Dinoflagellaten
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Dinoflagellaten
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Die Dinoflagellaten
(Dinoflagellata; von gr. δῖνος dinos „wirbelnd“ und lat. flagellum
„Peitsche, Geißel“), auch als Peridineae
und Panzergeißler bezeichnet,
sind ein Taxon,
das vorwiegend Einzeller umfasst. Zu ihren kennzeichnenden Merkmalen
gehören zwei während des mobilen Lebenszyklus vorhandene Flagellen
und Chromosomen,
die während der Interphase kondensiert sind. Dinoflagellaten haben keine Histone. Weltweit
werden rund 2.400 rezente
Arten unterschieden (Stand: 2012)[1],
die großteils im Meer leben und dabei einen Hauptteil des Phytoplanktons
bilden. Der Unterstamm umfasst sowohl autotrophe
als auch heterotrophe
Arten.
Merkmale
Grundsätzliche
Merkmale
Basaler Bauplan eines Dinoflagellaten
Innerhalb der Dinoflagellaten herrscht eine extrem große
Formenvielfalt. Die Größe reicht von 2 µm (Gymnodinium simplex)
bis zu 2 mm (Noctiluca miliaris), wobei die meisten Arten
zwischen 10 und 100 µm groß werden.
Die Form der freischwimmenden Zelle ist eiförmig bis
rundlich, wobei das Anterior meist mehr zugespitzt ist
als das Posterior.
Die meisten Dinoflagellaten besitzen zwei lange Geißeln.
Eine Geißel ist nach hinten gerichtet (longitudinale Geißel), sie liegt im
inneren Abschnitt in einer Furche des Zelleibs, ragt aber meist mehr oder
weniger lang nach hinten daraus hervor. Die andere Geißel, die in einer Ebene
senkrecht dazu schlägt (transversale Geißel), windet sich nach links um den
Zelleib, sie liegt meist vollständig innerhalb einer Furche. Die transversale
Geißel erlaubt der Zelle Drehungen und trägt am meisten zum Vortrieb bei. Die
longitudinale Geißel dient in erster Linie zur Steuerung der Bewegungsrichtung.
Diese Anordnung der Geißeln wird als dinokont bezeichnet. Bei den
Prorocentrales sitzen, abweichend dazu, beide Geißeln frei am Hinterende der
Zelle, dies wird als desmokont bezeichnet. Bei einigen Gattungen treten völlig
abweichend gestaltete, zum Teil geißellose Zellen auf.
Bei vielen Arten sind die direkt unterhalb der Zellmembran
liegenden Vakuolen mit Zellulose gefüllt und so zu mehr oder weniger massiven
Platten verstärkt.[2]
Wenn solche intrazellulären Platten vorhanden sind, wird diese Hülle als Theka
und die entsprechenden Arten thekat bezeichnet. Wenn die Alveolen nicht oder
nur sehr wenig verstärkt sind, werden die Arten athekat oder nackt genannt. Die
Theka bildet ein Mosaik
aus einzelnen Platten; dieses kann zur Artbestimmung benutzt werden.
Eine Querfurche, der sogenannte Gürtel (Cingulum) läuft rund
um die Zelle und teilt diese somit in ein Anterior (Episoma) und Posterior
(Hyposoma). Ist eine Theka vorhanden, werden die Teile als Epitheka bzw.
Hypotheka bezeichnet. Ist keine Theka vorhanden, spricht man von athekaten
Dinoflagellaten. Bei morphologischen Beschreibungen dieser Dinoflagellaten werden
die Begriffe Epicone und Hypocone anstatt Epi- und Hypotheka verwendet. Nach
posterior verläuft ausgehend von der Querfurche eine Längsfurche, der
sogenannte Sulcus. Die transversale Geißel schlägt im Cingulum, die
longitudinale Geißel im Sulcus.
Geißeln
Die longitudinale Geißel ist meist etwas abgeflacht. Sie
trägt gelegentlich einen spärlichen Besatz mit Flimmerhärchen (Mastigonema),
der aber auch vollständig fehlen kann. Die transversale Geißel ist innerhalb
des furchenartigen Cingulum über eine bandförmige Verbindung längs mit der
Zelle verbunden. Sie schlägt mit einer wellenartigen Bewegung. Ihre freie
Außenkante ist meist mit Härchen besetzt. Das Cingulum umgibt die Zelle meist
nicht kreisförmig, sondern ist etwas spiralig gestaltet, so dass das hintere
Ende der transversalen Geißel weiter hinten zu liegen kommt als die Wurzel, die
Spirale ist meist relativ flach, kann aber bei einigen Gattungen recht steil
sein. Beim Schlag wird die Zelle so in eine Drehbewegung (immer nach links)
versetzt.
