Kormoran Tiere Animals Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Der Kormoran (Phalacrocorax carbo) ist eine Vogelart aus der Familie der Kormorane (Phalacrocoracidae). Das riesige Verbreitungsgebiet der Art umfasst große Teile Europas, Asiens und Afrikas, außerdem Australien und Neuseeland sowie Grönland und die Ostküste Nordamerikas. Die Nahrung besteht wie bei allen Vertretern der Gattung Phalacrocorax fast ausschließlich aus Fisch. Kormorane sind zu allen Jahreszeiten gesellig, die Brutkolonien liegen an Küsten oder größeren Gewässern. Bestand und Verbreitung der Art wurden in Europa durch massive menschliche Verfolgung stark beeinflusst, im mitteleuropäischen Binnenland war die Art zeitweise fast ausgerottet. In den letzten Jahrzehnten ist eine deutliche Bestandserholung zu verzeichnen. Der Kormoran ist in Deutschland Vogel des Jahres 2010.
Kormorane sind knapp gänsegroß, sie haben eine Körperlänge von 77 bis 94 cm und eine Flügelspannweite von 121 bis 149 cm. Männchen sind etwas größer und schwerer als Weibchen. Die Gewichte von Männchen schwanken zwischen 1975 und 3180 g, Weibchen erreichen 1673-2555 g. Männliche Brutvögel auf Rügen hatten Flügellängen von 334 bis 382 mm, im Mittel 358,5 mm, Weibchen erreichten dort 321 bis 357 mm, im Mittel 335,0 mm.[1] Der relativ große Schnabel ist wie bei allen Arten der Gattung am Ende hakenförmig.
Kormoran im Schlichtkleid
Im Prachtkleid ist das Gefieder der auch in Mitteleuropa verbreiteten Unterart P. c. sinensis überwiegend schwarz, bei Sonnenschein glänzen die Federn metallisch grün oder bläulich. Die Deckfedern des Oberflügels schimmern bronzefarben und sind glänzend schwarz gerandet, der Oberflügel wirkt daher geschuppt. Scheitel und Nacken sind mit feinen weißen Federn durchsetzt. Am Hinterkopf befindet sich ein Schopf, der durch etwa 4 cm lange, abstehende Federn entsteht. Am Schnabelgrund befindet sich eine nackte, gelbe Hautpartie, die breit weiß gerandet ist, außerdem zeigt der äußere Schenkelansatz einen weißen Fleck. Die Geschlechter unterscheiden sich bezüglich der Färbung nicht.
Im Schlichtkleid fehlen die weiße Befiederung an Scheitel und Hals sowie der weiße Schenkelfleck. Die weiße Partie am Schnabelgrund ist breiter, schmutzig weiß und weniger scharf vom ansonsten schwarzen Hals- und Kopfgefieder abgesetzt. Der Schopf ist nur angedeutet.
Vorjähriger Kormoran
Vögel der Unterart P. c. sinensis sind im Jugendkleid überwiegend braun bis schwarzbraun, die Oberseite zeigt einen schwachem Metallschimmer. Die Schulterfedern und die Flügeldecken sind braun mit glänzend schwarzbraunen Säumen. Die Halsseiten sind weiß gestrichelt, die Federn an Kehle und Vorderbrust sind weißlich gerandet. Schwanzfedern und Schwingen sind schwarzbraun mit hellen Spitzen, die Armschwingen zeigen weniger Stahlglanz als die adulter Vögel. Die Unterseite des Rumpfes ist sehr variabel und in sehr unterschiedlicher Ausdehnung bräunlich oder schmutzig weiß, nur selten rein weiß. Kopf, Hals und Schenkelansatz zeigen zahlreiche weiße Haarfederchen, die am Ende einen feinen Pinsel tragen. Die Tiere sind nach vier Jahren ausgefärbt.
