Pie de la Cuesta Mexico Reise Travel SelMckenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Pie de la Cuesta, nahe Acapulco, Südküste von Mexiko. Das Regalbrett an der leuchtend orangefar-benen Wand in der Rezeption meiner Pension biegt sich gewaltig. Bücher stehen darauf, stapeln sich hoch übereinander. Maria, die Besitzerin, hat mir bei meiner Ankunft angeboten, dass ich mich jeder¬zeit aus ihrer kleinen Sammlung von zurückgelas¬senen Büchern bedienen kann. Urlaubslektüre, gut für den Strand, die Seiten von der Sonne vergilbt und aufgedunsen von der Luftfeuchtigkeit, die hier in den Tropen herrscht. Meist in spanischer oder englischer Sprache, wenig in Deutsch. Man steckt ei¬nen Dollar in das Sombrerosparschwein an der Rezeption oder hinterlässt eigene Bücher.
Pure Entspannung
Die erste Hälfte meines Urlaubs ist vorbei. Die Zeit hier in diesem kleinen, verschlafenen Küstenort, mit dem Bus eine halbe Stunde westlich von Acapulco entfernt, war so entspannend und wunderbar arm an Ereignissen, dass es kaum Grund gab, mein Buch wegzulegen. Ich las beim Frühstück, das im Schatten von Palmen am kleinen Pool aufgetragen wurde, morgens, wenn die Luft noch herrlich frisch ist. Einmal habe ich einen Ausflug mit einem grell bemalten Holzboot in die Lagune gemacht, habe Flamingos gesehen, Reiher, Tukane und Schild-kröten. Die anderen Tage bin ich die wenigen Schritte schnurstracks zum Sandstrand gegangen und habe mich unter eine Palapa gelegt. Das ist eine einfache Konstruktion aus vier Pfosten, auf denen ein Dach aus getrockneten Palmenblättern ruht und für Schatten in den Hängematten darunter sorgt. Nur wenige Meter weiter krachen Wellen des Pazifiks gewaltig in sich zusammen. Manchmal kommt eine bunt bekleidete Frau mit Durstlöschern vorbei.
Mangos, Papayas und Ananas — kunstvoll ge-schnitzt und auf Wunsch mit Chilipulver bestäubt. Ich habe kein Laptop angerührt, kein Smartphone keinen Organizer, habe mich einfach ausgeklinkt. Am Abend nach getaner Arbeit kommen die Ein-heimischen an den Strand, stehen im weichen Licht der untergehenden Sonne zusammen, erzählen, la-chen. Jungs pumpen ihren Oberkörper auf, sobald weibliche Dorfschönheiten vorbeischlendern, möch-ten mit einem Handstand imponieren, laufen ein Stück auf den Händen durch den Sand und sprin¬gen kopfüber in die Wellen. Den Strand säumen Restaurants, in deren Küchen Meeresfrüchte in Limonensaft für Ceviche marinieren. In Molcajeten — Mörsern aus Stein — werden veschiedenste Chilis zerstoßen, Tomatenmark, Koriandergrün, gehackte Zwiebeln dazugegeben und zu feurigen bis lebens-gefährlich scharfen Soßen verrührt. Da werden def-tige Eintöpfe angesetzt und Guacamole zubereitet Rauchfahnen vom Feuer in den Grills, auf deren Glut bald Snapper und Steaks garen, steigen zwi¬schen den Palmen auf. Ich bekomme Appetit. Zeit, den Ort zu wechseln. Dorthin. Zum Abendessen und einem kühlen Bier.
Puerto Escondido
Vorher brauche ich Lesestoff. In besagtem Regal fin-de ich zwei Bücher in deutscher Sprache. Eines da-von heißt Puerto Escondido und ist von Pino Cacucci. Als Maria, die Besitzerin, das Buch sieht, sagt sie, dass es schön dort sei. Meinen Blick beant¬wortet sie mit der Erklärung, dass Puerto Escondido fünf Busstunden südöstlich von Acapulco liegt, es dort viele Surfer gibt und der Ort ein Traum sei. „Schöner als hier?", frage ich sie. „Differente!", sagt sie und zwinkert vielversprechend mit den Augen.
Dieses Augenzwinkern kenne ich von anderen Malen, als ich mich nach dem schönsten Ort an der Pazifikküste erkundigt habe. Richard Burton und Liz Taylor hatten es einfacher. Sie kamen 1964 nach Puerto Vallarta, um bei dem Film von William Faulkners Stück „The nicht of the Iguana" die Hauptrollen zu übernehmen. Die Lage der spani-schen Kolonialstadt inmitten tropischer Natur, an den Ausläufern der sanften Hügellandschaft des Bundesstaats Jaliscos zur einen und die weit gezoge-ne Banderasbucht zur anderen Seite brachte sie zum Schwärmen. Für die Stadt und für einander. Noch im selben Jahr feierten sie in der „Nuestra Senora de Guadeloupe"-Kirche ihre Traumhochzeit.
