Im Tal der Könige – The Valley
of the Kings
Ägypten – Im Tal der Könige – von Selzer-McKenzie
SelMcKenzie
Video: http://youtu.be/_AqUCLvFkKQ
Die wichtigsten Regierungszeiten des Neuen Reiches (die ca.
zu verstehen, alle v. Chr.) sind:
15401292
Amenophis I. 15151494
Thutmosis I. 14941482
Hatschepsut 14791457
Thutmosis III. 14791425
Amenophis II. 14271401
Thutmosis IV. 14011391
Amenophis III. 13911353
Amenophis IV Echnaton 13531336
Tutanchamun 13321323
Haremhab 13191292
12921188
Sethos I. 12.911279
Ramses II. 12791213
Merenptah 12131203
Sethos II. 12031196
Tausret 11901188
11881075
Ramses III. 11861155
Ramses IV. 11551148
Ramses VI. 11431136
Ramses IX. 11271108
Die thebanischen Totenstädte: strenge Hierarchie: Auf dem
Westufer von Theben, dem heutigen Luxor, entstanden schon im Alten Reich
Grabbauten für lokale Würdenträger und in der it. Dynastie ein erster Friedhof
für Könige, die während der Ersten Zwischenzeit über das oberägyptische
Teilreich herrschten; auch der neue Einiger des Landes, Montuhotep I., und
seine unmittelbaren Nachfolger fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Erst die
Herrscher der i z. Dynastie verlegten die Königsnekropole wieder nach Norden,
in die Nähe der Pyramiden des Alten Reiches. Mit der 17. Dynastie kehrte sie
dann für lange Zeit wieder nach Theben zurück, von wo die neue Einigung des
Landes ausging.
Noch ist unsicher, wo der Vertreiber der Fremdherrscher
(Hyksos) und Begründer des Neuen Reiches, Ahmose, seine letzte Ruhestätte fand;
sein Sohn Amenophis I. blieb wohl beim Friedhof der 17. Dynastie im Nordteil
der Totenstadt, beim heutigen Dorf Dra Abu'lNaga. Erst mit Thutmosis I. finden
wir die erste sichere Bestattung im Tal der Könige, wobei eine mögliche
Umbettung durch seine Tochter Hatschepsut daran nichts ändert. Hier entstand
nun, in einem vorher nicht genutzten Wüstental, eine neue Totenstadt, in der fast
alle Pharaonen der r B. bis zo. Dynastie bestattet wurden. Die noch heute
wirksame Majestät des Ortes, der von der natürlichen Pyramide der Bergspitze
elQurn überragt wird, mag einer der Gründe für die Wahl dieses Tales sein, und
dazu trat die Verehrung ler Göttin Hathor an der nahegelegenen Felswand von
Deir elBahari, wo Hatschepsut und Thutmosis III. Tempel für ihren eigenen
Totenkult errichteten.
Eine solche Kultstätte gehörte zu jedem Königsgrab, wurde
jetzt aber in räumlicher Trennung vom Grab errichtet, in der Nähe des
Fruchtlandes und in Verbindung mit dem Götterkult; neben dem toten König
verehrte man dort auch den thebanischen Hauptgott AmunRe und andere Gottheiten.
Im Grab selber fand nach der Beisetzung keine Kulthandlung mehr statt, es wurde
verschlossen und ersiegelt. Die Grabstätten der Könige waren zunächst noch sehr
bescheiden und nur durch ihre Lage und ihre allein für Königsgräber reservierte
Dekoration ausgezeichnet, wurden aber im Laufe der Zeit immer grösser und
prächtiger, zu wahren «Palästen der Unterwelt», wie sie Fürst PücklerMuskau
bezeichnet hat.
Gleichzeitig begannen auch die hohen Beamten, sich ihre
Gräber in der Nähe der königlichen Totentempel anzulegen. Zu allen Zeiten war
es ihr Bestreben, ihrem Herrscher auch im Tode möglichst nahe zu sein. Die aus
dem Felsen geschlagenen, für Besucher zugänglichen Kulträume wurden ausgemalt
und seit Amenophis III. auch mit Reliefs versehen. Vom Vorhof führte ein
Schacht in die eigentliche Grabkammer, die in der Regel ohne Dekoration blieb.
Die Aufgabe der Pyramidenform durch die Könige ermöglichte es den Beamten,
diese bisher königliche Bauform zu nutzen und ihre Grabbauten mit einer kleinen
Ziegelpyramide zu krönen. Sofern sie als besondere Auszeichnung ein Begräbnis
im Tal der Könige erhielten, mussten sie sich mit einem einfachen Schachtgrab
ohne jede Dekoration begnügen, im Gegensatz zu ihren farbenfroh geschmückten
Gräbern in der BeamtenNekropole.
Angehörige des Königshauses wurden zu Beginn des Neuen
Reiches in mehreren Fällen im Tal der Königinnen bestattet, aber erst mit dem
Anfang der 19. Dynastie ist dieses Wüstental, als Gegenstück zum Tal der
Könige, zum festen Begräbnisplatz der Königinnen und weiterhin auch von
Königskindern geworden. Für das Grab der Nefertari (QV 66), der Hauptgemahlin
Ramses' II., lässt sich ein Bildprogramm greifen, das sich in sorgfältiger
Stufung vom Königsgrab wie von den Beamtengräbern abhebt. Manches ist direkt
aus der königlichen Dekoration übernommen, so vor allem die geflügelte Göttin
Maat, der IunmutefPriester und die Motive aus Spruch i5t des Totenbuches;
anderes ersetzt die königlichen Jenseitstexte durch verwandte Sprüche aus dem
Totenbuch. Kennzeichnend ist auch der Unter schied bei den Wünschen für das
Jenseits, die sich im Königsgrab auf fortdauernde Herrschaft richten, in den
übrigen Gräbern auf Versorgung und Schutz.
Die Hierarchie, die im Neuen Reich neu aufgebaut wurde,
erstreckt sich auf Lage und Masse des Grabes, auf bestimmte Elemente wie
Pfeiler und Schacht, auf das verwendete Bildprogramm und auf die Wünsche für
das Jenseits; sie zeigt sich auch in der Gestaltung der Decken, die nur bei
Königen und ihren Angehörigen den gestirnten Himmel wiedergeben, während sich
die Beamten mit geometrischen Mustern zu begnügen hatten. Pfeiler weisen im königlichen
Bereich stets einen Durchmesser von rund zwei Ellen (1,05 Meter) auf, in
nichtköniglichen Gräbern müssen sie einen deutlichen Abstand halten; ähnliches
gilt für die Breite und Höhe der Korridore.
In den Beamtengräbern, die oft als «Gräber der Noblen»
bezeichnet werden, sprechen die Darstellungen unmittelbar zum Betrachter, sind
es doch in der Regel Szenen des täglichen Lebens oder Motive aus der
Amtstätigkeit des Verstorbenen. Ganz anders ist es im Tal der Könige, wo sich
der Besucher einer auf den ersten Blick bizarren Bildwelt gegenüber sieht, die
sich ohne tieferes Eindringen in die altägyptische Religion nicht entschlüsseln
lässt. Selbst in der Wissenschaft herrschte lange die Meinung vor, eine nähere
Beschäftigung mit diesen Unterweltsvisionen und ihren «Fratzen» lohne nicht.
Aber nirgends erlauben uns die Ägypter so tiefe Einblicke in
ihre Vorstellung vom Jenseits wie in der Dekoration dieser Gräber. Es ist, als
ob wir uns an der nächtlichen Fahrt der Sonne in ihrer Barke beteiligen und die
Regionen des Jenseits an uns vorübergleiten lassen bis hinab in die Tiefe, in
welcher der Sonnenleichnam ruht und seiner täglichen Beseelung und Erneuerung
entgegensieht.
Einige der Gräber im Tal der Könige sind übersät mit
Besucherinschriften aus der Antike, vor allem in griechischer und koptischer,
seltener in lateinischer Schrift; fast tausend sind es allein im Grab Ramses'
VI., 656 bei Ramses IV. Darin drückt sich der schon im Altertum lebhafte Besuch
dieser Zeugen einer grossen Vergangenheit aus. Die prominenten Reisenden Diodor
und Strabo, beide im r. Jahrhundert v. Chr., wussten um die Existenz von 4o
oder mehr Gräbern. Schon die damaligen Touristen kamen bisweilen in ganzen
Reisegruppen und zogen beim Schein von Fackeln in die Tiefe der Gräber. Einige bringen
in ihren Inschriften hohen Respekt vor der ägyptischen Kunst zum Ausdruck,
andere berufen sich auf den Philosophen Platon, der nach antiken Traditionen
Ägypten besucht hat.
Der Besucherstrom scheint nach Alexander d. Gr. eingesetzt
zu haben, steigerte sich in der römischen Zeit, und prominente Besucher lassen
sich bis in die Zeit Justinians nachweisen. Damals war Ägypten bereits
christlich, und die Höhlungen der Königsgräber boten koptischen Mönchen
willkommenen Unterschlupf; das geräumige Grab von Ramses IV. benutzten sie
sogar als Kirche. Es gab auf dem thebanischen Westufer eine ganze Reihe von
Klöstern, die nach der islamischen Eroberung Ägyptens (641) allmählich wieder
verschwanden, aber in den mit «Deir» gebildeten Ortsnamen noch heute weiterleben.
Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war Theben mit
allen seinen Denkmälern völlig aus dem Gesichtsfeld des Abendlandes
geschwunden, erst im r7. Jahrhundert erscheinen europäische Reisende wieder im
Tal der Könige. Die ersten, die wir kennen, sind die beiden KapuzinerPatres
Protais und CharlesFranwis (1668), aber für die frühesten ausführlichen
Beschreibungen der Gräber müssen wir auf den Jesuitenpater Claude Sicard
warten, der 1718 und 172.1 das Tal besuchte und zehn zugängliche Gräber
vorfand. Schon er ist beeindruckt von dem Farbenreichtum der Dekoration, der
«frisch wie am ersten Tag» sei. 1738 folgte ihm der britische Geistliche und
spätere Bischof Richard Pococke, dem wir neben Beschreibungen auch schon Pläne
und Ansichten der Gräber verdanken. Sein Reisebericht wurde viel gelesen, und
weite Verbreitung fand das Bild der Harfenspieler im Grab Ramses' III., das
James Bruce 1769 anfertigen liess und in seinem Reisebericht 1790
veröffentlichte.
Die Gelehrten der Expedition Bonapartes, die 1799 Oberägypten
erforschten, fertigten Pläne und Querschnitte einiger Gräber an, die zusammen
mit einzelnen Funden und mit Proben der Dekoration (unter denen sich wieder die
Harfenspieler befanden) in dem monumentalen Werk der Description de l'£gypte
veröffentlicht wurden. Den französischen Gelehrten gelang auch die erste
Wiederentdeckung eines Grabes, noch dazu des ersten aus der 18. Dynastie:
Amenophis III., im einsamen Westtal gelegen. 1816 folgte dann eine Serie von
Entdeckungen, die mit dem Namen von Giovanni Battista Belzoni verbunden ist,
der aus Padua stammte, aber schon in jungen Jahren nach London kam, wo er als
Akrobat und Gewichtheber auftrat. Von Agenten des Vizekönigs Mohammed Ali nach
Ägypten geholt, um an der Modernisierung des Landes mitzuwirken, nahm ihn der
britische Generalkonsul Henry Salt in seine Dienste, um seine wachsende
Antikensammlung zu bereichern. Belzoni fand zunächst im Jahre 1816 das Grab des
Aja im Westtal, dann im Oktober 1817 in rascher Folge das Grab Ramses' I., das
Prinzengrab KV 19 und als Krönung die grosse Anlage von Sethos I., die bald als
«Belzonis Grab» bekannt wurde. Der Entdecker hat das Verdienst, dieses
neugefundene Grab auch sogleich kopiert zu haben, weil er es durch eine
Ausstellung in London der Öffentlichkeit vorstellen wollte. So blieb vieles,
was seitdem zerstört wurde, zumindest in seinen Kopien erhalten.
Bis zur Entdeckung des TutanchamunSchatzes war das Grab
Sethos' I. die wichtigste Sehenswürdigkeit im Tal der Könige. Es beeindruckte
alle Besucher durch den Reichtum seiner Dekoration und die leuchtende,
lebendige Farbigkeit seiner bunten Reliefs, die so wirkten, als seien sie
gerade erst vollendet worden.
Belzoni selber pries das Grab als einen «himmlischen Ort»,
und nach seinem glücklichen Fund herrschte allgemein das Gefühl, dass es im Tal
nichts weiter zu entdecken gäbe, bestätigt durch vergebliche Gra.ungen in den
folgenden Jahrzehnten.
JeanFrancois Champollion, der 18zz die Hieroglyphenschrift
entziffert hatte, verbrachte 182.9 drei Monate im Tal der
Könige und konnte schon überaus tief in die jenseitigen
Visio
nen der Unterweltsbücher eindringen. Vor ihm hatte man
geglaubt, dass die Texte und Darstellungen an den Grabwänden
über das Leben und die Taten der hier begrabenen Könige
berichten. Nun spürte Champollion in diesen «diabolischen Szenen» eine
Verwandtschaft zu den Jenseitsvisionen Dantes und erkannte, dass es hier um das
Fortleben Pharaos geht, der wie die Sonne die nächtliche Unterwelt mit allen
ihren Schrecken durchlaufen muss, um neu geboren zu werden. Er beschrieb einige
der religiösen Bücher an den Grabwänden und übersetzte auch erste Textproben
aus ihnen. Allerdings berichtet er auch schon über Schäden, die durch
Feuchtigkeit und die anschwellende Zahl der Besucher verursacht wurden. Die
Farben litten unter den feuchten Abklatschen, die man bedenkenlos gerade von
den schönsten Szenen nahm, und die Decken wurden vom Rauch der Fackeln
geschwärzt.
Ippolito Rosellini leitete mit Champollion die gemeinsame
frankotoskanische Expedition und hat wie sein französischer Kollege wertvolle
Kopien und Notizen aus den Gräbern hinterlassen, die heute in Pisa aufbewahrt
werden. Von grosser Bedeutung sind daneben die Kopien der Engländer Robert Hay,
James Burton und John Gardiner Wilkinson, die ungefähr gleichzeitig angefertigt
wurden. Ihnen folgte Carl Richard Lepsius mit einer Expedition, die der preussische
König Friedrich Wilhelm IV. entsandte; sie arbeitete vom Oktober 1844 bis zum
Februar 1845 im Tal und trug ein gewaltiges Material zusammen, das in den
prächtigen Foliobänden der Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien schon 18491858
veröffentlicht wurde.
Die alten Aufnahmen haben vieles bewahrt, was heute zerstört
und nicht mehr sichtbar ist. Aber sie griffen nur einzelne Szenen und im besten
Fall einzelne Wände heraus, ohne auch nur eines von den Gräbern oder von den
religiösen Büchern vollständig aufzunehmen. Der Genfer Edouard Naville war der
erste, der 1875 mit der Sonnenlitanei einen vollständigen Text vorlegte, den er
in den Gräbern von Sethos I. und Ramses IV. kopiert hatte, für seine Zeit eine
bahnbrechende Leistung. Wenig später plante Eu&ne Lefebure eine
vollständige Erfassung aller Gräber, hat diesen allzu weit gesteckten Plan aber
1883 nur zum Teil ausgeführt; die Gräber von Sethos I. und Ramses IV. wurden in
Beschreibung und Zeichnung dokumentiert, die übrigen Gräber kurz beschrieben.
Eine grosse Sensation war die Bergung der Königsmumien, die
Einheimische entdeckt und bis 1881 verborgen gehalten hatten. In diesem Jahr
wurde das Versteck («Cachette») in Deir elBahari ausgeräumt, und man überführte
die Mumien unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung in das Museum in Kairo, wo
sie ausgewickelt und untersucht wurden. Der damalige Direktor der
Altertümerverwaltung, Gaston Maspero, bemühte sich um die Erforschung der
religiösen Texte in den Königsgräbern, die zugleich eine Hauptattraktion für
den wachsenden Tourismus waren. Unter seinem späteren Nachfolger Victor Loret
kam es nach langer Pause wieder zu einer Serie von Entdeckungen, unter denen
die frühen Gräber von Thutmosis III. und Amenophis II. herausragen (beide
1898); in dem letzteren Grab wurde ein zweites Versteck von Königsmumien
aufgefunden.
Die Ernennung von Howard Carter zum Chefinspektor der
Altertümer Oberägyptens, nachdem er mehrere Jahre lang Erfahrungen als Zeichner
und Mitarbeiter bei Ausgrabungen gesammelt hatte, brachte 1899 neue Impulse für
die Arbeit im Tal und nahezu jährlich neue Entdeckungen. In dieser Zeit wurden
die wichtigsten Gräber auch erstmals mit elektrischem Strom versorgt, wodurch
die russenden Fackeln überflüssig wurden. Seit 1902 finanzierte der
amerikanische Geschäftsmann Theodore M. Davis die Grabungen, die in den
folgenden Jahren, mit wechselnden Mitarbeitern, zu vielen weiteren Entdeckungen
führten. 1903 wurde durch Carter das Grab Thutmosis' IV. aufgefunden und das
der Hatschepsut (KV 20) freigelegt, 1905 durch Quibell das Grab von Juja und
Tjuju mit seinen intakten Beigaben entdeckt (KV 46), im gleichen Jahr noch
durch Ayrton das von König Siptah (KV 47). 1907 folgten KV 54
(Balsamierungsdepot Tutanchamuns) und das vieldiskutierte KV 55, das zunächst
für das Grab der Königin Teje gehalten wurde, 1908 schliesslich, nochmals durch
Ayrton, das Grab des Haremhab (KV 57) mit der noch frischen Farbenpracht seiner
bemalten Reliefs. Die letzte Entdeckung dieser Serie, KV 58, brachte Fragmente
von Goldfolie mit dem Namen Tutanchamuns und damit weitere Hinweise auf ein
Begräbnis dieses Königs.
1909 begann Carter seine Zusammenarbeit mit dem Earl of
Carnarvon als neuem Sponsor, und dieser übernahm kurz vor dem Ersten Weltkrieg
die Grabungskonzession von Davis. Trotz der Meinung von Davis und Maspero, das
Tal sei nun bis in den letzten Winkel erforscht, begannen Carnarvon und Carter
im Herbst 1917 mit der systematischen Suche nach dem noch unentdeckten Grab des
Tutanchamun und konnten ihre Bemühungen im November 19 z2. mit seiner
Entdeckung krönen. Der Fund des vollständigen Grabschatzes ist immer wieder als
die grösste archäologische Entdeckung zumindest des zo. Jahrhunderts gepriesen
worden, zugleich aber auch Beispiel einer weltweiten Vermarktung, die während
der vielbesuchten TutanchamunAusstellungen 19611981 eine Neuauflage erlebte.
Die Räumung des Grabes und die Konservierung seines Inhalts zog sich bis 1932
hin, und es dauerte noch Jahrzehnte, bis die Veröffentlichung des spektakulären
Fundes langsam in Gang kam; sie ist noch lange nicht abgeschlossen. Eine
wichtige Grundlage sind die Aufnahmen (Glasnegative), die Harry Burton während
der Entdeckung und Bergung des Grabschatzes gemacht hat; daneben hat Burton in
dieser Zeit auch Dokumentationen einiger Gräber angefertigt, vor allem für das
Sethos' I. Dazu kommen die unveröffentlichten Notizbücher von Carter, die sich
im Griffith Institute in Oxford befinden und seine vielfältigen Aktivitäten im
Tal der Könige festhalten.
Über den spektakulären Schatzfunden und der Suche nach neuen
Gräbern wurde die Beschäftigung mit dem Bild und Textprogramm der Königsgräber
lange vernachlässigt, obwohl schon Champollion und später Gaston Maspero wichtige
Grundlagen gelegt hatten. Alexandre Piankoff bemühte sich seit den 193oer
Jahren, in die Geisteswelt der Unterweltsbücher einzudringen und sie durch
Textausgaben mit Übersetzung der Wissenschaft zugänglich zu machen. Mit der
Unterstützung der Bollingen Foundation konnte er 19491951 die umfangreiche
Grabanlage Ramses' VI. vollständig ausfotografieren und 1954 veröffentlichen.
In schöner Ergänzung kümmerte sich Elizabeth Thomas vor allem um die
bescheideneren, nicht dekorierten Anlagen im Tal und hat dafür eine immer noch
grundlegende Dokumentation zusammengetragen.
Inzwischen hat das Tal der Könige immer mehr Interesse
gefunden. Friedrich Abitz erforschte Architektur und Bildprogramm verschiedener
Gräber, Kent Weeks begann eine Kartographie des Tales ( «Theban Mapping
Project») und seit 1995 die Freilegung des riesigen Prinzengrabes KV 5,
Christian Leblanc wandte sich nach dem Tal der Königinnen der ausgedehnten
Anlage von Ramses II. zu, und auch weitere Grabanlagen sind in den letzten
Jahren freigelegt und aufgenommen worden. In jüngster Zeit widmen sich mehrere
Expeditionen den Schuttbergen, die sich zwischen den Grabeingängen aufgehäuft
haben und viele interessante, früher übersehene Funde preisgeben.
Die Gräber:
Bescheidene Anfänge: Die Thutmosiden
Wo sich das Grab von Amenophis I., der später als Schutzgott
der Handwerker in Deir elMedine verehrt wurde, befunden hat, is: immer noch
umstritten, doch lag es wohl in der Nähe des Friedhofes der 17. Dynastie und
nicht im Tal der Könige. Für seiner: Nachfolger Thutmosis I. gibt es einen
Bericht des thebanischen Bürgermeisters und Bauleiters Inene, der beschreibt,
«wie mar_ das Felsgrab Seiner Majestät aushob, in der Einsamkeit, ungesehen und
ungehört», also ganz im Geheimen. Dahinter steht jedoch nicht die Furcht vor
Grabräubern, die zu allen Zeiten eine Bedrohung waren, sondern eine Wandlung
des Jenseitsglaubens. Die Pyramiden strebten zum himmlischen Jenseits, die
neuen Felsgräber senken sich in die Unterwelt, die geheim unc verborgen ist,
keinem Sterblichen sichtbar, die aber die Sonne jede Nacht verjüngt. Die
Ausschmückung der Sargkammer mit dem Unterweltsbuch Amduat macht das Grab nun
zu einer Stätte der nächtlichen Sonnenfahrt, die den König mit einbezieht und,
nach dem Vorbild der Sonne, seine tägliche Erneuerung garantiert. So konnte
sich Thutmosis I., der als erster Pharao den Euphrat erreichte und die
Grundlagen für das ägyptische Grossreich der i8. Dynastie legte, mit einer
höchst bescheidenen Grabanlage begnügen.
Der Grundriss übernimmt von den Pyramidenanlagen der späten
1 2.. Dynastie die «geknickte» Achse, die alle Gräber bis zu Echnaton
beibehalten; neu ist jedoch der rhythmische Wechsel von Treppen und schräg in
die Tiefe führenden Korridoren. Die Grabachse spiegelt jetzt die gekrümmten
Jenseitswege, und die ovale Form, welche die Sargkammer in den ältesten Gräbern
hat, weist ebenso auf die Unterwelt wie der ovale Abschluss des AmduatBuches.
Typologisch bildet das Grab KV 3 8 das älteste im Tal, auch wenn Thutmosis I.
erst unter seinem Enkel Thutmosis III. hier definitiv bestattet wurde, nachdem
ihn seine Tochter Hatschepsut für eine Weile in ihr eigenes Königsgrab (KV zo)
umgebettet hatte. Dieses Grab der Hatschepsut ist von ungewöhnlicher Länge
(213,5 Meter) und auch sonst ein Sonderfall; es beschreibt im Grundriss nahezu
eine Spirale und endet in einer Sargkammer mit drei Pfeilern und drei
Nebenräumen. Wegen der schlechten Qualität des Gesteins wurde die Dekoration
(Amduat) auf separaten Steinplatten angebracht, die sich jetzt im Ägyptischen
Museum in Kairo befinden.
Zu den frühesten Gräbern muss noch KV 42 gehören, mit einer
unfertigen Dekoration, die auf ein Königsgrab weist, und einer ovalen
Sargkammer. Als ursprünglicher Grabherr bietet sich Thutmosis II. an, der nur
wenige Jahre regierte, doch wurde das Grab später neu benutzt. So beginnt die
wirklich fassbare Entwicklung erst mit Thutmosis III., der nach dem Tode der
Hatschepsut die Alleinherrschaft antrat und auf unermüdlichen Feldzügen, Jahr
für Jahr, die neuen Positionen des ägyptischen Weltreiches in Syrien
verteidigte und verbesserte, dazu auch als grosser Bauherr hervortrat.
Im Februar 1898 entdeckten Arbeiter der Antikenverwaltung in
einer engen Felsschlucht, hoch über dem Niveau des Tales, den Eingang zur
Grabanlage dieses Königs (KV 34); der Präsident der Verwaltung, Victor Loret,
traf erst einige Tage später ein, und wenig später wurde in einer anderen Ecke
des Tales das Grab von Thutmosis' Sohn und Nachfolger Amenophis II.
aufgefunden. Bis dahin kannte man aus der 18. Dynastie nur die Gräber von
Amenophis III. und Aja im Westtal.
Der Eingang des Grabes liegt im Norden, die Sargkammer ist
nach Osten abgeknickt, und der Grundriss, auch die ovale Sargkammer, spiegelt
so die gekrümmten Räume des unterirdischen Jenseits. Neue Elemente sind der
Schacht (6 Meter tief) und eine obere Halle mit zwei (undekorierten, aber mit
einem Quadratnetz überzogenen) Pfeilern, die durch eine Treppe direkt mit der
Sargkammer verbunden ist. Der Schacht, der am Ende der 19. Dynastie wieder
verschwindet, ist gern als Hindernis für Grabräuber gedeutet worden, dazu als
Mittel, eingedrungenes Regenwasser aufzufangen; doch hat er auch eine religiöse
Bedeutung, als direkter Zugang zur Unterwelt und Höhle des Gottes Sokar. In
späteren Gräbern wurde seine Rückwand zuge mauert und wie die Wände mit
Götterszenen bemalt, so daG ein Ende des Grabes vortäuschen konnte; seine
Dekorati machte ihn zu einem Ort, an welchem der gestorbene Pharau die Welt der
Götter eintritt. Bei Thutmosis III. sind hier no, keine Götterszenen
angebracht, aber der Rahmen für diese Szenen, mit dem dekorativen Fries aus
bunten Schilfbündeln (ägyptisch Cheker) und dem HimmelsZeichen, ist bereits
vorgemalt
Im übrigen führt ein rhythmischer Wechsel von Treppen ir
Korridoren, nur durch den Schacht und die obere Pfeilerha unterbrochen, bis zur
Sargkammer mit ihren vier kleinen N benkammern, die für Beigaben bestimmt
waren; diese Vierza der Seitenräume bleibt für lange Zeit verbindlich. Von den
B, gaben waren bei der modernen Entdeckung nur noch Reste Holzfiguren des
Königs und diverser Gottheiten vorhand, Der königliche Sarkophag aus Quarzit
befindet sich noch Grab, die Mumie fand sich 1881 im Versteck (Cachette) Deir
elBahari, eingehüllt in ein Leichentuch mit dem Text deSonnenlitanei.
Plan des Grabes von Thuthmosis III.
