Der Author Selzer-McKenzie und sein team haben den Mount Aspiring in New Zealand bestiegen und der Author hat die
Strecke nachher mit dem Hubschrauber noch einmal abgeflogen, wie auf den Videobildern zu sehen ist.
Wenn man etwas von „Brüllenden Vierzigern" hört, denkt man vielleicht an Fußballfans oder tollkühne Seefahrer. In Neuseeland sind damit aber starke westliche Winde gemeint, die in ihrer Bahn auf dem 40. Breitengrad der Südhalbkugel nur dreimal auf Land treffen, die Südspitze Südamerikas, Teile von Tasmanien und eben auf Neuseeland. Daslässt Wetterextreme vermuten, und in der Tat prallen die feuchten Luftmassen so ungebremst auf die Mauer der neuseeländischen Alpen, dass an der Westküste der Südinsel ein durchschnittlicher Jahresniederschlag von 7000 mm erreicht wird. Selbst Zweitausender sind daher dick mit Hängegletschern eingepackt. Eine spektakuläre Landschaft! Die Verhältnisse zum Bergsteigen gestalten sich allerdings alles andere als optimal. Die Schönwetterfenster sind in der Regel kurz, und es kann binnen Minuten von einem Extrem ins andere umschlagen.
Wir haben uns einen der schönsten Berge Neuseelands ausgeguckt, den mitten im gleichnamigen Nationalpark gelegenen, 3033 Meter hohen Mount Aspiring, der auch Tititea heißt. Unser erster Besteigungsversuch scheitert allerdings schon am Ausgangsort in Wanaka. Ein Sturm erzeugt auf dem Wanaka-See meterhohe Wellen, und so flüchten wir an die sonnige Ostküste. Eine
Woche später sind die Vorhersagen endlich besser. Stützpunkt für eine Besteigung ist die Colin-Todd-Hut, eine unbewartete Biwakschachtel, die vom Tal aus nur in einer Zwei-Tages-Wanderung erreichbar ist, weswegen sich die meisten Leute per Helikopter einfliegen lassen. Wir wollen aber „the real experience" und steigen vom Tal aus auf. Das bedeutet, für sieben Tage Essen mitzuschleppen. Die erste Etappe bis zur Aspiring-Hut ist kurz und führt flach in ein wunderschönes Tal hinein. Goldene Almen, dichte Wälder und darüber mit Hängegletschern bepackte Berge säumen den Weg. Die zweite Etappe ist mit zehn Stunden und aufgrund unserer schweren Rucksäcke ein ziemlicher Gewaltmarsch, weswegen wir früh aufbrechen. Vor der Hütte zerlegt ein Kea (Bergpapagei) gerade fachgerecht die Bergschuhe eines unbedarften Trek-kers. Alpine Gefahren in Neuseeland!
Anfangs ist das Wetter gut, und wir haben die Passhöhe vor der Colin-Todd-Hut immer vor Augen, während wir uns durch zunehmend unwegsames Gelände vorankämpfen. Bei einem Wasserfall fängt schließlich die steile Kletterei durch eine Rinne an. Einige Iller-Stellen sind mit Sicherheit dabei, was mit dem Gepäck auf dem Rücken keinen Spaß macht. Es folgt eine Querung zu einer markanten Schneerippe, die schließlich zur Passhöhe leitet. Obwohl wir im Whiteout stehen und keine Sicht haben, fm
den wir den Hubschrauberlandeplatz und eine breite Spur über den spaltenreichen Gletscher zur Hütte.
