Sauerland Reise Travel Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=b_f3bpRl-d8
ein grauer Stein mit der Aufschrift „Ruhrquelle 1849" weist auf das Rinnsal hin, an dessen Ursprung wir uns befinden. Ein Bächlein quillt aus sumpfig-morastigem Gebiet im Wald, das unter Naturschutz steht. Vor
dem Stein ein gemauertes Rondell. Ein lauer Frühlingstag mit Sonnenschein, der erahnen lässt, dass der Winter endgültig vorbei ist, zieht uns auf das Sandsteinmäuerchen, wo wir uns hinsetzen und unser Gesicht in die Sonnenstrahlen halten. Hier im Sauerland beginnt der sogenannte „Ruhrhöhenweg". Die 217 Kilometer von der Ruhrquelle bis zur Mündung in den Rhein bei Duisburg-Ruhrort können wir hier unter Leitung von Heinrich (58), dem Wanderführer
vom Sauerländischen Gebirgsverein (SGV), stückweise begehen. Wir, das ist eine Gruppe von Menschen aus dem „Kohlenpott" zwischen 18 und 65 Jahren. Alle tragen feste Wanderschuhe und haben einen Rucksack auf den Rücken geschnallt. Die Wege, die wir in Etappen zurücklegen können, sind bestens beschriftet und detaillierte Wander-karten sorgen dafür, dass sich niemand verlaufen kann - auch nicht, wenn er sich ohne jemanden wie Heinrich auf den Weg macht.
Wir befinden uns jetzt im nordöstlichen Teil des sauerländi
schen Rothaargebirges, etwa drei Kilometer von Winterberg
am Nordosthang des 695,7 Meter hohen Ruhrkopfs entfernt
Der Kahle Asten, der höchste Berg des Sauerlandes (841,9 Meter), auf dem der Astenturm thront, ist ganz in der Nähe, nämlich südwestlich von Winterberg. Der Blick auf die sanften Hügel des schönen Sauerlandes weckt Kindheits-erinnerungen bei mir.
Kindheitserinnerungen
Geboren in Bochum wanderte ich von klein an mit meinem Vater regelmäßig „die Hardthöhe" hinauf, wo er - ein waschechter Sauerländer - das Licht der Welt erblickt hatte und auf einem Bauernhof aufgewachsen war. Oben angekommen schmiegte sich vor unseren Augen das kleine Fachwerkhaus, das Elternhaus meines Vaters, in eine Mulde zwischen sanften Bergen. Der Hofhund kläffte, sobald er uns witterte und zerrte an seiner Kette. Im Sommer durfte ich auf den Wiesen, wo an den Hängen auch die Milchkühe meines Opas grasten, Kirschen pflücken. Seine Schwarz-bunten hatten Namen wie Rosa und Lisa, und er hat sie noch von Hand gemolken. Pünktlich um sieben Uhr morgens, nachdem er frisches Wasser für Kaffee aus dem Brunnen gepumpt hatte, nahm er seinen Schemel und einen Milch¬eimer und verschwand damit im Stall. Im Winter hatte ich ein wunderbares Rodelgebiet direkt vor der Haustür.
Stielmus mit Blutwurst
Wir Besucher des Ruhrhöhenweges brechen nun auf, um drei Stunden stramm zu wandern. Bergauf und bergab, durch Nadelwälder, Laubwälder, über Höhenkämme und durch kleine Täler. An Lichtungen bleiben wir stehen, genießen den Blick und die Weite, die sich dort plötzlich auftut und erhaschen ein paar Sonnenstrahlen. Ansammlungen von Fachwerkhäusern sind immer wieder ein heimeliger Anblick. Viehweiden wechseln mit Nadelwäldern ab. Vor uns springt ein Eichhörnchen von Ast zu Ast und in der Ferne grasen Rehe. Haben wir anfangs viel geredet, so wird es nach einiger Zeit immer ruhiger und jeder hängt seinen Gedanken nach. Auch Schweigen ist ein Genuss. Ruhe ist wohltuend. Wandern kann wie Meditation sein. Die Zeit verfliegt und langsam spüren wir unsere Beine. Der Magen meldet sich. Zeit, einzukehren. Heinrich führt uns direkt zu einem der vielen Sauerländer Wandergasthöfe, die entlang der Wanderwege liegen und echte Sauerländer Hausmanns¬kost anbieten. Obwohl es noch ein wenig kühl ist, sind bereits Tische und Stühle draußen aufgestellt. Wir lassen uns nieder. Die Speisekarte bietet rustikal Deftiges aber auch Raffiniertes. Ich bestelle Stielmussuppe mit gebratener Blutwurst. Das hat meine Oma früher immer gekocht. Mein Gegenüber, Birgit,
REISE<
eine junge Frau aus Oberhausen, entscheidet sich für Hirschkalbsbraten mit Serviettenknödeln. Ihr Freund nimmt „Äiserkauken met Berchkuuffläuch", eine Art gerollte Waffeln mit Füllung. Dazu ein kühles Bier. Das zischt!
Kuhfladen mit Innenleben
Heinrich kennt die Gegend wie seine Westentasche. Er
berichtet Kurzweiliges vom Leben der Bauern im Sauerland
und vom Fremdenverkehr. Ohne ihn würden wir manch
Sehenswertes am Wegrand nicht entdecken. Wie beispiels
weise das Innenleben der Kuhfladen auf der nächsten Weide.
Heinrich fordert uns auf, ein
Stöckchen zur Hand zu
nehmen und in den Fladen
herumzustochern. Sie sind, so
Heinrich, nämlich durchaus
eine Betrachtung wert. Kaum
hat man die angetrocknete
oder noch weiche Oberfläche
durchbohrt, kommt pulsierendes
Leben zum Vorschein. Direkt
nach der Landung im Gras
eilen nämlich verschiedene
Fliegen und Käfer wie der
Gemeine Dungkugelkäfer und
der Gemeine Dungkäfer zur Eiablage auf dem feuchten
Klecks herbei. Ihre Larven entwickeln sich rasch. In einer
zweiten Phase stellen sich auf dem bereits von Fraß- und
Kotgängen durchzogenen, noch feuchten Kuhfladen andere
Fliegen ein, darunter die goldgelb behaarte Mistfliege
(Scopeuma stercoraria). Der außen nun harte, im Inneren
aber noch feuchte und mit Gängen durchzogene Fladen,
entwickelt Pilze wie den Körnigen Rinderdungbecherling,
der aussieht wie gelbe Perlen, sowie Hefen und Bakterien,
die ihn weiter abbauen. Er verkrümelt schließlich, Gras
wächst durch, Milben, Hundertfüßler und Regenwürmer
leben im Unterboden. Die Überreste werden von Vögeln bei
der Nahrungssuche zerhackt oder von Mistkäfern vergraben.
Nachdem wir uns den Exkrementen der Rinder zu Genüge
zugewendet haben, geht es weiter. Am späten Nachmittag
kommen wir erschöpft und zufrieden am Ziel an. Ein Bus
wartet, um uns nach Olsberg zu bringen, einem kleinen
Städtchen des östlichen Hochsauerlands im Tal der Ruhr
zwischen dem Naturpark Arnsberger Wald im Nordwesten
und dem Naturpark Diemelsee im Osten. Wir übernachten
in einem urigen Dorfhotel in karierter Bettwäsche, von wo
aus am nächsten Morgen eine weitere Wandertour beginnt.
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