Wendat Indianer in Canada Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=Xc1dZM4-Dwc
Die Filmbilder hat der Author Selzer-McKenzie in Canada gedreht.
Eine weiche Bisonledercouch ist der ideale Platz zum Träumen. Noch dazu, wenn sie vor einem Kamin steht, außerdem
in Kanada und obendrein in einem
„Indianerhotel", gebaut und betrieben
vom Volk der Wendat, das die Franzo
sen Huronen nennen.
Dass das Feuer hinter dicken Glas¬scheiben prasselt, stört wenig. Es passt zum Design. An den Wänden Felle von Bären und Karibus. Lampen aus Elchgeweih. Geruch von Wald, Jagd und Abenteuer. Wer würde da nicht zum Indianer werden? „Das heißt First Nations (die Ersten Nationen)!", berichtige ich mich selbst mit der politisch korrekten Vokabel, mit der alle Ureinwohner Nordamerikas bezeichnet werden.
und ich bin Winnetou. In Gedanken reite ich durch die Prärie, jage Büffel, kämpfe gegen feige Bleichgesichter. Nur für die Friedenspfeife muss ich vor die Tür, denn wie überall in Kanada ist auch hier das Rauchen in öffentlichen Gebäuden untersagt.
Beseelt von Wildwest-Klischees und kitschigen Bildern aus Karl-May-Filmen, freue ich mich auf die Begegnung mit dem einheimischen Fremdenführer,
den Händen haltend. Doch schließlich hatten sich die Japaner selber ebensowenig als Sa¬murais verkleidet, wie ich mit bayeri¬scher Seppelhose oder Spreewaldhut. „Tradition ist mehr als Folklore", ist sich Dave sicher. Er besitzt nicht einmal eine Tracht. Andere tragen sie nur beim Tanzfest Kiugwe und beim Pow Wow. Und so steigen wir - statt auf unbe-schlagene Pferde - in Monsieur Laveaus klimatisierten Van, der uns
Umwelt zu tun: „Wer, wenn nicht wir, die First Nations, sollte ein Beispiel geben, wie man verantwortungsvoll mit der Natur umgeht. Und die fängt zu Hause an."
Doch er weiß, dass das friedvolle Wunderland Wendake, in dem man keine Steuern zahlen muss, leider eine Ausnahme ist: „Während viele Natio¬nen in ganz Amerika große Probleme mit Arbeitslosigkeit und Armut, Alkohol und Drogen haben, profitieren wir von
einem waschechten Wendat, der mir den Ort seiner Väter zeigen will.
„Bonjour", begrüßt mich der elegant gekleidete junge Mann am nächsten Morgen freundlich lächelnd an der Rezeption und stellt sich mit „Dave Laveau" vor. Dass ich auf der Suche nach einem Indianer an ihm vorbeige-laufen wäre, behalte ich für mich. Das angeblich unkorrekte Wort höre ich an diesem Tag im Übrigen genauso oft wie „First Nations".
Als hätte er meine Gedanken erraten, erzählt Dave von einer japanischen Reisegruppe, die richtig böse gewesen sei auf sein „normales" Outfit. „Sie fragten mich: Warum haben Sie keine Federn auf dem Kopf, und wo stehen überhaupt Ihre Zelte?", gibt er feixend zum Besten, eine schicke Designer-
zunächst zu den Kabir Kouba Wasser-fällen bringt. Dort begann die Geschichte der einzigartigen First-Nation-Siedlung, deren heutiger Bevöl¬kerung es im Vergleich zu anderen Ureinwohnern Nordamerikas ausge¬sprochen gut geht.
Schmucke Häuschen, saubere Straßen, gepflegte Rabatten bestimmen das Bild des Ortes, zu dem auch eine Shopping- Mali und ein kleines Gewerbegebiet gehörten. Neben dem Verwaltungsge¬bäude, in dem der Oberhäuptling regiert, spielen die Kinder der Biber- Grundschule auf akkurat gemähtem Rasen Fußball. Den Eingang zur Polizeistation ziert eine üppige Blumenampel. Fast zu perfekt und ein bisschen spießig sieht es aus. Für Dave hat das etwas mit dem Verhältnis zur
der Integration", sagt der 28-Jährige. In Quebec-City, der französischsten Stadt auf dem amerikanischen Kontinent, ist er aufgewachsen, zur Schule gegan¬gen, hat Tourismusmarketing studiert - wie auch in Großbritannien.
