Mittwoch, 13. Mai 2009

Zikaden Tiere Animals Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie


Zikaden Author Selzer-McKenzie Die Filmbilder hat der Author auf den Sunda-Inseln gedreht Die Zikaden oder Auchenorrhyncha sind an Pflanzen saugende Insekten und zählen als solche zu den Schnabelkerfen (Hemiptera). Die Zikaden umfassen die Unterordnungen der Rundkopfzikaden (Cicadomorpha) und der Spitzkopfzikaden (Fulgoromorpha). Weltweit sind etwa 40.000 Arten beschrieben. Zikaden sind durch eine dachförmige Flügelhaltung, den aus zwei Basalgliedern und einer fadenförmigen Geißel bestehenden Fühlern und den an der Unterkante des Kopfes entspringenden Saugrüssel gekennzeichnet. Die Vorderflügel der Zikaden sind nicht verhärtet wie bei den Wanzen, obwohl sie deutlich derber als die Hinterflügel sind. Die Körperlänge der Tiere beträgt in der Regel zwischen 1,8 und 38 Millimeter. Die Kaiserzikade (Pomponia imperatoria) kann bis zu 70 Millimeter lang werden und eine Flügelspannweite von maximal 180 Millimeter erreichen. Arten der Unterfamilie der Blattzikaden (Typhlocybinae) erreichen gerade mal 2 Millimeter Körperlänge. Die meisten Zikaden sind sehr auffällig gefärbt, aber dennoch Tarnungsspezialisten. In ihren Lebensräumen sind sie meist durch ihre Farbgebung der Umgebung hervorragend angepasst. Manche Arten verfügen über kontrastreiche Muster, die den Körperumriss auflösen. Dadurch können Fressfeinde sie kaum mehr erkennen. Die Hinterbeine sind zu Sprungbeinen umgestaltet, was den meisten Zikaden sehr gute Sprungeigenschaften verleiht. Aufgrund ihres Sprungvermögens werden Zikaden häufig mit Heuschrecken verwechselt, mit denen sie aber nicht verwandt sind. Besonders bizarre Formen weisen Arten der Familie der Buckelzirpen durch verschiedene, teilweise sehr komplexe und ausladende Fortsätze des Halsschildes (Pronotum) auf. Alle Zikaden verfügen über einen Saugrüssel zur Nahrungsaufnahme. Die Unterlippe Labium der Tiere ist als Gleitschiene für die aus den Mandibeln und Maxillen bestehenden Stechdornen ausgebildet. Innerhalb der Lacinien (einem Teil der Maxillen) verläuft ein Kanal, durch den gesaugt werden kann, sowie ein Speichelkanal, durch den Speichel in die Fraßstelle geleitet wird. Teile der Mundhöhle sind bei allen Schnabelkerfen zu einer Saugpumpe umgestaltet. Die Ernährung der Zikaden erfolgt durch das Anstechen und Aussaugen bestimmter Pflanzenteile quasi per Strohhalm. Sie sind auf bereits flüssige Nahrung angewiesen. Die meisten Arten saugen speziell an den Leitungsbahnen der Pflanzen mit zuckerreichem Saft (Phloem). Dabei nehmen sie aber deutlich mehr Zucker auf als sie verwerten können. Der überschüssige Zucker wird ausgeschieden. Der sogenannte Honigtau wird vielfach von anderen Insekten aufgenommen. Beispielsweise lebt die Ginsterzikade (Gargara genistae) in enger Beziehung mit Ameisen. Auch der Xylemsaft (Wasser und Mineralsalze) oder Blattzellen werden als Nahrungsressource genutzt. Die meisten Zikadenarten sind auf ganz bestimmte Nährpflanzen beschränkt. Die Gründe hierfür sind in den meisten Fällen noch ungeklärt. Die Breite des genutzten Pflanzenartenspektrums reicht von strenger Monophagie über Oligophagie bis hin zur Polyphagie: Monophage Arten nutzen nur eine Pflanzenart (monophag 1. Grades) oder eine Pflanzengattung (monophag 2. Grades) als Wirtspflanze. Oligophage Zikaden nutzen nur eine Pflanzenfamilie (oligophag 1. Grades) oder maximal zwei Pflanzenfamilien beziehungsweise vier Pflanzengattungen aus maximal vier Familien (oligophag 2. Grades). Polyphage Zikaden sind wenig wählerisch hinsichtlich ihrer Nahrung und nutzen mehrere Pflanzengattungen oder -familien. Bei etlichen Zikadenarten ist die Eingruppierung aber noch unsicher. Als Nahrungsressource nutzen die Fulgoromorpha vorwiegend Gräser, die Cicadomorpha vorwiegend Kräuter und Laubgehölze; wenige Arten nutzen auch Pilzmyzele, Farne und Nadelgehölze. Die häufigste Fortbewegungsart der Zikaden ist das Laufen, die markanteste aber das Springen. Zikaden besitzen speziell ausgebildete Hinterbeine. Schaumzikaden sind dabei die Weltmeister im Hochsprung. Dieses