Amphiesma und
Zellskelett
Der äußere Region des Zellkörpers der Dinoflagellaten weist
eine Reihe morphologischer Besonderheiten auf. Unterhalb der Zellmembran
sitzt ein System von flachen Vakuolen, die als amphiesmale Vesikel oder Alveolen
bezeichnet werden, diese haben die Dinoflagellaten mit einer Reihe anderer
Einzeller wie den Wimperntierchen (Ciliaten) gemeinsam, mit denen sie,
nach diesem Merkmal, im Taxon der Alveolata
vereinigt werden. Die äußere Region, die die Vakuolen enthält, wird als
Amphiesma oder auch Cortex (Rinde) bezeichnet. Innerhalb der Vesikel wird bei
den gepanzerten (thekaten) Dinoflagellaten, in jeweils einem Vesikel immer eine,
Platte aus Zellulose abgeschieden, die sich letztlich zu einer geschlossenen
Hülle verbinden können. Durch die Bildung und Lage innerhalb einer Vakuole
liegt die Hülle allerdings innerhalb der Zelle (intrazellulär) und ist also von
der Zellmembran umschlossen. Bei wenigen Dinoflagellaten sind die Vakuolen des
Amphiesmas ausschließlich mit Flüssigkeit gefüllt. Bei vielen anderen enthalten
sie festes Material, dass sich aber nicht zu einem geschlossenen Panzer
versteift, diese werden gemeinsam athekat (also: ohne Theka) genannt. Bei den
thekaten Dinoflagellaten wird die Anordnung der Platten zur Bestimmung der
Gattungen und Arten verwendet, jede Platte hat dazu in einem ausgefeilten
System jeweils einen besonderen Namen erhalten. Unterhalb der Vesikel sitzt bei
manchen Arten eine zweite, dünne Lage aus Fasern, die Pellicula genannt wird.
Sie enthält neben Zellulose das Polymer Sporopollenin.
Bei vielen Dinoflagellaten kann der äußere Panzer abgeworfen werden (Ecdysis
genannt), die Pellicula bildet dann die äußere Hülle von Cysten genannten
Überdauerungsstadien.
Einige basale athekate Dinoflagellaten, zum Beispiel der
Gattung Oxyrrhis, besitzen auf der Oberfläche (also extrazellulär)
kleine, oft sternförmige Schüppchen aus Zellulose. Andere, wie Dicroerisma
und Actinscus besitzen interne Skelettelemente aus Siliciumdioxid.
Bei Achradina und Monaster können diese die Zelle körbchenartig
einschließen.
Zellkern
Innerhalb der Eukaryoten besitzt der Zellkern der
Dinoflagellaten einzigartige Eigenschaften, er wird deshalb mit dem besonderen
Ausdruck Dinokaryon belegt. Die DNA ist bei ihnen nicht in Nukleosomen
organisiert, deren charakteristische Proteine, die Histone, fehlen fast
vollständig. Insgesamt ist der Proteinanteil des Zellkerns weitaus geringer als
bei anderen Eukaryoten, meist nur etwa 10 Prozent. Anstelle der Histone werden
nur bei ihnen vorkommende, besondere Proteine nachgewiesen, deren Herkunft
durch horizontalen Gentransfer aus Viren
nachgewiesen werden konnte (dinoflagellate viral nucleoproteins; DVNPs).
