Donnerstag, 5. November 2015

Trading: Korrektur oder längerfristiger Bärenmarkt?


Trading: Korrektur oder längerfristiger Bärenmarkt?

Author D.Selzer-McKenzie

https://youtu.be/EF0uNlwIVFM

Das konjunkturelle Risiko für die Aktienmärkte ist gestiegen. Dennoch dürfte sich das am Markt gespielte Szenario als zu negativ herausstellen. Wir betrachten die jüngste Schwäche entsprechend als Korrektur und nicht als Beginn eines länger¬fristigen Bärenmarkts. Bis sich unser Bild bestätigt, dürften allerdings noch einige Wochen vergehen, in denen die Indizes wohl volatil bleiben. Insbesondere schwächere Tage bieten auf Sicht der kommenden Monate ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis.

China und die Leitzinswende in den USA sorgen für Unsicherheit

Im Zuge der Abwertung der chinesischen Währung und der aufkommenden Sorgen hinsichtlich der konjunkturellen Lage in China haben sich die ohnehin vorhandenen globalen Kon-junkturängste verstärkt und für einen regelrechten Crash an den globalen Aktienmärkten gesorgt.

Ist das nun der Beginn eines längeren Abschwungs oder nur eine ausgeprägte Korrektur?

Für einen nachhaltigen, stärkeren Abschwung an den Märkten braucht es üblicherweise eine Rezession, eine Finanzkrise oder eine zuvor entstandene Blase mit extrem hohen Bewertungen und entsprechender Euphorie. Die beiden zuletzt genannten Szenarien sind unseres Erachtens am wenigsten zutreffend. Zwar waren die Bewertungen im Vorfeld des »China-Crashs« nicht gerade ein Schnäppchen, gleichwohl waren wir von extremen Bewertungen doch weit entfernt.

 

Im Zentrum der Überlegungen stehen derzeit also zwei Fragen:

1.        Bringt China die Weltkonjunktur ins Wanken?

2.        Welche Auswirkungen hat die anstehende Zinswende der Fed?

Die Abschwächung in China wird nicht für eine globale Rezession sorgen

Es steht außer Frage, dass eine Abschwächung der chinesischen Wirtschaft die globale Konjunktur belastet. Schließlich steht China für ca. 13 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und beein¬flusst zudem auch andere Emerging Markets (EM). Doch selbst bei diesem Anteil würde ein Einbruch der chinesischen Wirtschaft auf zum Beispiel nur noch 4 Prozent Wachstum (derzeit erwarten wir ein Plus von 6,3 Prozent für 2016) rechnerisch das globale Wachstum nur um ca. 0,2 Prozentpunkte belasten.

Versucht man dann noch, sogenannte Zweitrundeneffekte (Wirt-schaftsrückgang in anderen Ländern, die unter der Schwäche in China zum Beispiel aufgrund rückläufiger Exporte leiden) miteinzubeziehen, könnte die Abschwächung um weitere 0,1 bis 0,2 Prozent stärker ausfallen. Damit würde das weltweite Wirt¬schaftswachstum aber immer noch bei rund 3 Prozent liegen. Eine globale Rezession wäre damit entsprechend in weiter Ferne.

Risiko für den Aktienmarkt ist gestiegen

Gleichwohl muss man zugeben, dass sich die konjunkturellen Frühindikatoren weiter abschwächen. Zwar befindet sich zum Beispiel der globale Einkaufsmanagerindex noch immer über der 50er-Marke, die eine Expansion anzeigt, die Dynamik ist aber rückläufig. Sorgen über die konjunkturelle Entwicklung befeuerten auch die jüngste Entscheidung der amerikanischen Notenbank Fed, die, auch unter dem indirekten Hinweis auf die Lage in China, die Leitzinswende erneut vertagte.

Damit ist das Risiko für die Aktienmärkte aus konjunktureller Sicht zwar gestiegen, wir gehen aber unverändert davon aus, dass sich die Konjunktur auch angesichts der weiterhin unter¬stützenden Geldpolitik fangen wird.

Wie groß ist das China-Risiko für Deutschland?

Die aktuellen Nachrichten aus China sind für die deutsche Wirt¬schaft ohne Frage besorgniserregend. Schließlich hat sich China in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Auslands¬märkte für deutsche Produkte entwickelt. Lag der Anteil Chinas an den deutschen Exporten Anfang des Jahrtausends noch bei eher vernachlässigbaren 1,6 Prozent, betrug er im vergangenen Jahr gut 6,5 Prozent.

Weitere knapp 6 Prozent der deutschen Exporte gingen im vergangenen Jahr in die anderen Länder Südostasiens, dessen wirtschaftliche Entwicklung stark von derjenigen in China bestimmt wird. Allerdings sind die deutschen Exporte nach China schon in den vergangenen drei Jahren nicht mehr so stark gestiegen wie in den Jahren zuvor. Dadurch hat der Handel mit China und auch Südostasien der deutschen Konjunktur in den vergangenen Jahren per saldo kaum noch direkte Impulse gegeben.