Korridore und Treppenräume blieben, wie in allen Gräbern der
r8. Dynastie, ohne Dekoration. Auf den Wänden der oberen
Halle ist ein Katalog mit 741 Gottheiten aus dem Amduat
angebracht, der ohne Parallele ist. Zu jeder Figur (feindliche Wesen sind
fortgelassen) gehört ein Stern und ein Weihrauchnapf, eines der Zeichen für die
BaSeele.
Das Amduat mit seinen zwölf Nachtstunden schmückt die Wände
der Sargkammer, deren Grundriss 14,60 x 8,5o Meter misst. Dabei folgt die
Anordnung der Stunden den Vermerken, die sich im Text des Buches finden und auf
die Himmelsrichtungen Rücksicht nehmen. So gehören die Stunden 14 auf die
Westwand, 5 und 6 auf die Südwand, 7 und 8 auf die Nordwand, 912. auf die
Ostwand. Dieses Ideal konnte allerdings nur ungefähr erreicht werden, denn
Probleme mit dem vorhandenen Platz machten mehrfach Umstellungen und
Auslassungen notwendig, dazu mussten viele Figuren eng gestaffelt und Register
aufgeteilt werden. Die Figuren sind nur in Umrissen (Strichzeichnung)
ausgeführt, in schwarzer und roter Farbe; die Texte geben kursive Hieroglyphen,
wie sie auch im Totenbuch benutzt wurden, so dass sich der Eindruck eines
monumentalen Papyrus ergibt.
Auf den zwei Pfeilern in der Sargkammer sind zwei Seiten mit
der Kurzfassung des AmduatBuches geschmückt (nur Text, keine Figuren), die
einem ausführlichen Inhaltsverzeichnis entspricht. Vier Seiten tragen die 76
Figuren der Sonnenlitanei, auch sie in Strichzeichnung, eine weitere die
Darstellung des Königs mit seiner Mutter Isis in einem Boot sowie von
Mitgliedern der königlichen Familie und dazu die bekannte Szene, in der Isis
als Baumgöttin den König stillt; dies ist die einzige Götterdarstellung im
Grab, während schon im folgenden Königsgrab von Amenophis II. alle sechs
Pfeiler der Sargkammer mit Götterszenen bemalt werden. In der Sargkammer und im
Schacht ist die Decke als blauer Himmel mit gelben Sternen bemalt und steht
damit für das himmlische Jenseits, das der BaSeele des Verstorbenen offensteht.
Erste Wandlungen:Amenophis II. und Thutmosis IV.
Der Eingang des Grabes von Amenophis II., der die Eroberugen
seines Vaters als nimmermüder Kriegsherr verteidigte, lie, versteckt am Fuss
einer hohen Felswand (KV 35). Victor Lore: fand ihn im März 1898, nur einen
Monat nach der Entdeckunides ThutmosisGrabes. Die Achse des Grabes ist wiederum
knickt, dieses Mal genau im rechten Winkel. Dazu ist der rhyr mische Wechsel
von Treppen und Korridoren beibehalten, ur zwischen die beiden Pfeilerhallen
wird ein zusätzlicher Korrido7 eingeschoben. Gegenüber den vorangehenden
Gräbern sind Wände und Decken der Korridore jetzt mit grösserer Regelur: ssigkeit
aus dem Felsen gehauen. Nur die Sargkammer mit ihre Pfeilern wurde ausgemalt,
alle anderen Räume sind ohne Dekoration geblieben. Zum Schutz der bemalten
Wände vor den Besuchern hat man schon früh Glasplatten davorgesetzt, wie e=
jetzt auch in anderen Gräbern geschieht.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger geht Amenophis II. wieder
zu einem rechteckigen Grundriss der Sargkammer über und gibt ihr eine
Gestaltung, die bis zu Sethos I. Vorbild bleibt; au: einen höher gelegenen Teil
mit sechs Pfeilern folgt ein tiefer liegender mit dem Sarkophag des Königs. Wie
bei Thutmosis sind vier Seitenkammern für die Beigaben bestimmt, von denen
Loret noch einige hölzerne Figuren antraf; in einer Königsfigur war ein Papyrus
versteckt, der die älteste Fassung von TotenbuchSpruch 168 gibt, in welchem die
zwölf «Grüfte» der Unterwelt mit ihren Göttern beschrieben werden. In der
zweiten Seitenkammer auf der rechten Seite stiess Loret auf neun Königsmumien.
die nach dem Ende des Neuen Reiches, um i000 v. Chr., hierher in Sicherheit
gebracht wurden. Die Mumie von Amenophis selber lag noch in ihrem Sarkophag aus
Quarzit und wurde zunächst im Grab belassen, aber 1934 nach Kairo gebracht.
Daneben blieben auch Reste der separaten Kanopen (Eingeweide) Bestattung
erhalten. Weitere Funde waren UschebtiFiguren, Modelle von Booten, Gefässe aus
Fayence, Glas und Ton sowie diverse Amulette; Kuhkopf, Panther und viele andere
Objekte haben Parallelen im Grabschatz des Tutanchamun.
Alle Funde aus dem Grab, zu denen auch Beigaben für einen
Prinzen gehören, sind jetzt im Ägyptischen Museum von Kairo ausgestellt.
Die Wände der Sargkammer sind weiterhin mit dem Amduat in
Strichzeichnung ausgeschmückt, doch werden die Nachtstunden jetzt nacheinander
auf die Wände gebracht, ohne Unterbrechung der Reihenfolge; der Beginn ist auf
der Rückwand, die zwölf Stunden folgen einander im Uhrzeigersinn, und die
Kurzfassung steht am Schluss, auf der linken Wand. Die ganze Komposition wird
von einem breiten, roten Sandstreifen eingerahmt, der das Totenreich in der
westlichen Wüste andeutet, in das die Sonne jeden Abend versinkt. Sandstreifen
trennen auch die einzelnen Register in den Stunden. Die Sonnenbarke fährt auf
einem Wasserstreifen, doch ist auf der rechten Wand der Übergang von der
wasserreichen dritten Nachtstunde zum Sandreich des Sokar in der vierten
deutlich zu sehen. Die letzte Nachtstunde, in der sich in einer riesigen
Schlange die Verjüngung der Sonne vollzieht, hat einen ovalen Abschluss. Die
Wände enden oben wieder in einem dekorativen ChekerFries; die Decke des Raumes
ist als gestirnter Himmel bemalt.
Alle sechs Pfeiler in der Sargkammer sind mit Szenen
geschmückt, die den König vor einem Gott oder einer Göttin zeigen, die ihm das
LebensZeichen (Anch) an die Nase halten. Seine Partner sind dabei Osiris,
Anubis und Hathor, die neben dem Sonnengott Re (dessen nächtliche Fahrt das
Amduat beschreibt) für den Verstorbenen die grösste Bedeutung haben und sein
Fortleben im Jenseits garantieren; das erste Pfeilerpaar ist ganz für Osiris
reserviert, den Herrscher der Toten, das dritte für Hathor, während sich beim
zweiten Anubis und Hathor die Dekoration teilen. Die Gottheiten tragen verschiedene
Beinamen, der König wird meistens «geliebt von Osiris» genannt. Alle Szenen
sind, wie im Amduat, meist nur in schwarzer und roter Farbe ausgeführt, bunte
Bemalung findet sich erst im folgenden Königsgrab von Thutmosis IV. Doch ist
das HimmelsZeichen über allen Götterszenen (und ebenso über dem Amduat) blau
bemalt, und eine bunte Umrahmung umgibt jede der Szenen. Blau sind auch die
Wasserflächen im Amduat ausge malt, vor allem in der zehnten Nachtstunde, in
der Ertrunken im Urgewässer Nun dahintreiben.
Einige der hohen Beamten des Königs erhielten als besonder!
Gunst eine Bestattung im Tal der Könige. Dazu gehören, jewei.mit einem
bescheidenen Schachtgrab, der Wesir Amenemor: (KV 48) und der nubische
Wedelträger Maiherperi (KV 3 6 dem ausser zahlreichen Waffen auch eines der
frühesten illustrierten Totenbücher mitgegeben wurde. Ein Sonderfall ist de7
Bürgermeister Sennefer, der in dieser Zeit wohl die massgebende Persönlichkeit
in Theben war und sich eine ungewöhnliche,bei einem König mit Pfeilern ausgestattete
Grabkammer in der BeamtenNekropole (TT 96) anlegen liess, die vor allem durc.7
ihre reizvolle Ausmalung mit Weinlaub den Besucher entzück:Funde aus KV 4z
belegen ihn auch für das Tal der Könige, doc.r bleibt es fraglich, ob er dort
bestattet wurde. Etwas später entstand das Schachtgrab des Feldervorstehers des
Amun Userha: (KV 45), in welchem Carter Fragmente von den Kanopenkru gen dieses Beamten fand.
Thutmosis IV. ging mit seiner Anlage (KV 43) in die Nähe des
HatschepsutGrabes, folgte aber sonst dem Vorbild seines Vorgängers. Allerdings
schiebt er zwischen die beiden Pfeilerhallereinen zusätzlichen Treppenraum und
die Vorkammer ein, womit er die Zahl der Durchgänge von sieben auf neun
erweitern auch sein Sarkophag, der noch heute im Grab steht, und der
Totentempel sind in neuen, grösseren Massen entworfen worden. Die Vorkammer und
der Schacht sind die einzigen Räume, die Dekoration erhielten (und nur auf zwei
bzw. einer von den vier Wänden), während die Sargkammer gänzlich unfertig
blieb. Au: der rechten Wand der Vorkammer verewigt eine Inschrift in schöner
Kursivschrift (Hieratisch) eine spätere Inspektion des Grabes, die unter König
Haremhab erfolgte. Die jetzt erstmals bunt ausgemalten Götterszenen sind
zeitgleich mit dem Höhepunkt der Grabmalerei in den Beamtengräbern der
thebanischen Nekropole, etwa in den Gräbern des Nacht und des Menena. Die
reichverzierten Kleider der Hathor zeigen eine Freude am Detail, die in den
früheren Gräbern noch fehlte. In der unfertigen Sargkammer finden sich, noch unvoll
ständig, ein erstes Mal die vier kleinen Nischen, die für die Aufnahme der
«Magischen Ziegel» bestimmt waren, die den Schutz des Begräbnisses verstärken
sollten. Die Magischen Ziegel blieben erhalten wie auch viele andere
Grabbeigaben, darunter der repräsentative Streitwagen des Königs.
Ein weiterer gut erhaltener Streitwagen fand sich im Grab
des Befehlshabers der Wagentruppe Juja und seiner Gemahlin Tjuju, das James
Quibell mit seinem reichen Inhalt im Februar 1905 entdeckte; bis zur Freilegung
des TutanchamunGrabes war dies der reichste Grabschatz aus dem Tal der Könige.
Als Eltern der Königin Teje und Schwiegereltern Amenophis' III. erhielten Juja
und Tjuju ein kleines, undekoriertes Korridorgrab im Tal der Könige (KV 46).
Ihre Mumien, in zahlreiche Särge hineingeschachtelt, sind Meisterwerke der
Balsamierungskunst, und ihre Grabausstattung, jetzt im Museum in Kairo, zeugt
vom hohen Stand der materiellen Kultur. Was aber fehlt, ist der Reichtum
religiöser Texte und Motive, der ein Königsgrab auszeichnet; wenige Amulette
und ein Totenbuchpapyrus, dazu die Schutzgötter auf den Särgen, mussten zur
Sicherung der jenseitigen Existenz genügen.
Abseits im Westtal:Amenophis III. und Aja
1799 entdeckten zwei Ingenieure der Expedition Bonapartes
das abgelegene Grab von Amenophis III. (KV zz), dem Vater Echnatons, das erst
in den letzten hundert Jahren etwas Beachtung fand und inzwischen gründlich
gesäubert wurde. Ein letztes Mal sind hier die Wände der Sargkammer mit dem
Amduat ausgeschmückt, dazu die Pfeiler des Raumes, wie die Wände im Schacht und
in der Vorkammer, mit Götterszenen; die Decken dieser Räume waren mit Sternen
verziert. Auf den Pfeilern ist noch das engmaschige Quadratnetz der
Vorzeichnung sichtbar. Die Nebenräume, deren Zahl gegenüber den Vorgängern
stark erweitert wurde (vielleicht für das Begräbnis von Gemahlinnen des
Königs), blieben weiterhin ohne Dekoration. Für die weitere Entwicklung sind
die Fortsetzung hinter der Sargkammer und die Betonung eines der vier
Seitenräume durch einen Pfeiler wegweisend. Von den Beigaben, die einst in
diesen Räumen aufgehäuft waren, haben sich nur klägliche Reste erhalten. In der
Korridoren wird jetzt ein quadratischer Querschnitt von für mal fünf ägyptischen Ellen (ä 52,3 cm)
erstrebt, der auch für d folgenden Gräber noch verbindlich bleibt.
Neu in das Bildprogramm aufgenommen sind die Himmel, göttin
Nut und die «Westgöttin» als besondere Erscheinung de: Hathor; die beiden
Göttinnen verkörpern die Sphären — Himmel und westlichunterweltliches
Totenreich —, in die der Verstorbene aufgenommen wird, denn sein Leib bleibt in
der Unterwelt, während seine BaSeele frei ist, auch den Himmel aufzusuchen.
Beide Sphären sind dazu die Welt der Götter, und dami: mag es zusammenhängen,
dass Amenophis III. für die Wände in seinem Schacht und in der Vorkammer einen
blauen Hintergrund wählt, damit eine «Götterfarbe», die auch Haremhab als
Hintergrund für seine Götterszenen verwendet. Über der Gestalt des Königs
erscheint nur in diesem Grab regelmässig ein schützender Geier.
Es ist anzunehmen, dass Amenophis IV. (Echnaton) vor seinem
Entschluss, Theben zu verlassen, ein Grab im Tal der Könige beginnen liess.
Dafür bietet sich als Kandidat KV 25 im Westtal an, mit einem sorgfältig
ausgehauenen Eingang und der Korridorbreite von 2,37 Metern, wie sie für ein
Königsgrab damals üblich war; das Grab ist allerdings über den ersten Korridor
nicht hinausgelangt und blieb ohne Dekoration, so dass eine letzte Gewissheit
fehlt. Das Westtal wurde jedoch noch eine Weile bevorzugt, und es gibt die
Vermutung, dass auch Tutanchamun hier bestattet werden sollte, bis sein
Nachfolger Aja das begonnene Grab für sich selber reservierte und dem jung
verstorbenen König ein Notbegräbnis im Haupttal ausrichtete.
Das Grab des Aja (oder Eje, KV z3) hat im Gegensatz zu dem
Tutanchamuns den Grundriss und die Korridormasse eines Königsgrabes, jedoch nur
die erste Hälfte mit ihren drei Korridoren, dem Schachtraum (ohne Schacht) und
der stark verkleinerten Sargkammer ohne Pfeiler. Ausgemalt wurde auch hier nur
die Sargkammer, in der man den König bei der Fisch und Vogeljagd erblickt,
einer typischen Szene der Beamtengräber, wobei er Glück des Vergessens:
Tutanchamun 27
von der Königin begleitet ist. In den wenigen Götterszenen
erscheinen Osiris, Nephthys, die Westgöttin, Hathor und Nut, dazu eine
eigenartige Verschmelzung der thronenden vier Horussöhne, die noch nicht ihre
Tierköpfe tragen, mit der Gestalt des Königs und seinen Attributen (Landeskronen,
gerader Königsbart). Wie sein Vorgänger Tutanchamun verwendet er daneben einen
Ausschnitt aus der ersten Stunde des Amduat und ergänzt das Bild und
Textprogramm um zwei Sprüche aus dem Totenbuch, das hier zum ersten Mal auf der
Wand eines Königsgrabes erscheint. Dabei dient der Spruch 13o, den auch
Tutanchamun mehrfach verwendet, der Mitfahrt in der Sonnenbarke, passt also gut
zur Thematik der Unterweltsbücher. Von den beiden Sonnenbarken, der Tages und
Nachtbarke, mit denen der Spruch illustriert wird, ist die eine hier
umgewandelt und mit der vollständigen «Neunheit» von Göttern bemannt. Da der
Text des Spruches auch dazu dienen soll, dem Verstorbenen das ganze Jenseits zu
öffnen, wird er sinnvoll durch den Spruch 144 ergänzt, in dem es darum geht, die
sieben Tore des Jenseits zu durchschreiten.
Glück des Vergessens:Tutanchamun
Echnatons religiöse Reform traf nicht nur den bisherigen
Polytheismus, sondern besonders schwer den traditionellen Jenseitsglauben und
seinen Mittelpunkt, den Totenherrscher Osiris. Die Unterwelt mit ihrer
nächtlichen Sonnenfahrt wird geleugnet, sie kommt auch in den Hymnen Echnatons
nicht vor. In der neuen Residenz von ElAmarna in Mittelägypten liegen die
Gräber nicht mehr im traditionellen Westen, sondern im Ostgebirge, und die
Toten erhalten ihre tägliche Versorgung im Diesseits, im Tempel des Aton.
Trotzdem werden auch für den König und seine Angehörigen weiterhin Gräber
angelegt, die Grenzstelen der neuen Hauptstadt geben genaue Anweisungen dafür.
Nach dem Tode Echnatons entschliesst man sich, das
königliche Begräbnis wieder in das Tal der Könige zu verlegen. Der unmittelbare
Nachfolger, Semenchkare, erhielt dort ein Notbegräbnis in dem kleinen
Korridorgrab KV 55, das der Wissenschaft lange Zeit Rätsel aufgegeben hat, weil
die Grabausstattung ursprünglich für ganz verschiedene Personen bestimmt war.
Erst die Münchner Ausstellung «Das Geheimnis des goldenen Sarges» (zoot ) hat
weitgehend Klarheit geschaffen. Die Mumie des jungen Königs lag in einem Sarg,
der eigentlich für Echnaton angefertigt war; auch die «Magischen Ziegel», die
dem Schutz der Grabkammer dienen, tragen den Namen Echnatons und müssen ganz an
den Anfang seiner Regierung gehören, da er hier noch als «Osiris» bezeichnet
ist. Der Schrein um den Sarg aber gehört seiner Mutter Teje und die
Kanopenkrüge für die Eingeweide seiner Nebengemahlin Kia. Offenbar hat man aus
dem königlichen Magazin einige Kostbarkeiten geholt. die man sonst nicht mehr
verwenden konnte. Umgekehrt fanden sich im Grabschatz des Tutanchamun Gegenstände,
die eigentlich seinem Vorgänger Semenchkare gehörten, was den Eindruck der
allgemeinen Unsicherheit verstärkt.
Auch das Begräbnis des Tutanchamun (KV 62.) war
improvisiert. Sein Grab ist vom Grundriss und von den Massen her kein
Königsgrab, sondern war eigentlich für Angehörige des Königshauses bestimmt.
Aber es wurde vollgestopft mit allem, was zu einer königlichen Grabausstattung
gehört, und zehrt vom Glanz dieser Schätze, die sich unversehrt erhalten haben.
Als die Mumien der Könige nach dem Ende des Neuen Reiches in zwei Verstecke
umgebettet wurden, fehlte der jung verstorbene König. Sein Grab war inzwischen
unter dem Aushub späterer Gräber versteckt und völlig vergessen worden.
Der einzige Korridor war bis zur Decke mit Schutt verfüllt,
in der Vorkammer und einem Nebenraum stapelten sich die Beigaben, und am
zugemauerten Eingang zur Sargkammer standen zwei Wächterfiguren des Königs. Die
enge Sargkammer wurde fast vollständig ausgefüllt von den ineinander
geschachtelten Särgen und vergoldeten Schreinen. In der einzigen Seitenkammer
war der Schrein mit den Eingeweidekrügen (Kanopen) des Königs abgestellt,
umgeben von vier Schutzgöttinnen und weiteren Beigaben, darunter eine Reihe von
Booten und eine reizvolle Figur des Anubis als liegender Schakal.
Dekoriert wurde nur die Sargkammer dieses Grabes, wobei man
auf dem engen Raum nur wenige Motive auswählen konnte, die für die Fortdauer
Pharaos von Bedeutung schienen. Unge
wöhnlich und im Königsgrab nur hier verwendet ist gleich
rechts der Begräbniszug, bei dem die höchsten Reichsbeamten
den Schlitten mit dem Sarg des Königs (unter einem reichver
zierten Baldachin) zum Grab ziehen. Daran schliesst sich die
«Mundöffnung» an der Mumie des Königs an, ausgeführt von seinem Nachfolgx 4a,
du als amtimndu Ptiesta eln2anthetfell umgelegt hat und Sandalen trägt. Die
Figuren zeigen noch die schwellenden Formen der AmarnaKunst Echnatons, aber in
gemilderter Fassung.
Der verstorbene König ist durch seine an Osiris angeglichene
Gestalt und den gebogenen Götterbart in die Welt der Götter erhoben, denen er
in den folgenden Szenen gegenübertritt, zunächst begrüsst von der Himmelsgöttin
Nut; der «echte» Osiris, den er umarmt, hat grüne Hautfarbe, und hinter dem
König folgt ihm seine göttliche «Sozialseele», der Ka. Die Götterszenen werden
auf der linken Wand unterbrochen von einem knappen Auszug aus der ersten
Nachtstunde des Amduat, mit der Barke des SonnenKäfers Chepri und einem Teil
der SonnenPaviane. So ist, mit Götterszenen und Amduat, das traditionelle
Bildprogramm der königlichen Grabkammer zumindest angedeutet.
Der Schritt zum Relief: Haremhab
Als der betagte Aja nach nur vierjähriger Regierung starb,
fiel die Krone an den hohen Militärbeamten Haremhab. Dieser hatte sich bereits
in Saqqara, der alten Totenstadt von Memphis, in Sichtweite der Pyramiden, ein
prächtiges Beamtengrab vorbereitet, mit überaus qualitätvollen Reliefs
ausgeschmückt. Mit seinem Königsgrab (KV 57), das wieder im Haupttal zwischen
Tutanchamun und Amenophis II. liegt und 1908 entdeckt wurde, knüpft die
Entwicklung an die Zeit vor Echnaton an, jedoch mit einer Reihe von wichtigen
Neuerungen. Die Achse des Grabes wird nicht mehr abgeknickt, sondern verläuft
gerade und ist nur in der oberen Pfeilerhalle leicht verschoben. Die Sargkammer
ist wiederum zweigeteilt, aber an den Wänden nicht mehr mit dem Amduat, sondern
mit einem neuen Unterweltsbuch ausgeschmückt, das als Pfortenbuch bezeichnet
wird. Die bedeutsamste Neuerung aber ist der Übergang zum bemalten Relief,
ausgelöst vielleicht durch die Entwicklung der Beamtengräber, von denen einige
(etwa Ramose und Chaemhat schon unter Amenophis III. in Theben mit feinsten
Flachreliefs geschmückt wurden; die neu entstehende BeamtenNekropole in Saqqara
führte dann die Reliefkunst noch mehr zur Blüte und prägte die weitere
Entwicklung.
Der Reliefschmuck ist nur bei den Götterszenen im Schacht
und in der Vorkammer des Königsgrabes vollendet worden, hier aber von einer
nicht wieder erreichten lestlerischen Qualität und einer unerhörten Leuchtkraft
der Farben. Der Hintergrund ist überall in einem stumpfen Blau ausgemalt, was
diese Leuchtkraft noch unterstreicht, aber vor allem symbolische Bedeutung hat;
Blau kennzeichnet den Himmel als Aufenthalt der Götter, in deren Gemeinschaft
der verstorbene Pharao eintritt. Dabei dominiert jetzt der Gott Horus, den
Haremhab (dessen Name «Horus ist im Fest» bedeutet) neu in das Bildprogramm
aufnimmt, zusammen mit Isis, der Mutter des Horus und Schwestergemahlin des
Osiris; mit ihrem Beinamen «Herrin des Himmels» vertritt sie wohl auch Nut, die
bei Haremhab fehlt. Isis und die Westgöttin, mit ihrem FalkenZeichen auf dem
Haupt. tragen eine schwarze Perücke, im Gegensatz zu Hathor mit ihrer blauen
oder gestuften Perücke; Osiris und Ptah haben grüne Haut, die Farbe des
erneuerten Lebens. Am Ende der Vorkammer erscheinen noch zwei weitere neue
Götter, Ptah und Nefertem, die eigentlich zur nördlichen Residenz Memphis
gehören. aber von jetzt an einen festen Platz im thebanischen Königsgrab
erhalten. Zum ersten Mal erscheint auch Maat, welche die richtige Ordnung der
Welt verkörpert; sie begrüsst den verstorbenen Pharao auf beiden Seiten des
Eingangs in die Sargkammer und erleichtert ihm damit den Schritt über die
letzte Schwelle.
In der Sargkammer hatte man begonnen, die Vorzeichnungen zum
Pfortenbuch von unten nach oben in Relief umzusetzen. kam aber damit nicht sehr
weit. Nur zwei Nachtstunden, die dritte auf der rechten und die vierte auf der
linken Wand, sind vollständig vorgezeichnet, dazu die Gerichtshalle des Osiris
auf der Rückwand. Auf der linken Eingangswand hat man sich für die zweite
Stunde mit einer Ausführung in Malerei (auch hier mit blauem Hintergrund)
begnügt. So gestattet uns dieser unfertig gebliebene Raum einen sehr
lehrreichen Einblick in das Werkverfahren der ägyptischen Künstler, von der
Glättung der Wand, ersten roten Hilfslinien und aufgemalten Richtungsvermerken
bis zum fertigen, aber noch nicht bemalten Relief. Ob die fehlende zweite
Hälfte des Pfortenbuches für Teile der Grabausstattung (etwa Schreine)
vorgesehen war, bleibt ungewiss, sie fehlt auch bei Sethos I., trotz
zusätzlicher Wandflächen. Die Pfeiler waren, wie bei Amenophis II. und III.,
sicher für weitere Götterszenen vorgesehen, sind aber undekoriert geblieben,
ebenso die Decke. In der zweiten Seitenkammer links ist ein Bild des Osiris vor
dem DjedPfeiler auf die nur roh geglättete Wand gemalt.
Weise Beschränkung: Ramses 1.
Dieser Begründer der 19. Dynastie, von Haremhab als
Nachfolger eingesetzt, gelangte erst in hohem Alter auf den Thron und konnte
mit keiner langen Regierung rechnen; er hat in der Tat nur ein Jahr und vier
Monate regiert. Die Planung seines Grabes (KV 16) nahm von Anfang an darauf
Rücksicht und verkürzte Grundriss und Dekoration auf ein Minimum. Auf eine
Treppe, einen Korridor und eine zweite Treppe folgt sogleich die relativ kleine
Sargkammer. Nur sie wurde vollständig ausgemalt, mit durchweg blauem
Hintergrund; auf eine Ausführung im Relief wurde verzichtet, und auch der
Granitsarkophag des Königs trägt nur gemalte Dekoration. Das Amduat fehlt im
Bildprogramm und ist, wie bei Haremhab, durch einen Teil des Pfortenbuches
ersetzt. Auf jeder Schmalseite des Raumes ist eine Nachtstunde aus diesem Buch
angebracht — rechts die dritte, links die vierte Stunde, beide ohne das obere
Register, da die niedrigen Wände nicht genügend Platz boten.