Die Hütte ist überbelegt, wir finden vorerst nur auf dem Boden einen Platz. Allabendlich muss jemand den Funk bedienen und an „Wanaka-Base" durchgeben, wer auf der Hütte sitzt und was so geplant wird. Mit Spannung wird dann die Wetterdurchsage erwartet. Wer hätte es gedacht: Es wird natürlich schlecht. Regen von unten ist ein seltenes Erlebnis, hier aber durch die Lage der Hütte auf einer Gratrippe nichts Besonderes. Ein Wartetag für uns, den wir vor allem damit verbringen, den Gang auf die Toilette vor der Tür in der Hoffnung auf eine kurze Regenpause möglichst lange hinauszuzögern. Binnen Sekunden wäre man ansonsten patschnass. Locals erklären uns die Feinheiten des neuseeländischen Wetters: NW-Wind ist gleichbedeutend mit Drinnenbleiben. SW-Wind ist
Normalzustand und allgemeine Wetterlotterie. Ost-Wind kommt dem Gewinn des Jackpots gleich, feinstes Wetter! Gespannt warten wir auf den neuen Tag. Es ist 2.30 Uhr morgens, und es regnet... 4:30 Uhr, es regnet... 6 Uhr, die Sonne scheint... Raus! Innerhalb von Minuten hat der Wind gedreht, und unglaublich schnell wechselt das Wetter von grauslich schlecht auf „jetzt-aber-los!". Unser Ziel ist die Nordwest-Kante des Berges. Die ersten Höhenmeter sind leicht, man erreicht einen Sattel und muss kurz links auf einen Gletscher ausweichen, bevor die eigentliche Kante beginnt. Tatsächlich Ostwind, was für ein Dusel! Besser kann man es am Gipfeltag nicht erwischen. Wir sichern am Grat nur die schwierigsten Stellen und gehen sonst am kurzen Seil. Ab und zu gilt es einen „Dreier" zu klettern, meist herrscht ausgesetztes Gehgelände vor. Nach dem unteren flachen Teil des Grates versperrt die „Buttress", ein steiler Aufschwung, den Weg. Wir weichen links aus und müssen dabei ein ziemlich aufgeweichtes, steiles Schneefeld begehen. Nach diesem kitzeligen Abschnitt stehen wir wieder auf dem Grat, nun über de
fuhrer alleine los, und das bei einem Wetter, bei dem wir beinahe Karte und Kompass für den Weg aufs Klo brauchen. Wenig später taucht er mit den beiden Vermissten auf. Sie hatten biwakiert, sind nun alles andere als fit und halb schneeblind. Für unseren Abstieg ist es inzwischen auch zu spät und das Wetter zu schlecht, weswegen wir eine weitere Nacht auf der Colin-Todd-Hut verbringen. Das erweist sich allerdings als Glücksgriff, denn anderntags zeigt sich Neuseeland wieder von seiner sonnigen Seite. Den Rückmarsch treten wir über die „French-Ridge" an, eine Route, die zunächst den Aufstieg über den ganzen Bonar-Gletscher erfordert. Dank des vielen Regens ist der Gletscher mit einer hauchdünnen, glasklaren Eisschicht bedeckt. Es funkelt und glitzert wie auf hoher See. Wir gehen direkt unter der Südflanke des Aspiring entlang. Absolut majestätisch! Der Bonar-Gletscher ist ziemlich zerklüftet und selbst in flachen Abschnitten spaltenreich. Über das „Quarterdeck", einen Gletschersattel, erreicht man schließlich die „French Ridge". Es folgt noch einmal ein Spaltenlabyrinth, danach ist es vollbracht, und man weiß wieder festen Boden unter sich. Die Lage der French-Ridge-Hut ist „very scenic" und bietet einen Rundumblick zu
scharf eingeschnittenen Tälern und gletscherbepackten Bergen. Der weitere Abstieg ist dann allerdings ein Graus. Zuerst geht es über glitschige Steinplatten, danach stolpern wir über Wurzelverhau und Baumstämme. Die allgemeine Verkehrssprache an diesem Tag ist Deutsch. Jedenfalls kommen uns sehr viele Leute aus heimatlichen Gefilden entgegen. Den Weg hinaus aus dem Tal beschleunigt ein böiger Rückenwind. Wir sehen wohl ziemlich angeschlagen aus, so wie wir im Wind über den Weg schwanken. Es war ein langer Tag, die Socken qualmen, und endlich können wir am Auto unsere Päckchen abstellen
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