Trading: Korrektur oder längerfristiger Bärenmarkt?
Author D.Selzer-McKenzie
https://youtu.be/EF0uNlwIVFM
Das konjunkturelle Risiko für die Aktienmärkte ist
gestiegen. Dennoch dürfte sich das am Markt gespielte Szenario als zu negativ
herausstellen. Wir betrachten die jüngste Schwäche entsprechend als Korrektur
und nicht als Beginn eines länger¬fristigen Bärenmarkts. Bis sich unser Bild
bestätigt, dürften allerdings noch einige Wochen vergehen, in denen die Indizes
wohl volatil bleiben. Insbesondere schwächere Tage bieten auf Sicht der
kommenden Monate ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis.
China und die Leitzinswende in den USA sorgen für
Unsicherheit
Im Zuge der Abwertung der chinesischen Währung und der
aufkommenden Sorgen hinsichtlich der konjunkturellen Lage in China haben sich
die ohnehin vorhandenen globalen Kon-junkturängste verstärkt und für einen regelrechten
Crash an den globalen Aktienmärkten gesorgt.
Ist das nun der Beginn eines längeren Abschwungs oder nur
eine ausgeprägte Korrektur?
Für einen nachhaltigen, stärkeren Abschwung an den Märkten
braucht es üblicherweise eine Rezession, eine Finanzkrise oder eine zuvor
entstandene Blase mit extrem hohen Bewertungen und entsprechender Euphorie. Die
beiden zuletzt genannten Szenarien sind unseres Erachtens am wenigsten
zutreffend. Zwar waren die Bewertungen im Vorfeld des »China-Crashs« nicht
gerade ein Schnäppchen, gleichwohl waren wir von extremen Bewertungen doch weit
entfernt.
Im Zentrum der Überlegungen stehen derzeit also zwei Fragen:
1. Bringt China
die Weltkonjunktur ins Wanken?
2. Welche
Auswirkungen hat die anstehende Zinswende der Fed?
Die Abschwächung in China wird nicht für eine globale
Rezession sorgen
Es steht außer Frage, dass eine Abschwächung der
chinesischen Wirtschaft die globale Konjunktur belastet. Schließlich steht
China für ca. 13 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und beein¬flusst
zudem auch andere Emerging Markets (EM). Doch selbst bei diesem Anteil würde
ein Einbruch der chinesischen Wirtschaft auf zum Beispiel nur noch 4 Prozent
Wachstum (derzeit erwarten wir ein Plus von 6,3 Prozent für 2016) rechnerisch
das globale Wachstum nur um ca. 0,2 Prozentpunkte belasten.
Versucht man dann noch, sogenannte Zweitrundeneffekte
(Wirt-schaftsrückgang in anderen Ländern, die unter der Schwäche in China zum
Beispiel aufgrund rückläufiger Exporte leiden) miteinzubeziehen, könnte die Abschwächung
um weitere 0,1 bis 0,2 Prozent stärker ausfallen. Damit würde das weltweite
Wirt¬schaftswachstum aber immer noch bei rund 3 Prozent liegen. Eine globale
Rezession wäre damit entsprechend in weiter Ferne.
Risiko für den Aktienmarkt ist gestiegen
Gleichwohl muss man zugeben, dass sich die konjunkturellen
Frühindikatoren weiter abschwächen. Zwar befindet sich zum Beispiel der globale
Einkaufsmanagerindex noch immer über der 50er-Marke, die eine Expansion
anzeigt, die Dynamik ist aber rückläufig. Sorgen über die konjunkturelle
Entwicklung befeuerten auch die jüngste Entscheidung der amerikanischen
Notenbank Fed, die, auch unter dem indirekten Hinweis auf die Lage in China,
die Leitzinswende erneut vertagte.
Damit ist das Risiko für die Aktienmärkte aus
konjunktureller Sicht zwar gestiegen, wir gehen aber unverändert davon aus,
dass sich die Konjunktur auch angesichts der weiterhin unter¬stützenden
Geldpolitik fangen wird.
Wie groß ist das China-Risiko für Deutschland?
Die aktuellen Nachrichten aus China sind für die deutsche
Wirt¬schaft ohne Frage besorgniserregend. Schließlich hat sich China in den
vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Auslands¬märkte für deutsche
Produkte entwickelt. Lag der Anteil Chinas an den deutschen Exporten Anfang des
Jahrtausends noch bei eher vernachlässigbaren 1,6 Prozent, betrug er im
vergangenen Jahr gut 6,5 Prozent.
Weitere knapp 6 Prozent der deutschen Exporte gingen im
vergangenen Jahr in die anderen Länder Südostasiens, dessen wirtschaftliche
Entwicklung stark von derjenigen in China bestimmt wird. Allerdings sind die
deutschen Exporte nach China schon in den vergangenen drei Jahren nicht mehr so
stark gestiegen wie in den Jahren zuvor. Dadurch hat der Handel mit China und
auch Südostasien der deutschen Konjunktur in den vergangenen Jahren per saldo
kaum noch direkte Impulse gegeben.