In der dritten Stunde wird die Sonnenbarke durch ein langge strecktes
Gebilde gezogen, das als «Barke der Erde» bezeichne
ist und die Unterwelt verkörpert, die der Sonnengott in sein
widderköpfigen Nachtgestalt durchzieht. Seine Fahrt wird ir
mer wieder von der riesigen ApophisSchlange bedroht, die
uter der Barke dargestellt ist. In der vierten Stunde fährt die Bar, des
Sonnengottes an einer Reihe von Schreinen mit schwarz au gemalten Mumien
vorbei; sie liegen noch im Todesschlaf, bev sie der Anruf des Gottes daraus
erweckt und mit einem neuer Leib versieht, der nicht mehr die Gestalt der Mumie
hat. Daru7 ter ist eine symbolische Darstellung der Zeit; sie wird als vic fach
gewundener Schlangenleib gezeigt, aus dem die einzelni Stunden «geboren» und
zuletzt wieder «verschlungen» werde Die zwölf Stunden der Nacht verkörpern sich
in den zwölf Gc tinnen, die auf
dreieckigen Gebilden stehen, die halb mit Wasserlinien, halb schwarz (für
Finsternis) ausgemalt sind u so den Weg durch die finstere, vom Urwasser
erfüllte Unterm, andeuten.
Links blieb noch Platz für eine Szene, die den König zwisch,
HorusSohnderIsis und Anubis zeigt. Auch die beiden lang, Wände der rechteckigen
Kammer sind mit Götterszenen ausge malt. Auf beiden Seiten des Eingangs
empfängt die Göttin Ma: den eintretenden König; sie verkörpert Recht, Wahrheit
u: . Ordnung, die auch im Reich der Toten herrschen sollen. Hinter ihr betet
oder opfert Ramses links vor Ptah (vor einem grosse: DjedAmulett), rechts vor
Nefertem (mit einem TitAmulett . der eine Lotosblüte auf dem Kopf trägt. Im
Zentrum der Rückwand thronen Chepri (mit einem SkarabäusKäfer statt des Kopfes)
und Osiris Rücken an Rücken; Chepri ist die morgencliehe, verjüngte Gestalt des
Sonnengottes, während Osiris 17 Neuen Reich als seine nächtliche
Erscheinungsform gilt. \ c Osiris steht,
mit einem Pantherfell bekleidet, eine kleine Figur des IunmutefPriesters, der
als idealer Sohn des Osiris auftrirn von rechts her führen, sich an den Händen
fassend, Horu.SohnderIsis, Atum und die Göttin Neith den König vor de: Gott.
Links opfert Ramses über vier Kleiderkästen vor Chepr und erscheint daneben
zwischen einer falkenköpfigen «Seele von Nechen (Hierakonpolis) und einer
schakalköpfigen «Seele • von Pe (Buto), alte göttliche Mächte der beiden
Landeshälften, die hier zusammen mit dem König einen Jubelgestus ausführen.
Unter dieser Szene öffnet sich eine kleine Nische, in der man Osiris auf einer
Schlange stehend erblickt, beschützt von einer UräusSchlange vor ihm und
umsorgt von Anubis, der hier als seltene Ausnahme einen Widderkopf (statt
Schakalkopf) trägt; weitere Nischen in der linken und rechten Wand sind ohne
Dekoration.
Der Höhepunkt: Sethos 1.
Die Entdeckung dieses Königsgrabes durch Giovanni Battista Belzoni
aus Padua im Oktober 1817 fand in der ganzen damaligen Welt ein lebhaftes Echo;
dabei wirkte mit, dass Belzoni einen ausführlichen Bericht über seine
Entdeckungen veröffentlichte und eine Kopie mehrerer Räume des neugefundenen
Grabes 1821 in London in einer Ausstellung zeigte, die später auch in Paris zu
sehen war.
Belzoni und alle frühen Besucher des Grabes waren begeistert
von der Pracht der Farben, die noch völlig frisch waren, als ob die Maler
gerade erst ihre Arbeit beendet hätten. Dazu gehört auch die Farbigkeit der
Hieroglyphen, von denen jedes Zeichen eine bestimmte Farbe hat. Der englische
Konsul Henry Salt, der die Arbeit von Belzoni finanzierte, hat in einer Serie
von Aquarellen diese leuchtenden Farben festgehalten. Doch klagt schon Champollion,
der 1829 zusammen mit Rosellini an der Aufnahme des Grabes gearbeitet hat, über
den fortschreitenden Verfall. Er selber «rettete» zwei der schönsten Reliefs,
die sich jetzt im Louvre und in Florenz befinden, und viele. andere Pfeiler und
Wandfragmente sind heute über Museen in aller Welt zerstreut oder auch ganz
verloren. Mechanische Abnutzung, Staub und Feuchtigkeit haben inzwischen weiter
zum Verfall beigetragen und von der einstigen Pracht wenig übrig gelassen.
Howard Carter bemühte sich nach 1900 um eine Restaurierung des Grabes, aber der
moderne Massentourismus stellt weiterhin eine Bedrohung dar. In den Jahren 1921
bis 192.8 hat Harry Burton, der für Carter den gesamten Tutanchamun Schatz
fotografierte, auch dieses Königsgrab vollständig ausfotografiert und damit
eine Dokumentation des damaligen Zustands gegeben.
Sethos I. ist der erste bedeutende König der Ramessidenzeit
auf den einige der schönsten Tempelbauten Ägyptens zurückgehen, vor allem sein
Tempel in Abydos, dem Kultort des Osiri, und der Grosse Säulensaal im
Amuntempel von Karnak. In Kanak hat er auch seine erfolgreichen Kämpfe in
Syrien verewigt, v, sich Ägypten gegen die Hethiter behaupten konnte. Danebe
bemühte er sich, die von Echnaton zerstörten Götterbild( wiederherzustellen und
die alten Kulte neu zu beleben. Die Qu.lität des bemalten Reliefs in seinen
Tempeln wie in seinem Gn bildet einen Höhepunkt in der ägyptischen
Kunstgeschichte.
Die Konzeption seines Grabes ist grundlegend neu und wurc.
bis zu Ramses III. mit nur geringen Änderungen kopiert. bringt nicht nur
architektonisch eine Erweiterung um weiteRäume und eine deutliche Zweiteilung
in eine obere und ei: untere Hälfte, sondern zum ersten Mal wird hier ein
Königsgn vom Eingang bis zum Sarkophag vollständig dekoriert, während vorher
nur einzelne, besonders wichtige Räume ausgeschmückt wurden. In einer ersten
Planungsphase wollte Sethc der bisherigen Praxis folgen, entschloss sich aber
dann zu ein, grundlegenden Erweiterung. Bis auf wenige unfertige Stellen die
gesamte Dekoration (auf ioo Meter Länge!) in bemalteFlachrelief ausgeführt. Der
Hintergrund ist in der Regel we:_ im Schacht blau, in der Sargkammer und an
einigen hervorg hobenen Stellen gelb (womit Gold gemeint ist).
Beim Eintritt in das Grab stösst man zunächst auf eine Sze
die den König anbetend vor dem Sonnengott Re in seiner falk,köpfigen
Tagesgestalt ReHarachte mit der Sonnenscheibe ze..= In den jetzt zum Teil
zerstörten Beischriften verspricht der G
dem König und seiner Herrschaft die Fülle der Zeit. Es schlie.. sich das
Titelbild der Sonnenlitanei an, mit der Sonnenscheibe der Mitte; in der Scheibe
verkörpern ein SkarabäusKäfer ein widderköpfiger Gott die beiden
Erscheinungsformen Sonnengottes am Morgen und am Abend. Die Tiere (Kroko
Schlange, Gazelle) vertreten die feindlichen Mächte, über wel che die Sonne
immer wieder triumphiert. Der Text der Sonnenlitanei füllt den Rest des ersten
Korridors und soll dazu dienen. den König in den nächtlichen Sonnenlauf zu
integrieren. Auf de:linken Wand hebt sich rein optisch der immer gleiche Anfang
der 75 Anrufe heraus («Preis dir, Re, mit hoher Macht»), aus denen die erste,
«grosse» Litanei besteht, während auf der rechteWand, in der Fortsetzung des
Textes, die KartuschenRinge m dem Namen des Königs dominieren. Die Decke des ersten
K( ridors ist mit geflügelten Wesen
bemalt, die abwechselnd Gei,und SchlangenKopf haben; solche Vögel schützen mit
ihr, ausgebreiteten Flügeln auch die Achse der Tempel.
Der zweite Korridor ist mit einer Treppe versehen und zwei
Nischen ausgestattet. Er bringt im oberen Teil die Figur:die zur «grossen»
Litanei an den Sonnengott gehören; sie verk pern verschiedene Aspekte der
nächtlichen Aktivität des Gor" in der Unterwelt. Darunter ist, nur in
Vorzeichnung, auf beic Seiten der Schlusstext zur dritten Stunde des Amduat
bracht. Am Ende des Korridors knien Isis und Nephthys, 1:Hände auf das
schützende SchenAmulett legend. Darüber 1... auf beiden Seiten der Gott Anubis
in reiner Tiergestalt, als S.1kal mit einem Halsband und einer roten Schleife
um den H _ Die Figuren gehören zum TotenbuchSpruch 151, wie auch. _ vier
Horussöhne, von denen sich im Durchgang zum näch,Korridor noch Spuren erhalten
haben (deutlich im folger. Grab von Ramses II.). Über diesem Durchgang
erschein: . Göttin Maat in dreifacher Gestalt, jeweils mit Flügeln
verse:daneben die Kartuschen des Königs.
Der dritte Korridor zeigt rechts die vierte, links die
Nachtstunde des Amduat. In beiden Stunden geht es ur Fahrt der Sonnenbarke
durch eine Wüstenregion, die als F des Gottes Sokar, «der auf seinem Sand ist»,
bezeichnet dieser Gott ist eigentlich der alte Totengott von Mempinim Neuen
Reich mit Osiris identifiziert wird. Die Wände jetzt stark zerstört, während
Belzoni sie noch vollständig renovieren konnte.
Es folgt der Schacht, ausgeschmückt mit Szenen, die ar
beiden Längswänden nahezu symmetrisch angeordnet sind und Der Höhepunkt: Sethos
I. 37
den König vor Isis, Hathor und Osiris zeigen; am Anfang ist
«HorusSohnderIsis» sein Geleiter. Auf der Rückwand stand eine jetzt
verschwundene Figur des Königs vor der Dreiheit Osiris, Anubis und Horus.
Daneben war der Durchgang zur oberen Pfeilerhalle ursprünglich zugemauert und
bemalt, um ein Ende des Grabes vorzutäuschen.
Die obere Pfeilerhalle weist jetzt vier Pfeiler auf, die mit
weiteren Götterszenen dekoriert sind. In der Mitte der Rückwand ist eine Szene
durch ihren gelben Hintergrund hervorgehoben; hier wird Sethos von Horus vor
den thronenden Osiris geleitet, hinter dem Hathor als Göttin des Westens steht.
Die Decke des Raumes ist als gestirnter Himmel bemalt, und die Wände sind dem
Pfortenbuch vorbehalten, mit der fünften Nachtstunde im linken Teil und der
sechsten im rechten. Die sechste Stunde bringt den Höhepunkt der nächtlichen
Sonnenfahrt, die Vereinigung des Sonnengottes mit seinem Leichnam, der im
Pfortenbuch unsichtbar bleibt. Analog vereinigen sich die BaSeelen der
Verstorbenen mit ihren Mumien, die im unteren Register auf einer
langgestreckten Bahre in Gestalt einer Schlange (als Symbol der Verjüngung)
liegen.
In der fünften Stunde fand vor allem eine Szene im unteren
Register die Aufmerksamkeit der frühen Besucher und wurde oft kopiert,
allerdings auch teilweise zerstört. Sie zeigt, im Schutze des Gottes Horus, je
vier Vertreter der vier «Rassen» der Menschheit, die der Ägypter unterscheidet:
Ägypter, Asiaten, Nubier und Libyer, durch ihre typische Kleidung und
Haartracht gekennzeichnet; die Nubier haben dunklere, die Libyer hellere
Hautfarbe als die Ägypter. Ungewöhnlich ist, dass die Fremdvölker hier nicht
als verachtete «Feinde» erscheinen, sondern auf gleicher Ebene mit den Ägyptern
stehen; ähnlich betont Echnaton in seinem Grossen Sonnenhymnus die Fürsorge
seines Gottes Aton für alle Völker, und unter Ramses II. «verbrüdern» sich die
Ägypter mit den bisher feindlichen Hethitern. Gleich hinter dieser Szene
erscheint die Zeit als eine Schlange, aus deren Leib allen Menschen eine
«Lebenszeit» (die Hieroglyphen auf der Schlange) im Diesseits wie im Jenseits
zugemessen wird. Analog erscheinen im oberen Register Götter mit einem Messstrick,
die für alle Menschen jenseitige Felder abmesst Dazwischen wird Apophis als
langgestreckte Schlange geba: digt.
In der Verlängerung der bisherigen Grabachse gelangt man
reinen Nebenraum mit zwei Pfeilern, der keine Fortsetzung dass nach einer Fortsetzung
gesucht wurde, zeigen Zerstörunger auf der Rückwand. Die Dekoration ist nur in
Vorzeichnung
ausgeführt und besteht aus drei Nachtstunden aus dem
Amduader neunten bis elften Stunde. Ins Auge fallen hier vor allem Ruderer auf
der linken Wand (neunte Stunde) und die in veschiedenen Positionen im Wasser
Schwimmenden auf der Rii, wand (zehnte Stunde); sie weisen auf Verstorbene, die
kü reguläre Bestattung erhalten konnten (z. B. im Nil ertrunk, sind), aber
trotzdem am seligen Geschick Anteil haben und :7 Jenseits alles Nötige
erhalten. Im unteren Register der elfte
Stunde, auf der Eingangswand, vollzieht sich die Bestrafung im
Totengericht Verurteilten. Die Pfeilerseiten tragen weiteGötterszenen, auch sie
nur in Vorzeichnung.
Die vier «Menschenrassen»: Ägypter, Asiaten, Nubier und Libyer
Die Fortsetzung des Grabes beginnt mit einer Treppe, die gen
die bisherige Achse etwas nach links verschoben ist. I. Wände sind undekoriert,
aber im Durchgang zum nächsten. Korridor war auf beiden Seiten eine besonders
schöne Szene auf gelbem Hintergrund angebracht, die Sethos Hand in Hand mit der
Göttin Hathor zeigt, die eine reich gestaltete Perücke und darüber ein
Kuhgehörn mit der Sonnenscheibe trägt; ihr Gewand ist mit Wünschen für den
König beschriftet. Champollion und Rosellini haben bei ihrer gemeinsamen
Expedition beide Szenen herausgesägt, so dass sich die linke Szene heute im
Museo Archeologico in Florenz befindet, die rechte im Louvre in Paris.
Die folgenden beiden Korridore geben eine nicht ganz
vollständige Fassung vom Ritual der Mundöffnung. Dieses Ritual hatte vor allem
den Zweck, eine angefertigte Statue zu «beleben» und sie damit zu einem
lebendigen Abbild des Verstorbenen zu machen. Vor dem Titel des Rituals thront
Sethos vor einem Opfertisch mit Broten, nach denen er eine Hand ausstreckt,
während die andere Hand ein Szepter hält. Vor ihm zelebriert der
IunmutefPriester, mit einem Pantherfell bekleidet, das Ritual. Zu jedem
Ritualspruch gehören Illustrationen, die verschiedene Kulthandlungen vor einer
Statue des Königs zeigen; die Statue steht auf einem Sandhügel und wird von
Priestern gereinigt, geschmückt und mit Opfergaben versorgt. Am Schluss steht
eine ausführliche Opferliste.
Die Figur des thronenden Sethos ist sehr stark beschädigt worden,
in alten Kopien aber noch vollständig. Auch die vielen Zerstörungen in den
Szenen der Mundöffnung sind erst nach der modernen Entdeckung erfolgt; sie
galten vor allem den «Kartuschen» mit dem Namen des Königs, die man als
Souvenir aus der Wand herausschnitt. Heute sind Fragmente von der Dekoration
des Grabes über Museen in aller Welt verstreut; vieles ist aber auch verloren
und nur in den alten Kopien noch sichtbar, die Belzoni und andere bald nach der
Entdeckung des Grabes angefertigt haben.
In der Vorkammer, die an die beiden Korridore mit der
Mundöffnung anschliesst, stösst man auf eine andere Art der Zerstörung. Im
i9Jahrhundert, vor Erfindung der Fotografie, machte man von Reliefs oft feuchte
Abklatsche, um eine Kopie zu haben. Dabei wurde bei bemalten Reliefs die Farbe
zerstört oder abgelöst, hässliche Flecke blieben an der Wand zurück, und so ist
von der früheren Farbenpracht in diesem Raum, Belzoni «Hall of Beauties»
nannte, nur noch wenig gebliel, Sethos erscheint hier wiederum bei Opfer und Gebet
vor _L ubis, Isis, HorusSohnderIsis, Hathor und Osiris, und auf Rückwand vor
Ptah (links) und Nefertem (rechts, mit einer 1 tosblüte auf dem Kopf und einem
grossen «Isisblut»Amule:seinem Rücken), die beide stark beschädigt wurden. Die
a: Kopien zeigen, dass im Eingang und im Durchgang zur SJ kammer, wie schon im
Eingang zum Schacht, auf jeder Seite Figur der Göttin Maat stand, die jetzt
verschwunden sind; F7_ mente dieser Figuren befinden sich in verschiedenen
Muse. Die Decke der Vorkammer ist als Himmel mit Sternen hen. _ ebenso die
Decke im vorderen Teil der Sargkammer.
Die eigentliche Sargkammer ist immer noch, wie seit Am,
ophis II., zweigeteilt. Man tritt zunächst in einen Raum sechs Pfeilern und steigt dann über mehrere
Stufen in einen feren Teil hinunter, in
dem ursprünglich der Sarkophag des i‘ nigs stand. In ihm ruhte der König, um
sich die Bilder der Un._ welt und über sich die gewölbte «Astronomische Decke».
_ mit Listen von Dekansternen und mit Sternbildern bemalt ist konnte seine
BaSeele aus dem Sarkophag direkt zum Him aufsteigen und dort dem Sonnengott auf
seiner weiteren BI. folgen.
Von den sechs Pfeilern ist einer vollständig zerstört, die
an _ ren weisen zum Teil schwere Beschädigungen auf; nahezu v ständige
Pfeilerseiten befinden sich in den Museen von Beund London. Alle waren mit
Götterszenen geschmückt, wc hier Osiris dominiert und Göttinnen ganz fehlen.
Auf allen se_ Seiten, die zur Mittelachse gerichtet sind, tauchen die scha.,
köpfigen (links) und falkenköpfigen (rechts) «Seelen» von B_ und Hierakonpolis
auf, die sich mit den Fäusten die Brust sc:gen und damit dem König zujubeln.
Auf dem ersten Pfeilern erscheint noch einmal der lunmutef im Pantherfell, den
wir reits aus dem Ritual der Mundöffnung
kennen; er führt den nig in die Welt der Götter ein.
In der Dekoration der Wände herrscht die gleiche Zweiteilung
wie in der Architektur. Man hat im oberen Teil das PfortenDer Höhepunkt: Sethos
1. 41
buch, im unteren Teil das Amduat ausgewählt, jeweils mit
drei StundenAbschnitten. Dazu trägt der Sarkophag des Königs, aus
durchscheinendem Alabaster, ein vollständiges Exemplar des Pfortenbuches und
einige TotenbuchSprüche. Belzoni hat diesen Sarkophag aus dem Grab entfernt, er
befindet sich seit 1824 im Sir John Soane's Museum in London; der Deckel (mit
einer Figur des Königs) war schon vorher in viele Teile zerbrochen.
Auf der rechten Seite fällt in der dritten Stunde des
Pfortenbuches der rot ausgemalte «Feuersee» auf; sein Wasser ist, wie der
zugehörige Text betont, nur für Osiris und die seligen Toten kühle Erfrischung,
für die übrigen Toten aber feurige Glut. Am Anfang dieser Stunde fährt die
Sonnenbarke an einer Reihe von Schreinen mit aufrecht stehenden Mumien vorbei,
und im unteren Register erscheint Atum vor der ApophisSchlange.
Die Stunden des Amduat beginnen auf der linken Wand im
unteren Teil, nach einer Szene, die Sethos noch einmal vor dem falkenköpfigen
ReHarachte zeigt. Gegen das Ende dieser Wand ist eine grössere Nische
eingefügt, in der Anubis bei der Mundöffnung vor Osiris dargestellt ist, dazu
die vier Horussöhne. Über der illustrierten Langfassung des Amduat steht der
Text der Kurzfassung, soweit er dort Platz fand.
Jede der beiden Hälften der Sargkammer hat zwei Nebenräume,
die in das allgemeine Dekorationsprogramm mit einbezogen sind. In der vorderen
Hälfte ist die linke Kammer mit einer weiteren Stunde (der vierten) des
Pfortenbuches ausgeschmückt; hier treffen wir die im Todesschlaf liegenden
Mumien und die Darstellung der Zeit als Schlange, zusammen mit den zwölf Göttinnen
der Nachtstunden. Die Wände der rechten Kammer hat man für ein vollständiges
Exemplar des «Buches von der Himmelskuh» reserviert, das sich zum ersten Mal
auf einem der vergoldeten Schreine Tutanchamuns findet und auf der Rückwand von
der Darstellung der Himmelskuh beherrscht wird, die von Schu und anderen
Göttern gestützt wird; auf ihrem Rücken hat sich der Sonnengott nach einer
Rebellion der Menschen zum Himmel zurückgezogen.
Die rechte Kammer im hinteren Teil wurde «Kammer des Djed
(ein Symbol des Osiris)» genannt und zeigt im Einganz Spuren eines
personifizierten DjedPfeilers, blieb aber sonsohne Dekoration. Dagegen ist die
Kammer auf der linken Seit, vollständig dekoriert, dazu besonders gross und mit
zwei Pfe. lern ausgestattet. Das Thema der Pfeilerseiten ist Osiris in ve7
schiedenen Gestalten, darunter auch der König als Osiris; dz Thema der Wände im
oberen Teil bildet das Amduat (sechste h achte Stunde). Im unteren Teil, der
auf drei Seiten eine Art Barbildet, waren Teile des Grabmobiliars abgebildet,
so z. B. Gc terschreine und tierköpfige
Betten, wie man sie aus dem Gra.schatz Tutanchamuns kennt. Davon sind nur noch
Spuren e halten. Die sechste Nachtstunde, in der rechten Hälfte, zeigt Ende den
Leichnam des Sonnengottes, von einer vielköpfig: Schlange umringelt; die Szene
hat durch Abklatsche im i9. Jahhundert sehr gelitten, wie auch die Darstellung
der Apoph:Schlange vor der Sonnenbarke neben dem Eingang. Auf c Rückwand
schreiten vier Widder des Gottes Tatenen vor c Sonnenbarke und ihrer Begleitung.
Die interessanteste Szene . den Pfeilern ist beim Heraussägen zerbrochen; sie
zeigte den König mit einem Ruder in der Hand bei einem kultischen Lauf
(«Ruderlauf» ), der mit seinem Erneuerungsfest (SedFest) sammenhängt.
In die Wände der Sargkammer sind vier Nischen für die «
gischen Ziegel» eingeschnitten, die dem Schutz des Raumes c nen. Hinter der
Sargkammer liegt ein weiterer Raum mit Pfeilern, der verputzt, aber nicht
dekoriert wurde. Hier f2Belzoni eine Fülle von UschebtiFiguren des Toten, die im
jf seits bei schweren Arbeiten als Ersatz für ihn dienen sollten; I:: te sind
diese Figuren, aus Holz oder Fayence, über viele Mus:. verstreut. Mit diesem
Raum endet das Grab noch nicht, davon der Stelle, an der ursprünglich der
Sarkophag stand, ein Gang steil in die Tiefe, bis er auf das Grundwasser triff:
dem sich der Urozean Nun verkörpert, der die Sonne und verstorbenen Pharao jede
Nacht regeneriert.
Ein König und viele Prinzen: Ramses II.
Sethos I. hat nur elf Jahre regiert, und es bleibt ein
Wunder, wie man in so kurzer Zeit eine derart reiche Grabanlage nahezu
vollenden konnte. Der Sohn und Nachfolger, Ramses II., hatte eine Regierung von
66 Jahren vor sich, aber das konnte auf die Planung des Grabes keinen Einfluss
haben. Diese Planung setzte in jedem Fall kurz nach dem Regierungsantritt eines
neuen Herrschers ein und hatte Vorrang vor allen anderen Projekten. Im Falle
von Ramses II. blieb jedoch nach der Vollendung seiner eigenen Grabanlage noch
viel Zeit, die für weitere prächtige Gräber genutzt wurde, vor allem das seiner
Hauptgemahlin Nefertari im Tal der Königinnen. Daneben hat dieser König ja eine
Fülle von Tempelbauten in Ägypten und Nubien hinterlassen und mit der anderen
Grossmacht, den Hethitern, nach langen Kämpfen einen friedlichen Ausgleich
gefunden.
Man entschloss sich, die neue Anlage für den König (KV 7) im
wesentlichen nach dem Vorbild der vorangehenden von Sethos I. auszuführen;
jedoch wird die Achse noch einmal abgeknickt, vielleicht mit Rücksicht auf das
schlechte Gestein. Das Grab liegt am Fuss eines Abhanges und hat besonders
stark durch die zwar seltenen, aber heftigen Regenfälle gelitten, der vordere
Teil liegt immer noch zum grossen Teil unter Schuttablagerungen begraben. Seit
1993 ist die Freilegung und gleichzeitige Konservierung des Grabes im Gange.
Die wichtigste Neuerung betraf die Sargkammer, die jetzt in
eine dreischiffige Anlage umgewandelt wird, mit einem tieferen Teil für den
Sarkophag in der Mitte. Fragmente von einem AlabasterSarkophag des Königs, der
auf einer Bahre mit Löwenköpfen stand, haben sich bei den jüngsten Säuberungen
gefunden. Die Pfeiler, nunmehr acht an der Zahl (wie im Tempel von Abu Simbel),
tragen auf ihrer Innenseite alle einen DjedPfeiler, ein Symbol des Osiris; die
einzige Parallele dazu bietet das Grab der Nefertari. Statt des einen
VierpfeilerRaumes hinter der Sargkammer bei Sethos I. werden jetzt vier Räume
mit insgesamt sechs Pfeilern hinter der Sargkammer ausgehauen und fertig
ausgeschmückt. Es scheint, dass dieses Grab keine unfertigen Partien aufweist
und noch einmal die gesamte Dekoration in ehabenem, bemaltem Relief zeigt.
Die von Christian Leblanc durchgeführte gründliche Säule:
rung des Grabes brachte als ein wichtiges Ergebnis, dass v. schon hier in der
Vorkammer neben den traditionellen Gott:szenen die Gerichtsszene aus dem
Totenbuch mit ihren Text: (Spruch z5) antreffen. Auch Spruch iro des Totenbuch:
mit seinen Darstellungen der landwirtschaftlichen Arbeit Jenseits findet sich
in der letzten Kammer. Im übrigen stimmt Bildprogramm weitgehend mit dem bei
Sethos I. überein. N.._ gut erhalten sind die Horussöhne auf Standarten im
Eingi zum dritten Korridor. Der Abgang
aus der oberen Pfeilerh.: erfolgt jetzt in der vorderen Grabachse, nicht mehr
verschob•: Am Anfang der unteren Hälfte wird der König wieder auf den Seiten
von der Göttin Hathor begrüsst. Neu ist die Au< staltung der Grabfassade mit
der programmatischen Anber_ des Sonnengottes in beiderlei Gestalt
(widderköpfiger Cund Skarabäus in der gelben Sonnenscheibe) durch Isis _
Nephthys über dem Eingang. Dazu erscheint die Göttin N jetzt bereits im Eingang
auf beiden Seiten; sie kniet auf e:7 Korbuntersatz über den Wappenpflanzen von
Ober und 1:7ägypten.
