Donnerstag, 5. November 2015

Brexit: Die Folgen für Großbritannien und die EU


Brexit: Die Folgen für Großbritannien und die EU

Author D.Selzer-McKenzie

https://youtu.be/TstZ2RzwHsY

Spätestens Ende 2017 werden die Briten über den weiteren Ver¬bleib ihres Landes in der EU entscheiden. Aber was würde ein Austritt Großbritanniens aus der EU bedeuten? Unserer Meinung nach halten viele der wirtschaftlichen Argumente für einen Brexit einer genaueren Untersuchung nicht stand. Damit bleibt der Brexit eine politische Entscheidung, die Großbritanniens wirt¬schaftliche und politische Interessen aufs Spiel setzen könnte.

 

Was haben die Römer je für uns getan?

Die Einstellung der Briten zur EU erinnert an die Szene aus Monty Pythons Film »Das Leben des Brian«, in der der von John Cleese dargestellte Reg die versammelten Mitglieder der Volks¬front von Judäa fragt: »Was haben die Römer je für uns getan?« Dann wird darauf hingewiesen, dass sie den Judäern den Aquä¬dukt, die sanitären Einrichtungen, die Straßen, die Bewässerung, das Schulwesen, die medizinische Versorgung und die öffentli¬che Ordnung gebracht haben. Woraufhin Reg die unsterbliche Antwort gibt: »Also gut ... mal abgesehen von sanitären Einrich-tungen, der Medizin, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, der Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und den allgemeinen Krankenkassen ... was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?«

Die EU gewährt Zugang zu einem Binnenmarkt mit mehr als 500 Millionen Menschen und fördert den freien Waren-, Dienst-leistungs- und Kapitalverkehr sowie die Freizügigkeit von Arbeit- nehmern. Die Londoner City ist faktisch zum Finanzzentrum der EU geworden, und in die EU geht auch die Hälfte der britischen Warenexporte (Grafik 1). Zwar äußern UKIP und andere immer wieder Unmut darüber, dass Großbritannien eine riesige Zahl von EU-Migranten aufnimmt, doch in Wirklichkeit leben fast ebenso viele britische Bürger im Rest der EU. So ergab die Volkszählung von 2011, dass etwa 1,9 Millionen EU-Bürger in Großbritannien leben und 1,8 Millionen Briten in den übrigen EU-Ländern (Gra¬fik 2). Letzteres ist symptomatisch dafür, was mit der öffentli¬chen Debatte über die EU nicht stimmt: Sie ist umwölkt von Halbwahrheiten und Fehlinformationen.

Die EU-Mitgliedschaft bietet offensichtlich zwar Vorteile, man darf aber nicht die Augen davor verschließen, dass sie auch Nachteile hat. Auf dem ganzen Kontinent gibt es Sorgen über das Ausmaß der Auseinandersetzung von Bürgern mit der EU sowie zahlreiche Beschwerden aus der Wirtschaft, dass EU-Ver¬ordnungen ihre Arbeit behindern. Es gibt also Verbesserungs¬bedarf in Bezug darauf, wie die EU funktioniert und was sie den Bürgern bietet. Aber wie wir nachfolgend darlegen, ergibt eine

 

Kosten-Nutzen-Analyse, dass Großbritannien aus der EU-Mit¬gliedschaft - politisch wie auch wirtschaftlich - größeren Nutzen zieht als aus einem Alleingang.

Die politischen Aspekte des Brexits

Premierminister Camerons Versprechen von 2013, bis 2017 ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft durchzuführen, ist im innenpolitischen Kontext zu sehen, in dem die euroskeptische Botschaft, mit der die UK Independence Party hausieren ging, den politischen Status quo bedrohte. Im Wahlkampf spielte das versprochene Referendum dann jedoch kaum eine Rolle. Denn die EU-Frage ist den meisten Wählern viel weniger wichtig, als die Medien uns glauben machen wollen. Tatsächlich ist deutlichzu spüren, dass sich die Debatte gar nicht wirklich um die EU dreht. Sie ist Teil einer allgemeineren Gegenreaktion auf die Globalisierung, die auch in vielen anderen europäischen Ländern zutage tritt, in Großbritannien aber in einer Anti-EU-Stimmung Ausdruck findet. Nach seinem Versprechen fühlt sich Premier¬minister Cameron jetzt verpflichtet, seinen Worten Taten folgen zu lassen - in erster Linie, um zu verhindern, dass der euroskepti¬sche Flügel seiner eigenen Partei ähnliche Probleme verursacht, wie sie bereits die letzte Mehrheitsregierung der Konservativen von 1992 bis 1997 plagten. Wird dieses Thema nicht angegan¬gen, ergeben sich alle möglichen politischen Probleme für Cameron. Doch es besteht wenig Zweifel daran, dass dies ein riskantes Spiel mit Großbritanniens nationalen Interessen ist.

