Naledi Homo Naledi Menschen
(ausgestorben)
Youtube: https://youtu.be/3FPBmg6zmeA
Author D. Selzer-McKenzie
Homo naledi
Homo naledi
ist eine ausgestorbene Art der Gattung Homo. Die Art
wurde im Jahr 2015 anhand von Fossilien aus der Rising-Star-Höhle (Südafrika)
von einer Arbeitsgruppe um Lee Berger in die Fachliteratur eingeführt.[1] Die
Höhle befindet sich in der „Wiege der Menschheit“, südwestlich von Swartkrans
und knapp 50 Kilometer nordwestlich von Johannesburg.[2]
Insgesamt wurden im Jahr 2015 fossile Knochen und Zähne von
mindestens 15 Individuen nachgewiesen, weswegen dieser Fund die bislang größte
Ansammlung von Belegen für eine frühe Art der Hominini ist.
Die Fossilien waren bereits seit November 2013 geborgen, aber zunächst keiner
bestimmten Art zugeordnet worden.
Die Bezeichnung der Gattung Homo ist abgeleitet von lateinisch homo
[ˈhɔmoː], dt. Mensch. Das Epitheton
naledi ist ein Verweis auf den Fundort in der Rising-Star-Höhle: naledi
(mit Betonung auf dem e) bedeutet in den Sotho-Tswana-Sprachen „Stern“. Homo naledi
bedeutet somit sinngemäß „Mensch aus der Stern-Höhle“.
Erstbeschreibung
Als Holotypus von Homo naledi wurde eine
Gruppe von Schädelknochen ausgewiesen, die als Dinaledi Hominin 1 (DH1)
bezeichnet wird; zusätzlich wurden der Artdefinition als Paratypen die
Schädelfragmente DH2, DH3, DH4 und DH5 sowie einige Langknochen – unter anderem
der Oberschenkelknochen U.W. 101-1391 und das Schienbein U.W. 101-484 –
beigegeben. Insgesamt umfasst der Fund 137 einzelne Zähne und 1.413 Knochen,
von denen 737 in die Erstbeschreibung der Art einbezogen wurden.
Alle Fossilien von Homo naledi werden in der Sammlung
des Evolutionary Studies Institute der University of the Witwatersrand in Johannesburg
aufbewahrt.
Der Schädel LES1 (Original)
Bereits im Jahr 2013 waren rund 100 Meter entfernt von der
Dinaledi-Kammer in einer zweiten Kammer – genannt Lesedi-Kammer – weitere
Fossilien gefunden worden, die im Jahr 2017 ebenfalls Homo naledi
zugeordnet wurden.[3][4] Es
handelt sich dabei um die Überreste von mindestens drei Individuen (zwei
Erwachsene und ein Kind), darunter der zerbrochene, gleichwohl gut erhaltene
Schädel LES1 eines Erwachsenen, dessen Innenvolumen der Rekonstruktion zufolge
610 cm³ betragen hat; ihm wurde der Spitzname Neo
(„Geschenk“ in Setswana)
gegeben. Weitere Funde sind u. a. ein bezahnter Unterkiefer, diverse Wirbel,
ein Oberschenkelknochen sowie Knochenfragmente aus dem Bereich der Schultern
und der Arme.
Datierung
Eine absolute Datierung der Funde bzw. des sie
umgebenden Gesteins war zum Zeitpunkt der Erstbeschreibung
noch nicht durchgeführt worden. Stattdessen wurde aus anatomischen
Merkmalen abgeleitet, dass ein Alter von bis zu 2,5 Millionen Jahren denkbar
sei.[5]
Ein detaillierter Vergleich der Merkmale von Homo naledi mit anderen,
sicher datierten homininen Fossilien ergab 2016 jedoch ein
„höchstwahrscheinliches“ Alter von nur 912.000 Jahren.[6]
Eine Uran-Thorium-Datierung sowie zusätzliche paläomagnetische Analysen wurden im Jahr 2017
schließlich dahingehend interpretiert, dass die Fossilien 335.000 bis 236.000
Jahre alt sind.[7]
Merkmale
Computergestützte Rekonstruktion der Schädeldecke anhand der
Funde DH3 und DH4
Die durchschnittliche Körpergröße von Homo naledi
betrug ca. 1,50 Meter, das Gewicht 40 bis 55 kg.[8][9]
In der Erstbeschreibung
aus dem Jahr 2015 heißt es, charakteristisch für die Art seien zum einen ein sehr
kleines Schädel-Innenvolumen
von nur 560 cm³, was vergleichbar ist mit den bei Australopithecus
üblichen Dimensionen (zum Vergleich: Schimpanse ca. 400 cm³, Mensch ca.