Wie fast alle Wendat, die heute in Wendake oder anderswo in Kanada leben, hat Dave bis auf wenige Worte die Sprache seiner Ahnen, einen nordirokesischen Dialekt, nicht gelernt. „Nur noch 3000 Wörter davon sind bekannt. ,Hallo' zum Beispiel heißt ,k8ei' (die 8 wird wie ein englisches W ausgesprochen, auch den Namen des Volkes schreibt man ,8endatl„Wolf' heißt ,Annaarisk8a' - so etwas weiß man halt", sagt der junge Indianer, dessen Muttersprache
Zusammen mit seiner Frau, einer jungen Ägypterin, lebt er in Quebec-City. Wendake ist sein Arbeitsplatz, und dennoch viel mehr als das. „Wir würden gern hier leben, doch es ist
sehr schwierig, ein Haus oder Bauland zu bekommen, denn der Platz ist äußerst beschränkt", sagt der angehende Familienvater, der seit sei-nem 18. Lebensjahr, also seit zehn Jahren, auf der Zuzugs-Warteliste steht - zurzeit an 600. Stelle.
Nur rund einen Kilometer lang und einen halben Kilometer breit ist der kleine Ort nordöstlich von Quebec¬Citys Altstadt. Die Ironie der Geschichte: Durch Eingemeindungen der wachsen¬den Metropole ist Wendake mittler¬weile völlig von ihr umschlossen - als wollte sie den Namen des kleinen Volkes rechtfertigen. Denn Wendat heißt „Inselbewohner". Warum, erklärt Andrew Gros-Louis im Museum: „Unsere Vorfahren glaubten, dass die Welt eine sich bewegende Insel sei, weil sie auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte liege. Sie lebten an Orten, die zum größten Teil von Wasser und Sümpfen umgeben waren."
Das spiegeln auch andere Bereiche ihrer Sprache wider. So etwa gibt es gleich vier Monate, deren Bezeichnun¬gen mit Fischen zu tun haben. „Dennoch ernährten sich die Wendat
nur zu etwa 15 Prozent vom Fisch
fang", weiß der 19-jährige College-
Student, der in seiner Freizeit als
Museumsführer arbeitet. Auch dass der
Mai „Die Erdbeeren blühen" heißt, der
August „Der Mais ist in
Milch" oder der Dezember
„Wenn der Bär sein Junges
hat", spreche für die
Verbundenheit zur Natur,
als dessen unmittelbare
Teile sich die Wendat wie
fast alle Indianervölker betrachten. Von den ursprünglich acht Clans der Nation leben heute noch vier in Wendake: die Wolfsleute, zu denen Daves Familie gehört, die Bärenleute, die Schildkröten- und die Hirschleute. Durch viele Darstellungen sind die heiligen Tiere im Ort präsent: als über-lebensgroße Skulpturen aus Draht, Erde und lebenden Pflanzen, als bunte Fresken am Fluss oder als Lichtbilder, die bei Dunkelheit mittels Schablone von der Straßenbeleuchtung auf die Gehwege projiziert werden. Vor der Figur des Wolfs, die auf dem Parkplatz der Touristeninformation steht, lässt sich
Dave gern von mir fotografieren.
Die Jagd nahm mit einem Anteil von fünf Prozent nur einen relativ geringen Platz in der Nahrungsversorgung der Wendat ein. Doch wie im Museum und im alten Häuptlingshaus Tsa8enhohi anhand vieler Tier-Artefakte zu sehen, war sie aus dem spirituellen Leben nicht wegzudenken. Ein Brauch, den auch Dave noch pflegt, wenn er im Urlaub mit seinen Freunden auf Elchjagd geht, ist es, das getötete Tier zu den Geistern
zu schicken, indem er ihm einige Tabakkrümel auf die Augen streut. „Anbau und Konsum von Tabak waren so typisch für die Wendat, dass man sie die Tabak-Nation nannte. Das Rauchen galt als beruhigend, Hunger stillend und friedensstiftend. Man glaubte sogar, dass man dadurch klarer sehen und den Verstand schärfen könnte", sagt Dave, der weder schießt noch raucht.