Der Prozess des Referendums (und sein mögliches Nachspiel) Noch vieles kann sich ändern im Vorfeld des Referendums, des¬sen Termin noch nicht feststeht. Vor der Wahl hat die Regierung versprochen, dass es bis Ende 2017 kommt. Doch es wird zunehmend darüber spekuliert, dass es bereits 2016 stattfinden könnte, um Konflikte mit den Wahlterminen in anderen Ländern zu vermeiden. Meinungsumfragen zeigen, dass die britischen Wähler zum Verbleib in der EU tendieren (Grafik 3). Doch diese Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen, denn vor der Parla¬mentswahl im Mai waren die Umfragedaten sehr ungenau ausgefallen.

Falls die Wählerschaft tatsächlich für den Austritt aus der EU votiert, müsste die britische Regierung sich auf Artikel 50 des

 

Lissabon-Vertrags berufen, der von der EU verlangt, ein Aus¬trittsabkommen auszuhandeln. Sobald dieser Prozess in Gang gesetzt ist, dauert der Verhandlungsprozess maximal zwei Jahre (oder bei beiderseitiger Zustimmung auch länger). Derweil gel¬ten die bestehenden EU-Regelungen weiter, wobei Großbritan¬nien die Austrittsverhandlungen nicht beeinflussen könnte. Die Bedingungen des Austritts werden in erster Linie von der Euro¬päischen Kommission festgelegt, und es könnten sich Austritts¬bedingungen ergeben, die für die britische Seite nicht günstig sind. Es gab Überlegungen, dass Großbritannien den Prozess nach Artikel 50 vermeiden

könnte, indem es den

European Communities »Was Großbritannien betrifft,

Act von 1972 aufhebt und        ist einer der größten Vorteile

somit einseitig austritt. der EU-Mitgliedschaft der

Zugang zum europäischen

Doch das würde ebenso            Binnenmarkt.«

viele Probleme aufwerfen

wie lösen, nicht zuletzt

die Frage, wie die Forderungen von Migranten zu behandeln sind - sowohl von Ausländern in Großbritannien als auch von britischen Bürgern in anderen EU-Staaten. Bei einem solchen Ergebnis wäre zudem eine Retourkutsche von Großbritanniens ehemaligen EU-Partnern möglich, was sogar noch weniger günstig wäre als der Prozess gemäß Artikel 50.

Im Brexit-Fall könnte überdies die Diskussion um Schottlands Unabhängigkeit wieder auf die Agenda gelangen. Es war beab- sichtigt, dass dieses Thema nach dem Referendum von letztem Jahr für eine Generation vom Tisch ist. Doch die Scottish Natio¬nal Party (SNP), die bei der Wahl in diesem Jahr 56 der 59 Parla-mentssitze nördlich der Grenze errungen hat, vertritt die Ansicht, dass ihr in der Brexit-Frage ein Vetorecht zusteht. Doch ein sol-ches wird ihr höchstwahrscheinlich nicht gewährt. Und da die SNP sich auf die Fahnen geschrieben hat, Widerstand gegen einen Austritt aus der EU zu leisten, besteht die unerquickliche Aussicht auf eine Neuauflage des Referendums von letztem Jahr, wobei der Ausgang nächstes Mal noch weniger sicher wäre.