1400 cm³); zum anderen ein Körper, dessen Proportionen unterhalb des
Kopfes vergleichbar seien mit kleinwüchsigen Populationen der Gattung Homo.
Die morphologischen Merkmale des Schädels seien
zwar einzigartig, jedoch am ehesten vergleichbar mit Funden der frühen Homo-Arten
Homo rudolfensis, Homo
habilis und Homo erectus. 2018 wurden ergänzend Befunde anhand
eines digital erstellten „Schädelausgusses“
veröffentlicht, denen zufolge die Gehirnoberfläche sowohl gemeinsame ursprüngliche
Merkmale von Australopithecinen und nichtmenschlichen Menschenaffen aufweist
als auch abgeleitete
(„moderne“) Merkmale, die für die Gattung Homo charakteristisch sind.[10]
Die Bezahnung (insbesondere die großen
Backenzähne) wurde in der Erstbeschreibung als „ursprünglich“ bezeichnet,
jedoch seien die Schneidezähne und die Eckzähne im
Vergleich mit Homo rudolfensis, Homo habilis und Homo erectus
relativ klein. Im Kontrast zu diesen „modernen“ Merkmalen weisen der Brustkorb,
die Schulter, das Becken[11]
und das zum Kniegelenk gerichtete Ende des Oberschenkelknochens „ursprüngliche“ Merkmale
auf, wie sie zum Beispiel bei Australopithecus afarensis und Australopithecus africanus
vorkommen. Hand und
Handgelenk
weisen den Analysen der Forscher zufolge im Vergleich zu älteren Fossilien der
Hominini zwar Veränderungen auf, die als „dem Menschen ähnliche Anpassungen“
interpretiert wurden. In einer im Oktober 2015 publizierten Studie wurde dann
aber zusätzlich darauf verwiesen, dass die Fingerknochen länger und stärker
gebogen sind als bei den meisten Funden von Australopithecus
und dass die Daumenknochen
verbreitert sind, was auf häufiges Klettern hinweist. Zugleich wurde aus der
Anordnung der Handknochen gefolgert, dass Homo naledi zum Präzisionsgriff befähigt war und daher möglicherweise
auch Steingerät
herstellen und nutzen konnte;[12]
Steingerät wurde aber bislang nicht im Zusammenhang mit den zu dieser Art
gestellten Fossilien gefunden.
Auch Bein und Fuß weisen den Analysen zufolge eine Mischung
aus ursprünglichen und abgeleiteten Merkmalen auf, und zwar in einer
Kombination, die als „einzigartig“ beschrieben wurde.[13]
Gleichwohl sei der Fuß zweifelsfrei angepasst an das aufrechte Gehen
über lange Strecken.[14]
Ernährung
Anhand der Beschaffenheit der Zähne (zum Beispiel Größe, Zahnschmelz-Dicke)
kann häufig rekonstruiert werden, auf welche Nahrung die Individuen einer
fossilen Art spezialisiert waren: „Säugetiere, die vor allem Blätter und Gräser
zu sich nehmen, haben schärfere und komplexere Backenzähne mit mehr Zahnhöckern
und -kämmen. Damit können sie die Nahrung zerschneiden. Dagegen besitzen Arten,
die ihre harte pflanzliche Nahrung zermahlen müssen, stumpfere Backenzähne.“[15]
Forscher des Max-Planck-Instituts
für evolutionäre Anthropologie verglichen daher die Backenzähne von Homo
naledi mit denen von Australopithecus africanus und Paranthropus robustus und kamen zu den
Ergebnis, dass Homo naledi Nahrung mit ähnlichen mechanischen
Eigenschaften wie die beiden anderen Arten zu sich nahm; allerdings sind die
Backenzähne von Homo naledi hochkroniger, größer und widerstandsfähiger
gegen Abnutzung. Daraus wurde geschlossen, dass Homo naledi sich
entweder häufig von Pflanzen ernährte, die besonders reich an harten Biomineralen
waren oder aber beim Verzehr der Pflanzenkost zugleich – ähnlich wie heute
lebende, grasfressende Antilopen – viel Staub und Sand zu sich nahmen. Diese
Merkmale unterscheiden die Art zugleich von den frühen Vertretern der Gattung Homo,
so dass argumentiert wurde, Homo naledi habe eine spezielle ökologische Nische besiedelt.[16]
Fundumstände
Die zumindest heute fast unzugängliche Fundstelle war
offenbar nicht bewohnt. Die Gebeine aus der Dinaledi-Kammer waren, mit Ausnahme
jener an der Oberfläche der Ablagerungen, anatomisch richtig angeordnet und
zeigen auch keine Bissspuren, was ausschließt, dass die Knochen angespült oder
die Körper von Raubtieren an die Fundstelle geschleift wurden. Daher
spekulieren die Forscher, dass die Toten bewusst dort abgelegt worden sein
könnten. Ungeklärt aber ist, wer – Individuen welcher Art – die Körper abgelegt
hat; auch ist nicht auszuschließen, dass die Gruppe selbständig in die Kammer
eindrang und dort zu Tode kam.[17]
Das Ritual der Bestattung
von Toten schreiben viele Wissenschaftler bislang lediglich dem anatomisch
modernen Menschen
(Homo sapiens) und dem Neandertaler
(Homo neanderthalensis) zu.