Bei adulten Vögeln ist die Iris smaragdgrün, bei jüngeren Vögeln graubraun oder graugrün. Der Oberschnabel ist bleigrau mit schwärzlichem First; der Unterschnabel ist horngelb, an der Spitze grau. Die Beine und die Füße sind in allen Altersgruppen schwarz.
Lautäußerungen [Bearbeiten]
Kormorane sind abseits der Brutplätze meist stumm. Die Rufe in den Kolonien sind tief und kehlig krächzend. Der häufigste Ruf klingt etwa wie „chrochrochro“; dieser Ruf wird variiert. Die Stimmfühlungsrufe lassen sich mit „chroho-chroho-chroho” beschreiben, die Rufe bei der Paarungsaufforderung klingen wie „kra-orrr“ oder „à-orrr“.
Verbreitung und Lebensraum [Bearbeiten]
Das Verbreitungsgebiet der Art umfasst große Teile der Alten Welt, außerdem Australien und Neuseeland sowie Grönland und die Ostküste Nordamerikas. Kormorane sind an Wasser gebunden, die Brutkolonien liegen sowohl an Meeresküsten als auch an den Ufern größerer Flüsse und Seen.
Systematik [Bearbeiten]
Meist werden sechs Unterarten anerkannt[2]:
* P. c. carbo (Nominatform): Ostkanada über Grönland und Island bis zu den Britischen Inseln und Norwegen.
* P. c. sinensis: Zentral- und Südeuropa bis Indien und China im Osten; kleiner und grünlicher und meist mehr weiß auf der Kehle als P. c. carbo.
* P. c. hanedae: Japan, möglicherweise synonym mit P. c. sinensis.
* P. c. marrocanus: Nordwest-Afrika; Färbung zwischen P. c. sinensis und P. c. lucidus.
* P. c. lucidus (Weißbrustkormoran): Küstengebiete des westlichen und südlichen Afrika, inneres Ostafrika, kleiner und grünlicher als Nominatform, weißer Bereich meist bis zur Brust oder zum Bauch ausgedehnt, tritt auch in einer dunklen Morphe auf, die an P. c. sinensis erinnert; oft als eigenständige Art angesehen.
* P. c. novaehollandiae: Australien, Tasmanien, Neuseeland, Chatham-Inseln, wird gelegentlich in weitere Unterarten (P. c. carboides in Australien und P. c. steadi in Neuseeland) aufgeteilt, könnte auch eine eigenständige Art darstellen.
Jagdweise und Nahrung [Bearbeiten]
Nach Tauchgängen lassen Kormorane ihr Gefieder trocknen
Die Jagd auf Fische erfolgt tauchend, Tauchgänge werden meist mit einem kleinen Sprung eingeleitet. Die normale Tauchdauer beträgt 15–60 s in Tiefen von üblicherweise 1–3 m, bis 16 m sind jedoch nachgewiesen. Die Fortbewegung unter Wasser erfolgt mit den Füßen, Fische werden mit dem Hakenschnabel hinter den Kiemen gepackt.
Die Nahrung besteht fast ausschließlich aus kleinen bis mittelgroßen See- und Süßwasserfischen, diese werden lebend erbeutet. Seltene Zufalls- oder Gelegenheitsbeute sind andere an Wasser gebundene Tiere wie Krabben und große Garnelen, sehr selten wurden Bisamratten und Küken der Brandente als Beute nachgewiesen.
Kormorane jagen opportunistisch die Fische, die häufig und am leichtesten verfügbar sind; die Zusammensetzung der Nahrung schwankt daher je nach lokalen Bedingungen und Jahreszeit sehr. In den deutschen Binnenseen werden überwiegend die häufig in großen Schwärmen auftretenden Weißfische erbeutet. An Fließgewässern mit höherer Strömungsgeschwindigkeit können neben Karpfenfischen auch Salmoniden und die Äsche einen größeren Teil der Nahrung bilden.
