Donnerstag, 15. Dezember 2011

Lüsener Tal Südtirol Italia Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie


Lüsener Tal Südtirol Italia Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Lüsener Tal Südtirol Italia Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Author D.Selzer-McKenzie
Das Auto quält sich durch den Nebel die schmale Bergstraße von Brixen nach  Lüsen hinauf.  Die Sicht wird mit jedem Höhenmeter schlechter. Schließlich taucht  der  Kirchturm  auf  - und versinkt  auch gleich wieder im feuchten Dunst.

Baum für Höheres

Kurz, bevor das Tal in einer Sackgasse endet,  trifft man am Wegesrand auf den Stolz Südtirols: einen  abgesägten Baumstumpf.  Um die Rinde hat sich ein  Mantel aus Schnee  gelegt. Eine Eisschicht sitzt auf der hellen Schnitt­ fläche, die die Motorsäge hinterlassen hat,  und nagt an den Jahresringen.

den  Rest der ehemals  34 Meter hohen  Fichte als Denkmal  ausweist. Im vergangenen Jahr hat Inhaber  Mattin Ragginer sie als Weihnachtsbaum für den Papst gespendet. 20 Männer brauchten  zwei

Stunden,  nur um die Äste auf dem Schwertrans­ porter  am Stamm  festzubinden.  Die Fahrt  nach Rom  dauerte  vier Tage.  "Mein Vater hatte  zu Lebzeiten schon oft Kaufangebote für den Baum be­ kommen, ihn aber nie hergegeben", sagt der 30- jährige Ragginer. "Er hatte wohl gespürt, dass er für etwas Höheres vorgesehen ist." Schließlich schaffen es nicht viele Bäume nach Rom auf den Petersplatz. Der Auserwählte  muss  mindestens  30 Meter hoch und gleichmäßig  gewachsen sein und noch dazu an einer Straße stehen, dan1it man ihn gut abtranspor­ tieren kann. Jedes Jahr kommt er aus einem ande­ ren Land.
In Südtirol wurde der Vatikan damit  schon zum
zweiten Mal fündig. Das Lüsnettal ist eine der wald­
reichsten Regionen.  An den  Hängen  drängen sich

Noch fehlt eine Informationstafel,  die            Schmackhafte  Rast im Gasthof bei Schlutzkrapfen  mit Ricottakäse.



Tannen,  Lärchen und ehrwürdige Zirbelkiefern mit
clicken Stämmen.  Es duftet nach Harz und Holz. Seit jeher leben hier viele Menschen von der Forstwirt­ schaft. Das Talliegt  abseits vom Trubel der großen Skipisten zwischen Peitlerkofel und EissacktaL Auf einsamen   Pfaden  wandert  man durch  den  Tief­ schnee  hinauf  auf die 1800  Meter hoch  gelegene Lüsner Alm. Die Hügel sind nur  mäßig steil und per­ fekt zum  Langlaufen, Schneeschuh-  und Winter­ wandern.
Auf einer Wanderung geht es an schön gewachsenen
Fichten  vorbei, die es sicher auch  nach  Rom ge­ schafft hätten, wenn sie an einer Asphaltstraße auf­ gewachsen wären. Der Schnee knirscht unter den Schuhen,  irgendwo  in den  Wipfeln meckert ein Tannenhäher, den man hier Zirbengratsch nennt. Und plötzlich reißt die Sonne ein Loch in die Wol­ ken und gibt den Blick auf die grandiose Bergkulisse der Dolomiten frei.

liebliche  Lüsner Alm

Gegen die scharfkantigen  Felsen mutet die Lüsner Alm geradezu lieblich an. Sie ist die längste Alm und die Wiege des Schneeschuhwandems  in  Südtirol. Schon 1994 hat der Lüsner Franz Hinteregger die ersten  Individualgäste  im Winter heraufgefühtt. Inzwischen bietet der Hotelier täglich Schneeschuh­ wanderungen an und begleitet viele davon  selbst. Unterwegs locken gemütliche Gasthöfe zur Einkehr. Während die verschwitzten Jacken ausdampfen, pro­ biert man Plentner  Knödel aus Buchweizen oder deftige Schlutzer - mit Spinat und Ricotta gefüllte Teigtaschen.  Das Hochplateau  ist gespickt mit klei­ nen  Alml1ütten. Nahezu vor jeder steht ein Jesus­ kreuz. Selbst eine kleine Kapelle befindet sich direkt neben der Loipe.