Die wirtschaftlichen Aspekte des Brexits: Der Nutzen eines Binnenmarkts

Was Großbritannien betrifft, ist einer der größten Vorteile der EU-Mitgliedschaft der Zugang zum europäischen Binnenmarkt, der aus Gesetzen resultiert, die in den 1980er und 1990er Jahren verabschiedet wurden. Mit Beitritt zur EWG 1973 ging Großbri-tannien eine Zollunion ein. Aber im Zuge der Umsetzung des europäischen Binnenmarkts vertiefte sich die wirtschaftliche Integration der EU-Staaten durch die Abschaffung anderer nicht-tarifärer Handelshemmnisse (zum Beispiel Verbesserung der Faktormobilität, harmonisierte aufsichtsrechtliche Anforderun¬gen und Steuern). Generell wird davon ausgegangen, dass die Schaffung des Binnenmarkts einen positiven wirtschaftlichen Nettonutzen ergeben hat - wobei zahlreiche Studien jedoch lediglich die Schwierigkeiten bei der Quantifizierung dieses Nutzens hervorheben konnten. Tabelle 1 hebt einige der größten Vorteile hervor, die aus der EU-Mitgliedschaft erwachsen. Zu den wichtigsten zählt, dass diese Großbritannien ermöglicht, auf internationaler Ebene eine überproportional große Rolle zu spielen: Die Bevölkerung der EU ist mit 500 Millionen grö¬ßer als die der USA und Japans zusammen. Als EU-Mitglied hat Großbri¬tannien Einfluss auf die Festlegung der Regeln, die für einen riesigen Absatzmarkt gelten. Auch bietet der Binnen¬markt Kostenvorteile, denn Unternehmen haben nur einen Satz Regeln zu beachten, anstatt mit allen Handelspartnern separat verhandeln zu müssen. Schlussendlich - und das mag kontroverser sein - wird behauptet, dass die EU die Bereitstellung kostengünstiger Güter und Dienstleistungen für EU-Bürger sicherstellt, indem sie ihre Wirtschaftsmacht nutzt, um Monopole zu bekämpfen.

Versuche, den Nutzen (und die Kosten) zu quantifizieren, haben zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Eine Studie, die die geistige Grundlage für das Projekt des europäischen Binnen-markts bildete, wurde 1988 durchgeführt und ergab, dass die Einführung des Binnenmarkts über einen Zeitraum von fünf Jah-ren zu einem Nutzen führen würde, der schätzungsweise 4,3 bis 6,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU entspricht. Einer jüngeren Studie zufolge hatte der europäische Binnenmarkt bis 2006 das BIP der EU um 2,16 Prozent erhöht und 2,75 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Das ist nur halb so viel wie ursprünglich behauptet. Allerdings ergab die Studie, dass das Potenzial des Binnenmarkts noch nicht ganz realisiert worden ist und sich der Effekt verdoppeln lässt.

Die Kosten eines Binnenmarkts

Die empirischen Daten zeigen zwar mehrheitlich, dass die EU netto einen wirtschaftlichen Nutzen mit sich bringt. Doch darf man nicht übersehen, dass die Mitgliedschaft auch mit Kosten verbunden ist. Diese gliedern sich in drei Bereiche: (1) Wirt-schaftliche Kosten entstehen aus der Durchsetzung einer protek-tionistischen Politik, die den Nutzen der vielen (der Konsumen-ten) zugunsten bestimmter wichtiger Interessengruppen verrin-gert. (2) Regulatorische Kosten werden vielfach als belastend betrachtet. Dass die Regulierung zugenommen hat, ist nicht zuleugnen. Doch die Frage ist, ob die Kosten, insbesondere für kleine und mittelgroße Unternehmen, den Nutzen überwiegen. (3) Fiskalische Kosten: Großbritannien ist ein Nettobeitragszahler in den EU-Haushalt, und die Euroskeptiker behaupten, dass dieses Geld besser für inländische Projekte verwendet werden könnte.