Auch in der ersten Hälfte dieses Jahres dürfte der Impuls sehr gering gewesen sein. Schließlich waren die nominalen Waren-

 

exporte Deutschlands nach China in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gerade einmal 1,4 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Damit hat sich also die Nachfrage aus Südostasien bereits merklich verlangsamt. Solange sie nun nicht deutlich fällt - wovon wir nicht

ausgehen -, würde sich

die Situation für die        »China steht für ca.

deutsche Wirtschaft       13 Prozent der weltweiten

insgesamt also nicht       Wirtschaftsleistung und

spürbar verändern.         beeinflusst auch andere

Emerging Markets.«

Somit müsste die Nach-

frage aus Südostasien sehr kräftig fallen, um den aktuellen Aufschwung in Deutschland zu gefährden. Gemessen an den nominalen deutschen Warenexporten nach China - die allerdings wegen des schwächeren Euro die reale Entwicklung etwas zu positiv darstellen könnten - ist dies bisher nicht der Fall.

Auch wird das schlechtere China-Geschäft zumindest teilweise durch die bessere Konjunktur in den USA ausgeglichen. Zudem hat die Wirtschaft im Euroraum offensichtlich das Schlimmste hinter sich. Dies ist wohl auch die Erklärung dafür, dass die Prob¬leme in China bei den Auslandsorders und beim Ifo-Geschäfts-klima bisher kaum Spuren hinterlassen haben.

Wir bleiben aber vorsichtig und haben unsere Prognose für das BIP-Wachstum für 2016 von 1,8 auf 1,5 Prozent herabgesetzt. Interessant ist allerdings auch, dass derzeit die Konjunkturdatenaus dem Euroraum positiv überraschen, und Grafik 1 zeigt deutlich, dass der Markt hier bereits recht viel Negatives vorweggenommen hat.

Wie hoch ist der »China-Anteil« am DAX?

Für einen Aktieninvestor ist allerdings die Frage nach den Auswir¬kungen auf die Gewinne der entsprechenden Unternehmen von größerer Bedeutung als die reine Betrachtung von BIP-Daten.

Beim DAX dürfte der Umsatzanteil der Unternehmen in den Emerging Markets bei ca. 15 bis 20 Prozent liegen. Auf China dürften knapp 10 Prozent der Umsätze entfallen, wobei der Ertragsanteil angesichts höherer Margen im China-Geschäft um ein paar Prozentpunkte höher ausfällt. Das »China-Risiko« konzentriert sich dabei allerdings im Wesentlichen auf die Autobranche. Für die restlichen Unternehmen ist der Anteil eher zu vernachlässigen.

Bei den Autowerten schlug sich eine gewisse Skepsis gegenüber China bereits seit März in den Kursen nieder. Mit den deutlichen Kursverlusten bei den Autobauern und anderen zyklischen Titeln wurde allerdings ein recht pessimistisches Bild eingepreist. Ent¬sprechend konnten Autobauer zwischenzeitlich wieder zulegen, wenngleich die Aufwärtsbewegung durch schlechte Nachrichten von VW (Manipulation von Abgaswerten in den USA) gestoppt wurde.

Bewertung mit Unsicherheitsabschlag

Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung lässt sich auch an der Bewertung ablesen. So hat sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis

 

(KGV) des DAX deutlich ermäßigt und liegt für 2016 nur noch bei 11,9. Dies ist allerdings nicht nur der China-Unsicherheit sondern mittlerweile auch der VW-Affäre geschuldet.

DAX-KGV: Unsicherheitsfaktor Autobranche

Einen klaren Unsicherheitsfaktor bei der Berechnung von Index¬gewinnen und KGV stellt die Lage bei VW dar. Hier ist noch offen, wie stark der Gewinneinbruch tatsächlich ausfällt, da dies auch von der Höhe (und auch dem Zeitpunkt von Zahlungen oder Rückstellungen) der zu erwartenden Strafen bzw. Schadens¬ersatzklagen abhängt. Weitere Unsicherheitsfaktoren betreffen die Auswirkungen auf das operative Geschäft (möglicher Ver-trauensverlust/Verlust der Betriebserlaubnis einzelner Modelle). Insgesamt wird dies die kommenden Jahre belasten. Doch selbst wenn wir unterstellen, dass

VW für 2016 überhaupt keinen Gewinn ausweist, würde dies den DAX-Ge-winn um nicht einmal 3 Prozent reduzieren.

Grafik 2 und 3 zeigen die

Entwicklung des KGV

und des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (KBV) auf Basis der Schät¬zungen der jeweils kommenden zwölf Monate. Hier liegen beide Kennziffern mittlerweile wieder auf dem Niveau des Durch¬schnitts der vergangenen zehn Jahre. Innerhalb Europas bleibt die Attraktivität des deutschen Markts hoch. Die Bewertung im Vergleich zum europäischen Gesamtmarkt stellt weiterhin ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis daQuo vadis, Euro?

Grafik 5 zeigt deutlich, dass die Entwicklung des Euro bzw. des US-Dollar seit Monaten einen wichtigen Treiber für den Markt darstellt.