hat der Forscher Malcolm Burrows auf Hochgeschwindigkeitsfotos entdeckt. Im Verhältnis zur eigenen Körperlänge kann kein Lebewesen so hoch springen wie die Schaumzikade. Das Insekt ist einen halben Zentimeter lang und erreicht aus dem Stand heraus 70 Zentimeter Höhe. Wir Menschen müssten umgerechnet auf unsere Körpergröße etwa 200 Meter hoch springen können, um mit den Zikaden gleichzuziehen. Die Schaumzikade besitzt wie jedes Insekt drei Beinpaare; Sprungenergie liefert nur das hinterste Paar. In diesen Beinen kann das Tier wie in einem Katapult Spannung aufbauen und dann entladen. Größere Distanzen werden entweder passiv über Verdriften durch den Wind zurückgelegt – wobei meist keine gerichtete Ausbreitung erfolgt – oder aktiv durch Fliegen überwunden. Die meisten Arten sind flugfähig, sofern es sich um langflügelige Individuen handelt. Bei sehr vielen Zikadenarten ist ein Flügeldimorphismus zu beobachten. Es finden sich langflügelige (makroptere) und kurzflügelige (brachyptere) Formen innerhalb einer Art, oft sogar innerhalb einer Population. Die kurzflügeligen Tiere sind flugunfähig. Offenbar wird über die Umweltqualität in der Larvalentwicklung entschieden, ob flugfähige (gute Nährpflanzenqualität, geringe Besiedlungsdichte) oder flugunfähige Tiere (geringe Nährpflanzenqualität, hohe Besiedlungsdichte) entstehen. Zikaden vollziehen eine unvollständige Verwandlung vom Ei über die Larve direkt (ohne Puppenstadium) zum Vollinsekt (Imago); sie sind hemimetabol. Die Entwicklung erfolgt meist über fünf Larvenstadien, wobei die Dauer bei den verschiedenen Arten unterschiedlich sein kann. Manche Arten benötigen etwa eine Woche, andere Arten brauchen Jahre. Die längste Entwicklungszeit weisen Arten der Gattung Magicicada, zum Beispiel die nordamerikanische Magicicada septendecim, mit 17 Jahren auf. In den USA leben Singzikaden, die sich nur alle 13 oder 17 Jahre paaren. Beispielsweise verlässt die amerikanische Siebzehnjahr-Zikade (Magicicada septendecim) erst nach genau 17 Jahren ihr unterirdisches Versteck, um sich in einem Zeitraum von etwa drei Wochen zu vermehren. Die aus den Eiern schlüpfenden Larven leben unterirdisch, bis sie wiederum in 17 Jahren fast taggleich an die Erdoberfläche kriechen. Warum sie erst nach 17 Jahren aus ihrem unterirdischen Versteck krabbelt, hat ein chilenisch-deutsches Forscherteam herausgefunden. 13 und 17 sind Primzahlen. Da ihre Feinde und Konkurrenten meist in 2-, 4- oder 6-Jahres-Rhythmen leben, können die Zikaden ihre Überlebenschancen steigern, indem sie sich in den „geburtenschwachen“ Jahrgängen ihrer Fressfeinde fortpflanzen. Während ihres kurzen oberirdischen Lebens von Mitte Mai bis in den Juni richten die Zikaden trotz ihres massenhaften Auftretens keine Schäden an. Die Wiesenschaumzikade (Philaenus spumarius) erzeugt den sogenannten Kuckucksspeichel, den die meisten sicherlich schon als Kind wahrgenommen haben. Die erwachsenen Schaumzikaden legen ein Ei an einen Grashalm. Die daraus schlüpfende Larve produziert den „Speichel“ selbst. Es handelt sich dabei um Schaumbläschen, die durch Einblasen von Luft in die eiweißhaltige Kotflüssigkeit der Larven entstehen. Der Schaum schützt die darin sitzende Larve vor Feinden und erhält die für die Weiterentwicklung nötige Feuchtigkeit und Temperatur. Obwohl alle Zikadenarten Schall- bzw. Erschütterungswellen zur Kommunikation von sich geben, sind nur die Singzikaden in der Lage, von Menschen hörbare Laute zu produzieren. Hierzu besitzen sie ein eigenes Organ, das „Trommelorgan“ (Tymbal) am Beginn des Hinterleibs. Durch ansetzende Muskeln (Singmuskel) werden Schallplatten in diesem Organ in Schwingung versetzt. Verdeckt wird das Organ durch einen Deckel, der vom letzten Brustsegment ausgeht, häufig noch zusätzlich durch eine Platte am Organ selbst. Direkt unter dem Singmuskel sorgt ein großer Luftsack für die notwendige Resonanz. Mit Hilfe dieser Organe können Laute im Bereich von 0,5 bis 25 Kilohertz erzeugt werden. Der Gesang der Männchen dient vor allem der Anlockung der Weibchen, er wird jedoch auch zur Festsetzung von Reviergrenzen