Mittwoch, 12. Februar 2014

Ägypten – Im Tal der Könige – von Selzer-McKenzie SelMcKenzie


Im Tal der Könige The Valley of the Kings

Ägypten Im Tal der Könige von Selzer-McKenzie SelMcKenzie


 



Die wichtigsten Regierungszeiten des Neuen Reiches (die ca. zu verstehen, alle v. Chr.) sind:

15401292

Amenophis I.    15151494

Thutmosis I.      14941482

Hatschepsut     14791457

Thutmosis III.    14791425

Amenophis II.   14271401

Thutmosis IV.   14011391

Amenophis III.  13911353

Amenophis IV Echnaton 13531336

Tutanchamun   13321323

Haremhab         13191292

12921188

Sethos I.   12.911279

Ramses II.         12791213

Merenptah         12131203

Sethos II.  12031196

Tausret     11901188

11881075

Ramses III.        11861155

Ramses IV.        11551148

Ramses VI.        11431136

Ramses IX.        11271108


 

Die thebanischen Totenstädte: strenge Hierarchie: Auf dem Westufer von Theben, dem heutigen Luxor, entstanden schon im Alten Reich Grabbauten für lokale Würdenträger und in der it. Dynastie ein erster Friedhof für Könige, die während der Ersten Zwischenzeit über das oberägyptische Teilreich herrschten; auch der neue Einiger des Landes, Montuhotep I., und seine unmittelbaren Nachfolger fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Erst die Herrscher der i z. Dynastie verlegten die Königsnekropole wieder nach Norden, in die Nähe der Pyramiden des Alten Reiches. Mit der 17. Dynastie kehrte sie dann für lange Zeit wieder nach Theben zurück, von wo die neue Einigung des Landes ausging.

Noch ist unsicher, wo der Vertreiber der Fremdherrscher (Hyksos) und Begründer des Neuen Reiches, Ahmose, seine letzte Ruhestätte fand; sein Sohn Amenophis I. blieb wohl beim Friedhof der 17. Dynastie im Nordteil der Totenstadt, beim heutigen Dorf Dra Abu'lNaga. Erst mit Thutmosis I. finden wir die erste sichere Bestattung im Tal der Könige, wobei eine mögliche Umbettung durch seine Tochter Hatschepsut daran nichts ändert. Hier entstand nun, in einem vorher nicht genutzten Wüstental, eine neue Totenstadt, in der fast alle Pharaonen der r B. bis zo. Dynastie bestattet wurden. Die noch heute wirksame Majestät des Ortes, der von der natürlichen Pyramide der Bergspitze elQurn überragt wird, mag einer der Gründe für die Wahl dieses Tales sein, und dazu trat die Verehrung ler Göttin Hathor an der nahegelegenen Felswand von Deir elBahari, wo Hatschepsut und Thutmosis III. Tempel für ihren eigenen Totenkult errichteten.

Eine solche Kultstätte gehörte zu jedem Königsgrab, wurde jetzt aber in räumlicher Trennung vom Grab errichtet, in der Nähe des Fruchtlandes und in Verbindung mit dem Götterkult; neben dem toten König verehrte man dort auch den thebanischen Hauptgott AmunRe und andere Gottheiten. Im Grab selber fand nach der Beisetzung keine Kulthandlung mehr statt, es wurde verschlossen und ersiegelt. Die Grabstätten der Könige waren zunächst noch sehr bescheiden und nur durch ihre Lage und ihre allein für Königsgräber reservierte Dekoration ausgezeichnet, wurden aber im Laufe der Zeit immer grösser und prächtiger, zu wahren «Palästen der Unterwelt», wie sie Fürst PücklerMuskau bezeichnet hat.

Gleichzeitig begannen auch die hohen Beamten, sich ihre Gräber in der Nähe der königlichen Totentempel anzulegen. Zu allen Zeiten war es ihr Bestreben, ihrem Herrscher auch im Tode möglichst nahe zu sein. Die aus dem Felsen geschlagenen, für Besucher zugänglichen Kulträume wurden ausgemalt und seit Amenophis III. auch mit Reliefs versehen. Vom Vorhof führte ein Schacht in die eigentliche Grabkammer, die in der Regel ohne Dekoration blieb. Die Aufgabe der Pyramidenform durch die Könige ermöglichte es den Beamten, diese bisher königliche Bauform zu nutzen und ihre Grabbauten mit einer kleinen Ziegelpyramide zu krönen. Sofern sie als besondere Auszeichnung ein Begräbnis im Tal der Könige erhielten, mussten sie sich mit einem einfachen Schachtgrab ohne jede Dekoration begnügen, im Gegensatz zu ihren farbenfroh geschmückten Gräbern in der BeamtenNekropole.

