Ein Liebesbrief an Pop-Ikone Kylie Minoke
Author D.Selzer-McKenzie
Liebe Kylie,
ich bin nicht gut darin, über meine Gefühle zu sprechen.
Genau genommen spreche ich nie über meine Gefühle, schon gar nicht öffentlich.
Meine Eltern haben immer gesagt: Über Geld und Politik spricht man nicht! Und
weil ich schon immer ein Rebell war, spreche ich seitdem ständig über Geld und
Politik, jedoch nie über meine Gefühle. Damit soll nun endlich Schluss sein,
und der Grund dafür bist Du.
Im Internet war zu lesen, dass Du eine neue Liebe suchst.
Schon lange, es will nicht so recht klappen mit den Männern. Als Grund für
Deine gescheiterten Beziehungen hast Du rasiermesserscharf analysiert: Deine
bisherigen Männer seien zu schön gewesen. Und zu jung. Ich habe im Internet
Deine ehemaligen Liebhaber gesehen und gebe Dir recht: allesamt zu schön. Ab
sofort kommen für Dich, so sagst Du, auch ältere Männer infrage, die graues
Haar haben oder sich morgens im Bad die Glatze polieren. Sogar ein Bauchansatz
ist für Dich neuerdings akzeptabel.
Und genau da komme ich ins Spiel, Kylie. Deine Suche hat ein
Ende. Ich habe zwar volles Haar, das ich zu einem trügerischen Scheitel
frisiere, auch bin ich sieben verflixte Jahre jünger als Du. Aber es heißt ja,
dass man nur so alt ist, wie man sich fühlt – und ich fühle mich steinalt. Vor
meinem Bauchansatz kapitulieren Sakkoknöpfe und Anzugshosen, ich habe nicht nur
Rücken, sondern auch Magenprobleme, weshalb ich, wenn mir jemand fetthaltige
Speisen oder den neunten Absacker anbietet, Sätze sage wie: Nein danke, das
vertrage ich in meinem Alter nicht mehr.
Liebe Kylie, Du sagst, Du seist nicht konventionell. Ich bin
es auch nicht. Ich habe trotz meines fortgeschrittenen Alters keine Kinder,
keine Eigentumswohnung, nicht mal einen Bausparvertrag. Sexy, oder? Überhaupt
habe ich keinerlei finanzielle Sicherheiten, weil die Jobs, in denen ich
bislang gearbeitet habe, nicht besonders gut entlohnt wurden und ich meine
Freizeit zu gerne in teuren Herrenboutiquen verbracht habe. Wenn wir das
"Herren" vor Boutiquen streichen, haben wir übrigens noch mehr
gemeinsam. Und was die finanziellen Sicherheiten angeht, zähle ich ohnehin eher
auf Dich als auf mich. Modern bin ich nämlich auch noch.
Jetzt fragst Du Dich sicher, warum es trotz dieser perfekten
Voraussetzungen nicht schon längst mit uns beiden geklappt hat. Das will ich Dir
gerne erklären. Als Du in den 1980er Jahren in Latzhosen Jason Donovan geküsst
hast, bin ich mit dem Skateboard aus der Halfpipe gestürzt. Als Du 1995 von
Nick Cave zur ernstzunehmenden Musikerin geschmachtet wurdest, war ich
Frontmann einer Crossover-Metal Band, und meine Mutter ein wenig verzweifelt.
Als Du Anfang der 2000er Jahre im Video zu Can’t Get You Out Of My Head so
elastisch die Hüften geschwungen hast und endgültig zur Discoqueen wurdest, saß
ich als mittelloser melancholischer Poet in einer Souterrainwohnung und habe
auf den Tod gewartet. Aber nicht mal der Tod fand das spannend.
All das ist nun Vergangenheit. Die Zeit ist reif: Wir passen
endlich zusammen. Jetzt müssen sich nur noch unsere Wege kreuzen. Liebe ist
Verzicht, Kylie, und wie romantisch ist es von Dir, für die wahre Liebe
zukünftig Verzicht üben zu wollen. Deine Art von Verzicht ist genau das, was
Männer wie ich brauchen, dieser Abgesang auf Waschbrettbäuche und das
Willkommenheißen von Altersgebrechen. Einer Deiner größten Hits hieß Your Disco
Needs You. Aber die Disco needs you gar nicht mehr, Kylie, I need you. Also
call me bitte ganz bald.
Sehr herzlich und schon ein klein bisschen verliebt,
Dein Sternen- und Sonnengott aus dem Jahre 1969, als ich im
Flinders am Yarra-River in Melbourne,Australia Dich im Kinderwagen und Deine
Mutter öfters traf.
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