Für die über 5o Söhne des Königs wurde ein kühner Plan
worfen und ausgeführt. In unmittelbarer Nähe des König.s...: bes entstand eine
Anlage mit 150 oder mehr Kammern _ einer Halle mit i6 Pfeilern im Zentrum (KV
5). Einige der mern sind mit Reliefs von hoher Qualität ausgeschmückt. ‘‘ neben
den Prinzen auch ihr königlicher Vater hervortrit: Grab wurde schon i8zz von
James Burton betreten, ist aber verschüttet worden und wird erst seit 1995 von
Weeks freigelegt, wobei es sich als die grösste Anlage im Ti Könige erwiesen
hat. Von den ursprünglichen Bestattungeallerdings nur bescheidene Reste erhalten
geblieben.
Bewegte Zeiten: Merenptah bis Siptah
Die übrigen Königsgräber der 19. Dynastie bringen relativ
bescheidene Änderungen gegenüber den vorangehenden Anlagen und ihrem
Bildprogramm; allerdings war in einigen Fällen infolge innenpolitischer Wirren
und Umstürze eine ausgereifte Planung und Gestaltung der Gräber auch nicht
möglich. Merenptah trat erst in hohem Alter die Nachfolge seines so lange
regierenden Vaters an und hat den Grundriss seines Grabes (KV 8) etwas
vereinfacht, mit weniger Nebenkammern als sein Vater; die beiden Korridore mit
dem Ritual der Mundöffnung (nur noch in Spuren sichtbar) werden jetzt durch die
Vorkammer unterbrochen, mit der Anrufung der Totenrichter in einem Schrein auf
der linken Wand und Götterszenen auf den übrigen Wänden. Die Achse verläuft
ohne Knick und ohne Verschiebung vom Eingang bis zum Ende des Grabes. Eine
Besonderheit ist, dass man die vorspringenden Türleibungen durchweg abgemeisselt
hat, um Platz für den riesigen Aussensarkophag zu schaffen, dessen Deckel noch
in der Vorkammer liegt; nach erfolgtem Transport wurden die Leibungen wieder
vorgemauert und dekoriert, wie erhaltene Fragmente zeigen. Wegen der vielen
FeuersteinEinschlüsse hat man eine Felsecke in der oberen Halle unbearbeitet
gelassen und die Reliefs oft tief in die Stuckschicht auf den Wänden
eingeschnitten.
Seit Merenptah erfolgt stufenweise der Übergang vom
Flachrelief zum eingetieften, «versenkten» Relief; zunächst sind noch einige
Szenen durch die Verwendung von Flachrelief und durch gelben Hintergrund
hervorgehoben, dann ist nur noch versenktes Relief verwendet. Die Eingangsszene
mit dem König vor dem falkenköpfigen Sonnengott ist noch in ihrer ganzen
Farbenpracht erhalten, während das anschliessende Titelbild der Sonnenlitanei
durch moderne Restauration gelitten hat.
Das bisherige Bildprogramm wird an einigen Stellen
abgeändert. So werden auf den Wänden des Schachtraumes nur noch Gottheiten
dargestellt, nicht mehr der König, der jedoch auf den Pfeilern noch vor den
Göttern opfert und anbetet. Dadurch konnten im Schacht mehr göttliche Wesen
abgebildet werden als bisher, darunter die vier Horussöhne, die vier
Schutzgöttinn, und der Iunmutef. Die erste Pfeilerhalle, mit nur einem
Pfeilepaar (das hintere fehlt), ist weiterhin dem Pfortenbuch vorb: halten, das
hier mit der vierten bis sechsten Stunde vertreten isjedoch mit
Überschneidungen; die Hieroglyphen sind einfarb blau ausgemalt, die Figuren
dagegen bunt. Unter den Gottheit der Pfeiler fällt links ein widderköpfiger
Osiris auf. Über deAbgang in den unteren Grabteil bringt der König eine Figur c
Maat dem Osiris dar.
In der Sargkammer finden sich, auf gelbem Grund, die letzte
Stunden des Pfortenbuches, allerdings nur noch in Spuren erha I ten; auf den
Schmalwänden sind an die Stelle des Amduat Szt nen aus dem Höhlenbuch und dem
Buch von der Erde geser worden. Hier tritt vor allem auf der rechten Wand über
eine:widderköpfigen Flügelwesen mit weit gespannten Flügeln da Schlussbild des
Höhlenbuches hervor, das die Sonne in mehren Gestalten (Scheibe, Kind und
Käfer) zeigt, von zwei Armpaar: bewegt und angebetet von BaSeelen und
SchattenZeichen. G: genüber auf der linken Wand ist die Auferweckung des
Osi:(liegende Mumie) durch das Sonnenlicht (rote Scheiben) a _ dem Buch von der
Erde gezeigt. In der Mitte kann man jetzt c1,. Deckel des mittleren
Granitsarkophages bewundern, mit eir. rundplastisch ausgearbeiteten Figur des
Königs im Schutze ein, Schlange, die als Uroboros («Schwanzbeisser») den ganz,
Deckel umringelt. Darüber wölbt sich, wie bei Sethos I., er «Astronomische
Decke» mit Sternbildern.
Bei seinem Nachfolger Sethos II. (KV 15) verlaufen der Z _
gang und die Korridore nahezu eben und werden von keine Treppen unterbrochen.
Gleich am Anfang des ersten Korridcstösst man auf eine deutliche Änderung des
Bildprogramms. sprünglich sollten, wie es auch in späteren Gräbern noch cl,
Fall ist, auf das Eingangsbild des Königs vor dem Sonnengc der Titel und das
Titelbild der Sonnenlitanei folgen; man h jedoch die Litanei verschoben und
eine zweite Götterszene König vor Nefertem) eingefügt. Die ursprüngliche
Dekorativ wurde durch Stuck verdeckt, der später herausgefallen ist.
Damit nicht genug, wurden auch gegenüber auf der recht: Wand
zwei Götterszenen angebracht, die Sethos vor dem Sonnengott und danach vor Sokar
zeigen. Die Neuerung erzwang im anschliessenden Text der Sonnenlitanei zwei grössere
Auslassungen. Auf dieser Wand finden sich von der Vorzeichnung bis zum bemalten
Relief alle Stadien der Arbeit. Die Deckenmalerei beginnt mit einem geflügelten
Skarabäus, danach wechseln geier und schlangenköpfige Schutzwesen.
Auch der zweite Korridor, der leicht schräg verläuft,
beginnt mit Götterszenen auf beiden Wänden, und im dritten ist noch die
Vorzeichnung einer Königsfigur am Anfang sichtbar, die später von der
Sonnenbarke des Amduat überdeckt wurde. Im zweiten Korridor wurde auf die
bisherigen Nischen verzichtet, doch ist der obere Teil der Wände wieder für die
Figuren der Sonnenlitanei reserviert (über Texten aus dem Amduat); dahinter
finden sich jetzt die zweite und dritte Stunde des Amduat in einer
unvollständigen Fassung, und für die vierte und fünfte Stunde im dritten
Korridor sind nur die Figuren vorgezeichnet. Die Dekoration ist im zweiten und
dritten Korridor nur in roter Farbe vorskizziert und ebenso korrigiert, während
die Götterund Königsfiguren im anschliessenden Schachtraum gelb ausgemalt
wurden, einige Details auch rot oder blau. Gelb weist hier deutlich auf die
Vergoldung der Statuetten aus Holz, die im Grabschatz Tutanchamuns im Original
erhalten sind.
Die einzige Pfeilerhalle dieses Grabes entspricht mit ihren
PfortenbuchStunden V und VI und der Anbetung des Osiris im Schrein der oberen
Pfeilerhalle bei Merenptah, doch weist der IunmutefPriester (hinteres
Pfeilerpaar) auf die Pfeiler der Sargkammer, die hier fehlen. Die Dekoration
wurde im Relief ausgeführt, blieb aber unfertig. Auf den Pfeilerseiten
erscheint jetzt keine ganze Szene mehr, sondern nur die Figur des Königs oder
einer Gottheit. Von der zweiten Hälfte des Grabes ist nur ein erster Korridor
ausgeführt und provisorisch als Sargkammer ausgeschmückt worden, durch gelbe
Bemalung und eine geflügelte Figur der Himmelsgöttin Nut an der Decke. Auf den
Wänden erscheinen hinter Anubis Reihen von Göttern in Schreinen, die der
Totenwache für Osiris dienen, dazu die langgestreckte Schlangenbahre aus der
sechsten Stunde des Pforten buches, auf der sich die Vereinigung der Mumie mit
ihrer BaSeele vollzieht.
Es ist deutlich, dass in einer ersten Bauphase nur der
Anfang des Grabes ausgeführt und in traditioneller Weise dekoriert wurde. Dann
folgte eine längere Unterbrechung, gefolgt von einer zweiten Bauphase mit
erheblichen Änderungen des Bildprogramms, die in den folgenden Gräbern wieder
aufgegeben wurden, und einem sehr provisorischen Abschluss hinter der ersten
Pfeilerhalle. Diese ungewöhnliche Baugeschichte hat verschiedene
Erklärungsversuche gefunden, verliert aber vor dem Hintergrund des damaligen
politischen Umsturzes in Oberägypten ihre Rätsel.
Bald nach der Thronbesteigung Sethos' II. griff ein Usurpator
namens Amenmesse nach der Krone; er ist vielleicht mit dem damaligen Vizekönig
von Nubien Mesui identisch (nach einer Theorie von Rolf Krauss sogar das
Vorbild für Moses) und sicher ein Angehöriger des Königshauses. Es gelang ihm,
zumindest während des dritten und vierten Regierungsjahres (er übernahm die
Zählung von Sethos II.) Theben unter seine Gewalt zu bringen. In dieser Zeit
wurde die Arbeit am Grabe Sethos' II. (KV 15) unterbrochen und die schon
ausgeführten NamensKartuschen des legitimen Königs getilgt; Amenmesse begann
mit KV io ein eigenes Königsgrab, das in der kurzen Zeit erstaunlich weit, bis
über eine erste Pfeilerhalle hinaus, ausgeschachtet und auch zu einem grossen
Teil traditionell dekoriert wurde. Spuren von Kartuschen des Usurpators und von
der ursprünglichen Dekoration finden sich noch in der Pfeilerhalle. Eine
eigentliche Sargkammer konnte allerdings nicht mehr ausgeführt werden.
Nach der Rückgewinnung Oberägyptens blieben Sethos II. noch
knapp zwei Jahre, in denen er einen Teil der Dekoration im Grab des Usurpators
abmeisseln und die Arbeiten an seinem eigenen Grab wieder aufnehmen liess. Bis
zu seinem Begräbnis, dessen genaues Datum eine Notiz über dem Eingang zum Grab
der Tausret überliefert, wurden die erwähnten Änderungen im Bildprogramm
ausgeführt und die Dekoration notdürftig zu Ende geführt. Im Grab des Amenmesse
kam es später mit der Königin Tachat zu einer sekundären Bestattung.
Königin und Pharao:Tausret
Neben Hatschepsut hat das Neue Reich eine zweite Königin,
die sich mit allen Attributen eines regierenden Pharao schmückte. Nach dem Tode
Sethos' II. übernahm seine Witwe Tausret die Regentschaft für ihren
minderjährigen Sohn Siptah und liess für ihn das Grab KV 47 vorbereiten,
während für sie selber ganz in der Nähe bereits ein Grab im Bau war, das von
den Massen und der Dekoration her zunächst als Grab einer Königin entworfen
wurde (KV 14); als solches hätte es eigentlich in das Tal der Königinnen
gehört, und die Wahl des neuen Ortes stellt ein besonderes Privileg dar.
In den vorderen Korridoren erscheint die Königin vor dem
Sonnengott und anderen Göttern, anschliessend vor den Toren des Jenseits und
ihren Wächtern. Diese Szenen aus dem Totenbuch bilden, wie bei Nefertari, eine
Entsprechung zum königlichen Pfortenbuch und schmücken daher auch die Wände
einer ersten kleinen Halle (ohne Pfeiler); hier findet sich auch die Szene mit
Osiris im Schrein, die bei den Königsgräbern im Zentrum der oberen Pfeilerhalle
steht.
Die Analogie zum Königsgrab wird durch das Ritual der
Mundöffnung in den beiden folgenden Korridoren noch stärker betont, ferner
durch die Motive aus dem TotenbuchSpruch 151 im Schachtraum und direkt dahinter
— eigentlich befinden wir uns, von der Dekoration her gesehen, jetzt bereits in
einem Königsgrab, und dieser Eindruck ist dann überdeutlich in der ersten
Pfeilerhalle. Diese ist ganz nach dem Vorbild des MerenptahGrabes gestaltet,
sogar die gewölbte «astronomische» Decke fehlt nicht. Auf der rechten Wand
tritt, wie bei Merenptah, das Schlussbild des Höhlenbuches mit dem Sonnenlauf
hervor, über dem widderköpfigen Flügelwesen und dem Doppelsphinx Aker mit der
Sonnenbarke. Darstellungen von Beigaben (Möbel, Truhen, Schreine und Gefässe)
schmücken den Absatz zwischen den Seitenschiffen und dem vertieften
Mittelschiff. Auf der rechten Eingangswand ist das WasserRechteck mit den
Ertrunkenen aus der neunten Stunde des Pfortenbuches erhalten, darunter die
gefesselten Feinde vor der feuerspeiendenRiesenschlange.
Aber die Masse stimmen nicht, die Pfeilerseiten sind zu
klein und tragen daher auch jeweils nur eine Figur; König und Gottheit, die
früher eine Szene bildeten, sind jetzt getrennt. Für die Bestattung von
Sethnacht wurde die Figur der Königin übertüncht und in der vorderen
Pfeilerreihe durch den neuen Grabherrn ersetzt. Kennzeichnend ist auch, dass in
den Durchgängen zwischen den Räumen der vorderen Grabhälfte nicht, wie im
Königsgrab, die Göttin Maat erscheint (sie betont nur den Eingang zur
Pfeilerhalle), sondern Hathor und am Anfang des dritten Korridors die Göttin
Meresger als geflügelte Schlange.
Jenseits dieser ersten Pfeilerhalle entsprechen aber auch
die Masse dem königlichen Standard, und die zwei folgenden breiten Korridore werden
mit dem königlichen Amduat geschmückt, das in die dicke Stuckschicht
eingeschnitten und nicht mehr bemalt wurde. Tausret hat sich nun, wohl nach dem
Tod des Siptah, von der Königsgemahlin zum regierenden weiblichen Pharao
gewandelt, und der neue, «königliche» Teil ihres Grabes dehnte dieses auf eine
Gesamtlänge von über
Metern aus. Eine zweite Pfeilerhalle wiederholt, soweit sie
vollendet wurde, das Bildprogramm der ersten, aber jetzt in den königlichen Massen.
Der stark beschädigte Sarkophag, der in diesem Raum steht, gehört jedoch nicht
Tausret, mit der die 19. Dynastie endet, sondern dem neuen Dynastiegründer
Sethnacht.
Parallel zur Ausgestaltung ihres eigenen Grabes wurde an
zwei benachbarten Gräbern gearbeitet, am eigentlichen Königsgrab des Siptah (KV
47) und am Grab des Bai (KV 13), des leitenden Ministers, der im fünften Jahre
des Siptah, noch vor der Alleinherrschaft der Tausret, gestürzt und
hingerichtet wurde. Sein Grab ist — für einen Beamten einmalig — im Grundriss
als reguläres Königsgrab angelegt, allerdings mit verkleinerten Massen und ohne
Pfeiler; die Sargkammer blieb unvollendet. Der Eingang ist auch wie ein
Königsgrab dekoriert (SonnenAnbetung, Maat über Wappenpflanzen, Grabherr vor
dem falkenköpfigen Sonnengott), im Grabinneren aber war die Dekoration der
Tausret Vorbild, mit dem Grabherrn vor Gottheiten und dem König (Siptah), dazu
den Toren aus dem Totenbuch; könig liche Texte finden sich nicht. Das Grab
wurde nach dem Sturz des Ministers zunächst aufgegeben, aber in der zo.
Dynastie für die Bestattung zweier Prinzen benutzt.
Für Siptah wurde während seiner über sechsjährigen Regierung
ein Grab im traditionellen Grundriss ausgeschachtet, wobei es gegen Ende jedoch
zu einer Kollision mit dem benachbarten Grab KV 3 2. aus der i 8. Dynastie kam;
dies führte dazu, dass man den Grundriss etwas verändern und noch einen
zusätzlichen Raum vor der Sargkammer einschalten musste.
Die Dekoration ist in den beiden ersten Korridoren noch
vorzüglich erhalten, vor allem auch die Decke mit fliegenden Geiern im ersten,
der Deckentext (mit dem widderköpfigen SonnenBa zwischen Isis und Nephthys als
Klagevögeln) im zweiten Korridor und die begrüssende, geflügelte MaatGöttin im
Eingang. Hinter den SonnenlitaneiFiguren und den Schlusstexten aus dem Amduat
im zweiten Korridor erscheint jetzt Anubis an der Totenbahre, neben der Isis
und Nephthys knien, also das zentrale Bild aus dem TotenbuchSpruch r5t. Die
traditionellen Nischen fehlen in diesem Korridor. Im dritten Korridor, der
nochmals mit einer geflügelten MaatGöttin beginnt, sind noch Spuren der
üblichen Dekoration mit dem Amduat erhalten, und auch in den Räumen dahinter,
bis in den zusätzlichen Raum vor der Sargkammer, haben sich Spuren der
Dekoration gefunden. Die Sargkammer blieb unfertig und ohne Nebenkammern, nur
die vorderen vier Pfeiler sind vollständig ausgearbeitet.
Grenze des Wachstums: Ramses III.
Sethnacht begann mit der Anlage eines neuen Grabes (KV ii),
das an die Tradition von Merenptah und Siptah anknüpfte, aber den Zugang noch
repräsentativer ausgestaltete, mit zwei Pilastern mit Kuhköpfen auf beiden
Seiten, die entweder die Hirnmelskuh Mehetweret oder Hathor meinen. Bei der
Ausschachrung des dritten Korridors gab es eine unerwartete Kollision mit dem
benachbarten Grab des Amenmesse; das war, nach Siptah, eine neue Katastrophe,
die zunächst zur Einstellung der Arbeiten führte. Als der König bereits nach
zwei Jahren starb, wurde er nicht im «entweihten» Grab KV II, sondern im Grab
der Tausret beigesetzt, obwohl die Nischen mit der Darstellung von Beigaben zu
beiden Seiten des ersten und zweiten Korridors auf eine mögliche Notbestattung
hinweisen; hier finden sich u. a. das reizvolle Motiv der blinden
Harfenspieler, das von den frühen Reisenden öfter kopiert wurde (letzte Nische
links), aber auch Fruchtbarkeit spendende «Nilgötter», Motive aus den
TotenbuchSprüchen tIo und 148 und Gestalten des Osiris. Diese Malereien sind
sehr frisch und lebendig ausgeführt, die Texte in den Korridoren dagegen eher
flüchtig und nachlässig.
Der Sohn und Nachfolger Ramses III., der Ägypten vor der
Invasion der Libyer und Seevölker retten konnte,hat dann doch beschlossen, die
Arbeit an KV 11 weiterzuführen. Er musste wegen des Durchbruchs zum Nachbargrab
einen zusätzlichen Raum zwischen dem zweiten und dritten Korridor einschieben,
der ein eigenes Bildprogramm erforderte; hier finden sich Anspielungen auf das
Erneuerungsfest des Königs (SedFest), zu dem auch die Göttin Meret gehört. Auf
der Eingangswand vollzieht der König eine Räucherung und Wasserspende vor dem
thronenden PtahSokarOsiris, hinter dem mit ausgebreiteten Flügeln die
«Gottesmutter» Isis steht, und auf der rechten Wand opfert er vor Osiris und
Anubis.
Ab dem folgenden, etwas verschobenen Korridor folgt die
Dekoration wieder dem üblichen Schema, mit dem Amduat (vierte und fünfte
Stunde) auf beiden Seiten und den Gottheiten (Horussöhne u. a.) im Schachtraum,
in dessen Eingang auf der rechten Seite eine kuhköpfige Hathor erscheint. Die
Wanddekoration der ersten Pfeilerhalle ist, wie üblich, dem Pfortenbuch (fünfte
und sechste Stunde) vorbehalten, ebenso im einzigen Nebenraum (siebente
Stunde), in dessen Eingang Neith und Selkis (mit dem Skorpion auf dem Kopf) den
Eintretenden begrüssen. In der zentralen OsirisSzene über dem Abgang ist jetzt
der opfernde König in den Schrein des Gottes hineingestellt.
Der untere Teil nach dem Abgang besteht nur aus einem
Korridor (mit Szenen aus dem Ritual der Mundöffnung) und zwei Vorräumen mit der
Darstellung von Gottheiten, die mit Schutz und Regeneration zu tun haben, sowie
dem üblichen Anruf an die Totenrichter. Der ganze untere Teil des Grabes hat
durch eingedrungenes Wasser schwer gelitten; die Pfeiler in der Sargkammer sind
heute zerstört, doch lässt sich ihre Dekoration aus alten Kopien ergänzen. Auf
jeweils zwei Seiten erschien der König, auf den beiden anderen wechselnde
Götter. Die Wände waren mit einigen Nachtstunden aus dem Pfortenbuch und
Motiven aus dem Buch von der Erde geschmückt. Ein letztes Mal ist eine
Seitenkammer (rechts hinten) dem Buch von der Himmelskuh gewidmet.
Ramses III. hat sein Nachleben zusätzlich abgesichert, indem
er sich auch in den Gräbern seiner Söhne als Hauptperson darstellen liess, die
den Prinzen in die jenseitige Welt der Götter geleitet. Die grosse Zahl von
jung verstorbenen Prinzen hat schon an eine Seuche denken lassen. Sechs dieser
Gräber liegen im Tal der Königinnen, ein weiteres im Tal der Könige. Dieses
anonyme Grab (KV 3) ist nicht nur durch seine Lage, sondern auch durch die
Verwendung königlicher Masse beim Korridor und bei den Pfeilern ausgezeichnet,
muss demnach dem designierten Thronfolger gehört haben. Doch tritt auch hier
der Prinz nur im Gefolge seines Vaters vor die Götter, und der Grundriss ist
gegenüber einem Königsgrab stark verkürzt, der einzige Korridor (nur er ist
dekoriert) mündet sogleich in eine Halle mit vier Pfeilern, an die sich noch
drei weitere Räume anschliessen; abweichend vom Königsgrab erscheint über dem
Eingang die geflügelte Sonnenscheibe statt der üblichen SonnenAnbetung, und im
Inneren findet sich als erste Gottheit links nicht der Sonnengott, sondern
Ptah, während Re und Thot auf der rechten Wand folgen.
Neubesinnung: Ramses IV.
Nach der Ermordung von Ramses III. gelang es seinem Sohn
Ramses IV., die vom Harem ausgehende Verschwörung niederzuschlagen und die
Schuldigen zu bestrafen. Um die gestörte Ordnung neu zu befestigen, bestätigte
der neue König durch den zrossen Papyrus Harris die Schenkungen seines Vaters
an die Tempel und ergänzte sie mit eigenen Opferstiftungen. Seine Bautätigkeit
konzentrierte sich auf einen Totentempel, der in grossen Dimensionen geplant
war, aber unvollendet blieb.
Dieses Mal dauerte es ungewöhnlich lange, bis der Platz für
das neue Königsgrab festgelegt war. Das hängt sicher mit dem völlig neuen
Konzept der Planung zusammen. Bisher waren die Königsgräber von Regierung zu
Regierung immer grösser und reicher ausgestattet worden, jeder König suchte
seine Vorgänger zu übertreffen. Diese Entwicklung hatte jetzt, in einer Zeit
wirtschaftlicher Probleme, ihre Grenze erreicht. Ramses IV. reduziert den
Grundriss und die Dekoration, verzichtet auf Pfeiler und Treppen, auf
Nebenräume und auf die vielen Darstellungen des Königs vor den Göttern; sein
Grab ist nur etwa 81 Meter lang, gegenüber 135,5 bei Ramses III. Dafür
erweitert er die verwendeten Masse, so dass dieses Grab viel geräumiger als
alle früheren ist — ein Grabpalast mit Korridoren, die über 3 Meter breit und
über 4 Meter hoch sind. Im i9. Jahrhundert diente es daher als «Hotel» für
viele Expeditionen, die im Tal der Könige arbeiteten, so auch für Champollion
und Rosellini (18z9); von den Besuchern und Bewohnern schon in der Antike
zeugen die vielen griechischen und koptischen Graffiti, die über das ganze Grab
verteilt sind.
Die Fassade des Grabes ist repräsentativ ausgestaltet, und
die Korridore führen nicht mehr steil in die Tiefe, wie in den früheren
Gräbern, sondern verlaufen beinahe horizontal. Immer noch sind die beiden
ersten Korridore dem Text und den Figuren der Sonnenlitanei vorbehalten, nach
der üblichen Eingangsszene, die den König, mit einer reichen Krone geschmückt,
vor dem falkenköpfigen Sonnengott ReHarachte zeigt. Die grosse Litanei auf der
linken und am Ende der rechten Wand ist durch den stereotypen Anfang ihrer 75
Zeilen gut zu erkennen. An der Decke breiten schützende Vögel ihre Flügel aus,
neben Geiern und Falken auch geflügelte Skarabäen. Der zweite Korridor hat auf
beiden Seiten Nischen, die mit Figuren der Sonnenlitanei dekoriert sind; die
übrigen Figuren folgen auf den anschliessenden Wänden, und ein Teil ist nur in
diesem Grab auf die Decke gemalt. Darunter stehen weitere Texte aus der
Sonnenlitanei, die 'isher hier üblichen Schlusstexte aus dem Amduat fehlen.
Im dritten Korridor ist das Amduat durch ein jüngeres
Unterweltsbuch ersetzt, das Höhlenbuch (erster und zweiter Abschnitt). Die
vielen Ovale in den Darstellungen meinen Sarkophage, in denen Götter oder
selige Verstorbene liegen. Im untersten Register ist die Bestrafung der
«Feinde» dargestellt, die gefesselt und zum Teil bereits geköpft sind. Die Decke
ist zuerst eben und mit Sternen geschmückt, danach gewölbt und mit einer
ausführlichen Königstitulatur in der Mitte versehen. Von der Mitte des Raumes
führt eine schräge Rampe bis zur Sargkammer; sie durchschneidet die Vorkammer,
die mit Sprüchen aus dem Totenbuch dekoriert ist, vor allem mit dem Spruch rz5,
der das Totengericht behandelt, und benachbarten Sprüchen. In den Texten treten
die vielen gelb bemalten NamensKartuschen des Königs deutlich hervor.
Die Sargkammer wird zu einem grossen Teil vom monumentalen
GranitSarkophag des Königs ausgefüllt; auch hier ist Ramses IV. über die bisher
üblichen Masse hinausgegangen (Länge 3,55 Meter, Höhe 3,32. Meter). Auf den
Wänden erblickt man die zweite bis vierte Nachtstunde aus dem Pfortenbuch. In
jeder Stunde kniet jetzt der König in der Barke vor dem widderköpfigen
Sonnengott und opfert ihm eine Figur der Göttin Maat. Der vorherrschende
Farbeindruck ist Gelb, trotz des weissen Hintergrundes bei den Texten; damit
wird die Sargkammer als «Goldhaus» gekennzeichnet. Die horizontale (nicht mehr
gewölbte) Decke ist völlig neu gestaltet und statt mit Sternbildern und
Dekanlisten mit zwei grossen Figuren der Himmelsgöttin Nut bemalt; sie beugt
sich über die Erde und wird im linken Teil vom Gott Schu gestützt. In diesen
Rahmen ist links das Nutbuch eingefügt, eine Beschreibung des Himmels und
seiner Phänomene, rechts ein Teil des Buches von der Nacht, in dem die
nächtliche Fahrt des Sonnengottes durch den Leib der Göttin beschrieben wird.