Angehörige des Königshauses wurden zu Beginn des Neuen Reiches in mehreren Fällen im Tal der Königinnen bestattet, aber erst mit dem Anfang der 19. Dynastie ist dieses Wüstental, als Gegenstück zum Tal der Könige, zum festen Begräbnisplatz der Königinnen und weiterhin auch von Königskindern geworden. Für das Grab der Nefertari (QV 66), der Hauptgemahlin Ramses' II., lässt sich ein Bildprogramm greifen, das sich in sorgfältiger Stufung vom Königsgrab wie von den Beamtengräbern abhebt. Manches ist direkt aus der königlichen Dekoration übernommen, so vor allem die geflügelte Göttin Maat, der IunmutefPriester und die Motive aus Spruch i5t des Totenbuches; anderes ersetzt die königlichen Jenseitstexte durch verwandte Sprüche aus dem Totenbuch. Kennzeichnend ist auch der Unter schied bei den Wünschen für das Jenseits, die sich im Königsgrab auf fortdauernde Herrschaft richten, in den übrigen Gräbern auf Versorgung und Schutz.

Die Hierarchie, die im Neuen Reich neu aufgebaut wurde, erstreckt sich auf Lage und Masse des Grabes, auf bestimmte Elemente wie Pfeiler und Schacht, auf das verwendete Bildprogramm und auf die Wünsche für das Jenseits; sie zeigt sich auch in der Gestaltung der Decken, die nur bei Königen und ihren Angehörigen den gestirnten Himmel wiedergeben, während sich die Beamten mit geometrischen Mustern zu begnügen hatten. Pfeiler weisen im königlichen Bereich stets einen Durchmesser von rund zwei Ellen (1,05 Meter) auf, in nichtköniglichen Gräbern müssen sie einen deutlichen Abstand halten; ähnliches gilt für die Breite und Höhe der Korridore.

In den Beamtengräbern, die oft als «Gräber der Noblen» bezeichnet werden, sprechen die Darstellungen unmittelbar zum Betrachter, sind es doch in der Regel Szenen des täglichen Lebens oder Motive aus der Amtstätigkeit des Verstorbenen. Ganz anders ist es im Tal der Könige, wo sich der Besucher einer auf den ersten Blick bizarren Bildwelt gegenüber sieht, die sich ohne tieferes Eindringen in die altägyptische Religion nicht entschlüsseln lässt. Selbst in der Wissenschaft herrschte lange die Meinung vor, eine nähere Beschäftigung mit diesen Unterweltsvisionen und ihren «Fratzen» lohne nicht.

Aber nirgends erlauben uns die Ägypter so tiefe Einblicke in ihre Vorstellung vom Jenseits wie in der Dekoration dieser Gräber. Es ist, als ob wir uns an der nächtlichen Fahrt der Sonne in ihrer Barke beteiligen und die Regionen des Jenseits an uns vorübergleiten lassen bis hinab in die Tiefe, in welcher der Sonnenleichnam ruht und seiner täglichen Beseelung und Erneuerung entgegensieht.

Einige der Gräber im Tal der Könige sind übersät mit Besucherinschriften aus der Antike, vor allem in griechischer und koptischer, seltener in lateinischer Schrift; fast tausend sind es allein im Grab Ramses' VI., 656 bei Ramses IV. Darin drückt sich der schon im Altertum lebhafte Besuch dieser Zeugen einer grossen Vergangenheit aus. Die prominenten Reisenden Diodor und Strabo, beide im r. Jahrhundert v. Chr., wussten um die Existenz von 4o oder mehr Gräbern. Schon die damaligen Touristen kamen bisweilen in ganzen Reisegruppen und zogen beim Schein von Fackeln in die Tiefe der Gräber. Einige bringen in ihren Inschriften hohen Respekt vor der ägyptischen Kunst zum Ausdruck, andere berufen sich auf den Philosophen Platon, der nach antiken Traditionen Ägypten besucht hat.