Arzneien aus der Natur

Die meisten der 1400 Einwohner im kailiolischen Lüsen sind sehr gläubig. Früher waren sie zudem sehr  abergläubisch.  Sie läuteten  die Glocken, um Unwetter abzuwenden, und erschreckten Kühe mit kaltem  Wasset; um ihnen  Krankheiten auszutrei­ ben. Ende des 18. Jal1rhunderts lebte die angesehene Ärztefamilie Ragginer  im Li.isental, mit der Mactins Uralmen womöglich über mehrere Ecken vetwandt waren.  In Zeiten  medizinischer   Not  heilte  sie Mensch und Tier mit Arzneien, Salben  und Ölen aus mehr als 130 Pflanzen und Kräutern. So empfahl Josef  Ragginer  damals   Sumpfdotterblumen   oder Bertramwurzeln    bei   Zahnweh,   Arnika   gegen Entzündungen  und eine Salbe aus Olivenöl und Wachs, wetm "Frauen leiden". In Anlehnung an die damalige  naturverbundene  Heilphilosophie und Kräuterlehre hat Franz im "Badehäusl" neben dem

Hotel einen  Destillierkessel gebaut,  in dem er Düfte von Ringelblumen, Erdheersamen und Lavendel fil­ tert. An diesem  Tag riecht es nach  Zirbelkiefer. Kräu­ terfrau Herta zeigt Besuchern dort die Herstellung von Zirbelölbalsam und Frischpflanzensalbe, die ge­ gen Entzündungen,  aber auch bei Muskelkater hel­ fen soll.  Am Abend kann  man  in der Bachsauna schwitzen, in der Solegrotte floaten oder in einem Wasserbett entspannen.

Selbst entworfen

Franz Hinteregger hat als 21-Jähriger mit dem Lüs­ nerhof das erste Hotel im Ort eröffnet und inzwi­ schen mehrere Auszeichnungen dafür erhalten. Sämtliche Saunen und Zimmer hat er selbst entwor­ fen,  ebenso  die  Fassade  aus Lärchenholz.   Dabei überlässt er nichts dem Zufall. "Bei jeder Ecke über­ lege ich mir, wie ich sie am besten gestalte", sagt der heute  50-Jährige.  Inzwischen  ist er auch  im  Ge­ meinderat  und kän1pft als Mitglied der Baukommis­ sion für den  Erhalt der Identität Lüsens und der Verschönerung des Dorfes.
Die Straße hinunter führt an traditionellen Bauem­
höfen  mit glücklichen Hülmem   vorbei. Auf dem noch etwas schmucklosen Rathausplatz plätschert Wasser in einem  Brunnen. Freundlich grüßt die alte Dame, clie sich aus dem Fenster lehnt, um nach dem Wetter zu sehen. Ein Stück weiter steht man  plötz­ lich vor einem "Muslhaufen"  - einem Stapel aus Baumstämmen,  wie man Um im Wald oft findet. Nur die eingefassten Fenster und der Unterbau las­ sen auf ein Wohnhaus schließen. Hier lebt der Brixe­ ner Künstler Am1in Blasbichler. Er hat das elterliche Haus seiner Mutter zu einem modemen  Kunstwerk umgebaut, das sich gut in die Landschaft einfügt. "Es erinnert uns an das, was es in Li.isen schon im­ mer gab: Holz-ein  Element aus unserer Geschich­ te", sagt Franz, der sich ungeachtet  der Kritik man­ cher Dorfbewohner für diesen Bau stark machte.


Franz liebt alles, was aus Holz ist. Demnächst will er ein Stück Wald kaufen, um Rohstoff für neue Ideen zu haben. Eine gut gewachsene Fichte würde auch er ganz sicher für den Papst spenden. Schließlich wurde Martin Ragginer zum Dank nach Rom ein­ geladen  und  vom Papst gesegnet. Die Begegnung war für ihn ein  besonderes Ereignis, das er sein Leben lang nicht vergessen wird. "Als der Papst den Saal betrat, war es so still, man hätte eine Tannen­ nadel fallen hören können", erzählt er mit leuch­ tenden Augen. Seinen  Baum  hat  Martin allerdings kaum wiedererkannt mit dem Meer aus 2000 fun­ kelnden Lichtem in den Ästen

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