In Bayern wurde die Winterernährung des Kormorans in natürlichen Voralpenseen (Ammersee, Chiemsee), an künstlichen Gewässern (Altmühlsee, Ochsenanger, Unterer Inn), sowie an Flussabschnitten (Donau, Alz) untersucht. Der überwiegende Teil der erbeuteten Fische war 9–28 cm lang. An allen Gewässern bildeten unbestimmte Karpfenfische (Cyprinidae) den Hauptteil der Nahrung, je nach Gewässer mit 37,3–65,8 % aller Beutefische. Weitere wichtige Arten waren Flussbarsch mit 4,2–20,9 % und Rotauge mit 1,0–10,5 %. In den Voralpenseen spielten auch Renken (Coregonus sp.) mit 9,5 % eine wichtigere Rolle. Auch in der noch bedingt naturnahen Alz waren unbestimmte Karpfenfische mit 52,9 % die mit Abstand häufigste Beute, hier folgten die Äsche mit 12,6 % und unbestimmte Salmoniden mit 11,0 % aller Beutefische. [3]
Fortpflanzung [Bearbeiten]
Kormorankolonie auf einer Insel in Großbritannien
Kormorane brüten in Kolonien, diese können an geeigneten Standorten mehrere Tausend Brutpaare umfassen. Die Nester werden an der Küste je nach Gegebenheiten auf Klippen oder auf dem Boden angelegt, im Binnenland überwiegend auf hohen Bäumen an Gewässern. Kormorane brüten meist erstmals im Alter von 3 oder 4 Jahren, selten bereits mit 2 Jahren. Die Brutpaare leben wohl überwiegend in einer monogamen Saisonehe. Beide Partner bauen das Nest aus Ästen, die abgebrochen oder aus dem Wasser geholt werden. Die Nestmulde wird mit feinerem Material ausgepolstert, an der Küste häufig mit Seetang.
Das Gelege besteht in der Regel aus 3 bis 4, selten aus 5 und extrem selten aus 6 Eiern. Die Eier sind länglich oval und einfarbig hellblau. Die Eiablage erfolgt in Mitteleuropa überwiegend von Ende April bis Juni. Beide Partner brüten, die Brutzeit beträgt 23-30 Tage. Die Jungvögel werden von beiden Partnern mit hochgewürgten Fischen gefüttert. Die Nestlingszeit beträgt etwa 50 Tage, mit 60 Tagen sind die Jungvögel voll flugfähig. Nach dem Ausfliegen wird der Nachwuchs noch 11-13 Wochen lang von den Eltern mit Nahrung versorgt.
Ziehende Kormorane
Alter [Bearbeiten]
Kormorane können in Ausnahmefällen ein Alter von über 20 Jahren erreichen, das höchste nachgewiesene Alter soll bei über 27 Jahren.[4] Der älteste in Deutschland beringte und später lebend beobachtete Vogel war mindestens 21 Jahre alt[5].
Wanderungen [Bearbeiten]
Je nach Population sind Kormorane Standvögel, Teilzieher oder Zugvögel. Die Küstenpopulation der Unterart P. c. carbo in Irland und Großbritannien wandert ungerichtet entlang der westeuropäischen Atlantikküsten, nach Süden bis maximal Nordportugal. Die niederländischen Kormorane der Unterart P. c. sinensis sind Teilzieher, die weiter östlichen Populationen sind wohl alle Zugvögel und wandern zumindest über kurze Distanzen. Der Hauptwegzug in Mitteleuropa erfolgt im Oktober und November, danach tritt Winterflucht auf. Die Winterquartiere mitteleuropäischer Brutvögel reichen bis Großbritannien, Nordafrika und bis in den östlichen Mittelmeerraum. Die Rückkehr zu den Brutkolonien erfolgt in den Niederlanden bereits ab Januar oder Februar, weiter östlich im März und April.