Hinter der Sargkammer folgt ein weiterer Raum, der nicht
mehr mit Reliefs, sondern durchweg mit Malerei ausgehmückt ist. Die Texte
stammen aus dem ersten Abschnitt des Höhlenbuches, dazu erscheinen in Nischen
Opfergaben und verschiedene Gottheiten in Schreinen. Von diesem Raum zwei gen zwei
enge Kammern ab, die zur Aufbewahrung der Totenfiguren (Uschebti) dienten und
an deren Wänden diese Figuren abgebildet sind. Auch eine hintere, letzte Kammer
ist mit Beigaben (Betten, Schreine, KanopenKrüge für die Eingeweide) ausgemalt;
über ihrem Eingang verkörpert ein Doppelsphinx die Unterwelt, durch welche die
Fahrt der darüber sichtbaren Sonnenbarke geht.
Nochmals Erweiterung: Ramses VI.
Ramses VI. übernimmt das angefangene Grab seines Vorgängers
(KV 9), und so gelingt es ihm trotz einer relativ kurzen Regierung von sieben
oder acht Jahren, noch einmal eine gewaltige Grabanlage beinahe
fertigzustellen, mit einer nahezu vollständigen Sammlung der wichtigsten
Jenseitstexte. Für ihre Verteilung hat er ein ganz neues Konzept entwickelt,
das ihm so wichtig schien, dass er die von Ramses V. schon vollendete obere
Grabhälfte (bis zur ersten Pfeilerhalle) gründlich umgestalten liess. Die
traditionelle Sonnenlitanei in den beiden ersten Korridoren wurde getilgt und
durch den Anfang von Pfortenbuch (links) und Höhlenbuch (rechts) ersetzt; auch
in den folgenden Räumen ist die Dekoration zugunsten dieser beiden Bücher
geändert und sogar ein Pfeiler dafür umdekoriert. Auf die Götterszenen im
Schachtraum musste nun verzichtet werden, dafür wird der König am Anfang des
ersten Korridors auf beiden Seiten vor dem falkenköpfigen ReHarachte und Osiris
in verschiedenen Gestalten (rechts mumienförmig) dargestellt.
Das Bestreben, den Lauf der Sonne in das Grab hineinzunehmen
und den König einzubeziehen, wird hier nochmals besonders deutlich; Pfortenbuch
und Höhlenbuch bilden zwei vollständige Zyklen der Nachtfahrt, die sich vom
Eingang bis zur Rückwand der ersten Pfeilerhalle mit den Schlussbildern beider
Bücher entfalten. An den Decken werden sie ab dem dritten Korridor von den
Himmelsbüchern begleitet, mit einem durchsehenden Bild der Göttin Nut, welche
die Sonne im Westen verschluckt und im Osten, am Anfang, neu gebiert. Die
Geierdecke im ersten Korridor ist durch eine «astronomische» Decke mit
Sternbildern, Listen von Dekangestirnen und Visierfiguren ersetzt, fortgesetzt
im zweiten Korridor und an den Seiten der oberen Pfeilerhalle. Die zweite
Hälfte des Grabes bringt mit dem Amduat und dem neuen «Buch von der Erde» in
der Sargkammer zwei weitere Zyklen, wiederum kombiniert mit den Himmelsbüchern.
Die Gerichtshalle des Osiris im Pfortenbuch tritt jetzt im
zweiten Korridor hervor, und im Schachtraum das WasserRechteck mit den
Ertrunkenen, dazu die Bilder von Nut und Osiris aus dem Höhlenbuch. Auf den
vier Pfeilern sind jeweils zwei Seiten dem König vorbehalten, die anderen
beiden Gottheiten, mit Meresger (zweiter Pfeiler links) als einziger Göttin;
der widderköpfige AmunRe erscheint zusammen mit Chons auf dem ersten Pfeiler
links, auf den übrigen Pfeilerseiten werden noch PtahSokarOsiris, Ptah im
Schrein, ReHarachte und der ibisköpfige Thot abgebildet. Die Götter und
Königsfiguren im oberen Teil der Pfeiler sind als verschlüsselte Schriftzeichen
zu lesen, mit denen Titel und Namen von Ramses VI. geschrieben werden, um auch seinen
Namen zu vergöttlichen.
Im Abgang zur unteren Grabhälfte erscheinen die Göttinnen
Meresger und Nechbet als geflügelte Schlangen. Dahinter beginnt das Amduat, das
den vierten und fünften Korridor ausfüllt — die ersten fünf Nachtstunden
fortlaufend links, der Rest auf den rechten Wänden, jedoch mit vielen
Umstellungen und ohne die letzte Stunde. Unter der ersten und sechsten Stunde,
am Ende des Abgangs, sind auch Neith und Selkis als geflügelte Schlangen
dargestellt. Die Decken im unteren Teil konzentrieren sich auf den Sonnenlauf,
mit ungewöhnlichen Darstellungen der Sonnenbarke und des Wiederauflebens der
Toten, die sich von ihren Bahren erheben, dazu Götterreihen aus den
Himmelsbüchern und Stundengöttinnen; im fünften Korridor erblickt man an der
Decke u. a. ein grosses Mondsymbol, und in der Vorkammer geht es um die
Auferweckung des Osiris.
Im zweiten Korridor des unteren Bereichs kam es links unter
der Decke zur Kollision mit dem anstossenden Grab KV Tz, einem Mehrfachgrab
ungewissen Datums, das keine königlichen Masse aufweist. Wahrscheinlich wurde
die Arbeit für eine Weile unterbrochen, bis die Konsequenzen dieser neuen
Baukatastrophe überdacht waren. Der Fussboden und die Decke des Korridors
wurden zur Vorkammer hin steil abgesenkt, der Durchbruch zugemauert und
verputzt; so entstand zwischen dem Anfang und der Fortsetzung der Decke eine
senkrechte Stufe, die mit einem «Schutzbild» bemalt wurde, um das Eindringen
feindlicher Mächte zu verhindern. Bild und Text ergänzen sich, um das Grab an
dieser gefährdeten Stelle magisch zu verschliessen; Arme und Beine des
Sonnengottes verwandeln sich in Schlangen, die aus der Sonnenscheibe
hervorschiessen und Feuer gegen die Feinde speien, die bereits gefesselt oder
von Pfeilen getroffen sind.
An diesen kritischen Raum schliesst sich die Vorkammer an,
die ja seit Ramses II. dem Totengericht und damit der Abwehr des Bösen gewidmet
ist. Im Zentrum steht auf der linken Wand wieder der Spruch 1Z5 mit seinem
Anruf der Totenrichter; auf der rechten Wand sind die rot bemalten «Feuerseen»,
von je vier Pavianen bewacht, aus dem Spruch 12.6 angebracht, dazu in der Mitte
ein Hymnus an die Göttin Maat, «die das Übel fernhält und deren Abscheu Unrecht
ist» und die mit deutlicher Anspielung auf das Totengericht, das ja in der «Halle
der doppelten Maat» stattfindet, auch als «Waage des Herrn der Beiden Ufer»
bezeichnet wird. Am Ausgang des Raumes erscheint auf beiden Seiten der König,
und der begleitende Text fordert dazu auf, ihm die Tore der Unterwelt zu
öffnen, da er die BaSeele des Osiris sei.
Die Sargkammer blieb unvollendet und wurde wohl in grosser
Eile für das Begräbnis des Königs hergerichtet; auf Seitenkammern hat man
verzichtet. Nur die mittleren Pfeiler der vorderen Reihe sind ganz aus dem
Felsen herausgelöst und auf allen vier Seiten dekoriert, wobei rechts wieder
als einzige Göttin Meresger erscheint, mit einer hohen Federkrone. Die beiden
anderen Pfeiler dieser Reihe sind noch mit dem Fels verbunden, und die hintere
Reihe macht nur die Frontseite der vier Pfeiler sichtbar. Ihre Dekoration führt
das Buch von der Erde fort, dessen Hauptteil auf die beiden Schmalseiten des
Raumes verteilt ist. mit dem Beginn vermutlich auf der linken Wand.
Rings um den ganzen Raum läuft ein Fries von knienden. ge fesselten
und geköpften FeindFiguren, abwechselnd rot und schwarz bemalt. Die Grube für
den Sarkophag ist stärker eingetieft als bisher und enthält jetzt nur noch die
Trümmer des einstigen Begräbnisses. Über ihr wölbt sich eine Decke, an der zwei
langgestreckte Figuren der nackten Himmelsgöttin die Bücher vom Tage und von
der Nacht einrahmen.
In der Achse des Grabes hat man in der Rückwand der
Sargkammer einen weiteren Raum begonnen und am Ende mit dem etwas abgewandelten
Schlussbild aus dem Pfortenbuch bemalt, das den Aufstieg der Sonne aus der
Tiefe des Urgewässers zum Himmel zeigt und auf beiden Längswänden von den
Horussöhnen, dem König und den personifizierten Dekangestirnen angebetet wird,
so dass sich hier am Ende Himmel und Unterwelt als die beiden Jenseitsbereiche
begegnen.
Es ist deutlich, dass sich das Bildprogramm dieses Grabes
stärker als bisher auf die Sonnenfahrt konzentriert und deshalb die Unterwelts
und Himmelsbücher in den Vordergrund stellt. Sonnenlitanei und Ritual der
Mundöffnung werden dadurch entbehrlich, und auch die gestirnten Decken weichen
den ausführlicheren Himmelsdarstellungen. In den Raumdurchgängen bringt man
jetzt Titel und Name des verstorbenen Königs an, statt der Göttin Maat, und
darüber schützende Geier.
Die letzten Ramessiden
Ramses VII. (KV i) orientiert sich am Grab seines
Vorgängers, begnügt sich aber mit nur einem langen Korridor und einer recht
bescheidenen Sargkammer ohne Pfeiler, mit einem weiteren kleinen Raum dahinter.
In die Szene der Sonnenanbetung über dem Eingang wird von jetzt an auch der
König mit eingefügt, neben Isis und Nephthys. Eingangsszenen finden sich, wie
bei Ramses VI., auf beiden Wänden und zeigen den König links vor ReHarachte,
rechts vor PtahSokarOsiris, beide falkenköpfig, thronend und zusammen mit dem
König in einen Schrein gestellt; vor dem Sonnengott hat der König eine
Säbelantilope geopfert.
An den Wänden des Korridors konnte man nach diesen Sze nen
links nur die beiden ersten Stunden des Pfortenbuches und gegenüber den
Bildteil und den Anfang des Textteiles aus dem ersten Abschnitt des
Höhlenbuches anbringen. Der Fries darüber besteht aus geflügelten
SkarabäusKäfern, löwenköpfigen Schlangen und dem Namen des Königs. Als Neuerung
erscheint am Ende auf beiden Seiten eine Szene, in welcher Pharao als Osiris
durch den IunmutefPriester, im Pantherfell und mit Seitenlocke, kultisch
gereinigt wird; das Motiv wird bei Ramses IX. nochmals aufgegriffen.
In der Sargkammer ist zum ersten Mal nicht gelber, sondern
der neutrale weisse Hintergrund verwendet. Als Sockel dient ein Fries von
knienden und gefesselten Feindfiguren, abwechselnd rot und schwarz bemalt, den
Farben von Blut und Nichtsein. Auf der Eingangswand wird der Eintretende von
zwei reich geschmückten Göttinnen begrüsst, die beide als Werethekau «Die
Zauberreiche» bezeichnet sind, im rechten Teil dazu noch als löwenköpfige
SachmetBastet; sie treten offenbar an die Stelle der Hathor, betonen aber den
bedrohlichen, noch nicht besänftigten Aspekt der Göttin.
Die Seitenwände des Raumes sind in zwei Register aufgeteilt
und geben zum Teil Szenen wieder, die zum Buch von der Erde gehören, zum Teil
aber auch Szenen, die ohne Parallele sind. Links unten erscheint in der Mitte
der Sonnenleichnam als schwarz bemalter Widder, der aus einem Grabhügel
herausragt und von widderköpfigen Göttern angebetet wird; dahinter wird die
Sonne als Widderkopf aus dem Leib eines Krokodils neu geboren, womit ihre
Erneuerung im Urgewässer angedeutet ist. Der obere Streifen der rechten Wand
endet mit einer Szene des Sonnenlaufes, in der zwei Armpaare die Sonnenscheibe
in Richtung auf den Grabeingang bewegen. Auf der Rückwand wendet sich der König
dem Durchgang in den hintersten Raum zu, der ihn vor Osiris zeigt. Die
undekorierte Nische in der Mitte der Rückwand dieses Raumes ist von zwei
personifizierten DjedPfeilern mit Armen und Augen eingerahmt, die Osiris
vertreten, auf den sich die Texte des Raumes beziehen; über ihr erscheint ein
abgewandeltes Motiv aus der GerichtsSzene des Pfortenbuches, unter ihr ein
«Stilleben» mit aufgehäuften Opfergaben.
Zur Aufnahme der Bestattung diente eine Vertiefung in der
Mitte der Sargkammer, über die eine Sarkophagwanne als Deckel gestülpt ist.
Während der erste Korridor eine Geierdecke hat, ist die Decke der Sargkammer
dreigeteilt und folgt dem Vorbild der oberen Pfeilerhalle bei Ramses VI. Der
mittlere Teil ist gewölbt und in der Achse des Grabes mit zwei langgestreckten
Figuren der Nut bemalt. Statt Himmelsbücher umschliesst ihr Leib aber
Dekantabellen und Gottheiten der Gestirne; in den geraden «Seitenschiffen»
schliessen sich Tabellen von Sterndurchgängen und die zugehörigen frontalen
Visierfiguren an. Diese «Sternuhren», wie wir sie auch bei Ramses VI. und
Ramses IX. finden, waren für eine Zeitbestimmung viel zu ungenau, aber sie
gaben mit dem «Leben und Sterben» der Dekangestirne ein Vorbild für das
erhoffte Wiederaufleben des Verstorbenen, das in die Gesetzmässigkeit des
Kosmos eingebunden wird. Eine lange Schriftzeile verheisst ihm, dass er den
Himmel, der bis an das Ende der Zeit auf seinen Stützen ruht, «mit herrlich
günstigem Wind» durchfahren wird, der Sonne gleich.
Von Ramses VIII. ist kein Grab bekannt; er hat nur etwa ein
Jahr lang regiert und wurde vielleicht in der neuen Residenz im Norden
bestattet. Ramses IX. hat dagegen mit KV 6 noch einmal ein Königsgrab in grossem
Stil begonnen, trotz seiner relativ langen Regierung von i8 Jahren aber nicht
zu Ende führen können; vielleicht gab es bereits Zweifel, ob das Tal der Könige
als Königsnekropole weitergeführt werden sollte. Der Eingang ist wieder
repräsentativ mit unfertigen Pilastern ausgestaltet und zeigt als ungewöhnliche
Variante der SonnenAnbetung die Sonnenscheibe im Leib der schwangeren
Himmelsgöttin. Die Wanddekoration beginnt in allen drei Korridoren mit einem
schlangenbewachten Türflügel, wie er aus den Darstellungen des Pfortenbuches
vertraut ist und hier den Verschluss durch Holztüren magisch verstärkt.
Die Eingangsszene ist wieder verdoppelt und zeigt den König
links vor dem falkenköpfigen ReHarachte und Osiris, rechts vor einem
AmunReHarachte mit vier Widderköpfen, gefolgt von Meresger als Westgöttin, mit
gestufter Perücke; die Szenen sind auf beiden Wänden von einem Schrein umrahmt,
und rechts liegt wieder, wie bei Ramses VII., eine geopferte Säbelantilope vor
dem Gott. Die restlichen Wandflächen des langen Korridors sind links mit einem
Teil der Sonnenlitanei (die seit Ramses V. gefehlt hatte), rechts mit dem
Höhlenbuch (erster Abschnitt) geschmückt; nur am Ende der linken Wand erscheint
die kultische Reinigung des Königs als Osiris durch den IunmutefPriester als
Teil einer fortlaufenden Vergöttlichung des Königs, die sich auf der linken
Wand im zweiten Korridor fortsetzt. Vier kleine Nebenkammern erinnern an die
Anlage von Ramses III., sind aber ohne Dekoration. Nach dem Vorbild von Ramses
VII. schliesst ein Fries mit löwenköpfigen UräusSchlangen und KönigsKartuschen,
aber ohne Skarabäen, die Wände oben ab. Die Decke ist mit fliegenden Geiern und
SkarabäusKäfern bemalt..
Der zweite Korridor, mit einer weiteren SonnenAnbetung über
dem Eingang, führt rechts das Höhlenbuch fort, mit dem zweiten und Teilen des
dritten und vierten Abschnitts. Links folgen weitere Figuren aus der
Sonnenlitanei und in der Mitte ein Bildstreifen (oberes Register der zweiten
Stunde) aus dem Amduat über Sprüchen aus dem Totenbuch. Am Ende der Wand
erscheint die doppelte Darstellung des «Feuersees» aus Spruch 12.6 mit dem
Anruf des Königs an die bewachenden Paviane; darunter betet der König, der
zuvor von einer Gestalt der Hathor begleitet wurde, vor dem falkenköpfigen
ChonsSchu als Mondgott. Die Decke ist mit Sternbildern, Dekanlisten und
Visierfiguren bemalt, im dritten Korridor zeigt sie das schon aus dem Grab
Ramses' VI. vertraute Wiederaufleben der Verstorbenen auf ihren Bahren, dazu
Ausschnitte aus den Himmelsbüchern.
In der Szene der SonnenAnbetung über dem dritten Korridor
wird der König dieses Mal von einer Neunheit von Gottheiten begleitet. Beide
Wände dieses Korridors zeigen als Sockel einen Fries von knienden, geköpften
(links) und gefesselten (rechts) Feindfiguren, abwechselnd rot und schwarz
bemalt. Die linke Wand bringt den Rest der zweiten und den Anfang der dritten
Stunde aus dem Amduat, wobei die Texte zum Teil doppelt, in bunten und in
einfarbigen Hieroglyphen, ausgeführt sind.
Schon im zweiten Korridor begegnet man einer Mischung aus
buntem und einfarbigem Relief oder Malerei, im Gegensatz zur sorgfältigen
Ausführung des ersten Korridors offenbar in grosser Eile erst nach dem Tod des
Königs hergestellt.
Am Anfang der rechten Wand im dritten Korridor bringt der König
eine Figur der Maat dem Ptah als «Herrn der Maat» dar; dahinter erinnert eine
schräge Figur des Osiris, vor dem Wüstengebirge und im Schutz einer grossen
Schlange, an den Schluss des Amduat mit seiner schrägen OsirisMumie, die in der
Unterwelt zurückbleibt, wenn die Sonne als Scheibe und Skarabäus zum Himmel
emporsteigt; auch hier erscheinen über Osiris Sonnenscheibe und SkarabäusKäfer,
von Osiris aber wird ausgesagt, dass er sich in der Urfinsternis und in der
«Vernichtungsstätte» befindet, dem Ort der Wandlung. In drei Registern ist auf
dem Rest der Wand eine sonst unbekannte Komposition angebracht, mit der
schlangengestaltigen Sonnenbarke im Mittelregister, die über den Schlangenleib
des Apophis dahinfährt; die feindlichen Schlangen vor der Barke sind von
Pfeilen getroffen und unschädlich gemacht. Im unteren Register geht es um die
Neugeburt der Sonne, und von oben streben in gelb oder rot bemalten und als
Sand gepunkteten Kreisen acht «Ausgebreitete» der Sonne zu; ihre Haltung ähnelt
dem Zeichen «Stern im Kreis» für die Unterwelt, aber auch den Dahintreibenden
im Urgewässer. Bei ihnen fehlt jede Beischrift, während die Texte in den beiden
anderen Registern und bei Osiris eine etwas verfremdete Gestalt haben, die man
als «aenigmatische» Schrift bezeichnet.
Auf der Rückwand des Schachtraumes erscheint auf beiden
Seiten der IunmutefPriester im Pantherfell bei der kultischen Reinigung und
Mundöffnung; sonst blieb dieser Raum, wie die folgende Pfeilerhalle, ohne
Dekoration, und die Sargkammer, von bescheidenem Ausmass und ohne Pfeiler, ist
sehr flüchtig und uneinheitlich dekoriert. Das Bildprogramm der Wände bietet,
flüchtig aufgemalt, «Zitate» aus den verschiedensten Unterweltsbüchern, dazu
auf der Rückwand die schon aus Ramses VI. bekannte Szene von der Auferweckung
des Osiris. Wir treffen u. a. den Sonnenleichnam aus dem Amduat (sechste
Stunde), Motive aus dem fünften und sechsten Abschnitt des Höhlenbuches (mit
den Figuren von Nut und Osiris auf der Eingangswand), Teile aus dem Buch von
der Erde und verwandten Kompositionen. Die Deckenmalerei beginnt mit einer
Anbetung des widderköpfigen Sonnengottes durch Paviane, gefolgt von einem
doppelten Bild der Himmelsgöttin Nut, die einige wenige Szenen aus den
Himmelsbüchern umschliesst, vor allem die Sonnengeburt aus dem Buch vom Tage.
Hier wird noch einmal deutlich, dass man im Grab Ramses' IX.
mit Erfolg versucht hat, auf sehr begrenztem Raum ein Maximum an Inhalt zu
bieten und insbesondere das erhoffte Wiederaufleben Pharaos im Jenseits in
immer neuen Variationen zu beschwören. An solche Vorgaben knüpft wenig später die
Sargmalerei der zi. Dynastie mit ihrer Fülle von Bildmotiven an.
Für einen Sohn dieses Königs wurde zwischen den Gräbern von
Thutmosis IV. und Hatschepsut KV 19 angelegt, neben KV 5 und KV 3 das einzige
dekorierte Prinzengrab im Tal. Ausgeführt ist nur der erste Korridor, mit
farbenfrohen Malereien, die den Prinzen RamsesMontuherchepeschef zunächst vor
Osiris (links, mit einem schönen Pektoral auf der Brust) und Ptah ( rechts)
zeigen, danach vor weiteren Gottheiten; unter ihnen fallen die löwenköpfige SachmetBastet
und der widderköpfige Ba von Mendes auf, und auch die Göttin Meresger fehlt
nicht. Im Gegensatz zu den Prinzengräbern Ramses' III. tritt dieser Prinz
selbständig, ohne seinen Vater, vor die Götter. Er trägt die kennzeichnende
«Jugendlocke» an seiner Perücke, dazu die weiten Gewänder der Ramessidenzeit.
Die Decke dieses Korridors wurde verputzt, aber nicht bemalt. Im zweiten
Korridor wurde eine Grube für den Sarkophag ausgehoben, doch blieb der Raum
unfertig und ohne Dekoration.
Ramses X. hat sein Grab (KV t8) im zweiten Korridor
abgebrochen und wohl nicht für eine Bestattung vorgesehen; als neuer
Königsfriedhof war wohl schon der Haupttempel der DeltaResidenz vorgesehen. Die
Dekoration im Relief folgte, wie üblich, in kurzem Abstand dem Aushauen der
Räume und beschränkt sich auf die Fassade mit der traditionellen Sonnen Verehrung
und die Eingangsszenen auf beiden Wänden des ersten Korridors, die rechts
wieder AmunReHarachte mit vier Widderköpfen und hinter ihm die Göttin Meresger
zeigten (nur Spuren sichtbar); neu ist eine zusätzliche Figur des eintretenden
Königs am Anfang des Korridors, die auch Ramses XI. wieder aufnimmt. Die
anschliessende Sonnenlitanei ist offensichtlich nicht ausgeführt worden.
Die vordere Grabhälfte folgt bei Ramses XI. (KV 4) dem
üblichen Schema, sie mündet nach drei Korridoren und dem Schachtraum in eine
Halle mit vier Pfeilern. Die zweite Hälfte ist jedoch nach dem Abgang auf einen
einzigen Korridor verkürzt, auf den unmittelbar die Sargkammer mit vier
rechteckigen Pfeilern, einer gewölbten Decke und einem gewaltigen, über zehn
Meter tiefen Grabschacht folgt. Am Boden des Schachtes fanden sich Beigaben aus
verschiedenen früheren Begräbnissen, denn das Grab hat offenbar als
Zwischenlager bei der Bergung der Königsmumien in der 2r. Dynastie gedient.
Wachsfiguren, die u. a. die Paviane mit dem «Feuersee» aus TotenbuchSpruch 126
abbilden, führen die Dekoration der vorangehenden Gräber fort. Der König muss
den Plan, hier bestattet zu werden, bald aufgegeben haben, da die Wände trotz
seiner langen, mindestens 27jährigen Regierung nur erste Ansätze zu einer
Dekoration aufweisen, und auch das nur im ersten Korridor. In roter
Vorzeichnung erscheint hier der König auf beiden Seiten vor AmunReHarachte, der
links als falkenköpfiger Sonnengott und rechts, wie seit Ramses IX., mit vier
Widderköpfen und gefolgt von der Göttin Meresger als Westgöttin dargestellt
ist.
Dieses älteste der Unterweltsbücher wird altägyptisch als
«Die Schrift des Verborgenen Raumes» bezeichnet, also als Traktat über das
Jenseits. Amduat («Was in der Unterwelt ist») ist eigentlich eine kollektive
Bezeichnung für alle Bücher dieser neuen Gattung. Eine ausführliche Titelei
hebt das Wissen hervor, das durch diese Schrift vermittelt werden soll, indem
sie neunmal das «Wissen» um jenseitige Phänomene verspricht; damit gibt sie
zugleich eine Übersicht über den Inhalt des Buches. An anderen Stellen wird
betont, dass dieses jenseitige Wissen schon auf Erden nützlich sei.
Das Buch beschreibt in Wort und Bild die Fahrt des Sonnengottes
durch die zwölf Stunden der Nacht, von seinem Untergang bis zu seinem
morgendlichen Aufgang. Jeder Stundenabschnitt beginnt mit einer kurzen
Einleitung in senkrechten Zeilen, die den Namen der Jenseitsregion, ihres
Tores, und den Namen der Nachtstunde nennen; es folgen drei Bildstreifen
(Register), von denen das mittlere stets der Barke des Sonnengottes und seiner
Begleitung vorbehalten ist. Wie in der irdischen Wirklichkeit des Niltales
bedarf es auch im Jenseits eines Bootes, um voranzukommen. Zur festen Besatzung
des Sonnenbootes gehören der «Wegeöffner» Upuaut, die Schöpferkräfte Sia (
«Einsicht») und Hu («Ausspruch» ), die Göttin Hathor als «Herrin der Barke» und
jeweilige Stundengottheit sowie Horus als Steuermann und «Leiter der Barke»;
insgesamt sind es neun Gottheiten, für den Ägypter eine gesteigerte Vielzahl
(drei mal drei), die bei den folgenden Göttergruppen öfter auftaucht. Der
widderköpfige Sonnengott in seinem Schrein wird als «Fleisch» bezeichnet, um
seine nächtliche Leibesgestalt zu kennzeichnen.