Der Besucherstrom scheint nach Alexander d. Gr. eingesetzt zu haben, steigerte sich in der römischen Zeit, und prominente Besucher lassen sich bis in die Zeit Justinians nachweisen. Damals war Ägypten bereits christlich, und die Höhlungen der Königsgräber boten koptischen Mönchen willkommenen Unterschlupf; das geräumige Grab von Ramses IV. benutzten sie sogar als Kirche. Es gab auf dem thebanischen Westufer eine ganze Reihe von Klöstern, die nach der islamischen Eroberung Ägyptens (641) allmählich wieder verschwanden, aber in den mit «Deir» gebildeten Ortsnamen noch heute weiterleben.

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war Theben mit allen seinen Denkmälern völlig aus dem Gesichtsfeld des Abendlandes geschwunden, erst im r7. Jahrhundert erscheinen europäische Reisende wieder im Tal der Könige. Die ersten, die wir kennen, sind die beiden KapuzinerPatres Protais und CharlesFranwis (1668), aber für die frühesten ausführlichen Beschreibungen der Gräber müssen wir auf den Jesuitenpater Claude Sicard warten, der 1718 und 172.1 das Tal besuchte und zehn zugängliche Gräber vorfand. Schon er ist beeindruckt von dem Farbenreichtum der Dekoration, der «frisch wie am ersten Tag» sei. 1738 folgte ihm der britische Geistliche und spätere Bischof Richard Pococke, dem wir neben Beschreibungen auch schon Pläne und Ansichten der Gräber verdanken. Sein Reisebericht wurde viel gelesen, und weite Verbreitung fand das Bild der Harfenspieler im Grab Ramses' III., das James Bruce 1769 anfertigen liess und in seinem Reisebericht 1790 veröffentlichte.

Die Gelehrten der Expedition Bonapartes, die 1799 Oberägypten erforschten, fertigten Pläne und Querschnitte einiger Gräber an, die zusammen mit einzelnen Funden und mit Proben der Dekoration (unter denen sich wieder die Harfenspieler befanden) in dem monumentalen Werk der Description de l'£gypte veröffentlicht wurden. Den französischen Gelehrten gelang auch die erste Wiederentdeckung eines Grabes, noch dazu des ersten aus der 18. Dynastie: Amenophis III., im einsamen Westtal gelegen. 1816 folgte dann eine Serie von Entdeckungen, die mit dem Namen von Giovanni Battista Belzoni verbunden ist, der aus Padua stammte, aber schon in jungen Jahren nach London kam, wo er als Akrobat und Gewichtheber auftrat. Von Agenten des Vizekönigs Mohammed Ali nach Ägypten geholt, um an der Modernisierung des Landes mitzuwirken, nahm ihn der britische Generalkonsul Henry Salt in seine Dienste, um seine wachsende Antikensammlung zu bereichern. Belzoni fand zunächst im Jahre 1816 das Grab des Aja im Westtal, dann im Oktober 1817 in rascher Folge das Grab Ramses' I., das Prinzengrab KV 19 und als Krönung die grosse Anlage von Sethos I., die bald als «Belzonis Grab» bekannt wurde. Der Entdecker hat das Verdienst, dieses neugefundene Grab auch sogleich kopiert zu haben, weil er es durch eine Ausstellung in London der Öffentlichkeit vorstellen wollte. So blieb vieles, was seitdem zerstört wurde, zumindest in seinen Kopien erhalten.

Bis zur Entdeckung des TutanchamunSchatzes war das Grab Sethos' I. die wichtigste Sehenswürdigkeit im Tal der Könige. Es beeindruckte alle Besucher durch den Reichtum seiner Dekoration und die leuchtende, lebendige Farbigkeit seiner bunten Reliefs, die so wirkten, als seien sie gerade erst vollendet worden.

Belzoni selber pries das Grab als einen «himmlischen Ort», und nach seinem glücklichen Fund herrschte allgemein das Gefühl, dass es im Tal nichts weiter zu entdecken gäbe, bestätigt durch vergebliche Gra.ungen in den folgenden Jahrzehnten.