In Bezug auf die wirtschaftlichen Kosten behaupten die Gegner, eines der größten schwarzen Löcher sei die Landwirtschaft, wo Landwirte Subventionen vom Steuerzahler bekommen, die die Lebensmittelpreise auf einem Niveau halten, das höher ist, als es ohne die gemeinsame Agrarpolitik wäre. Großbritannien zieht zwar keinen Nettonutzen aus der gemeinsamen Agrarpolitik. Doch dies ist gegen den Nutzen aus dem EU-Kartellrecht und den Nettonutzen aus Bereichen wie zum Beispiel der Umwelt¬politik aufzurechnen. Die regulatorischen Kosten sind ähnlich schwer zu beziffern: Das Funktionieren eines Binnenmarkts mit weitgehend harmonisierten Standards erfordert einen aufsichts¬rechtlichen Rahmen. Doch selbst die EU erkennt an, dass es ein Problem mit Bürokratie gibt: Nach Berechnungen der Hoch¬rangigen Gruppe im Bereich der Verwaltungslasten haben die EU-Verwaltungslasten bei 123,8 Milliarden Euro (0,9 Prozent des EU-BIP 2012) die Spitze erreicht; seitdem sind Maßnahmen ergriffen worden, die diese um 0,2 Prozentpunkte des Bruttoin¬landsprodukts senken werden. Eine in Großbritannien oft geäu¬ßerte Kritik ist, dass die Regulierung »vergoldet« sei (das heißt, es werden Standards erlassen, die über die EU-Mindeststandards hinausgehen) und mit mehr Eifer durchgesetzt werde als in anderen EU-Nationen. Das mag zutreffen oder auch nicht (und dieser Behauptung wird von der britischen Regierung heftig

 

widersprochen), doch dieses Problem ist hausgemacht und kommt nicht aus Brüssel.

Das Problem der fiskalischen Kosten ist eher leichter zu quanti-fizieren. Der von Großbritannien 2014 geleistete Bruttobeitrag zum EU-Haushalt wird auf 19,2 Milliarden britische Pfund (1,1 Prozent des BIP) geschätzt. Nach Abzug von Rabatten und anderen Einnahmen belief sich der Nettobeitrag auf 9,8 Milliar¬den britische Pfund (0,5 Prozent des BIP). Somit war Großbritan¬nien in 41 der 42 Jahre seiner EU-Mitgliedschaft ein Nettobei¬tragszahler (die einzige Ausnahme bildete 1975). Im Zeitraum von 1973 bis 2014 betrug der Netto¬beitrag im Durchschnitt 0,35 Prozent des Brutto-inlandsprodukts. Seitdem ist er jedoch gestiegen und dürfte 2016 bei 0,5 Prozent die Spitze errei¬chen (Grafik 4). Großbritannien ist in absoluten Zahlen nach Deutschland der zweitgrößte Nettozahler (Grafik 5), auf Pro-Kopf-Basis jedoch nur der fünftgrößte. Dennoch reichten die britischen Nettobeiträge 2013 aus, um die Netto-EU-Einnahmen von Griechenland, Ungarn, Slowenien und Irland zu decken.

Doch während Großbritannien insgesamt ein Nettozahler ist, sind die Landesteile, in denen der Lebensstandard unter dem EU-Durchschnitt liegt, Nettoempfänger von zentralen Mitteln.

Offiziellen britischen Daten zufolge erhielt Wales 2009 EU-Mittel in Höhe von 74 britischen Pfund pro Kopf und Nordirland erhielt 106 Pfund pro Kopf; Schottland kam in etwa plus/minus null heraus. Das impliziert eindeutig, dass ohne EU-Gelder sogar noch höhere Transfers von den Steuerzahlern in England zu denjenigen in den anderen Teilen Großbritanniens nötig wären.

Bewertung von Nettokosten und -nutzen

Es sollte nicht überraschen, dass die unter der Schirmherrschaft der EU durchgeführten Studien Resultate ergaben, die für den europäischen Binnenmarkt günstig sind. Ebenso überrascht nicht, dass Personen und Organisationen mit euroskeptischen Ansichten generell behaupten, dass die Kosten der EU-Mitglied-schaft deren Nutzen überwiegen. Deshalb sind Versuche, Kosten und Nutzen präzise abzuschätzen, mit Vorsicht zu genießen. Allerdings sind die euroskeptischen Studien in zweierlei Hinsicht zu kritisieren: Erstens basieren sie auf pessimistischen Annahmen und berücksichtigen mögliche Reformszenarien nicht. Zweitens konzentrieren sie sich generell nur auf die direkten Kosten und Nutzen, ohne den potenziell bedeutenden Nutzen zweiter Ord-nung zu beachten. Ein Beispiel: Selbst wenn Großbritannien kein EU-Mitglied wäre, müsste es eigene aufsichtsrechtliche Regelun-gen erlassen; die Kosten der Bürokratie würden also nicht ein¬fach verschwinden. Und wie einige Studien zeigten, wirken sich ausländische Direktinvestitionen aus der EU potenziell signifikant aus, und zwar über ihren Einfluss auf den technischen Fortschritt und ihre späteren Auswirkungen auf Potenzialwachstum und Wettbewerbsfähigkeit.

