Freitag, 2. April 2010

Ganges River India Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Eine Reise an den Ganges River in Indien
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=YJT4lzOwh1E
der Author Selzer-McKenzie war kürzlich in India und hat die Filmbilder dort gedreht.
Wer den Ganges von der Quelle bis zur Mündung erkundet, reist ins Herz des unbekannten Indien. Auch für Nichtgläubige ist die Tour auf dem 2500 Kilometer langen
heiligen Fluss eine Pilgerfahrt, eine Entdeckungsreise in einen schillernd bunten Glauben

Hier und heute schenkt einem das Leben nur die besten Erinnerungen, ungeplant und fernab jeg¬lichen Kommerzes, auf einer Sandbank im Nir¬gendwo. Kein Dorf ist auf den Karten verzeichnet, das Satellitenbild zeigt nur einen mäandernden Fluss, und nun das: Eine Hundertschaft Menschen steht am Ufer und winkt. „Legt an!", kreischen die Kinder den Booten entgegen. „Kommt her!", rufen die Männer. „Macht Pause, es gibt was zu Essen!" Zeltplanen bieten den Hindu-Pilgern und ihren un¬erwarteten Gästen aus der Ferne Zuflucht vor der Sonne. Man reicht Fladen, die in siedendem Fett ge
braten werden, dazu Dal aus roten Linsen. Und spi-rituelle Nahrung: In einer simplen Schilfhütte, zu Ehren einer lokalen Gottheit für ein paar Tage zum Tempel umgewidmet, sitzen alte Männer und mur-meln einen Kanon aus unverständlichen Mantras. Mehr gedrängt, als gebeten, landet man vor einer Art Altar, wird eingenebelt von Weihrauch und verbeugt sich, wie geheißen, immer wieder. Als Dank für den Besuch gibt es Zuckerkugeln, ein Geschenk der Göt-ter, und ein en passant ums Handgelenk gewickeltes rotes Bändchen als Segen für die Fahrt
Hindu? Oder nicht? Indiens Spiritualität macht da keinen Unterschied. Sie packt einen genau dann, wenn man es am wenigsten erwartet und lässt die Sinne nicht mehr los. Man muss nicht einmal zur größten Menschenansammlung der Welt reisen, der Kumbh Mela, wo sich in diesen Monaten viele Millionen Gläubige versammeln, um ein Bad im Ganges zu nehmen und sich so von ihren Sünden zu befreien — eine Abkürzung im Kreislauf der vie¬len Reinkarnationen für eine direkte Reise ins Nir¬wana. Es scheint, als verberge sich an ganz vielen Stellen des Landes ein Tropfen jenes mythischen
Unsterblichkeitsnektars, der die Religion zum Blühen bringt. Auch auf Mutter Ganges zu reisen, entlang der inneren Ufer des Hinduismus, wird so unmittelbar zum rituellen Akt. Jeder Besuch des mehr als 2500 Kilometer langen heiligen Flusses, der im Himalaja auf 4000 Metern Höhe entspringt und sich in Bengalen in den Indischen Ozean er¬gießt, ist auch für Nichtgläubige eine Pilgerfahrt, eine Entdeckungsreise in einen schillernd bunten Glauben, den es in ungezählten Formen und Varianten gibt. Wer das Staunen schon verlernt
hat, der kann es hier noch mal aufs Neue lernen. Der Ganges ist nämlich nicht überall der kriminell verschmutzte Strom, von dem man immer wieder hört. Nicht überall wird er von Städten und Land¬wirtschaft in die Mangel genommen. Im dicht bevölkerten Indien hat die Natur häufig gerade an seinen Ufern, an denen oft nur wenige Menschen wohnen, noch Platz, um sich zu entfalten. Im Himalaja, wo auf dem Dach der Welt die wilden Berge zu Hause sind und sich Birken als Himmelsleitern ins Gestein krallen, tummeln sich auf dem Geröll des Ganges-Gletschers die seltenen
Bharal-Böcke. Nach einem Bad im eisigen Wasser der Quelle geht es abwärts, zu Fuß über Stock und Stein entlang eines noch jungen Stroms — den glei-chen Weg, den barfuß auch die Pilger gehen. Jungfräulich einsam ist es aber trotzdem, man fühlt sich weit weg vom Rest der Welt.
Bevor er sich in die weiten Ebenen Indiens ergießt, zwängt sich der Ganges erst durch enge Schluchten. Touristen können diesen rauhen Teil des heiligen Stroms per Schlauchboot erkunden — sicher geführt von Guides, damit niemand von den ab und an