Aktuell bedeutet der starke Euro Gegenwind für den deutschen Markt. Der Vorteil des DAX für den von uns erwarteten Fall eines mittelfristig allerdings wieder schwächeren Euro liegt in der relativ hohen Geschäftstätigkeit in den USA. So gehen zwar nur 8 Prozent aller deutschen Exporte in die Staaten, gleichwohl wer-den ca. 23 Prozent der Umsätze der DAX-Unternehmen mit den USA erwirtschaftet. Im gesamten Euroraum (inklusive Deutsch-land) beträgt der Anteil der US-Umsätze geringere 17 Prozent. Dies ist mit ein Grund dafür, dass sich auch in der relativen Gewinnentwicklung im Vergleich zum europäischen Gesamt¬markt weiterhin eine Verbesserung zeigt (Grafik 6).

Unsere Grundeinschätzung für den Dollar bleibt weiterhin positiv. Zwar dürfte sich das Potenzial für einen starken Dollar nach der »verschobenen« Fed-Zinserhöhung bis Jahresende nur als begrenzt darstellen, mit der dann kommenden Leitzinserhöhung dürfte sich der Aufwärtstrend aber wieder etwas verstärken.

Was bedeutet die Zinswende in den USA für den Markt? Rein statistisch betrachtet sorgen Phasen steigender Leitzinsen kurzfristig für eine Seitwärtsbewegung an den Märkten. Die Investoren müssen ihre Erwartungen und Ausblicke neu adjustie-ren und die Strukturen gegebenenfalls anpassen. Dies dauert ein paar Monate. Danach geht es allerdings typischerweise weiter

 

aufwärts. Dies ist allerdings auch nicht überraschend, denn schließlich heben die Notenbanken die Zinsen üblicherweise erst dann an, wenn sich die konjunkturelle Lage stabilisiert und zunehmend robust

 

erscheint, sodass erste Leitzinserhöhungen hier keinen Schaden anrichten.

Richtig problematisch wird es erst, wenn Inflations-gefahren aufziehen und die Notenbanken mit dem Dreh an der Zinsschraube          »Der Vorteil des DAX für den Fall eines mittelfristig allerdings wieder schwäche¬ren Euro liegt in der relativ hohen Geschäftstätigkeit

in den USA.«

           

übertreiben und die Konjunktur abwürgen. Ein Szenario, das wir so nicht erwarten. Dies zeigt auch der globale Blick auf die Leitzinsentwicklung. Hier hat sich der Anteil der Notenbanken, die zuletzt die Leitzinsen nach unten verändert haben, auf rund 80 Prozent erhöht.

Also kein Grund zur Sorge vor den Fed-Leitzinserhöhungen? Wir müssen an dieser Stelle die Aussagekraft der Historie für das aktuelle Umfeld in Frage stellen. Denn mit den Anleihenkäufen der Fed (QE) und auch der offeneren Kommunikationspolitik der Notenbanken hat sich doch einiges geändert. Insbesondere die offenere und transparentere Kommunikation dürfte stärkere Abweichungen des Anlegerverhaltens im Vergleich zu früheren Mustern haben. Denn früher kamen Leitzinserhöhungen durch-aus überraschend und wurden bei weitem nicht so gut vorberei-tet, wie dies heutzutage geschieht. Deshalb sehen wir auch die aktuelle unruhige Börsenphase bereits als Vorgriff der Märkte auf die Leitzinserhöhung. Dass diese trotz der besten Vorbereitung aller Zeiten derart unruhig ausfällt und die Frage nach dem endgültigen Zeit¬punkt der Erhöhung immer noch zu gro¬ßen Diskussionen und Unruhe führt, lässt sich dadurch erklären, dass die konjunk¬turelle Erholung nicht so eindeutig ist, wie es zu früheren Zeitpunkten der Fall war, und dass sich die Investoren in den langen Jahren der Nullzinspolitik so sehr an die »Droge Liquidität« gewöhnt haben, dass ihnen allein schon der Gedanke an einen leichten Entzug den Angstschweiß auf die Stirn treten lässt.

Was uns allerdings unverändert positiv stimmt, ist, dass sich abzeichnet, dass die Vorgehensweise der Fed sehr vor¬sichtig bleibt und auch der kommende Zinserhöhungspfad sehr gemächlich ausfallen dürfte. Hier zeigt die Historie, dass Zyklen mit moderaten Zinserhöhun-gen dem Aktienmarkt in keinster Weise geschadet haben und er auch danach Kursgewinne ausweisen konnte.

Das Stimmungsbild, das die Sentiment-indikatoren anzeigen und welches als Kontraindikator einzuschätzen ist, liegt weiterhin im sehr pessimistischen Bereich. Das aktuelle Niveau bot in der jüngeren Vergangenheit jeweils ein interessantes Chance-Risiko-Verhältnis. Auch von dieser Seite bieten sich somit schwächere Tage weiterhin als Kauf-gelegenheit an.

 

 

 




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