Im Mittelpunkt des Geschehens stehen einmal die Handlungen
und Reden des Gottes, zum anderen die Beschreibung der Wesen, die an den Ufern
des jenseitigen Stromes aufgereiht sind, und ihrer Funktionen. Es ist der erste
religiöse Traktat, der den König konsequent in den täglichen Sonnenlauf
einbeziehen will. Osiris wird zwar immer wieder genannt und mehrfach
abgebildet, doch bleibt er völlig passiv und kommt im gesamten Amduat nicht zu
Wort. Auf die verstorbenen Könige wird nur in der sechsten Stunde direkt Bezug
genommen, bei der entscheidenden Vereinigung des SonnenBa mit seinem Leichnam
in der Mitte seiner Nachtfahrt.
Mit ihrer listenförmigen Anordnung einiger wichtiger
Jenseitswesen legt die erste Nachtstunde Grundlagen für eine Ordnung und Erschliessung
des Unbekannten, in welchem die Sonne am Abend versinkt. Neben den Sonnenaffen
und den Stundengöttinnen verkörpern auch die anderen Gottheiten des oberen und
unteren Registers den allgemeinen Jubel, den das Erscheinen des Gestirns
hervorruft; mit Ausnahme der Verdammten (der «Feinde») beteiligen sich alle
Bewohner des Jenseits daran. Unter ihnen treten am Anfang des oberen und des
unteren Registers je neun Paviane hervor, die den Sonnengott bei seinem
Untergang wie bei seinem Aufgang bejubeln und ihm den Zugang Zugang zur
Unterwelt öffnen. Im unteren Register folgen ihnen zwölf aufgerichtete
KobraSchlangen («Uräen»), die mit ihrem «feurigen» Gifthauch die Unterwelt
erleuchten und zugleich alle feindlichen Wesen in respektvollem Abstand halten;
sie stehen hier stellvertretend, für jede Nachtstunde eine, für die Unzahl von
Schlangen, welche die Unterwelt bevölkern.
Das Mittelregister ist nur hier in zwei Streifen aufgeteilt,
von denen jeder mit einer Barke beginnt. Hier tritt die Göttin Maat, Verkörperung
von Ordnung und Harmonie, direkt vor der Sonnenbarke in doppelter Gestalt
hervor; sie eröffnet danach die zweite Stunde und betont damit, dass auch hier,
im Jenseits, Recht und Gesetz herrschen. In einer zweiten Barke ist der
Sonnengott bereits in seiner morgendlichen Gestalt des SkarabäusKäfers
anwesend, angebetet von Osiris, den man als seine Nachtgestalt sieht; so deutet
schon der Anfang der Fahrt auf ihr glückliches Ende hin. Am Schluss der ersten
Stunde geht es um das «Öffnen» und wiederum «Versiegeln» der Unterwelt, die
wegen der Fülle ihrer Bewohner auch «Grösste Stadt» genannt wird.
Die beiden folgenden Stunden eröffnen die eigentliche
Unterwelt, die sich zunächst als fruchtbares Gefilde zeigt, dominiert von der
Wasserfläche Wernes in der zweiten und vom «Gewässer des Osiris» in der dritten
Stunde. In beiden Stunden wird die Sonnenbarke von weiteren Barken begleitet,
die vor dem Sandreich des Sokar in der vierten Stunde umkehren müssen; sie
transportieren in der zweiten Stunde wichtige Geleiter — die Korngötter, ein
Krokodil mit den beiden Landeskronen, ein HathorSymbol mit dem SkarabäusKäfer
und das komplexe Bild des Mondes. In der dritten Stunde sind es verschiedene
Gestalten des Sonnengottes, die in den Barken gerudert und jeweils von einer hochgereckten
Schlange beschützt werden.
Der Gott sorgt für den Unterhalt der seligen Toten, die im
unteren Register Kornähren in der Hand oder im Haar tragen. Sie sind die
«Bauern vom Wernes», deren materielle Versorgung hier thematisiert ist. Mit den
JahresZeichen, welche die beiden ersten Gruppen in der Hand tragen, «machen sie
diesem grossen Gott ein Geschenk» und sorgen für den richtigen Ablauf des
landwirtschaftlichen Jahres, das in Ägypten aus drei Jahreszeiten besteht:
Überschwemmung, Aussaat und Ernte. So garantieren sie, dass für die seligen
Toten stets Nahrung im Überfluss vorhanden ist.
In der dritten Stunde wird im unteren Register die
Anwesenheit des Osiris mehrfach dokumentiert, viermal mit der Weissen und
viermal mit der Roten Landeskrone, dazu in seiner stellaren Form als
OrionGestirn (die beiden Gestalten, die sich umwenden); Re wendet sich im Schlusstext
der Stunde auch direkt an Osiris und weist ihm seine Schöpferkräfte zu. Daneben
gibt es in beiden Stunden noch strafende Wesen mit Messern in den Händen, um
alle «Feinde» unschädlich zu machen. Die Gottheiten im oberen Register haben
die wichtige Funktion, für die Nilüberschwemmung zu sorgen, die in mythischer
Schau aus der Unterwelt hervorkommt und Ägypten in Elephantine (beim heutigen Assuan)
erreicht; deshalb beginnt das untere Register mit dem widderköpfigen Chnum, dem
Hauptgott von Elephantine.
Mit der vierten Stunde bricht die fruchtbare, wasserreiche
Landschaft jäh ab. Es öffnet sich die Wüste von Rasetjau, das «Land Sokars, der
auf seinem Sand ist», ein ödes Sandreich, das von vielen Schlangen bevölkert
ist; ihre unheimliche Beweglichkeit wird durch Beine und Flügel am
Schlangenleib unterstrichen, und einige haben auch eine Vielzahl von Köpfen. Im
Zickzack führt ein Weg, der voller Feuer und immer wieder durch Türen versperrt
ist, durch diesen Stundenbereich und verbindet die drei Register.
Erstmals muss die Sonnenbarke gezogen werden, um sie
voranzubringen, und so fehlt hier und in der fünften Stunde das Rudergestänge
am Heck. Dazu verwandelt sie sich selber in eine Schlange, deren Feuerhauch
einen Weg in die sonst undurchdringliche Finsternis «sticht»; auch das Szepter
in der Hand des Sonnengottes nimmt Schlangengestalt an. Genau im Zentrum der
Stunde wird das Sonnenauge, um dessen Bewahrung, Heilung und Erneuerung es hier
geht, von Thot und Sokar betreut. Die Leuchtkraft der Sonne ist jetzt so
schwach, dass der Gott die Wesen dieser Stunde, wie der Text betont, nicht
sehen kann, sondern nur durch seine Stimme mit ihnen verkehrt und für sie
sorgt. Doch auch hier herrscht Maat (im unteren Register) und wird den Toten
neues Leben gespendet (vier Gottheiten mit dem LebensZeichen in der Hand am
Ende des Mittelregisters).
Die fünfte Stunde setzt das Reich des «Sokar, der auf seinem
Sand ist» fort, auch den feuergefüllten Weg, der es durchquert. Der Aufbau
weicht etwas vom üblichen Schema ab und betont die Mitte durch eine
Überschneidung der Register. Dieser Stundenbereich verkörpert den «Westen» und
enthält alle wesentlichen Elemente des Totenreiches. Am Anfang steht die Göttin
des Westens (wie Maat trägt sie eine Feder im Haar) vor neun Kultfahnen, in
denen sich die «Neunheit» und damit die Götterfülle des Jenseits verkörpert.
Der gepunktete Hügel mit den beiden Klagevögeln (Isis und Nephthys) ist der
Grabhügel des Osiris, aus dem die Sonne als Skarabäus verjüngt hervorgeht.
Die «Schlächter» jenseits des Hügels und die vielen
bedrohlichen Schlangen werden beschworen, den Sonnengott «in Frieden» passieren
zu lassen, so dass er den Engpass in der Mitte der Stunde überwinden kann. Je
sieben männliche und weibliche Ziehende packen jetzt das Zugseil der Barke,
dazu von oben her noch der Sonnenkäfer. Die Fahrt geht über ein Oval, das
die Höhle» des Sokar darstellt und in
den Doppelkopf des AkerSphinx eingebettet ist. Es ist wohl wiederum ein Bild
der gesamten Unterwelt, in der sich jede Nacht die geheimnisvolle Vereinigung
von Osiris=Sokar mit dem Sonnengott vollzieht. Über dem Oval wird ein
pyramidenförmiger Aufbau vom Kopf der Isis bekrönt. In der Tiefe ist der
«Feuersee» durch rote Wellen als Strafort angedeutet, und rechts halten vier
Gottheiten, «unsichtbar und nicht wahrzunehmen», den vierfachen, machtgeladenen
Kopfschmuck des Sonnengottes auf ihren Knien. Nach der Wüste des Sokarlandes
erreicht die Sonne in der sechsten Stunde das «Wasserloch», die Tiefe der
Unterwelt, die vom Urgewässer Nun erfüllt ist. Hier ruht der Sonnenleichnam.
mit dem der Gott sich als BaSeele vereinigt. Gleich zweimal, am Ende des oberen
und des mittleren Registers, ist der Leichnam abgebildet; er wird nicht als
Mumie gezeigt, sondern als Sonnenkäfer (Skarabäus) angedeutet, also bereits mit
der verjüngten Morgengestalt verbunden. Die vielköpfige Schlange «Vielgesicht»
umringelt ihn als Schutz. Dazu gilt dieser Körper auclals «Bild des Osiris»,
der im oberen Register durch den löwen gestaltigen «Stier mit der Donnerstimme»
verkörpert ist. Wie 132und Körper, vereinigen sich Re und Osiris am tiefsten
Punkt del Nachtfahrt, und das beginnende Wiederaufleben kündigt sich ir der
halb erhobenen Haltung der Gottheiten im oberen und unte ren Register an.
Nur an dieser entscheidenden Stelle sind die «Könige vor
Ober und Unterägypten» (mumiengestaltig im mittleren Regi ster) mit ihren
Machtattributen (Szepter, Kronen und Uräus Schlangen im oberen Register)
hervorgehoben, um beim Wie deraufleben des verstorbenen Pharao zu assistieren.
Das unten Register wird vom krokodilköpfigen Sobek und von Nun al Herren des
Urgewässers eingerahmt, und in den Texten tritt auch Tatenen hervor, der Herr
der Erdtiefe. Eine Neunheit von Schlangenstäben soll mit ihrem Feuerhauch und
ihren Messern die «Feinde des Chepri», also der erneuerten Sonne, unschädlich
machen.
Um Mitternacht erstrahlt die Sonne neu, aber diese
Selbstzeugung des Lichtes ist auch ein Augenblick höchster Gefährdung. Daher
steht in der siebenten Stunde die Bestrafung der «Feinde» im Vordergrund, allen
voran des Erzfeindes Apophis, der schlangengestaltig auf seiner «Sandbank» vor
der Barke liegt und versucht, den erneuerten Lauf des Lichtes zum Stillstand zu
bringen. Es gelingt ihm nicht, denn Isis und Seth bezaubern ihn, und Selkis
wirft ihre Fesseln um seinen Leib, der von weiteren Helfern zerstückelt wird;
dazu wird die Sonne jetzt zusätzlich durch die MehenSchlange geschützt.
Analog triumphiert im Register darüber Osiris über seine
Feinde, die ein Strafdämon vor ihm (mit KaterOhren) gefesselt und geköpft hat;
auch Osiris ist von der schützenden MehenSchlange umringelt. Hinter der
Sandbank im Mittelregister erscheinen nochmals die Grabstätten des
Sonnenleichnams, von Messern geschützt, um die bedrohliche Nähe der Gefahr
anzudeuten. Im unteren Register thront der Sonnengott als falkenköpfiger «Horus
der Unterwelt», um für den Gang der Gestirne zu sorgen, deren Personifikationen
den Rest des Registers füllen; den Schluss bildet das hilfreiche Krokodil mit
dem Kopf des Osiris, den es aus dem Wasser gerettet hat.
Die achte Stunde fällt durch ihren regelmässigen Aufbau ins
Auge. Oberes und unteres Register sind in jeweils fünf «Höhlen» oder «Grüfte»
eingeteilt, die durch Türen verschlossen sind, aber durch den Anruf des
Sonnengottes geöffnet werden. So gut wie alle Wesen in diesen Grüften thronen
auf StoffHieroglyphen, welche die Beischrift als ihre Kleider kennzeichnet.
Thema der Nachtstunde ist somit die Versorgung mit Kleidern, die unter den
Jenseitswünschen seit alter Zeit einen hohen Rang hat; zur Neugeburt der
Verstorbenen gehört auch ihre neue Einkleidung.
Dazu aber schildern die Texte, wie die BaSeelen der Götter
und Verstorbenen aus diesen Grüften, die stellvertretend für alle Grüfte des
Totenreiches stehen, dem Sonnengott jubelnd antworten; die Klangwelt dieses
Jubels können menschliche Ohren nur als Tiergeschrei
und Naturlaute (Summen von Bienen, Geschrei von Katern oder Vögeln, Schlagen
auf Metall usw.) wahrnehmen, während es für den Gott vernehmbare Rede wird. So
ist auch die Welt der Töne im Jenseits verzerrt! Im Mittelregister wird die
Sonnenbarke wieder gezogen, um rascher ans Ziel zu gelangen. Ihr folgen
personifizierte SchemesHieroglyphen, Zeichen für die Gerichtshoheit und
zugleich für das «Gefolge» des Gottes, dazu die vier Widder des Tatenen, die am
Ende des Neuen Reiches zur Gestalt des vierköpfigen Sonnenwidders verdichtet
werden.
In der neunten Stunde wird die Mannschaft der Sonnenbarke
vorgeführt; ihre Aufgabe ist es, «Re zu dieser Stätte zu rudern, Tag für Tag».
Mit ihren Rudern in der Hand bilden sie das beherrschende Thema im
Mittelregister, das daneben noch drei Götterbilder zeigt, die für die
materielle Versorgung der Toten zuständig sind. Dazu wird im oberen und unteren
Register das Thema der Versorgung mit Kleidern aus der achten Stunde
fortgesetzt. Die erste obere Gruppe mit ihren StoffZeichen wird als Gerichtshof
beschrieben, der «die Feinde des Osiris zu Fall bringt», und die folgende
Gruppe von Göttinnen umsorgt Osiris, wozu ebenso die Abwehr seiner Feinde
gehört. Der Abschrekkung dienen noch die zwölf feuerspeienden UräusSchlangen im
unteren Register, während die neun «Feldgötter» daneben, mit Getreidehalmen in
der Hand, wieder den Lebensunterhalt der Verstorbenen sichern, denn «sie sind
es, die alle Bäume und alle Pflanzen entstehen lassen».
Die zehnte Nachtstunde bringt im unteren Register das
WasserRechteck mit den Ertrunkenen, das im Pfortenbuch das Mittelregister der
neunten Stunde füllt. Die wie Osiris im Wasser Dahintreibenden, in
verschiedenen Stellungen gezeigt, werden von Horus vor Verwesung und Zerfall
bewahrt und nachträglich zu einem seligen Dasein geführt, obwohl ihnen keine
reguläre Bestattung zuteil werden konnte. Hier erweist sich das Urgewässer als
regenerierendes Element und erfüllt die ganze Nachtstunde, die «Mit tiefem
Wasser und hohen Ufern» genannt ist. Dazu herrscht Finsternis, die von den vier
Göttinnen mit Schlangen um den Kopf erleuchtet wird.
Im oberen Register geht es um die Bewahrung und Heilung des
«Auges», das als Sonnenauge wie als Horusauge erscheint; zuständig ist hier
neben Thot (der thronende Pavian) die löwenköpfige Sachmet als Göttin der
Heilkunst in mehreren Erscheinungsformen präsent. In der Mitte erscheinen vor
der Sonnen barke die BaSeelen des Sokar (Falke auf der Schlange) und des Osiris
(falkenköpfige Schlange im Boot), dazu die «Leibwache» des Sonnengottes, die
ihn gegen seine Feinde in der Finsternis beschützt und mit verschiedenen Waffen
auftritt.
Die elfte Stunde ist erfüllt von Vorbereitungen für den
bevorstehenden Sonnenaufgang, das «Herausgehen aus dem Ostberg des Himmels».
Vor der Barke wird bereits der «Weltumringler» herbeigetragen — die Schlange,
in der sich in der nächsten Stunde das Wunder der Verjüngung ereignet. Isis und
Nephthys transportieren als Schlangen die beiden Landeskronen zum östlichen Tor
von Sais», bei welchem vier Gestalten der Göttin Neith stehen.
Im oberen Register geht es noch einmal um die Zeit und die
Geburt der Stunden, die aus dem Schlangenleib der Zeit hervor:reten und wieder
«verschlungen» werden. Es kommt darauf an, den richtigen Zeitpunkt für den
erneuerten Sonnenaufgang nicht zu versäumen; deshalb hält der Sonnengott als
Atum die Flügel der Schlange fest. Neben der Begleitung des Sonnengottes
erscheinen am Ende des oberen Registers vier Göttinnen auf Doppelschlangen,
jeweils eine Hand vor das Gesicht haltend. Von ihnen geht der Feueratem aus,
der im unteren Register die Feinde verbrennt, die mit ihren BaSeelen und ihren
Schatten in feuergefüllte Gruben gestürzt sind. Die Schlange «Die Millionen
verbrennt» und strafende Göttinnen mit Messern vollziehen das letzte
Strafgericht, um jegliche Bedrohung vom Sonnenaufgang fernzuhalten.
In der zwölften Nachtstunde vollzieht sich die Neugeburt der
Sonne. Da es sich um eine Wiederholung der uranfänglichen Schöpfung handelt,
assistieren dabei die Urgötter, von denen zwei Paare zu Beginn des unteren
Registers dargestellt sind. Der Vorgang wird in das Innere der Schlange
«Weltumringler» verlegt, die in der vorigen Stunde herbeigetragen wurde, und
die Zugkraft des Geschehens ist durch die ungewöhnlich grosse Zahl der
Ziehenden angedeutet, zwölf männliche und dreizehn weibliche. Sie alle ziehen
die Barke mit ihren «Millionen» von seligen Toten durch den Leib der riesigen
Schlange hindurch. Die verkehrte Richtung, vom Schwanz zum Maul, weist auf die
notwendige Umkehr der Zeit, die eine Verjüngung möglich macht; nach der
Beischrift treten alle Wesen als hinfällige Greise und Altersschwache in den
Schwanz der Schlange ein und kommen als kleine Kinder aus ihrem Maul heraus.
Der Sonnenkäfer, schon am Bug der Barke anwesend, fliegt am Ende der Stunde in
die ausgebreiteten Arme des Gottes Schu, der die Sonne zum Tageshimmel
emporhebt.
Umrahmt wird der Vorgang durch den allgemeinen Jubel, den
die Gottheiten im oberen und unteren Register ausführen. Er gilt nicht nur der
Sonne, sondern auch Osiris, dem Leben verheissen wird, obwohl er im Totenreich
zurückbleibt. Dazu vertreiben die Göttinnen im oberen Register mit ihren
feuerspeienden Schlangen ein letztes Mal den Apophis und spenden mit ihren
lebenden Fackeln den Toten weiterhin Licht, wenn die Sonne die Unterwelt
verlassen hat. Einen Augenblick lang steht die Unterwelt offen, aber Schu
«versiegelt» sie neu, die Nachtfahrt ist zu Ende. Zusammen mit Osiris, der
mumiengestaltig am Ende des unteren Registers gezeigt ist, versinken alle
Verstorbenen wieder im Todesschlaf, solange die Sonne den Himmel überquert.
Amduat: Erste Stunde
Amduat: Zweite Stunde
Amduat: Dritte Stunde
Amduat: Vierte Stunde
Amduat: Fünfte Stunde
Amduat: Sechste Stunde
Amduat: Siebte Stunde
Amduat: Achte Stunde
Amduat: Neunte Stunde
Amduat: Zehnte Stunde
Amduat: Elfte Stunde
Amduat: Zwölfte Stunde
Sonnenlitanei
Im Grab von Thutmosis III. und seinem Wesir Useramun findet
sich neben dem Amduat eine weitere Komposition, die altägyptisch den Titel
«Buch der Anbetung des Re im Westen» trägt, aber modern unter dem Namen
«Sonnenlitanei» bekannt ist. Mit dem vollständigen Text des Buches, ohne die
Illustrationen, war das Leichentuch beschriftet, in das Amenophis II. die Mumie
seines Vaters einhüllte. Danach verschwindet die Litanei für mehrere
Generationen, wird aber von Sethos I. ausgewählt, um in Zukunft die beiden
ersten Korridore der ramessidischen Kö:.:zsgräber zu schmücken.
Sie erhält somit einen sehr prominenten Platz im Königsgrab,
nicht ohne Grund. Ihr Thema ist die direkte Gleichsetzung des verstorbenen
Pharao mit dem Sonnengott Re, mit seiner BaSeele und mit dem täglichen
Sonnenlauf. «Meine Geburt ist die Geburt des Re im Westen», so formuliert der
König seine Hoffnung, in den täglichen Gang der Sonne einzutreten und mit ihr
neu geboren zu werden.
Die «Grosse» Litanei am Anfang gibt 75 Anrufe an den Gott,
die alle mit «Lobpreis sei dir, Re, du mit hoher Macht» beginnen. Jeder Anruf
ist durch eine Gottesfigur illustriert, und dazu tritt als 76. Figur, als
Widderkopf in der roten Sonnenscheibe, die BaSeele des Re. Diese Figuren hat
Thutmosis III. separat auf die beiden Pfeiler seiner Grabkammer gesetzt,
verbunden mit einem kurzen Textstück. Sein Wesir Useramun verteilt die Figuren
auf zwei Wände und erweitert sie um Figuren von sich und seinen
Familienangehörigen, die damit in den Rang von Göttern erhoben sind. Solche
Erweiterungen der Figurenreihen erfolgen auch später noch, bis zu den Särgen
und Papyri der zi. Dynastie, wo sie als Schutzgötter des Verstorbenen
betrachtet werden und schon längst zu Objekten eines Kultes geworden sind.
Die meisten Figuren sind mumiengestaltig, einige wenige in
reiner Tiergestalt, so Widder und Skarabäus als die beiden Hauptgestalten des
Sonnengottes, dazu der «Grosse Kater», der seinen strafenden Aspekt verkörpert,
und das «Göttliche Auge». Auch Osiris erscheint, doch lassen sich die beiden
Figurenreihen nicht auf eine Re und eine OsirisReihe aufteilen. Seit Sethos I.
wird noch eine Art Titelbild hinzugefügt, das den widderköpfigen Gott und den
SkarabäusKäfer in einer grossen Sonnenscheibe zeigt, begleitet von Krokodil,
Schlange und Gazelle, die als feindliche Wesen von der Sonne fortstreben.
Das «Buch der Anbetung» berührt sich nicht formal, aber
thematisch mit den Unterweltsbüchern. Es geht auch hier um
die Nachtfahrt des Sonnengottes als Vorbild einer täglichen
Regeneration, dazu um Beschreibung und Lobpreis derjenigen Gottheit, die nachts
in die Unterwelt hinabsteigt, die Toten zu neuem Leben erweckt, die Seligen
versorgt und die Verdammten bestraft.
Die vielen Namen und Gestalten des Gottes haben alle einen
Bezug zum Reich der Toten und zur erhofften Regeneration. Im
Unterschied zu den Unterweltsbüchern, welche aus
Wechselreden des Sonnengottes mit den Bewohnern des Jenseits bestehen spricht
in den Texten der Litanei der Verstorbene selber, ähnlich wie im Totenbuch. Er
betont, dass er auf den richtigen Weg wandeln möchte, auf «den Wegen des
Westens», und hofft immer wieder auf Rettung vor den Gefahren, die dort drohen.
Die Namen und die Figuren, die sie illustrieren, nehmen
Bezug auf die wichtigsten Gestalten und Funktionen des Sonnengottes in der
Unterwelt. So erscheinen die Morgengestalt Chepri (sogar dreimal), die
Abendgestalt Atum, die BaSeele des Re (als zusätzliche Figur), die Gestalten
als Widder, Kater und Kind, das «Göttliche Auge» und die Sonnenscheibe, dazu
die Begleitfigur des Pavians. Neben Atum treten auch die übrigen Götter und
Göttinnen der «Neunheit» auf, wobei aber der gefährliche Seth durch Horus
ersetzt ist. Von den übrigen Göttern sind weiterhin Nun und Tatenen vertreten,
also Wasser und Erdtiefe.
Osiris erscheint unter den Figuren nur als Chontamenti, doch
weisen zwei Namen auf die «Vereinigung» der beiden Götter Re und Osiris hin,
die ein zentrales Thema der ganzen Litanei bildet. Der in die Unterwelt
hinabsteigende Sonnengott trifft dort auf Osiris als Herrscher der Unterwelt
und der Toten. So stellt sich die Frage ihrer gegenseitigen Beziehung, und zu
Beginn des Neuen Reiches hat man die bleibende Lösung gefunden, in Re die
BaSeele des Osiris zu sehen, die sich jede Nacht mit dem Leib des Gottes
vereint, ihn ganz mit ihrem Licht durchdringt und damit zu neuem Leben weckt.
Beide werden vorübergehend zum «Vereinigten», zu einer einzigen Gottheit, die
«mit einem Munde spricht», wie es die Texte betonen.
Diese Vereinigung wurde im Grab der Königin Nefertari und
einigen anderen Gräbern auch bildlich dargestellt, durch eine Figur, die
Attribute von Re (Widderkopf, Sonnenscheibe) und Osiris (Mumiengestalt, Isis
und Nephthys als Begleiterinnen) zu einer einzigen Gestalt zusammenfügt,
gewissermassen ein Bild der Nachtsonne, die das Wesen von Re und Osiris in sich
vereinigt. Im Text tritt Osiris aber auch selbständig auf, empfängt Re und
reicht ihm seine Hand. Sein Ort ist so geheim, dass nur der mit allem Wissen
ausgestattete Verstorbene ihn kennt.
Im übrigen unterstreichen manche Namen die enge Verbindung
des Gottes mit dem unterweltlichen Totenreich; so ist er Der von der Unterwelt», «Der von der Gruft»,
«Der über seine Gruft gebietet», «Der die Erde erneuert» und sogar direkt «Der
Westen». Weitere Namen kennzeichnen ihn als Wanderer durch diese Sphäre, als
den «Dahinziehenden», und im Schlusstext der Grossen Litanei sogar als
«Zugvogel», der regelmässig verschwindet und wiederkehrt. Jubel und Trauer sind
beide vertreten, denn es geht um Tod und Neugeburt, und in einigen Namen wird
auf den Leichnam des Gottes Bezug genommen, sogar auf seine Fäulnis und
Verwesung, die der erhofften Regeneration vorangehen muss. Als Leichnam ist er
«Der im Sarkophag», und als BaSeele vereinigt er sich mit seinem verborgenen
Leib. Sein Name «Der Weinende» verweist auf das beliebte Motiv, dass die
Menschen einstmals aus den Tränen des Schöpfergottes, aus einer Trübung seines
Auges, entstanden sind.
Das Doppelgesicht der Nachtsonne zeigt sich im Nebeneinander
von Leuchten und Strahlen auf der einen, Verhüllung und Dunkelheit auf der
anderen Seite. Re ist «Der Dunkle» oder «Der mit dunklem Gesicht», aber
zugleich auch «Der Leuchtende», dessen Strahlen die Verstorbenen ersehnen.
Schliesslich werden die Wohltaten des Gottes für die seligen Toten betont: Er
erleuchtet sie, weckt sie aus dem Todesschlaf und gibt ihren Seelen Atemluft.