Einige Knochen weisen schwarze, tüpfelförmige Auflagerungen
von Eisen-/Mangan-Oxyhydroxid auf, wie sie in der Fundregion auf Gestein
regelmäßig infolge einer Besiedelung durch Flechten
entstehen. Sollten diese Auflagerungen tatsächlich durch Flechtenbewuchs
entstanden sein, würde dies auf zeitweisen Lichteinfall und somit auf einen
zweiten, heute nicht mehr erkennbaren Eingang zur Höhle hinweisen.[18]
Stammesgeschichtliche
Einordnung
Vergleich des naledi-Schädels DH1 (rechts) mit Schädeln
früher Homo-Arten
Unmittelbar nach Veröffentlichung der Erstbeschreibung von Homo
naledi war die Zuweisung dieser Fossilien zu einer neuen, eigenständigen
Art von mehreren Paläoanthropologen als voreilig kritisiert worden.[19]
Solange ihr Alter nicht geklärt sei, hieß es, könne man diese Fossilien nicht
sicher im Stammbaum der Hominini verorten. Der Schweizer Anthropologe Christoph Zollikofer
wandte beispielsweise ein, dass einige der zur Definition herangezogenen
ursprünglichen Merkmale auch bei anderen bereits bekannten frühen Arten
vorkommen und daher ungeeignet seien, eine zusätzliche Art zu begründen. Tim White
und William L. Jungers argumentierten, es könne sich
bei den Funden beispielsweise um frühe südafrikanische Exemplare von Homo
erectus handeln. Und Chris Stringer schrieb in einem Begleitartikel zur
Erstbeschreibung: „Meiner Meinung nach ähnelt das Material am stärksten den
kleinwüchsigen Individuen von Homo erectus aus Dmanissi in
Georgien,
die auf ein Alter von 1,8 Millionen Jahren datiert wurden.“[20]
Der US-amerikanische Paläoanthropologe Jeffrey H. Schwartz hingegen wandte in Nature ein,[9]
einzelne Fundstücke seien derart unterschiedlich, dass sie möglicherweise zu
zwei Arten gehörten; in gleicher Weise äußerte sich der Brite Ian
Tattersall gegenüber New Scientist.[21]
Die im Jahr 2017 publizierte absolute Datierung (335.000 bis
236.000 Jahre vor heute) verortete die Funde schließlich in eine Epoche, in der
in Afrika möglicherweise bereits sehr frühe anatomisch moderne Menschen
existierten. Sollten die Datierungen korrekt sein, erweist sich Homo naledi
folglich als Zeitgenosse des „archaischen“ Homo sapiens,[22]
von dem er sich jedoch aufgrund seines sehr kleinen Gehirns ganz wesentlich
unterscheidet. Homo naledi ist somit zugleich ein Beleg, dass – wie Homo
floresiensis in Asien – auch in Afrika eine Variante der Gattung Homo
hunderttausende Jahre lang trotz einer mit Australopithecus
vergleichbaren Gehirngröße überleben konnte.[23][24]
Bernard Wood verwies in diesem Zusammenhang auf die „modern“
anmutenden Hände und Füße von Homo naledi, sodass möglicherweise auch
diese Homo-Variante – vergleichbar mit Homo floresiensis – ein
zuvor bereits vergrößertes Gehirnvolumen wieder verringert habe.[25]
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