Auch in der ersten Hälfte dieses Jahres dürfte der Impuls
sehr gering gewesen sein. Schließlich waren die nominalen Waren-
exporte Deutschlands nach China in den ersten fünf Monaten dieses
Jahres gerade einmal 1,4 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Damit hat sich also
die Nachfrage aus Südostasien bereits merklich verlangsamt. Solange sie nun
nicht deutlich fällt - wovon wir nicht
ausgehen -, würde sich
die Situation für die »China
steht für ca.
deutsche Wirtschaft 13
Prozent der weltweiten
insgesamt also nicht Wirtschaftsleistung
und
spürbar verändern. beeinflusst
auch andere
Emerging Markets.«
Somit müsste die Nach-
frage aus Südostasien sehr kräftig fallen, um den aktuellen
Aufschwung in Deutschland zu gefährden. Gemessen an den nominalen deutschen
Warenexporten nach China - die allerdings wegen des schwächeren Euro die reale
Entwicklung etwas zu positiv darstellen könnten - ist dies bisher nicht der
Fall.
Auch wird das schlechtere China-Geschäft zumindest teilweise
durch die bessere Konjunktur in den USA ausgeglichen. Zudem hat die Wirtschaft
im Euroraum offensichtlich das Schlimmste hinter sich. Dies ist wohl auch die
Erklärung dafür, dass die Prob¬leme in China bei den Auslandsorders und beim
Ifo-Geschäfts-klima bisher kaum Spuren hinterlassen haben.
Wir bleiben aber vorsichtig und haben unsere Prognose für
das BIP-Wachstum für 2016 von 1,8 auf 1,5 Prozent herabgesetzt. Interessant ist
allerdings auch, dass derzeit die Konjunkturdatenaus dem Euroraum positiv
überraschen, und Grafik 1 zeigt deutlich, dass der Markt hier bereits recht
viel Negatives vorweggenommen hat.
Wie hoch ist der »China-Anteil« am DAX?
Für einen Aktieninvestor ist allerdings die Frage nach den
Auswir¬kungen auf die Gewinne der entsprechenden Unternehmen von größerer
Bedeutung als die reine Betrachtung von BIP-Daten.
Beim DAX dürfte der Umsatzanteil der Unternehmen in den
Emerging Markets bei ca. 15 bis 20 Prozent liegen. Auf China dürften knapp 10
Prozent der Umsätze entfallen, wobei der Ertragsanteil angesichts höherer
Margen im China-Geschäft um ein paar Prozentpunkte höher ausfällt. Das
»China-Risiko« konzentriert sich dabei allerdings im Wesentlichen auf die
Autobranche. Für die restlichen Unternehmen ist der Anteil eher zu
vernachlässigen.
Bei den Autowerten schlug sich eine gewisse Skepsis
gegenüber China bereits seit März in den Kursen nieder. Mit den deutlichen
Kursverlusten bei den Autobauern und anderen zyklischen Titeln wurde allerdings
ein recht pessimistisches Bild eingepreist. Ent¬sprechend konnten Autobauer
zwischenzeitlich wieder zulegen, wenngleich die Aufwärtsbewegung durch
schlechte Nachrichten von VW (Manipulation von Abgaswerten in den USA) gestoppt
wurde.
Bewertung mit Unsicherheitsabschlag
Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung lässt sich
auch an der Bewertung ablesen. So hat sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis
(KGV) des DAX deutlich ermäßigt und liegt für 2016 nur noch
bei 11,9. Dies ist allerdings nicht nur der China-Unsicherheit sondern mittlerweile
auch der VW-Affäre geschuldet.
DAX-KGV: Unsicherheitsfaktor Autobranche
Einen klaren Unsicherheitsfaktor bei der Berechnung von
Index¬gewinnen und KGV stellt die Lage bei VW dar. Hier ist noch offen, wie
stark der Gewinneinbruch tatsächlich ausfällt, da dies auch von der Höhe (und
auch dem Zeitpunkt von Zahlungen oder Rückstellungen) der zu erwartenden
Strafen bzw. Schadens¬ersatzklagen abhängt. Weitere Unsicherheitsfaktoren
betreffen die Auswirkungen auf das operative Geschäft (möglicher Ver-trauensverlust/Verlust
der Betriebserlaubnis einzelner Modelle). Insgesamt wird dies die kommenden
Jahre belasten. Doch selbst wenn wir unterstellen, dass
VW für 2016 überhaupt keinen Gewinn ausweist, würde dies den
DAX-Ge-winn um nicht einmal 3 Prozent reduzieren.
Grafik 2 und 3 zeigen die
Entwicklung des KGV
und des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (KBV) auf Basis der
Schät¬zungen der jeweils kommenden zwölf Monate. Hier liegen beide Kennziffern
mittlerweile wieder auf dem Niveau des Durch¬schnitts der vergangenen zehn
Jahre. Innerhalb Europas bleibt die Attraktivität des deutschen Markts hoch.
Die Bewertung im Vergleich zum europäischen Gesamtmarkt stellt weiterhin ein
attraktives Chance-Risiko-Verhältnis daQuo vadis, Euro?
Grafik 5 zeigt deutlich, dass die Entwicklung des Euro bzw.
des US-Dollar seit Monaten einen wichtigen Treiber für den Markt darstellt.
