend Vertreter von 21 Fischarten gefunden, fast ausschließlich Jungfische. Die in den Riffspalten jagenden Seeschlangen erbeuten demgegenüber meist recht große Beutefische.
Manche Seeschlangen jagen auch nachts. Sie finden dann ihre Beutefische durch ihren ausgezeichneten Geruchssinn.
Neben den Spezialisten gibt es auch Seeschlangenarten, die ein sehr großes Beutespektrum haben. So ernährt sich etwa Aipysurus laevis außer von Fischen auch von deren Laich sowie von Kopffüßern.
Die Seeschlangen sind bis auf die Laticauda-Arten lebendgebärend und bekommen ihre Jungen im Meer, wo sie ihr gesamtes Leben verbringen. Die Laticauda-Arten verlassen demgegenüber das Meer und legen ihre Eier an Land ab, wo sie auch außerhalb der Paarungs- und Eiablagezeit recht häufig anzutreffen sind und Ruhepausen einlegen. Zur Fortpflanzungszeit besiedeln die Schlangen in sehr großen Zahlen verschiedene Inseln, vor allem auf den Philippinen finden sich dann Laticauda laticauda und Laticauda semifasciata in vielen tausend Exemplaren ein. Allgemein sind sonnen- und wärmesuchende Seeschlangen oft auch auf See in großen Gruppen an der Wasseroberfläche anzutreffen.
Neben dem Menschen haben die Seeschlangen vor allem aufgrund ihres sehr wirksamen Giftes kaum wirkliche Fressfeinde. Es ist anzunehmen, dass sie gelegentlich von Haien oder Walen gefressen werden, Belege dafür fehlen allerdings weitgehend. Der Tigerhai soll gegen das Gift der Seeschlangen immun sein. Weiterhin wurden größere Adler, insbesondere Seeadler, beobachtet, die Seeschlangen aus dem Meer fischten, als jene zum Luftholen und zum Teil auch zum Aufwärmen an der Sonne an die Oberfläche kamen, und sie verspeisten.
Seeschlangengift gilt als eines der stärksten Schlangengifte überhaupt. Die Tiere besitzen feststehende Giftzähne im Vorderteil des Maules, sie gehören entsprechend zu den so genannten „proteoglyphen“ Schlangen. Dabei sind die Zähne etwas kürzer als bei den landlebenden Giftnattern; ihre Länge reicht bei den meisten Arten jedoch aus, um menschliche Haut zu durchdringen. Ausnahmen bilden hier einige Arten, die sich vornehmlich auf die Ernährung durch Fischlaich spezialisiert haben.
Streifenruderschlange (Hydrophis cyanocinctus)
Zur Verteidigung setzen die Tiere ihren Biss, außer in der Paarungszeit, nur sehr selten ein, stattdessen fliehen sie lieber. Besonders in Südostasien werden die Tiere von den Küstenfischern gern gefangen, wobei diese sie ohne größere Schutzmaßnahmen mit den Händen hinter dem Kopf greifen. Trotz ihrer Bissfaulheit kommt es besonders durch diesen sehr sorglosen Umgang der Fischer mit den Tieren nicht selten zu tödlich verlaufenden Bissen, vor allem, da in den kleinen Fischerdörfern nur selten Antiserum zur Bissbehandlung zur Verfügung steht. So sind über 90 % aller dokumentierten Seeschlangenbisse als Unfälle beim Fang der Tiere anzusehen, die meisten Bissunfälle sind von Enhydrina schistosa und Hydrophis cyanocinctus bekannt. Der Biss ist beinahe schmerzfrei und die Hautverletzung wegen der Feinheit der Zähne oft kaum zu sehen, auch Blutungen treten kaum auf. Das Gift selbst, eine farblose bis gelbliche und zähe Flüssigkeit, besitzt einen sehr hohen Anteil an Neurotoxinen, die bei den Beutetieren und potentiellen Angreifern Lähmungen hervorrufen. Dazu gehören vor allem Lähmungen der Extremitäten- und Atemmuskulatur (Dyspnoe) sowie Ausfälle von Hirnnerven. An der Bissstelle selbst kommt es zu starken Nekrosen mit Funktionseinschränkung bis zum Verlust der betroffenen Extremität. Als wichtigster Bestandteil im Gift gilt das Neurotomin, welches auch für den Tod durch Atem- oder Herzlähmung verantwortlich ist. Die Giftdrüsen enthalten 10 bis 15 Milligramm Gift; bereits drei bis zehn Milligramm wirken aber tödlich. Allerdings verläuft nur etwa ein Viertel aller Bisse kritisch, da nicht immer Gift in die Bissstelle kommt. Etwa fünf bis 35 Prozent dieser Vergifteten sterben an dem Biss. Eine Erklärung für diese doch relativ geringe Mortalität bietet das Sparsamkeitsprinzip. Es ist anzunehmen, dass die Seeschlangen ihr Gift nur in äußerst geringen Dosen abgeben, da für die Vergiftung ihrer Opfer (meist Fische) bereits kleine Mengen ausreichen.
Die ersten Anzeichen einer Nervenlähmung zeigen sich beim Menschen meist erst nach mehr als 30 Minuten, es kann allerdings auch einige Stunden dauern. Anfangs kommt es zu einem Trockenheitsgefühl im Hals und einer Zungenlähmung, meistens gemeinsam mit Übelkeit und Erbrechen. Den ersten Anzeichen folgen oft Angstattacken, Unruhe oder auch Euphorie. Nachfolgend werden die Extremitäten gefühllos, beginnend mit den Beinen. Die weitere Lähmung ist aufsteigend und setzt sich über die Bauch- und Brustmuskulatur fort, schließlich kann nur noch das Zwerchfell die Atmung leisten. Bis zu seinem Tod bleibt der Gebissene bei vollem Bewusstsein, obwohl er für einen Beobachter einen schlafenden Eindruck macht. Bei 25 % der Todesopfer tritt der Tod nach spätestens 8 Stunden nach dem Biss ein, bei 50 % innerhalb von acht bis 24 Stunden und bei den verbleibenden 25 % nach bis zu drei Tagen.
Bei allen Seeschlangenbissen wird als Erste Hilfe die so genannte „Pressure/Immobilization Technique“ empfohlen. Außerdem muss die Atmung gewährleistet werden, indem ein Tubus in den Hals eingeführt (Intubation) und mit dessen Hilfe beatmet wird. Weitere Maßnahmen sind von den auftretenden Symptomen abhängig, für beinahe alle Arten der Seeschlangengifte gibt es Gegengifte (Antiserum beziehungsweise Antivenin).
Die giftigste Seeschlange der Welt ist die Dubois’ Seeschlange (Aipysurus duboisii), welche außerdem hinter dem Inlandtaipan und der gewöhnlichen Braunschlange die drittgiftigste Schlange der Welt ist.
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