Fazit

Nach Prüfung der Daten scheint der Nutzen der EU-Mitglied-schaft für Großbritannien die Kosten zu überwiegen. Die EU ist zwar eine Institution mit vielen Fehlern. Doch Euroskeptiker, die die EU auf wirtschaftlicher Basis kritisieren, verfehlen weitge-hend das Thema. Die Belege dafür, dass ein Abbau der Bürokra-tie Großbritanniens wirtschaftliche Situation verbessern würde, sind gelinde gesagt nicht überzeugend. Der gesunde Menschen-verstand sagt uns, dass eine Welt mit geringeren Handelshemm-nissen zu höherem wirtschaftlichen Wohlstand führen sollte als eine mit stärkeren Hemmnissen. Somit dürfte ein Brexit-Ergeb-nis, das den Zugang zum europäischen Binnenmarkt beschränkt, nicht in Großbritanniens nationalem Interesse sein. Zahlreiche empirische Daten untermauern diese Einschätzung, wenngleich einige Studien zu dem Schluss gelangen, dass die Verluste im Handel durch Gewinne in anderen Bereichen mehr als kompen¬siert werden können.

Ebenso ist der ungehinderte Zugang zu einem Markt von 500 Millionen Menschen ein Vorteil, den die britische Finanzdienstleis-tungsbranche nach den aktuellen Regelungen genießt. Bewegte sich das Land außerhalb der EU, entfiele dieser Nutzen im Gegenzug für sehr unsichere Gewinne. Denjenigen, die behaup¬ten, dass Großbritannien die Einbußen im Handel mit der EU durch eine Steigerung seiner Exporte in die stark wachsenden asiatischen Märkte kompensieren könnte, entgeht ebenfalls das Wesentliche - nämlich, dass reiche Länder in unmittelbarer Nähe tendenziell den größten Gewinn aus dem Handel ziehen. Alles in allem stellt der Brexit unserer Meinung nach ein wirtschaftliches Spiel mit den nationalen Interessen dar, wobei nicht ersichtlich ist, dass dieses zu positiven Ergebnissen führen würde.

Wir sind von den wirtschaftlichen Argumenten für den Brexit zwar nicht überzeugt, aber auch nicht blind für die Defizite der EU. Fragen der demokratischen Legitimation und ihre Ferne von den Bürgern der Mitgliedsländer haben in den letzten Jahren ihre Legitimität in Frage gestellt. Doch in einer Welt zunehmender geopolitischer Spannungen und des Aufstrebens globaler Supermächte wie beispielsweise Chinas werden die europäischen Nationen als Teil der EU besser in der Lage sein, ihre Präsenz auf der Weltbühne zu wahren. Trotz aller Fehler der EU wird oft der ursprüngliche Zweck dieser Staatenge¬meinschaft übersehen, nämlich nach einem Jahrhundert der Konflikte in Westeuropa die Nationen miteinander zu verbin¬den. Dieses Ziel hat sie erreicht, denn sie hat dazu beige¬tragen, die längste Zeit des Friedens und Wohlstands der Moderne herbeizuführen.

 

Es scheint zwar gute wirtschaftliche Argumente für einen Verbleib in der EU zu geben. Doch letzten Endes muss Gro߬britannien den wirtschaftlichen Nutzen gegen die politischen Kosten abwägen. Denn die EU ändert ihren Charakter, um die Probleme der Eurozone zu bewältigen. Doch in Anbetracht der Option einer halb losgelösten Existenz außerhalb der EU, in der Großbritannien sich schwerlich dem Einfluss der EU entziehen könnte, ist unser Fazit, dass die EU zwar keineswegs perfekt ist, dass aber das Leben draußen noch viel härter sein könnte.

 

 

 

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