lauernden Stromschnellen überrascht wird. Die stei-len Hänge am Ufer gehören zu einem Nationalpark, und so findet man in der Mittagspause Spuren eines Leoparden auf einer Sandbank.
Campen am Ufer
Auch im Tiefland, wenn man die Pilger- und Yoga- Städte Rishikesh und Haridwar hinter sich gelassen hat, regiert noch die Natur: Viele 100 Kilometer weit tummeln sich Flussdelphine — seltene Tiere, die ih¬re Beute per Ultraschall finden und fast blind sind, weil sie ihre Augen im braunen Wasser nicht einset¬zen müssen. Fast hat man den Eindruck, sie würden ganz bewusst immer wieder an die Wasseroberfläche kommen, um den wenigen Booten, die hier den Ganges befahren, den Weg zu den tiefsten Stellen des gigantischen Stroms zu zeigen und das Team vor Untiefen zu warnen. In der Nacht, beim Campen am Ufer, hört man nach den Abenteuer-Geschich¬ten am Lagerfeuer eine kleine Nachtmusik: Störche klappern und Fischer singen.
Eine Reise auf dem Ganges ist immer ein Abenteuer, vor allem aber eine Tour ins Herz eines unbekann-ten und größtenteils unberührten Indien, weil es ab-gesehen von Reisen zu den großen Städten der Region kaum Angebote für Touristen gibt. Das än¬dert sich endlich, der Ganges erwacht aus seinem

Dornröschenschlaf. Zum ersten Mal seit den 1930er Jahren fuhr im Herbst wieder ein Passagierschiff von Kalkutta nach Varanasi. Organisiert wurde die Jungfernreise von Paul Strachan, einem Pionier von Flusskreuzfahrten (www.pandaw.com). „Der Ganges ist die Mutter aller Flüsse", schwärmt der Experte. „Noch nie habe ich einen so schönen Strom gese¬hen, an dessen Ufern man so viele unterschiedliche Kulturen erleben kann." Dem Charme der Region ist auch der Reiseveranstalter Kuoni (www.kuoni.ch) erlegen und hat einen speziellen Indien-Katalog
herausgegeben, der auch einen Besuch des heiligen Stroms ermöglicht.
Wer sich abseits ausgetretener Wege an und auf den Fluss wagt, wird belohnt: Nicht nur die Natur faszi-niert, sondern vor allem die allgegenwärtige Hindu- Kultur. Selbst der klassische Tanz gilt hier als An¬dacht, schon ein gewöhnlicher Gegenstand kann zu einem Symbol des Göttlichen werden, und die Erlösung wartet überall. Zu Sonnenuntergang in Rishikesh, wenn bei einer pompösen Gebetsshow Feuer den Fluss erleuchtet und Lautsprecher die monotonen Gesänge der Brahmanen so verstärken, dass selbst die ewig dämmernden heiligen Kühe auf-wachen und sich auf ihren Abendspaziergang bege-ben. Zu Sonnenaufgang in Varanasi beim stillen Opfern von Räucherstäbchen, Butterlicht und Blü-ten, in jener legendären Stadt, die auch dem Tod huldigt und sich den Teufel schert um unsere Tabus. Für jeden sichtbar zerfällt hier bei den Verbren¬nungen die eigene Körperlichkeit, je nach Steuer¬klasse mit Hilfe von teurem Sandelholz oder preis¬wertem Kuhdung. Das Ende ist so allgegenwärtig, dass es seinen Schrecken verliert.
Pfad zur Erlösung
Wie viele Hindu-Götter es eigentlich gibt? Diese
so typische und so unwichtige Touristenfrage,
für die man sicherlich ein paar Kilometer zurückgeworfen wird auf dem Pfad zur Erlösung, kann einem selbst in Varanasi kein heiliger Mann beantwor¬ten, auch nicht der Sadhu an der Quelle und nicht der Sadhu auf dem letzten Stück Land im Delta. Und auch keiner der Asketen, Babas, Gurus, Ma¬hatmas, Munis, Sannyasins, Swamis oder Yogis, die man unterwegs trifft. Allerdings geistert die Zahl von 330 Millionen durch die Reise¬führer. Vermutlich entstand sie einst, als ein Reisender zu Kolonialzeiten einem Hindu-Priester genau diese Frage stellte und der dem wissbegierigen Besucher die orakelhafte Antwort gab: „So viele wie Menschen." Britisch-Indien hatte damals ungefähr 330 Millionen Einwohner. Heute könn¬te man die Zahl also guten Gewissens auf 1,2 Milliarden erhöhen.
Ein himmlisches Durcheinander ist dieser Hinduismus, zwar faszinierend und berührend, doch für den unvor
bereiteten Kurzzeit-Besucher oft unverständlich. Zu verwoben die Geschichten, zu ungewohnt klingend die Begriffe, zu beliebt das heimliche Hobby der weißbärtigen Weisen, vorhandene Erzählungen mit Lokalkolorit anzureichern und sich so im Laufe der Zeit neue Geschichten mit neuen Figuren und neuen heiligen Orten zu erschaffen.
So tröstet man sich mit dem französischen Schrift-steller Jean Giraudoux: „Ein ungeklärtes Geheim¬nis schenkt uns oft mehr Schönheit und Freiheit, als seine Lösung uns geben kann." Und erlebt Indien mit viel Sinn, als ein Karussell von Bildern und Begegnungen, aber ohne echten Verstand. Egal — schließlich sieht man mit dem Herzen besonders gut. Vielleicht klappt es im nächsten Leben mit der Erleuchtung. Oder zumindest bei der nächsten Reise

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