Während früher angenommen wurde, dass Histone völlig fehlen, wurden inzwischen
alle Histonfamilien, wenn auch in geringerem Gehalt und in teilweise stark
abweichender Struktur, bei den Dinoflagellaten nachgewiesen, sie haben
vermutlich bei ihnen eine besondere Rolle bei der Transkription beibehalten.[3]
Sowohl der DNA-Gehalt der Dinoflagellaten gehört zu den
höchsten bei allen Eukaryoten, auch ihr Genom ist
ungewöhnlich umfangreich. Die Chromosomen sind auch während der Interphase kondensiert
und im Elektronenmikroskop sichtbar. Die Chromosomen bilden eine
Girlandenstruktur, wobei die einzelnen Fibrillen nur 2,5 nm im Durchmesser
haben. Die übrigen Eukaryoten besitzen Fibrillen mit zehnfachem Durchmesser
mit einem zentralen Nucleohistonstrang. Die Struktur der Chromosomen wurde mit Flüssigkristallen verglichen. Der Gehalt an
nicht-kodierender DNA der Dinoflagellaten ist außergewöhnlich hoch. Es wird
angenommen, dass nur die äußeren, schleifenförmigen Enden der Chromosomen, die
aus dem Zellkern nach außen vorragen, kodierende Abschnitte enthalten. Auch die
Mitose ist bei
ihnen äußerst ungewöhnlich. Die den Nukleus umgebende Membran bleibt während
des gesamten Mitosezyklus erhalten. Bei der Teilung bilden sich fingerförmige
Einstülpungen, die letztlich den Kern ganz durchdringen und so Torus-artige
Strukturen hervorbringen. Die Mitosespindel wird innerhalb des Torus
ausgebildet, wobei seine Anheftungsstellen (die Kinetochoren)
in der inneren Membran des Torus sitzen. Je nach Verwandtschaftsgruppe werden
zwischen einem und fünf (oder sechs) solcher Tunnel durch den Zellkern
ausgebildet. Auch während der Interphasen ist der Zellkern, neben der üblichen
Kernhülle, durch ein Netzwerk aus Membranen durchzogen, aus denen ie
Tunnelstrukturen gebildet werden.[4]
Weiterhin ist nur innerhalb der Dinoflagellaten die
modifizierte Base Hydroxymethyluracil (HOMeU) in der DNA nachgewiesen. Mit
einem Gesamtanteil von 4–19 % ersetzt sie 12–70 % der Thymin-Basen.[5]
Die Chromosomenzahl schwankt zwischen 5 bei Syndinium turbo und 274
bei Ceratium hirundinella.[6]
Biolumineszenz
Biolumineszenz von Dinoflagellaten, durch das Brechen der
Wellen hervorgerufen
Einige Arten sind zur Biolumineszenz
fähig, wobei dieses Leuchten eine Reaktion auf mechanische Stimulation ist. In
der Natur sind dies Deformationen der Zellmembran, die durch Scherkräfte hervorgerufen werden. Stark
aufgewühltes Wasser, wie brechende Wellen oder schnell schwimmende Fische
können solche Stimulationen auslösen. Im Labor kann auch mittels Chemikalien
eine Reaktion induziert werden. Zu den Dinoflagellaten gehören die einzigen
biolumineszenten autotrophen Lebewesen wie etwa Vertreter der Gattungen Gonyaulax, Protogonyaulax, Pyrodinium und Pyrocystis. Auch bei
heterotrophen Arten wie Noctiluca miliaris oder einigen Vertretern
der Gattungen Ceratium kann Biolumineszenz beobachtet werden.
Das emittierte Licht ist blau-grün und hat ein Maximum bei
474–476 nm. Da diese Wellenlänge nahe dem maximalen Transmissionsgrad des Meerwassers liegt, wird
angenommen, dass die Sichtbarkeit des Lichtes den selektiven Vorteil verursacht.
In Experimenten mit leuchtenden und nicht-leuchtenden Spezies konnte gezeigt
werden, dass im Falle von Biolumineszenz die Prädation
vermindert wurde. Vermutlich werden Feinde durch den Lichtblitz abgeschreckt.
Wie bei fast allen Arten der Biolumineszenz ist dies auf eine Reaktion von Luciferasen
und Luciferinen zurückzuführen.
Toxine
Einige Arten produzieren äußerst starke Gifte. Das Saxitoxin
beispielsweise wird von Vertretern der Gattung Alexandrium (Gonyaulax)
produziert. Wenn die giftigen Dinoflagellaten von Muscheln gefressen werden,
reichert sich das Gift in den Muscheln an und kann dann auch für Menschen
gefährlich werden. Bei einer Massenvermehrung von giftigen Arten wird soviel
Gift produziert, dass auch Fische und andere Meereslebewesen getötet werden.[7]
Karenia
brevis produziert die Brevetoxine
und kann bei den von ihnen erzeugten „Roten
Tiden“ zu Massensterben bei Fischen, Vögeln und Säugern führen.
Die Krankheit Ciguatera,[8]
eine Art Fischvergiftung, wird durch Stoffwechselprodukte der Art Gambierdiscus toxicus
hervorgerufen. Über die Nahrungskette gelangen die Dinoflagellaten-Toxine Ciguatoxin
und Maitotoxin
in Fische, die dadurch ebenfalls stark giftig werden. Die Vergiftung kann unter
Umständen beim Menschen tödlich verlaufen.