Doch auch seine strafende Funktion gegenüber den verworfenen
Toten wird mehrfach angesprochen; er ist «Der Fesselnde», «Der vom Kessel» und
ganz allgemein «Der seine Feinde vernichtet», und «er hat die Hitze in der
Vernichtungsstätte angeordnet». Dazu muss er auch hier, wie im Amduat und im
Pfortenbuch, seinen Widersacher Apophis überwinden, der seinen Lauf fortgesetzt
bedroht. Wie der Titel des Buches betont, soll der Text den Sonnengott gegen
seine Feinde «im Westen», also im Totenreich, triumphieren lassen. Hierzu passt
das Titelbild, das die Vertreibung dieser Feinde in Tiergestalt vor Augen
führt.
Auf die erste, «Grosse» Litanei folgen noch acht weitere
sowie diverse Zwischentexte und Identifikationen des verstorbenen
Pharao mit dem Sonnengott, dazu mit dem Urgewässer Nun und
damit mit der Welt vor der Schöpfung, aus der auch die Sonne einst hervorging.
Ein kurzes Textstück, das Thutmosis III. als einziges, neben den Figuren, für
sein Grab ausgewählt hat und das seit Sethos I. separat auf die Decke des
zweiten Korridors gesetzt wird, wendet sich an den «Vereinigten», also an die
Nachtsonne, die zugleich Osiris ist. Der Verstorbene erbittet in der dritten
Litanei, dass Re ihn zu den Wegen des Westens führen möge, und in der sechsten,
dass der Sonnengott zu ihm komme, aber zugleich versichert er «Ich bin Re».
Erst gegen Ende stellt sich der Verstorbene auch als Osiris
vor, aber im Vordergrund steht sein Wunsch, wie die Sonne neu geboren und vor
allen Gefahren bewahrt zu werden, konkret vor den «Schlächtern» und den
«Dämonen mit scharfen Messern». Die PelikanGöttin, die ihn begrüsst, ist
wahrscheinlich eine Verkörperung der Himmelsgöttin Nut, die dem Toten wie der
Sonne zu einer neuen Geburt verhelfen soll. Seine vollständige Vergöttlichung
macht die «Gliedervergottung» anschaulich —eine Litanei, in der jeder
Körperteil mit einer Gottheit gleichgesetzt wird, so dass es zuletzt heissen
kann «Kein Glied von mir ist ohne Gott». In einer letzten Litanei betet der
Verstorbene den «Westen» an, der stichwortartig das gesamte Reich der Toten
umgreift und zur gleichen Zeit ein Aspekt der Göttin Hathor ist.
Buch von der Himmelskuh
Auf dem äussersten der vergoldeten Schreine, die den
Sarkophag Tutanchamuns umgaben, erscheint zum ersten Mal das Bild der
Himmelskuh mit dem zugehörigen Text; Sethos I., Ramses II. und Ramses III.
reservieren jeweils einen Seitenraum der SargKammer für das Buch, und einen
kleinen Ausschnitt hat noch Ramses VI. in der linken Nische seines dritten
Korridors angebracht. Das Kuhbild und genaue Anweisungen, wie es auszuführen
und zu beschriften ist, stehen im Zentrum eines längeren, vielschichtigen
Traktates, in den auch Zaubersprüche hineinverwoben sind.
Der Text beschreibt im ersten Teil die Rebellion der
Menschen gegen den alt gewordenen Sonnengott und ihre Bestrafung durch das
«Feuer» des Sonnenauges, das auf den Rat der Götterversammlung in Gestalt der
Göttin Hathor gegen sie ausge sandt wird. Ein Teil der Menschheit wird
vernichtet, der Rest überlebt dank göttlicher Milde und durch die Überlistung
der wilden Göttin, die mit blutrot gefärbtem Bier berauscht wird und die
Menschen nicht mehr erkennen kann. In ihrem Kult wird sie als «Herrin der
Trunkenheit» deshalb immer wieder besänftigt und gnädig gestimmt, indem man ihr
Rauschtrank darbringt und für sie musiziert.
Als Folge aber zieht sich der Sonnengott auf dem Rücken der
Himmelskuh von der Erde zurück, setzt den Mondgott als Stellvertreter ein und
verzichtet auf seine bisherige irdische Herrschaft; sein Sohn, der Luftgott
Schu, sorgt nun dafür, dass der Himmel dauernd gestützt wird und nicht auf die
Erde herabfällt. Als weitere Stützen des Kosmos erscheinen die Zeit und Pharao,
der ja wie Schu als «Sohn» des Sonnengottes gilt. Menschen und Götter sind von
nun an getrennt, die Menschen bekriegen sich, der Tod kommt in die Welt, und
der Kosmos muss neu geordnet werden. So erklärt dieser Mythos den jetzigen,
unvollkommenen Zustand der Welt und das Fernsein der Götter.
Pfortenbuch
Am Amduat orientiert sich eine jüngere Komposition, die
unter dem modernen Namen Pfortenbuch bekannt ist. Hier ist die Einteilung der
Nachtfahrt in zwölf Stunden beibehalten, aber jede Stunde wird jetzt durch die
Darstellung einer gut bewachten Pforte von der nächsten getrennt. Zwischen die
fünfte und sechste Stunde und am Ende des Buches werden überdies zwei besondere
Bildmotive eingeschoben, die das Totengericht bzw. den täglichen Lauf der Sonne
zeigen.
Als Gefährt der Sonne dient wie im Amduat eine Barke, doch
weist sie nur noch zwei Begleiter des Sonnengottes auf, die Schöpferkräfte Heka
(«Zauber») und Sia («Einsicht»). Auch sonst ist gegenüber dem Amduat vieles
vereinfacht, die Vielzahl der göttlichen Wesen wird gern zu überschaubaren
Gruppen zusammengefasst, die einzelnen Namen spielen nicht mehr eine solche
Rolle, sogar die Namen der Nachtstunden sind fortgelassen. Trotzdem geht es
auch hier darum, Wissen über das Jenseits zu vermitteln und damit vor allem die
materielle Versorgung jenseits des Todes zu sichern.
Neben Motiven, die aus dem Amduat vertraut sind und in
ähnlicher Form übernommen werden, taucht eine Reihe neuer Motive auf, so die
Differenzierung der Bewohner des Jenseits in die vier Rassen der Ägypter,
Nubier, Asiaten und Libyer in der fünften Nachtstunde. Besonderes Interesse
findet in diesem Buch das Werden und Vergehen der Zeit; die Zeit erscheint als
vielfach gewundene Schlange, aus deren Leib die einzelnen Stunden «geboren» und
wieder «verschlungen» werden, oder als endloses, doppelt gewundenes Seil, das
aus dem Schlund eines göttlichen Wesens abgespult wird (sechste Stunde). Die
«Lebenszeit», die aus diesem Vorrat an Zeit auch den Toten zugemessen wird, ist
im Jenseits relativiert: Eine Stunde der Nachtfahrt entspricht einer vollen
Lebenszeit auf Erden.
Die erste Nachtstunde bildet wie im Amduat eine Art
Zwischenreich vor der eigentlichen Unterwelt. Die Sonnenbarke durchfährt das
Westgebirge und wird nicht von einzelnen Wesen, sondern allgemein von den
«Göttern der Wüste» begrüsst. Zwei Pfähle, der eine mit einem Widder, der
andere mit einem Schakalkopf bekrönt, verkörpern die Befehlsgewalt des
Sonnengottes, der den Verstorbenen Belohnung wie Strafe zuweist, und der Text
betont die Unvermeidlichkeit des TodesgesChicks für alle Wesen.
Mit der zweiten Stunde betreten wir die Unterwelt und sehen
uns sogleich den beiden Hauptgruppen ihrer Bewohner gegenüber: im oberen
Register den Seligen, die Maat gesprochen und ausgeübt haben und jetzt
weiterhin von der Maat leben, und im unteren Register den Verdammten, «die
Böses getan haben» und letzt, schon gefesselt, ihre Bestrafung erwarten. Der
auf einen Stab gelehnte Atum verkündet ihnen in einer «Strafpredigt», dass sie
Re bei seiner Nachtfahrt nicht schauen werden. Zwischen Atum und den «Feinden»
liegen vier «Träge» ermattet am Boden — die vier Himmelsrichtungen, die im
Jenseits «ermattet» und aufgehoben sind.
In der dritten Stunde wird die Sonnenbarke durch ein
Ianggestrecktes Gebilde mit Stierköpfen hindurchgezogen, die «Erd barke», die
offenbar die ganze Unterwelt verkörpert, in der sich die nächtliche Verjüngung
aller Wesen vollzieht. Über dieser Szene haben sich zwölf Mumien bereits aus
ihrem Todesschlaf aufgerichtet, das Licht und der belebende Anruf des
Sonnengottes dringen in ihre offen stehenden Schreine. Dahinter folgt der
ominöse «Feuersee», aus dem nur die seligen Toten ihren Durst löschen können,
während er für die Verdammten feurige Pein bedeutet. Im unteren Register erscheint,
als vielfach gewundene Schlange, der Sonnenfeind Apophis, dessen Überwindung in
mehreren Stunden beschrieben wird; hier wird er von Atum «umgestürzt» und
orientierungslos gemacht, wobei zwei Neunheiten von Göttern mithelfen.
Als Variation des «Feuersees» bringt die vierte Stunde im
oberen Register den «See des Lebens», von Schakalen bewacht, und den «See der
Uräen», mit zehn aufgerichteten UräusSchlangen, die ihren feurigen Gifthauch
gegen die Feinde des Sonnengottes speien. Die Barke fährt an neun Schreinen
vorbei, in denen die Mumien noch im Todesschlaf daliegen, aber von Re
aufgefordert werden, sich zu erheben. Sie sind die «Götter des Osirisgefolges»,
deren Leben jede Nacht erneuert wird, für die Dauer einer jenseitigen Stunde.
So erblickt man dahinter die zwölf Nachtstunden, als Göttinnen personifiziert,
die aus dem Leib einer riesigen Schlange «geboren» und wieder «verschlungen»
werden. Im unteren Register erscheint Osiris in einem Schrein, um den sich die
Götter seines Gefolges scharen, um alle Gefahren fernzuhalten; die «Feinde» des
Gottes werden in den Feuergruben am Ende des Registers gestraft.
In der fünften Stunde erblickt man vor der Barke wieder den
Sonnenfeind Apophis, der als riesige Schlange von neun Göttern gepackt wird, um
ihn von Re fernzuhalten. Dahinter sind die «BaSeelen der Menschen, die in der
Unterwelt sind» nicht in der üblichen Vogelgestalt, sondern als Menschen
dargestellt. Am Anfang des unteren Registers erscheinen dann die vier «Rassen»
der Menschheit als je vier Ägypter, Asiaten, Nubier und Libyer in ihrer
typischen Tracht. Sie alle werden von Horus, auf einen Stab gelehnt, angeredet
und mit ihren BaSeelen dem Schutz von Horus und Sachmet anvertraut. Die Götter,
die vor ihnen eine Schlange mit den Hieroglyphen für «Lebenszeit» tragen,
messen ihnen Lebenszeit zu, und die Götter mit dem Messstrick im oberen
Register fruchtbares Land für ihre Versorgung.
In die fünfte Pforte, die dieser Stunde folgt, ist die
Gerichtshalle des Osiris als ein besonderes Bild eingeschoben; Haremhab setzt
sie beherrschend auf die Rückwand seiner Sargkammer, spätere Gräber ersetzen
sie durch eine Szene mit der Anbetung des Osiris. Der Gott thront als
Totenrichter auf einer getreppten Empore, vor sich die personifizierte Waage
(mit leeren Schalen) und auf den Stufen, ihm zugewandt, die seligen,
«gerechtfertigten» Toten, während die Verurteilten, die «Feinde», unsichtbar
unter seinen Sohlen liegen, in der Tiefe der «Vernichtungsstätte»; in Gestalt
eines Schweines wird eine weitere feindliche Macht vertrieben. Die Bedeutung
dieser Szene wird durch die Verwendung von Kryptographie, einer etwas
verfremdeten und verschlüsselten Hieroglyphenschrift, zusätzlich betont.
Das Totengericht schafft die Voraussetzung für die
Vereinigung der BaSeele mit ihrem Körper in der folgenden sechsten Stunde, am
tiefsten Punkt der Nachtfahrt. Anders als im Amduat wird der Leichnam der Sonne
hier nicht gezeigt, sondern ruht unsichtbar auf den Armen von zwölf Trägern,
unmittelbar vor der Barke und ihrer Zugmannschaft; die Arme der Träger sind
durch die Berührung mit diesem «Mysterium» selber unsichtbar geworden. Dafür
erblickt man im unteren Register auf einer endlosen, schlangengestaltigen Bahre
die Mumien der seligen «Gefolgsleute des Osiris», die der Vereinigung mit ihrem
Ba entgegensehen und dadurch zu neuem Leben erweckt werden. Die Erneuerung von
Licht und Leben ist von Gefahren bedroht, weshalb im oberen Register ein
weiteres Mal die ApophisSchlange (mit den Köpfen, die sie «verschlungen» hat
und jetzt wieder freigeben muss) abgewehrt wird; die Götter, die sie bekämpfen,
tragen gegabelte Schlangenstäbe in der Hand. Daneben ist die Zeit als ein
doppelt gewundenes Seil dargestellt, das aus dem Schlund des Gottes Agen
abgespult wird.
Schlussbild des Pfortenbuches
In der siebenten Stunde setzt sich die Abwehr der
feindlichen Mächte fort, mit den «Pfählen des (Erdgottes) Geb» vor der
Sonnenbarke; an jeden der sieben Pfähle sind zwei «Feinde» ge bunden, die von
dämonischen Wesen gepeinigt werden. Als Kontrast geht es im Rest der Stunde um
das Schicksal der seligen Verstorbenen, denen «ein Sein bis an sein Ende»
gewährt wird, geborgen in der Maat und versorgt von Göttern mit Kornähren und
mit Sicheln zum Ernten des Getreides. In der achten Stunde haben sich die
Seligen auf ihren Bahren schon etwas aufgerichtet und erhalten von den «Herren
des Unterhalts im Westen» im Mittelregister die nötige Versorgung, während den
Verdammten weiterhin «Schlimmes zugefügt» wird.
Die Bestrafung verkörpert in der neunten Stunde eine riesige
Schlange, die Feuer gegen zwölf gefesselte Feinde vor ihr speit und sie damit
«in Flammen setzt». Vor allem aber bringt diese Stunde das WasserRechteck mit
den im Urgewässer Treibenden, das uns aus der zehnten Stunde des Amduat bereits
vertraut ist; wie dort erhalten die Ertrunkenen Atemluft und Rettung vor
Verfall und Verwesung, und ihre vogelgestaltigen BaSeelen werden in der Szene
darüber mit Brot und Gemüse versorgt. Im mittleren Register der zehnten Stunde
wird ein weiteres Mal der Sonnenfeind Apophis überwunden, hier durch Gottheiten
mit Netzen, in denen die wirksame Zauberkraft gespeichert ist.
Die beiden letzten Stunden schildern ausführlich die
Vorbereitung des täglichen Sonnenaufgangs, für den ein letztes Mal alle
Gefahren beseitigt werden. Ins Auge fallen hier vor allem die riesige Faust,
die das Seil hält, mit dem Apophis und seine Helfer gefesselt sind, und das in
ungewöhnlicher Frontalansicht gezeigte Gesicht des Sonnengottes, das in einer
eigenen Barke durch die Unterwelt gezogen wird; hier ist die machtvolle Präsenz
des Gottes sichtbar gemacht und die Hoffnung erfüllt, im Jenseits den Göttern
ins Angesicht zu schauen. Sterne eilen der Sonne vor ihrem Aufgang voraus, der
von den vier Pavianen in der letzten Stunde lärmend verkündet wird. Auf
Schlangen thronende Göttinnen und eine Vielzahl von «Ammen» umgeben das neu
geborene Sonnenkind. Das komplexe Schlussbild vermittelt ;irren Blick in alle
drei Dimensionen der jenseitigen Welt, in die Tiefe des Urgewässers Nun, auf
dessen Armen die Sonnenbarke ruht, in die Tiefe der Erde, die Osiris umschliesst,
und in die Tiefe des Himmels, durch die Göttin Nut verkörpert.
Höhlenbuch
Dieses Buch, in der frühen 19. Dynastie (um t25o v. Chr.)
ent standen, gibt die bisherige Aufteilung in zwölf Nachtstunde] auf; statt
dessen ist es in zwei «Hälften» zu je drei Abschnitte] eingeteilt. In den
Abschnitten sind die drei Register aus Raum gründen öfter gestaffelt, das
unterste ist überall der Bestrafun der «Feinde» in der «Vernichtungsstätte»
vorbehalten. Die Son nenbarke erscheint nur im Schlussbild, sonst ist die
Gegenwar des Sonnengottes durch seine Scheibe angedeutet (die in de Strafszenen
fehlt), und die ersten fünf Abschnitte beginnen mi einer grossen Figur seiner
widderköpfigen Nachtgestalt. Sein moderne Bezeichnung (ein originaler Titel
fehlt) verdankt da Buch den vielen «Höhlen» oder «Grüften», in welche die Unter
welt hier eingeteilt ist. Die vielen Ovale, die ins Auge fallen, me nen die
Sarkophage der Unterweltsbewohner.
Das erste bekannte Exemplar wurde unter Merenptah im Zu gang
zum Osireion in Abydos angebracht, dazu eine Variant des Schlussbildes in der
Sargkammer dieses Königs, später dan auch bei Tausret und Ramses III. Nur
Ramses VI. hat nochmal eine vollständige Fassung, die vom rechten Eingangsbild
bis zu oberen Pfeilerhalle reicht, sonst finden sich bei Ramses IV Ramses VII.
und Ramses IX. nur Ausschnitte des Buches.
In den beiden ersten Abschnitten sind Text und Bildteil g(
trennt, die Texte sind reine Monologe des Sonnengottes, erst di folgenden
Abschnitte bringen beschreibende Beischriften zu de Bildern, dazu Wechselreden
und viele Litaneien. Im dritten Al schnitt erscheint der Leichnam des Osiris in
seinem «Kasten und ein zweites Mal, von einer schützenden Schlange umringel
unter dem Doppelsphinx Aker. Die Betonung der Erdgötter, vc allem des Tatenen,
weist schon auf das spätere Buch von (I( Erde voraus.
Am Anfang des vierten Abschnitts heben Isis und Nephth) den
Leichnam des Osiris hoch, um sein Wiederaufleben einzt leiten; dazu wird er von
seinen beiden «Söhnen» Anubis un Horus umsorgt. Im fünften Abschnitt wird der
Ablauf der Reg ster von zwei separaten Bildern unterbrochen, von denen das er ste
die Himmelsgöttin Nut darstellt, umrahmt von Motiven des Sonnenlaufes
(Krokodile, Käfer, Widder und Kind); das andere Bild zeigt den ithyphallischen
Osiris mit seiner vogelgestaltigen BaSeele auf dem Kopf. Im unteren Register
wird hier dreimal die Bestrafung der «Feinde» in grossen Kesseln vorgeführt,
die schematisch im Querschnitt gezeigt sind und von den Armen der unsichtbaren
«Vernichtungsstätte» gehalten werden.
Im sechsten und letzten Abschnitt kümmert sich Anubis um die
Leichname in ihren Sarkophagen, auch um den des Sonnengottes. Die Gestalt des
Sonnenkäfers weist schon auf die Verjüngung des Gestirns, aber vorher müssen
noch einmal seine «Feinde» (auch weibliche) bestraft und vernichtet werden. Im
Schlussbild wird die Sonnenbarke, nur halb sichtbar, von zwölf Göttern aus der
Unterwelt herausgezogen; der widderköpfige Käfer vereinigt beide Aspekte, die
Nacht und die Morgengestalt des Gottes, der zuletzt als neugeborenes Kind
gezeigt ist und seine Nachtfahrt durch Wasser und Finsternis.
Ramses VI. gibt uns in seiner Sargkammer die ausführlichste
Fassung dieses Buches, aus dem seit Merenptah nur einzelne Szenen verwendet
wurden, auch auf königlichen Sarkophagen. Es scheint, dass es wie das
Höhlenbuch aus zwei «Hälften» besteht, die jedoch nicht weiter untergliedert
sind, wenn man von dem Aufbau in Register und Szenen absieht. Auch sonst steht
es :n enger Beziehung zum Höhlenbuch, und einige der Szenen NutBild und
OsirisLeichnam) stimmen in beiden Büchern weitgehend überein; auch der «Kasten»
des Osiris mit dem Leichnam des Gottes erscheint erneut. Die Gegenwart des
Sonnengottes ist wieder durch rote Scheiben angedeutet, die in vielen Szenen
von Armen emporgehoben werden und in den Szenen der Bestrafung fehlen, doch
erscheint auch mehrfach die Barke des Gottes. Anfang und Schluss der
Komposition sind nicht besonders hervorgehoben, so dass sich ein geschlossener
Kreislauf ergibt, der immer wieder neu beginnt. Die Betonung liegt auf dem
Bildteil, die Texte treten gegenüber dem Höhlenbuch stark zurück, und manche
Szenen bleiben ganz ohne Beischrift.
Himmelsbücher:
Nutbuch, Buch vom Tage und von der Nacht
Die Himmelsbücher verlegen die nächtliche Fahrt der Sonne
von der Unterwelt in den Leib der Himmelsgöttin Nut, welche die Sonne am Abend
verschluckt und am Morgen neu gebiert. Deshalb werden diese Werke nicht an den
Wänden, sondern an den Decken der Gräber angebracht, die schon im Alten Reich
als Himmel gestaltet wurden, seit Sethos I. dann als gewölbte «astronomische»
Decke mit einer Auswahl von Sternbildern und den Planeten. Ramses IV. ersetzt
die Sterne durch ein doppeltes Bild (Rücken an Rücken) der Himmelsgöttin, die
sich über die Erde beugt. Eines seiner beiden Himmelsbücher, das Nutbuch, ist
im wesentlichen eine Beschreibung dieses NutBildes, also eine Topographie des
Himmels. Die Motive der himmlischen Nachtfahrt sind weitgehend die gleichen wie
in den Unterweltsbüchern; sogar dem Urozean Nun begegnen wir hier am Himmel,
seine Wellen umspülen den Kopf der Göttin, und mit Tatenen ist auch der Gott
der Erdtiefe vertreten.
Am ausführlichsten ist das Buch von der Nacht, das die Fahrt
der Sonne wieder in Nachtstunden gliedert und die Stundenbereiche durch Pforten
(als vertikale Schriftzeilen) voneinander trennt. Es findet sich bei Ramses IV.
neben dem Nutbuch, jedoch nur zum Teil (bis zur vierten Stunde), und ist
vollständig nur bei Ramses VI. überliefert, dort sogar in zwei Fassungen. Die
Himmelsgöttin verschluckt die Sonne am Abend im Westen und gebiert sie jeden
Morgen aufs neue im Osten, in der verjüngten KäferGestalt oder als Kind. Der
König ist hier in die Darstellung mit einbezogen und hilft beim Ziehen der
Sonnenbarke. Komplementär tritt bei Ramses VI. und Ramses IX. das Buch vom Tage
hinzu, das sonst im Tal der Könige fehlt. Da es mit der Tagesfahrt zu tun hat,
erscheint der Sonnengott hier in seiner falkenköpfigen Gestalt, nicht als
Widder; trotzdem vollzieht sich auch diese Fahrt, wie die Nachtfahrt, in einem
jenseitigen Raum.
Sprüche des Totenbuches
Aus den Pyramidentexten des Alten und den Sargtexten des
Mittleren Reiches ging in der 17. Dynastie das Totenbuch hervor, dessen Sprüche
man in immer neuer Auswahl auf Papyrusrollen schrieb, aber auch auf Särge und
andere Objekte der Grabausstattung. Angehörige des Königshauses wurden in der
17. Dynastie gerne in Leichentücher eingehüllt, die mit Totenbuchtexten
beschriftet waren, und für Thutmosis III. hat sein Sohn Amenophis II. ein
solches Leichentuch anfertigen lassen, das neben dem Text der Sonnenlitanei
auch Sprüche des Totenbuches aufweist. Anfangs erhalten nur wenige Sprüche eine
Illustration (Vignette), die den Inhalt oder die Absicht des Spruches in einem
Bild zusammenfasst; in der weiteren Entwicklung werden immer mehr Sprüche mit
einer solchen Vignette versehen. In diesen Sprüchen geht es um praktische Hilfe
und magische Unterstützung für das Jenseits, vor allem um Versorgung und Schutz
vor Gefahren, nur selten um eine Beschreibung jenseitiger Regionen, wie sie die
Unterweltsbücher erstreben.
Bei Tutanchamun finden sich zahlreiche Sprüche aus dem
Totenbuch, vor allem auf den vergoldeten Schreinen um den Sarkophag und auf
vielen Teilen seiner Grabausstattung. Sein Nachfolger Aja übernimmt zwei der
Sprüche auf die Westwand seiner Sargkammer, wobei der Spruch 130 mit seinen
beiden Sonnenbarken thematisch den Unterweltsbüchern nahesteht, geht es doch um
die Mitfahrt des Toten in der Barke. Dazu tritt üln kurzes Stück aus Spruch
144, der dem Eintreten ins Toten7eich und dem Passieren seiner Tore und ihrer
Wächter dient. In sie seit Sethos I. so stark erweiterte Wanddekoration werden
am Ende des zweiten Korridors einige Motive aus dem Spruch i 51 aufgenommen,
der mit Balsamierung und Bestattung zu tun hat: liegende AnubisSchakal, die
(eigentlich neben der Toten:.'ahre) knienden Göttinnen Isis und Nephthys und
die Horussohne. Anubis als Einbalsamierer an der Bahre des Osiris sc beint
allerdings nur in den Gräbern von Siptah und Tausret. Von diesen Sonderfällen abgesehen, hält das
Totenbuch erst mit Ramses II. Einzug auf die Wände der Königsgräber. Die
Vorkammer, unmittelbar vor der Sargkammer, wird dafür ausgewählt, und der
erste, prominente Spruch ist der vom Totengericht (125), bei Ramses II. sogar
noch mit dem Bild der Waage, während in den folgenden Gräbern nur der Text
verwendet wird, vor allem der Anruf an die Totenrichter mit der «Negativen
Konfession» des Verstorbenen, einem Ritual der SündenAbleugnung. Bei Ramses III.
erscheint der Bildteil der Sprüche II() und 148 zweimal, in den Nischen des
zweiten Korridors und in Seitenkammern der Sargkammer; zusätzlich hat dieser
König beide Motive auch noch in seinem Totentempel in Medinet Habu verwendet;
damit legt er einen starken Akzent auf die materielle Versorgung im Jenseits,
der beide Sprüche dienen sollen.
Ramses IV. hat dann die ganze Vorkammer mit Sprüchen aus dem
Totenbuch ausgeschmückt, wobei wieder das Totengericht im Mittelpunkt steht,
ergänzt um die Sprüche 12.3/124 und 127, der Auszüge aus der Sonnenlitanei
verwendet. Bei Ramses VI. tritt noch der Spruch 1 z6 mit den beiden von
Pavianen bewachten «Feuerseen» hinzu, ferner Spruch ioo, der dem Hinabstieg in
die Sonnenbarke dient. In verkürzter Form finden sich einige dieser Texte und
das Bild des «Feuersees» noch bei Ramses IX. im zweiten Korridor.