Bestand und Gefährdung [Bearbeiten]
Ebenso wie andere Fischfresser wie Fischadler, Graureiher, Fischotter oder Eisvogel wurde der Kormoran als vermeintlicher Nahrungskonkurrent des Menschen in Europa massiv verfolgt und Bestand und Verbreitung daher stark durch den Menschen beeinflusst. Im mitteleuropäischen Binnenland war die Art um 1920 praktisch ausgerottet. In Deutschland bestanden die letzten Brutkolonien in Schleswig-Holstein bis 1905 und in Niedersachsen bis 1919. In Mecklenburg-Vorpommern war schon im Jahr 1900 keine Brutkolonie mehr bekannt und auch in Brandenburg wurde die letzte Kolonie bereits um 1883 zerstört.[6] In Österreich wurde die letzte Kolonie bis 1924 vernichtet.[7]
Die Wiederbesiedlung Deutschlands begann zögerlich etwa ab Mitte der 1940er Jahre von den Niederlanden und Polen aus, wo die Art als Brutvogel in größerer Zahl überlebt hatte. Niedersachsen wurde 1947 wieder besiedelt[8], Mecklenburg-Vorpommern 1950[9], Brandenburg ab 1965[10] und Schleswig-Holstein ab 1982[11]. In Deutschland brüteten im Jahr 2005 23.500 bis 23.700 Paare.[12] Der NABU und der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) wählten den Kormoran zum Vogel des Jahres 2010.
In der Schweiz war der Kormoran bis 1940 Durchzügler und begann dann in kleiner Zahl zu überwintern. Ab 1967 wuchs der Winterbestand zunächst langsam an, ab etwa 1980 dann sehr stark parallel mit der Zunahme im nördlichen Europa. Das Maximum wurde 1992 mit etwa 8500 Vögeln erreicht, seitdem war der Winterbestand wieder rückläufig und hat sich seit Mitte der 1990er Jahre bei 5000-6000 Vögeln eingependelt.[13] Seit 2001 brüten Kormorane in der Schweiz[14]; hauptsächlich im Rhonedelta am Genfersee (Naturschutzgebiet "Les Grangettes") und mit einem kleinen Brutbestand am Neuenburgersee. Die Zahl übersommernder Kormorane nimmt zu und liegt derzeit bei 400 bis 700 Vögeln. Für den allgemeinen Rückgang der Fischbestände kann die Zunahme der Kormorane in der Schweiz nicht verantwortlich gemacht werden[15]; die Auswirkungen auf die durch anthropogene Faktoren stark gefährdeten Bestände der Äsche werden jedoch lokal überwacht.
Insgesamt ist in den letzten Jahrzehnten in Europa auf Grund von Schutzbestimmungen eine deutliche Bestandszunahme zu verzeichnen. In Deutschland leben rund 24.000 Brutpaare, in Westeuropa gibt es derzeit ca. 450.000 Brutvögel. Der Weltbestand wurde von Birdlife International im Jahr 2009 auf 1,4-2,9 Mio. Individuen geschätzt.[16]
Mit dem Ansteigen der Population wurden erneut Stimmen laut, die einen negativen Einfluss der Kormorane auf bestimmte Fischbestände befürchten. Im Dezember 2008 wurde daher vom Europäischen Parlament die Erhebung wissenschaftlicher Daten als Basis für die Erstellung eines gesamteuropäischen Kormoran-Managementplans gefordert.[17]
Nutzung [Bearbeiten]
In China und Japan wurden Kormorane früher zum Fangen von Fischen gezähmt (Ukai). Auch heute wird die Kormoranfischerei mancherorts noch praktiziert, z. B. für Touristen auf dem Li-Fluss bei Guilin. Ein Halsring verhindert das Schlucken der Fische, sie werden nach dem Fang auf dem Boot wieder ausgespuckt. Der Fischer zerteilt einzelne Fische für den hier als Haus- und Nutztier gehaltenen Vogel.
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