Meeresschildkröten
Damals war die Stadt noch nicht auf dem Landweg zu erreichen. Crew und Filmausrüstung mussten mit dem Schiff gebracht werden. Heute hat die Stadt 250.000 Einwohner und genügend Betten, um jähr-lich fünf Millionen Übernachtungen zu bewerk-stelligen. Südlich von Puerto Vallarta wechseln sich Traumbuchten und steile Klippen, ursprüngliche Fischerdörfer mit einfachen Pensionen und exklusi-ven Boutiquehotels ab. Reiche Aussteiger starteten hier nochmals neu, oft mit dem Ansatz, es besser zu machen. Im Hotelito Desconocido etwa, um Tou-rismus und Umwelt zu versöhnen. Es grenzt an ein Naturschutzgebiet, das die Musiker der mexikani-schen Popgruppe Mana finanzieren. Meeresschild-kröten legen am Strand ihre Eier ab, die wiederurr von Biologen ausgegraben und ausgebrütet werden Die frisch geschlüpften Schildkrötenbabys werder schließlich am Strand ausgesetzt, damit sie die letz ten Meter ins Wasser alleine schaffen.
Ich habe mich entschieden, Puerto Escondido zurr
Ziel zu machen. Wenige Tage später saß ich im Bus. Zuerst nach Acapulco. Zum touristischen Pflicht-programm dort gehört der Besuch der La Quebra-dabucht, wo tollkühne Jungs von der 35 Meter ho-hen Klippe in den Pazifik springen. Das allerdings war es schon mit mir und Acapulco. Die Stadt ist mir zu groß, zu hektisch und außerhalb des Zentrums und der angrenzenden Strände mit seinen Hotel-und Appartementhochhäusern zu unsicher. Aca¬pulco wächst jährlich um etwas mehr als zwei Prozent — für Stadtplaner eine echte Herausfor¬derung. Also ab zum Busbahnhof.
Im Bus erster Klasse
Überlandbusse sind für die meisten Mexikaner das einzige Verkehrsmittel. Das Streckennetz ist ausge-klügelt und bietet Service verschiedener Klassen an. Längere Strecken sollte man in der ersten Klasse zu-rückgelegen. Sie fährt direkt, hat eine Klimaanlage, bietet Erfrischungen an und ist überraschend güns¬tig. Obendrein werden Filme gezeigt. Am liebsten
solche, die im Winter und zu Weihnachten spielen. Fünf Stunden Fahrzeit schmolzen zu zwei Filmen und einigen Nickerchen. Dann war es Zeit, aus dem fahrenden Kühlschrank auszusteigen.
Nach der Kälte erlebe ich die tropisch warme Welt des Busbahnhofs von Puerto Escondido erstmal im Nebel. Die beschlagene Brille ist jedoch schnell ge-reinigt, mein Gepäck ausgelöst und in den Koffer-raum eines Taxis gestellt. Ich lasse mich an die Playa Zicatela fahren. An der langgezogenen Bucht mit ihrem breiten feinkörnigen Sandstrand reihen sich viele Hotels, Cafes und Restaurants aneinander. In der Surferwelt ist Puerto Escondido schon lange kein „versteckter Hafen" mehr. Das liegt an den Wellen und speziell an der Mexpipe, ein bis zu zehn Meter hohes Monster, das vor allem im Dezember auf die Küste zurollt und jeden eingefleischten Surfer jubeln lässt. Aber auch außerhalb dieser Zeit liegen die Wellenreiter stundenlang in Neopren¬anzügen auf ihrem Board und warten auf die per¬fekte Welle, springen plötzlich auf ihr Brett, lassen sich vor den Wassermassen herschieben und ducken
sich so lange wie möglich unter dem brechenden Kamm. Das ist sicher wunderbar, wenn man es kann. Ich setz' mich lieber in den Sand und schaue dem Treiben zu.
Feinkörniges Sandband
Zum Schwimmen gehe ich zur kleinen Bucht Puerto Angelito. Ein schmaler Weg führt über weni¬ge Stufen zum feinkörnigen Sandband, das die tür¬kisblaue Bucht einfasst. Der Rhythmus der jungen Surfer Puerto Escondidos ist streng geregelt und be-stimmt von den Wellen. Die halbe Nacht in Bars ab-zuhängen steht eher weit unten in der Priori-tätenliste. Den Besuch des italienischen Restaurants La Hostaria allerdings sollte man sich nicht entge¬hen lassen. Dort wird täglich die Verfilmung des Buchs gezeigt, das ich gerade gelesen habe. Ein per¬fekter Mix aus Thriller und Roadmovie.
Vor der Heimreise stelle ich meine Lektüre wieder ins
Bücherregal. Wie gut, dass ich keinen eReader habe
und weiter teilen kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.