Aktuell bedeutet der starke Euro Gegenwind für den deutschen
Markt. Der Vorteil des DAX für den von uns erwarteten Fall eines mittelfristig
allerdings wieder schwächeren Euro liegt in der relativ hohen
Geschäftstätigkeit in den USA. So gehen zwar nur 8 Prozent aller deutschen
Exporte in die Staaten, gleichwohl wer-den ca. 23 Prozent der Umsätze der
DAX-Unternehmen mit den USA erwirtschaftet. Im gesamten Euroraum (inklusive
Deutsch-land) beträgt der Anteil der US-Umsätze geringere 17 Prozent. Dies ist
mit ein Grund dafür, dass sich auch in der relativen Gewinnentwicklung im
Vergleich zum europäischen Gesamt¬markt weiterhin eine Verbesserung zeigt
(Grafik 6).
Unsere Grundeinschätzung für den Dollar bleibt weiterhin
positiv. Zwar dürfte sich das Potenzial für einen starken Dollar nach der
»verschobenen« Fed-Zinserhöhung bis Jahresende nur als begrenzt darstellen, mit
der dann kommenden Leitzinserhöhung dürfte sich der Aufwärtstrend aber wieder
etwas verstärken.
Was bedeutet die Zinswende in den USA für den Markt? Rein
statistisch betrachtet sorgen Phasen steigender Leitzinsen kurzfristig für eine
Seitwärtsbewegung an den Märkten. Die Investoren müssen ihre Erwartungen und
Ausblicke neu adjustie-ren und die Strukturen gegebenenfalls anpassen. Dies
dauert ein paar Monate. Danach geht es allerdings typischerweise weiter
aufwärts. Dies ist allerdings auch nicht überraschend, denn
schließlich heben die Notenbanken die Zinsen üblicherweise erst dann an, wenn
sich die konjunkturelle Lage stabilisiert und zunehmend robust
erscheint, sodass erste Leitzinserhöhungen hier keinen
Schaden anrichten.
Richtig problematisch wird es erst, wenn Inflations-gefahren
aufziehen und die Notenbanken mit dem Dreh an der Zinsschraube »Der Vorteil des DAX für den Fall
eines mittelfristig allerdings wieder schwäche¬ren Euro liegt in der relativ
hohen Geschäftstätigkeit
in den USA.«
übertreiben und die Konjunktur abwürgen. Ein Szenario, das
wir so nicht erwarten. Dies zeigt auch der globale Blick auf die
Leitzinsentwicklung. Hier hat sich der Anteil der Notenbanken, die zuletzt die
Leitzinsen nach unten verändert haben, auf rund 80 Prozent erhöht.
Also kein Grund zur Sorge vor den Fed-Leitzinserhöhungen?
Wir müssen an dieser Stelle die Aussagekraft der Historie für das aktuelle
Umfeld in Frage stellen. Denn mit den Anleihenkäufen der Fed (QE) und auch der
offeneren Kommunikationspolitik der Notenbanken hat sich doch einiges geändert.
Insbesondere die offenere und transparentere Kommunikation dürfte stärkere
Abweichungen des Anlegerverhaltens im Vergleich zu früheren Mustern haben. Denn
früher kamen Leitzinserhöhungen durch-aus überraschend und wurden bei weitem
nicht so gut vorberei-tet, wie dies heutzutage geschieht. Deshalb sehen wir
auch die aktuelle unruhige Börsenphase bereits als Vorgriff der Märkte auf die
Leitzinserhöhung. Dass diese trotz der besten Vorbereitung aller Zeiten derart
unruhig ausfällt und die Frage nach dem endgültigen Zeit¬punkt der Erhöhung
immer noch zu gro¬ßen Diskussionen und Unruhe führt, lässt sich dadurch
erklären, dass die konjunk¬turelle Erholung nicht so eindeutig ist, wie es zu
früheren Zeitpunkten der Fall war, und dass sich die Investoren in den langen
Jahren der Nullzinspolitik so sehr an die »Droge Liquidität« gewöhnt haben,
dass ihnen allein schon der Gedanke an einen leichten Entzug den Angstschweiß
auf die Stirn treten lässt.
Was uns allerdings unverändert positiv stimmt, ist, dass
sich abzeichnet, dass die Vorgehensweise der Fed sehr vor¬sichtig bleibt und
auch der kommende Zinserhöhungspfad sehr gemächlich ausfallen dürfte. Hier
zeigt die Historie, dass Zyklen mit moderaten Zinserhöhun-gen dem Aktienmarkt
in keinster Weise geschadet haben und er auch danach Kursgewinne ausweisen
konnte.
Das Stimmungsbild, das die Sentiment-indikatoren anzeigen
und welches als Kontraindikator einzuschätzen ist, liegt weiterhin im sehr
pessimistischen Bereich. Das aktuelle Niveau bot in der jüngeren Vergangenheit
jeweils ein interessantes Chance-Risiko-Verhältnis. Auch von dieser Seite
bieten sich somit schwächere Tage weiterhin als Kauf-gelegenheit an.
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