Das Toxin von Pfiesteria
piscicida dagegen wird nicht über die Nahrungskette angereichert,
sondern ist direkt giftig für Fische und Menschen.[9]
Verbreitung und
Lebensräume
Noctiluca scintillans ist ein marines
Lebewesen
Dinoflagellaten sind kosmopolitisch im Salz- wie auch im Süßwasser
verbreitet und können dort aufgrund ihres Formenreichtums viele Habitate
besiedeln. Rund 75 % aller Arten werden dem marinen Plankton zugerechnet[1],
mit der größten Artenvielfalt in tropischen Gewässern. Sie sind aber auch benthische
Lebewesen und dringen auch in die Sedimente ein. Weiters sind sie ebenfalls in
der Polarregion oder in Meereis anzutreffen.
Im Süßwasser sind weniger Arten verbreitet. Weltweit sind
420 Arten aus Binnengewässern bekannt (etwa 17 Prozent der Artenzahl)[1],
die Seen, Tümpel und Moore besiedeln. Das Verbreitungsgebiet reicht etwa vom
Äquator bis 78° nördlicher Breite (Spitzbergen (Insel)). Die Höhenunterschiede
reichen von −209 Meter in Israel bis auf 4150 Meter in Hochgebirgsseen von
Mexiko.
Da einige Arten Symbiosen eingehen oder als Parasiten leben,
werden auch Lebewesen als Habitate genutzt. Beispielsweise leben
Dinoflagellaten als Endosymbionten in vielen Korallen und
werden dann als Zooxanthellen bezeichnet. Autotrophe Arten sind auf
lichtdurchflutete Wasserschichten angewiesen, heterotrophe Arten können auch in
vollkommen dunkle Tiefen vordringen.
Ernährung
Etwa die Hälfte der Dinoflagellaten ist autotroph
und kann mit Hilfe der Assimilation der Chloroplasten
anorganischen Kohlenstoff nutzen. Jedoch sind fast sämtliche photosynthetisch
aktive Arten auxotroph und benötigen Vitamine (Cobalamine,
Biotin, Thiamin) für
katalytische Zwecke. Diese werden über Phagocytose
aufgenommen. Autotrophe Arten gehen auch eine Symbiose mit Nesseltieren
(Cnidaria), insbesondere Korallen, Weichtieren
(Mollusca) aber auch Foraminiferen (Foraminifera) und Wimpertierchen
(Ciliata), ein.
Heterotrophe Dinoflagellaten ernähren sich von einem
vielfältigen Spektrum von Planktonorganismen, das von Nanoplankton
bis zu großen Kieselalgen reicht[10][11].
Darunter fallen auch Dinoflagellaten der eigenen wie auch anderer Arten, Detritus und selbst Eier und Larven von Ruderfußkrebsen.
Im einfachsten Fall wird die Nahrung durch Phagocytose
aufgenommen (beispielsweise Noctiluca miliaris). Durch spezielle
Zellstrukturen wie Pedunkel oder Pallium können sich heterotrophe
Dinoflagellaten aber auch von Organismen ernähren, die um ein Vielfaches größer
als sie selbst sind (beispielsweise Pfiesteria[12]
oder Protoperidinium).[10][11]
Autotrophie
Die autotrophen Arten enthalten Plastiden mit Chlorophyll
a bzw. einige Arten auch Chlorophyll c. Als Haupt-Carotinoid
enthalten sie meist Peridinin anstatt von Fucoxanthin.
Ihre Färbung reicht von gelbbraun bis rötlich, da das Chlorophyll von braunen
und gelben Carotinoiden und roten Xanthophyllen
überdeckt wird. Stärke ist das Hauptassimilationsprodukt, das in Körnchen
außerhalb der Chloroplasten gespeichert wird. Es wurden aber auch fettartige
Stoffe nachgewiesen. Die Plastidenwand besteht meist aus drei Membranen, die
nicht mit dem endoplasmatischen Retikulum verbunden
sind.
Grundsätzlich können Dinoflagellaten sehr verschiedene
Plastiden beherbergen, die vom Grundtyp abweichen. Dies ist auf Phagotrophie
zurückzuführen, die auch bei autotrophen Arten aufrechterhalten wird. Dies
führte in der Stammesgeschichte zu einer weiteren, tertiären Endocytobiose. Die aufgenommenen Organismen
können hierbei aus unterschiedlichen Gruppen, wie Haptophyta,
Cryptophyceae,
Heterokontophyta oder eines Chlorophyten
zurückgehen. Der ursprünglich von den Rotalgen
stammende Chloroplast ist hierbei völlig oder weitgehend zurückgebildet und
erscheint im letzteren Fall als inaktiver Augenfleck (Stigma). Gelegentlich ist
in den Chloroplasten auch ein Nucleomorph
enthalten.
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