Bevor sie mangels Ackerland zu Pelzhändlern wurden, waren die aller-meisten Wendat-Familien Bauern. Ihre wichtigsten Feldfrüchte: die „Drei Schwestern" - Mais, Bohne und
Kürbis. Nach dem beliebtesten Gericht daraus, einem Eintopf, ist heute Wenda¬kes berühmtestes Restaurant „Sagamite" benannt (mindestens ebenso lecker sind dort allerdings die Bisonburger).
Durch den Handel mit Tierfellen zu Freunden der Franzosen geworden, nahmen die Wendat nicht nur deren Sprache, sondern ebenso deren Religion und Kultur an. Statt hölzerne, ringsum mit Birkenrinde verkleidete Langhäuser, die in ihrer Form kleinen Flugzeug-
mit den Briten und Franzosen, vor allem aber durch die Krankheiten, die die Europäer mitgebracht hatten, sei die Zahl binnen Kurzem auf wenige Hundert geschrumpft. „Sie verließen ihre Heimat an der Georgian Bay in Ontario und zogen gen Osten nach Quebec. Die letzte größere Gruppe von 150 Wendat gelangte bis an die Fälle des Akiawenrahk, wo Franzosen die Missionsstation Lorette gegründet hatten. Von insgesamt rund 3000 Wendat
,Null-eins'. Gehört die Mutter einer anderen Nation an, sind männliche Nachkommen ,Null-zwei'. Heiratet dieser eine Nicht-Wendat, sind die Kinder ,Null-drei' und haben später keinen Anspruch auf einen eigenen Wohnsitz im Ort." Wenn allerdings eine Wendat-Frau einen Fremden heiratet, verliert sie sofort alle Rechte der Volks¬angehörigkeit. „Null-zwei," Andrew findet das völlig gerechtfertigt: „Es ist einfach wichtig, die Identität der Nati
Hangaren ähnelten, begannen sie Stein-häuser zu bauen. Und noch heute ist das katholische Kirchlein Notre-Dame-de-Lorette, einstiges Missionssymbol, der optische Mittelpunkt von Wendake. Mit großem Getöse stürzen die Wasser-massen des Akiawenrahk-Flusses, den die Frankokanadier Saint Charles nennen, hinab in die Tiefe, bevor sie sich durch einen schmalen, 42 Meter tiefen Canyon zwängen. Eine Gedenktafel erinnert an das Ende einer langen Reise, die Daves und Andrews Vorfahren 1697 bis an diese Stelle führte.
„Noch vor 400 Jahren gehörten zu unserem Volk, das einst in mehr als 30 Dörfern über den ganzen Nordosten Amerikas verbreitet war, an die 40.000 Menschen", erinnert Andrew. Durch die Kriege mit anderen Indianern,
leben heute kaum mehr als 1100 in Wendake. Historisch wie rechtlich betrachtet ist das biedere Städtchen, in dem nur Indianer dieses Volkes sowie deren Ehepartner und Kinder leben dürfen, ein Reservat. Diesen Begriff mögen die beiden jungen Männer gar nicht. Dazu fühlen sie sich viel zu frei. Dennoch unterwerfen sie sich neben dem kanadischen Recht auch den Stammesgesetzen der vom Aussterben bedrohten Nation. Ein demokratisch gewählter Häuptlingsrat, derzeit geführt von Andrews 45-jährigem Onkel Max Gros-Louis, überwacht ihre Einhaltung. Eine der Hauptregeln für das Leben im Reservat ist die mit dem Rassereinheits-Status.
Dave erklärt: „Jeder Mann, dessen
beide Eltern wie meine Wendat sind, ist
on so lange wie möglich zu bewahren." Christian Bastien scheint das ganz wörtlich zu nehmen. Bekleidet mit einem hellbraunen Hirschlederanzug, Fuchsfell und Federn, hockt der 62-jährige Schildkröten-Mann an der Feuerstelle der Freilicht-Ausstellung und lässt sich von Touristen fotografieren. Viele Jahre hat er als Banker in Montreal gearbeitet. „Ich hatte genug Rock 'n' Roll in meinem Leben. Jetzt kann ich meine Rente in diesem wun-derbar stillen Ort genießen", erklärt er und macht es sich wieder an seinem Kochtopf gemütlich. Ich freue mich, dass ich auch ihn getroffen habe - und vor allem zum Schluss. Womöglich hätte er mich sonst mit seinem Aufzug auf eine falsche Fährte gelockt.
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