eingesetzt. Bei den übrigen Zikaden spielt die Wahrnehmung akustischer Reize über das Medium Luft eine geringere Rolle. Vielmehr sind sie am ganzen Körper mit Rezeptoren ausgestattet, um Luftströmungen, Kontakte mit anderen Lebewesen oder den Pflanzenteilen, auf denen sie sitzen, wahrzunehmen. Wahrscheinlich werden die von den Trommelorganen auf Pflanzenteile übertragenen Vibrationen als sogenannte Substratvibrationen auf diese Weise aufgenommen. Die Orientierung der Zikaden geschieht durch die Aufnahme von Umweltreizen. Ihre Facettenaugen vermögen sowohl Formen als auch Farben zu erkennen und zu unterscheiden. Das ermöglicht ihnen, Verfolger zu bemerken, aber auch gezielt Pflanzen anzufliegen. Sie scheinen sogar die Farbe ihrer Nährpflanzen zu erkennen und auch in der Lage zu sein, den Sitzplatz auf verbergende Gleichfarbigkeit zu beurteilen. Darüber hinaus verfügen Zikaden an fast allen Stellen des Körpers über sogenannte Mechanorezeptoren zur Wahrnehmung von Berührungsreizen wie Luftströmungen, Kontakt mit dem Substrat und anders Zikaden leben weltweit in allen terrestrischen, mit Pflanzen bestandenen Lebensräumen, von den Salzwiesen der Nord- und Ostsee, über die Hochgebirge bis in die Tropen und Subtropen. Sie besiedeln alle Lebensräume vom Gewässerufer bis hin zu Trockenrasen und Wälder. Neben dem Vorkommen der entsprechenden Wirtspflanze(n) sind weitere Umweltbedingungen wie Mikroklima und die Vegetationsstruktur für die Artenverteilung in Raum und Zeit maßgeblich. Hauptfeinde der Zikaden sind Spinnen, Raubwanzen, manche Weichwanzen, Ameisen und Vögel. Mehrere Parasiten und Parasitoiden sind bei erwachsenen Zikaden und Larven zu finden: Zikadenwespen (Hymenoptera, Dryinidae), Embolemidae (Hymenoptera), Augenfliegen (Diptera, Pipunculidae) und Fächerflügler (Strepsiptera). Von Zikadenwespen befallene Zikaden sind an einer Ausstülpung, dem „Dryiniden-Säckchen“, erkennbar, die am Körper zwischen den Segmenten des Hinterleibes hervortreten und die Dryiniden-Larven enthalten. Die Larven der Augenfliegen und Fächerflügler entwickeln sich dagegen innerhalb des Körpers der Zikaden. Der Befall der Zikaden durch die verschiedenen Parasiten kann dazu führen, dass die Genitalstrukturen stark verändert werden. Weiterhin können die Eier von Zikaden durch Schlupfwespen (Hymenoptera, Trichogrammatidae und Mymaridae) parasitiert sein. Die pflanzenfressenden Insekten stellen mit rund 350.000 Arten etwa ein Viertel aller Organismen. Die Konsumenten 1. Ordnung übernehmen eine wichtige Stellung im Wirkungsgefüge des Naturhaushaltes. Als individuenreiche Insektengruppe beeinflussen die Zikaden nicht nur die Zusammensetzung und Dynamik der Vegetation, sondern üben auch als Nahrung für andere Tiere eine wichtige Funktion bei der Ausbildung von komplexen Nahrungsnetzen aus. Dies zeigt die besondere Bedeutung phytophager Insekten und damit auch der Zikaden im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit von Biotopen und ganzer Ökosysteme. Gerade die Artenfülle der Zikaden, die Besiedelung nahezu aller terrestrischen Lebensräume, die häufig sehr enge Bindung vieler Arten an bestimmte Lebensräume und Wirtspflanzen sowie die vielfältigen Ansprüche an die Standortverhältnisse in ihrem Lebensraum macht sie besonders für ökologische Fragestellungen wie etwa bezüglich des Zustandes ihres Lebensraumes interessant. Besonders Zikaden weisen vielfach eine ausgeprägte räumliche und zeitliche Sensitivität auf, das heißt sie reagieren relativ schnell und kleinräumig auf Veränderungen ihres Habitates. Zikaden eigenen sich aufgrund dieser Eigenschaften besonders in der Natur- und Landschaftsplanung als sogenannte Zeigertiere bzw. Bioindikatoren. Der Anteil der in der bundesweiten Roten Liste gefährdeter Arten verzeichneten Zikadenarten liegt bei über 50 Prozent. 56 Arten sind bundesweit sogar vom Aussterben bedroht. Als konkrete Hauptursachen für den Artenschwund sind zu nennen: Habitatzerstörung, intensive Land- und Forstwirtschaft, Änderung historischer Nutzungsformen und Eingriffe in den Wasserhaushalt.

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