In der «Negativen Konfession», die der Verstorbene vor den
Totenrichtern zu sprechen hat, um sich von aller Schuld zu reinigen, hat Ramses
IV. einige Änderungen gegenüber dem üblichen Text vorgenommen. Bei der
Beteuerung «Ich habe nicht zu töten befohlen» steht jetzt der Zusatz «zu
Unrecht», denn als Pharao und vor allem nach dem Prozess gegen die Mörder
seines Vaters konnte er nicht vermeiden, Verbrecher und Feinde töten zu lassen,
auch wenn er nicht persönlich das Urteil aussprechen musste.
Das Ritual der Mundöffnung
Die Mumie, dieses Kunstwerk der Balsamierer, war ein
vollkommenes Bild des Toten, das seine äussere Gestalt für die Ewigkeit der
jenseitigen Existenz bewahrte. Aber sie musste rituell belebt werden, um ihre
Funktion auszuüben. Dies geschah durch das Ritual der «Mundöffnung», eigentlich
ein altes Ritual zur Belebung einer Grabstatue, das später auch auf andere
Objekte, bis hin zu ganzen Tempeln, angewandt wurde. Modern hat man diesem
Ritual 75 Szenen zugewiesen, doch ist es in keiner Quelle vollständig erhalten.
Bei Rechmire, dem Nachfolger des Useramun als Wesir von Thutmosis III., besteht
es aus 53 Szenen, bei Sethos I. aus 48. Mit diesem Herrscher wird es in das
Königsgrab übernommen und schmückt die beiden Korridore der unteren Grabhälfte.
Das bleibt auch bei Ramses II. und Merenptah so, doch sind deren Versionen
schlecht erhalten, und nur Tausret bietet nochmals eine gut erhaltene, aber
sehr verkürzte Fassung.
Ort der Handlung ist das «Goldhaus», Ausführende sind der
SemPriester in der Rolle des treuen Sohnes, der «Vorlesepriester» und weitere
Priester und Handwerker. Die Handlungen gelten in den Königs wie in den
Beamtengräbern einer Statue des Grabherrn, die auf einer Basis aus Sand steht.
Am Anfang erfolgen Reinigungen mit Wasser und Weihrauch, danach die Herstellung
der Statue, wobei der SemPriester, bevor er den Handwerkern Anweisungen gibt,
im Schlaf die noch im Steinblock eingeschlossene Statue seines «Vaters» schaut
und dafür sorgt, dass sie zum getreuen Bild des «Vaters» wird. Schlachtszenen
(mit Stier, Ziege und Gans) gehen der eigentlichen Mundöffnung an der fertigen
Statue voraus, wobei neben dem kleinen Finger und anderen Instrumenten auch der
abgetrennte Stierschenkel die Öffnung bewirkt. Ausser dem Mund werden die Augen
geöffnet, denn das Ritual soll die volle Funktion aller Sinnesorgane bewirken.
Schliesslich wird die fertige und funktionsfähige Statue noch bekleidet,
gesalbt und geschminkt sowie mit Attributen königlicher Macht (Szepter und
Keulen) ausgestattet. Dazu bewirkt eine Opferlitanei ihre fortdauernde
Versorgung.
GötterSzenen:
Amenophis II. hat die Pfeiler seiner Sargkammer mit Szenen
schmücken lassen, die ihn vor Gottheiten zeigen, die eine besondere Bedeutung
für seine erneuerte Existenz im Jenseits besitzen. Ihre Geste deutet an, was er
von ihnen erhofft: Alle halten ihm das Henkelkreuz, das Zeichen für «Leben», an
die Nase, dazu umarmen sie ihn oder halten ihn an der Hand, während der König
völlig passiv vor ihnen steht, um ihre Anerkennung und das jenseitige Leben zu
empfangen. Ähnliche Szenen wurden im folgenden Königsgrab (Thutmosis IV.) auf
einigen Wänden im Schacht und in der Vorkammer angebracht, die Pfeiler blieben
dort frei von Dekoration.
Es sind in beiden Gräbern drei Gottheiten, die immer
wiederkehren: Osiris, Anubis und Hathor. Der mumiengestaltige Osiris, bei dem nur
Kopf und Hände aus der Umhüllung ragen, wurde seit der 5. Dynastie als
Herrscher der Toten verehrt, ausserdem war er verantwortlich für das
Totengericht. Anubis sorgt für das körperliche Fortleben in Form der
Einbalsamierung, und Hathor verkörpert alle Aspekte der Regeneration im
Diesseits wie im Jenseits. Es ist bezeichnend, dass gerade diese drei
Gottheiten sich auch in einigen Beamtengräbern finden.
Mit Amenophis III. beginnt eine fortschreitende Erweiterung
der Götterszenen. Zunächst werden die Göttin Nut und die Westgöttin
hinzugefügt, Verkörperungen der beiden Sphären von Himmel und Unterwelt, in die
der Tote und seine BaSeele eintreten. Bei Tutanchamun treffen wir erstmals auch
Isis, bei Aja ihre Schwester Nephthys und die Horussöhne, die schon lange ihren
Platz am königlichen Sarkophag hatten. Wesentliche Erweiterungen bringt dann
Haremhab mit HorusSohnderIsis, Ptah und Nefertem sowie vor allem mit der Göttin
Maat im Eingang zur Sargkammer; diese begleitet im Amduat die nächtliche
Sonnenfahrt und gibt dem Verstorbenen die Gewissheit, auch im Jenseits die
ausgewogene Ordnung der Welt, die sie verkörpert, nicht zu verlassen. Ramses I.
fügt Chepri und Atum hinzu, zwei Hauptgestalten des Sonnengottes, sowie den
König in Gesellschaft je einer der göttlichen Mächte («Seelen») von Buto und
Hierakonpolis.
Durch die Ausweitung der Dekoration auf das ganze Grab unter
Sethos I. wird es möglich, eine Fülle weiterer Gottheiten in das Bildprogramm
aufzunehmen. Darunter erscheinen jetzt neben den Schutzgöttinnen Isis und
Nephthys die beiden anderen Neith und Selkis, Sokar als PtahSokar und
SokarOsiris, dazu aus der «Neunheit» neben Atum und Osiris noch Schu und Geb,
die «Mächte» von Buto und Hierakonpolis, und vor allem der Sonnengott in seiner
allgemeinsten Gestalt als falkenköpfiger ReHarachte. Am häufigsten kommt in
seinem Grab Osiris vor, gefolgt von HorusSohnderIsis, der Westgöttin und
Anubis. In den Durchgängen zwischen den Räumen und seit Ramses II. bereits im
Eingang des Grabes erscheint von jetzt an die Göttin Maat.
In den folgenden Königsgräbern gibt es weiterhin Zusätze zum
Bildprogramm, so im Schacht von Merenptah und Tausret spezielle Gottheiten
(Cheribakef und Mechentiirti), die im TotenbuchSpruch 17 erwähnt sind, bei
Tausret auch noch Chnum und die Urkuh Mehetweret, und bei Ramses III. Onuris,
Sopdu, PtahTatenen und der Gott Schepsi von Hermopolis, der mit seinem
Mondsymbol wohl eine Gestalt des Mondgottes Thot ist. Auf Pfeilern bei Ramses
VI. und an hervorgehobener Stelle hinter dem Sonnengott bei Ramses IX.
erscheint dann auch die lokale Göttin Meresger «Welche die Stille liebt»,
Verkörperung der Bergspitze über dem Tal der Könige, die in der «Persönlichen
Frömmigkeit» der Handwerker von Deir elMedine schon seit Generationen eine
Rolle gespielt hatte, als Schutzschlange bei Tausret erscheint und nun zuletzt
auch noch Aufnahme im Königsgrab findet, wobei sie mit ihrem Kopfschmuck an die
Westgöttin angeglichen wird.
Der «Reichsgott» Amun, der als «König der Götter» in den
damaligen Tempeln die beherrschende Rolle spielt und auch in den Totentempeln
der Könige als wichtigste Gottheit verehrt wird, findet in das Königsgrab erst
spät Eingang; er fehlt auch i den Unterweltsbüchern. Bei Ramses VI. ist er in
der obere Halle auf einer Pfeilerseite dargestellt, und erst im letzten dt
Gräber, bei Ramses XI., wird der Sonnengott in der progran matischen
Eingangsszene als AmunReHarachte bezeichnet.
Seit der 3. Dynastie, als König Djoser sein Grabmonument
ganz aus Stein errichtet, wird auch der Sarg des Königs zum SteinSarkophag
umgestaltet; bevorzugtes Material sind noch im Neuen Reich Quarzit oder Granit,
die beide Bezüge zur Sonne haben. Die kastenförmigen Sarkophage der z B.
Dynastie sind ähnlich wie die Särge der hohen Beamten dekoriert, mit je zwei
von den vier «Horussöhnen» auf den Längsseiten. Diese Schutzgötter spielen auch
sonst in der Grabausstattung eine wichtige Rolle, etwa bei den Eingeweidekrügen
(Kanopen). Dazu tritt auf beiden Seiten eine Erscheinungsform des Gottes
Anubis, der ganz allgemein für die Bewahrung des Körpers zuständig ist, und an
den Schmalseiten erscheinen die Göttinnen Isis und Nephthys, wobei Isis an das
Fussende (sie steht vor dem als Osiris gedeuteten Toten), Nephthys an das
Kopfende (also hinter ihm) gehört. Die Himmelsgöttin Nut schmückt im Relief und
später auch rundplastisch die Innenseite des Deckels, damit sie die BaSeele des
Toten unter die Gestirne aufnimmt.
Die grundlegende Neukonzeption des Bildprogramms unter
Sethos I. bezieht auch den Sarkophag mit ein. Er ist jetzt aus durchscheinendem
Alabaster und aussen wie innen mit Unterweltsbüchern geschmückt, so bei Sethos
I. mit der ersten vollständigen Fassung des Pfortenbuches; ergänzend treten
noch TotenbuchSprüche hinzu. Von seinen Nachfolgern sind nur Fragmente
erhalten, die aber auf ähnliche Dekoration hinweisen. Merenptah stellte ihn in
einen inneren GranitSarkophag, der von zwei weiteren Sarkophagen aus Granit
umgeben war. Auch diese Sarkophage waren mit Ausschnitten aus dem Amduat und
dem Pfortenbuch dekoriert, und der mittlere trägt eine rundplastische Figur des
Königs, der als Osiris bei den spä:eren Sarkophagen von Isis und Nephthys
eingerahmt wird. Eingeritzte Figuren (Krokodil, Schlange und eine Göttin mit er
hobenen Sonnenscheiben) weisen auf ein Bild des Sonnenlaufes, in den der König
einbezogen ist, aus dem Buch von der Erde. Die Ausmasse des äusseren
Sarkophages sind bei Ramses IV. nochmals gesteigert, mit einer Breite von über
z Metern und einer Höhe von 3,3z Metern. In späteren Gräbern, seit Ramses VII.,
ersetzt man dann den gewaltigen Sarkophag durch eine überdachte Vertiefung im
Boden der Sargkammer, die bei Ramses XI. zu einem tiefen Schacht erweitert ist.
Umgeben war der königliche Sarkophag von vergoldeten
Schreinen, die jedoch nur bei Tutanchamun, vier an der Zahl, erhalten blieben.
Sie waren reich verziert, innen wie aussen, mit religiösen Texten und
Darstellungen, die das Dekorationsprogramm der Grabwände ergänzten; daher ist
es unmöglich, zu sagen, ob bestimmte Motive in einem Grab ganz fehlten oder auf
den verlorenen Schreinen vorhanden waren. Denn der Turiner Grabplan für Ramses
IV. zeigt, dass es solche Schreine auch in den anderen Königsgräbern gegeben
hat.
Der Sarkophag aus Stein umschloss mehrere Särge aus
vergoldetem Holz, mit einem innersten Sarg aus massivem Gold, der allerdings
nur bei Tutanchamun erhalten blieb. Er wird in der zo. Dynastie durch einen aus
Silber ersetzt, den wir zunächst nur aus Texten kennen, aber in der
Königsnekropole von Tanis auch im Original erhalten haben. Dort fanden sich auch
weitere goldene Mumienmasken nach dem Vorbild der prachtvollen Maske des
Tutanchamun.
Beigaben und GrabRäuberei:
Zu einer ägyptischen Bestattung gehören schon in der Vorge
schichte Beigaben, die dem Verstorbenen nicht nur Proviant für seine Reise,
sondern die verschiedensten Hilfsmittel für seine Existenz im Jenseits
bereitstellen; darunter befanden sich bereits sehr früh Schiffe, die seinem
ungehinderten Fortkommen dienen sollten, und Amulette, die ihm Hilfe und Schutz
gewährten. Diese Beigaben werden im Laufe der Zeit immer reicher und zugleich
nach der sozialen Stellung abgestuft; schon in der Frühzeit enthalten die
Gräber der Oberschicht eigene Magazinräume, um die Fülle der Beigaben
aufzunehmen. Aber von Anfang an ist auch die Beraubung der Grabstätten bezeugt,
und die Grabräuberei ist das wohl älteste Gewerbe der Welt. Die Aktivitäten der
Grabräuber sind in einer Reihe von Dokumenten aus der zo. Dynastie ausführlich
festgehalten, wobei auch hohe Beamte in den Verdacht der Korruption oder sogar
Mitbeteiligung geraten.
Im vollständigen Grabschatz des Tutanchamun kann man sich am
besten eine Vorstellung vom Reichtum und der Verschiedenartigkeit der
königlichen Beigaben machen, denn alle anderen Bestattungen sind früher oder
später geplündert worden. Da gab es in beschrifteten Krügen eine Fülle von
Lebensmitteln und Getränken, Truhen mit Stoffen und vollständigen Gewändern,
Perücken, Sandalen und sogar Handschuhe (für den König als Wagenlenker), Möbel
aller Art, vom einfachen Schemel bis zu den drei mit Tierköpfen verzierten
Prunkbetten, die auch im Grab Sethos' I. zumindest dargestellt waren. Dazu
kamen kunstvolle Lampen, um die Finsternis, und Waffen, um Feinde zu
vertreiben, weiter machtgeladene Stäbe und Szepter, jedoch keine Königskronen.
Im Neuen Reich kommen ergänzend zu den Schiffen auch reich
verzierte Wagen hinzu. Objekte, die der Kosmetik dienen, wie Öle, Salben,
Augenschminke, Spiegel, Kämme, Rasiermesser usw., sollten dem Verstorbenen die
Lebensfrische bewahren oder wieder zurückgeben, Geräte für das Ritual der
«Mundöffnung» ihn fähig machen, seine Sinnesorgane neu zu gebrauchen.
Brettspiele sollten symbolisch den Weg durch die Unterwelt nachvollziehen, und
Musikinstrumente, wie sie im Kult verwendet wurden, stimmten die Götter gnädig
und förderten die erhoffte Regeneration.
Der Grabschatz des Tutanchamun enthält dazu noch reich
vergoldete Götterfiguren aus Holz, die zum Teil sehr spezielle Gottheiten und
heilige Tiere zeigen und damit das Bildprogramm der Grabwände ergänzen, um so
die göttliche Präsenz im Grab zu verstärken. Sethos II. hat diese Statuetten
auf die Wände seines Schachtraumes malen lassen, als Ersatz für wirkliche
Beigaben. Darunter befinden sich auch Figuren des Königs mit seinen Insignien,
vor allem das immer noch rätselhafte Motiv des Königs auf dem Panther. Statuen
aus Stein hatten dagegen im Königsgrab keinen Platz, sondern standen in den
Tempeln, die dem fortdauernden Totenkult Pharaos dienten.
Aus dem Grabschatz vieler Könige und Beamten des Neuen
Reiches stammen sogenannte Uschebti — kleine mumiengestaltige Figuren des
Verstorbenen, die Abbild und Diener zugleich sind und in Funktion treten
sollten, um eventuelle öffentliche Arbeiten im Jenseits auszuführen, wie das
Bewässern, Reinigen und Düngen der Felder. Unter den Beigaben der Königsgräber,
besonders zahlreich bei Tutanchamun und Sethos I. erhalten, gab es hunderte
solcher Figuren, offenbar für jeden Tag des Jahres eine oder sogar zwei, und
aus den verschiedensten Materialien gefertigt (Holz, Stein, Fayence, auch
Bronze).
Sprüche des Totenbuches weisen auf die Bedeutung bestimmter
Amulette hin, und so überrascht es nicht, dass sich unter den Beigaben zahllose
Amulette finden, beim Königsbegräbnis aus besonders kostbarem Material. Indem
man sie zum Teil in die Mumienbinden einwickelte, brachte man sie in einen
möglichst engen Kontakt mit dem Verstorbenen. Häufig und beliebt sind vor allem
das Anch, das Zeichen für «Leben», und das Djed, das Zeichen für «Dauer».
Daneben erscheint immer wieder das UdjatAuge, das im Mythos beschädigt und
wieder geheilt wurde und so als Symbol für die Regeneration der Sonne wie des
Verstorbenen dient.
Das beliebteste Amulett aber war der SkarabäusKäfer, der die
verjüngte und erneuerte Sonne verkörpert und so zum machtvollsten Symbol für
Wiederaufleben und Regeneration geworden ist und auch an den Wänden der
Königsgräber immer wieder erscheint. Er steht gern im Zentrum der Brustplatten
(Pektorale), wie sie in den Grabschätzen von Tutanchamun und von Psusennes I.
in Tanis erhalten blieben. Seine Anbetung durch Isis und Nephthys weist darauf
hin, dass auch Osiris im Neuen Reich zu einem Aspekt des Sonnengottes wurde,
der nun in universaler Weise das Fortleben Pharaos im Jenseits garantierte.
Die Mumien der Könige:
Die Ägypter entwickelten schon im Alten Reich eine
ausgefeilte Technik der Einbalsamierung, die den Körper für das Fortleben im
Jenseits bewahren sollte. In einer Prozedur von 7o Tagen wird er gereinigt und
ausgetrocknet, von rasch verweslichen Teilen befreit und in Leinenbinden
gewickelt. Die so entstandene Mumie ist jedoch nicht der definitive
Jenseitsleib, sondern eine schützende Hülle für die weite, gefahrvolle Reise,
die sich beim erneuerten Leben in der Unterwelt wieder in einen voll
funktionstüchtigen Körper verwandelt, der von seinem Ba neu beseelt wird.
Bei der Einbalsamierung wurden die Eingeweide (bis auf Herz
und Nieren) aus dem Körper entfernt und separat in vier Steinkrügen (Kanopen)
bestattet, die in einem Kanopenkasten standen. Seit Amenophis II. wachten vier
Schutzgöttinnen über diesen Kasten, während die Kanopen selber dem Schutz der
vier «Horussöhne» unterstanden.
Während wir aus dem Alten und dem Mittleren Reich nicht eine
einzige Königsmumie besitzen, hat sich aus dem Neuen Reich eine grosse Zahl
erhalten. Ihre Fortdauer verdanken diese Königsmumien einer Rettungsaktion, die
nach dem Ende des Neuen Reiches von thebanischen Priestern durchgeführt wurde,
um weiteren Plünderungen vorzubeugen. Die Umbettungen begannen unter König
Smendes in der z . Dynastie, mit Zwischenlagern in den Gräbern von Sethos I.,
wohin die Mumien von Ramses I. und Ramses II. gebracht wurden, und von Ramses
XI., in dessen Schacht sich Gegenstände aus verschiedenen anderen Gräbern
fanden. Die Neuwicklung und Einsargung durch die Priesterschaft des Amun erfolgte
wahrscheinlich in den Werkstätten von Medinet Habu, dem Totentempel Ramses'
III., wobei es zu Verwechslungen kam, so dass die heutigen Zuschreibungen in
manchen Fällen fraglich bleiben. Ihre endgültige Bleibe fanden die neu
hergerichteten Mumien dann in zwei Verstecken, eines davon im Talkessel von
Deir elBahari, das andere im Grab Amenophis' II. (KV 35). Von dort wurden sie
188r bzw. 1898 nach Kairo überführt, und nur die später aufgefundene Mumie
Tutanchamuns ist in ihrem Grab verblieben.
Die Arbeit im Grabe
Die Planung seines Grabes und der zugehörigen Anlagen für
den Totenkult gehörte zu den ersten Aufgaben eines neuen Königs, wobei es wohl
ein Gremium von hohen Beamten war, das die Planungsarbeit durchführte und
bestimmte, was gegenüber dem vorangehenden Königsgrab im Grundriss, an den Massen
und in der Dekoration zu ändern war. Zugleich erfolgte die Auswahl des Ortes,
wobei durch die wachsende Zahl von Gräbern die Möglichkeiten geringer wurden.
Da zwischen Tod und Bestattung eines Königs 7o Tage lagen, die Dauer der
Einbalsamierung, konnten bestimmte Arbeiten noch über das Todesdatum hinaus
weitergeführt werden.
Das Aushauen der Gänge und Kammern nahm mehrere Jahre in
Anspruch und erfolgte von der Decke zum Boden. Der Schutt wurde in Ledersäcken
und Körben hinausgeschafft, deren Anzahl auf die Arbeitsleistung schliessen liess.
In den ausgehauenen Räumen wurden die Wände und Decken mit Poliersteinen
geglättet, Löcher mit Gips ausgeglichen und alle Flächen verputzt. Auf diesem
Malgrund wurde dann bereits die Dekoration angebracht, während die
Steinarbeiter noch tiefer in den Fels eindrangen. Dabei verlief die Reihenfolge
der Arbeit von links nach rechts, beim Dekorieren wie beim Aushauen der Räume.
Die genauen Masse waren in Bauplänen vorgegeben, von denen sich einige erhalten
haben.
Keines der Gräber ist bis in das letzte Detail
fertiggestellt, man stösst immer wieder auf Stellen, die nur vorgezeichnet sind
oder noch die ursprünglichen Hilfslinien für die Aufteilung der Wände zeigen.
Jede Wand oder Pfeilerseite erhielt zunächst Hilfslinien oder ein Quadratnetz,
um die vorgesehenen Szenen in den richtigen Proportionen zu skizzieren. Die
erste, flüchtige Vorzeichnung wurde in roter Farbe ausgeführt, sodann schwarz
korrigiert und ergänzt; das galt nach den Figuren auch für die Schriftzeichen.
Seit Haremhab trat dann der Bildhauer in Aktion, um, von unten nach oben
fortschreitend, die definitiven Umrisse in Relief umzusetzen und mit der
nötigen Innenzeichnung zu versehen.
In einem letzten Arbeitsgang wurden auf das fertige Relief
die Farben aufgetragen, die keineswegs dem Belieben des Malers überlassen
waren, sondern einem festen Kanon folgten. Als Körperfarbe wurde bei Männern
ein Rotbraun verwendet, bei Frauen (und Göttinnen) Gelb; Objekte aus Holz
wurden rot, pflanzliche Elemente grün bemalt. Selbst für jede einzelne
Hieroglyphe war die Farbgebung vorgeschrieben, konnte sich allerdings durch den
Hintergrund verändern. Der Maler musste daher das Schriftsystem sehr gut kennen
und war in der Lage, Fehler des Steinmetzen nachträglich durch die richtige
Farbe zu korrigieren.
Die hochspezialisierten Facharbeiter, die alle diese
Arbeiten ausführten, wohnten in einer eigenen Siedlung auf dem Westufer, die
nach einem späteren Kloster unter dem Namen Deir elMedine «Stadtkloster»
bekannt ist. Die im Grundriss noch perfekt erhaltenen Häuser, 7o an der Zahl,
enthielten zumeist vier Räume, dazu Keller und Dachterrasse. Die «Mannschaft
Pharaos», wie sie sich stolz nannte, bestand aus zwei Trupps von jeweils etwa
6o Leuten, jeder unter einem Vorarbeiter. Ihre Arbeitswoche umfasste zehn Tage,
die durch einen freien Tag (später wurden es zwei Tage) abgeschlossen und
zusätzlich durch viele Festtage aufgelockert wurde.
Über das tägliche Leben in dieser Siedlung orientiert ein
ganzer Berg von Akten, der sich aus der späten 19. und der 20. Dynastie
erhalten hat und bei der Aufgabe der Siedlung entsorgt wurde; er besteht aus
Ostraka, Scherben aus Ton oder Kalkstein, die als billiges Schreibmaterial
stets verfügbar waren. Hier wurde über die täglichen Arbeitsvorgänge Buch
geführt, etwa über die häufige Abwesenheit von Arbeitern aus den
verschiedensten Gründen, über die Ausgabe der nötigen Werkzeuge und Lampen,
über die monatliche Entlohnung in Naturalien, Tauschhandel aller Art (Geld gab
es ja noch nicht) und über die häufigen Streitereien vor Gericht.
Darüber hinaus besitzen wir Denksteine, die von Bewohnern
als Zeichen ihrer persönlichen Frömmigkeit für verschiedene Gottheiten
aufgestellt wurden, und ihre Felsgräber, die sie mit sicherer, im Tal der
Könige geschulter Hand ausgemalt haben. Hier dominieren Texte und farbenfrohe
Bilder aus dem Totenbuch, und beliebt sind zusammenfassende Bilder des
Sonnenlaufes, in den auch diese Facharbeiter, wie ihre Könige, einzutreten
hofften.
Gefährdung und Bewahrung
Die Besucher des 19. Jahrhunderts haben den Gräbern im Tal
der Könige schwere Schäden zugefügt. Damals hatte man keine Hemmungen, lose
daliegende Fragmente der Dekoration als Souvenir mitzunehmen oder einzelne
Königsnamen und sogar ganze Szenen aus den Wänden und Pfeilern
herauszuschneiden, wobei zumeist auch benachbarte Wandteile beschädigt wurden.
Auf diese Weise haben einige der Gräber schwer gelitten; dazu trat die Unsitte,
von interessanten Szenen feuchte Abklatsche zu machen, welche die vorhandenen
Farben mitnahmen und hässliche Flecken hinterliessen. Durch Fackeln und Kerzen
wurden vor allem die Decken mit Russ geschwärzt, bevor man 1902. eine
Stromversorgung einrichtete.
Im zo. Jahrhundert erfolgte die Schädigung der Gräber
weniger brutal, aber immer noch wirksam. Die zwar seltenen, aber dann
verheerenden Regenfälle haben vielfach Schäden angerichtet; dazu tritt die
stetige Abnutzung durch den wachsenden Massentourismus, konkret durch Staub,
Feuchtigkeit und direkten Kontakt mit den Wänden. Die Antikenverwaltung
versucht durch das Verglasen der Wände und durch Böden aus Holz dem
entgegenzuwirken, aber es ist abzusehen, dass der Verfall weiter fortschreitet.
Deshalb findet der Gedanke wachsende Zustimmung, die wichtigsten und am
stärksten gefährdeten Gräber auf Dauer zu schliessen und durch Nachbauten zu
ersetzen. Diese müssen nicht Kopien des jetzigen, oft sehr traurigen Zustands
sein, sondern könnten zerstörte Teile aus alten Kopien und aus Museen ergänzen
und so den ursprünglichen Zustand vielfach wiederherstellen. Entscheidend ist
die vollständige Dokumentation der Gräber, die in vielen Fällen immer noch
aussteht.
Ein entsprechendes Projekt wurde im Opernhaus Kairo am i.
Oktober 1991 vorgestellt und fand damals nicht ungeteilte Zustimmung, da man
sich über die Reaktion des Tourismus unklar war. Inzwischen aber sind einige
Nachbauten (Sennedjem, Tutanchamun, Thutmosis III.) bereits mit grossem Erfolg
in Ausstellungen gezeigt worden, und es ist abzusehen, dass eine Bewahrung der
kostbaren Monumente für künftige Generationen nur in dieser Form möglich sein
wird.
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