JeanFrancois Champollion, der 18zz die Hieroglyphenschrift entziffert hatte, verbrachte 182.9 drei Monate im Tal der

Könige und konnte schon überaus tief in die jenseitigen Visio

nen der Unterweltsbücher eindringen. Vor ihm hatte man geglaubt, dass die Texte und Darstellungen an den Grabwänden

über das Leben und die Taten der hier begrabenen Könige berichten. Nun spürte Champollion in diesen «diabolischen Szenen» eine Verwandtschaft zu den Jenseitsvisionen Dantes und erkannte, dass es hier um das Fortleben Pharaos geht, der wie die Sonne die nächtliche Unterwelt mit allen ihren Schrecken durchlaufen muss, um neu geboren zu werden. Er beschrieb einige der religiösen Bücher an den Grabwänden und übersetzte auch erste Textproben aus ihnen. Allerdings berichtet er auch schon über Schäden, die durch Feuchtigkeit und die anschwellende Zahl der Besucher verursacht wurden. Die Farben litten unter den feuchten Abklatschen, die man bedenkenlos gerade von den schönsten Szenen nahm, und die Decken wurden vom Rauch der Fackeln geschwärzt.

Ippolito Rosellini leitete mit Champollion die gemeinsame frankotoskanische Expedition und hat wie sein französischer Kollege wertvolle Kopien und Notizen aus den Gräbern hinterlassen, die heute in Pisa aufbewahrt werden. Von grosser Bedeutung sind daneben die Kopien der Engländer Robert Hay, James Burton und John Gardiner Wilkinson, die ungefähr gleichzeitig angefertigt wurden. Ihnen folgte Carl Richard Lepsius mit einer Expedition, die der preussische König Friedrich Wilhelm IV. entsandte; sie arbeitete vom Oktober 1844 bis zum Februar 1845 im Tal und trug ein gewaltiges Material zusammen, das in den prächtigen Foliobänden der Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien schon 18491858 veröffentlicht wurde.

Die alten Aufnahmen haben vieles bewahrt, was heute zerstört und nicht mehr sichtbar ist. Aber sie griffen nur einzelne Szenen und im besten Fall einzelne Wände heraus, ohne auch nur eines von den Gräbern oder von den religiösen Büchern vollständig aufzunehmen. Der Genfer Edouard Naville war der erste, der 1875 mit der Sonnenlitanei einen vollständigen Text vorlegte, den er in den Gräbern von Sethos I. und Ramses IV. kopiert hatte, für seine Zeit eine bahnbrechende Leistung. Wenig später plante Eu&ne Lefebure eine vollständige Erfassung aller Gräber, hat diesen allzu weit gesteckten Plan aber 1883 nur zum Teil ausgeführt; die Gräber von Sethos I. und Ramses IV. wurden in Beschreibung und Zeichnung dokumentiert, die übrigen Gräber kurz beschrieben.

Eine grosse Sensation war die Bergung der Königsmumien, die Einheimische entdeckt und bis 1881 verborgen gehalten hatten. In diesem Jahr wurde das Versteck («Cachette») in Deir elBahari ausgeräumt, und man überführte die Mumien unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung in das Museum in Kairo, wo sie ausgewickelt und untersucht wurden. Der damalige Direktor der Altertümerverwaltung, Gaston Maspero, bemühte sich um die Erforschung der religiösen Texte in den Königsgräbern, die zugleich eine Hauptattraktion für den wachsenden Tourismus waren. Unter seinem späteren Nachfolger Victor Loret kam es nach langer Pause wieder zu einer Serie von Entdeckungen, unter denen die frühen Gräber von Thutmosis III. und Amenophis II. herausragen (beide 1898); in dem letzteren Grab wurde ein zweites Versteck von Königsmumien aufgefunden.

Die Ernennung von Howard Carter zum Chefinspektor der Altertümer Oberägyptens, nachdem er mehrere Jahre lang Erfahrungen als Zeichner und Mitarbeiter bei Ausgrabungen gesammelt hatte, brachte 1899 neue Impulse für die Arbeit im Tal und nahezu jährlich neue Entdeckungen. In dieser Zeit wurden die wichtigsten Gräber auch erstmals mit elektrischem Strom versorgt, wodurch die russenden Fackeln überflüssig wurden. Seit 1902 finanzierte der amerikanische Geschäftsmann Theodore M. Davis die Grabungen, die in den folgenden Jahren, mit wechselnden Mitarbeitern, zu vielen weiteren Entdeckungen führten. 1903 wurde durch Carter das Grab Thutmosis' IV. aufgefunden und das der Hatschepsut (KV 20) freigelegt, 1905 durch Quibell das Grab von Juja und Tjuju mit seinen intakten Beigaben entdeckt (KV 46), im gleichen Jahr noch durch Ayrton das von König Siptah (KV 47). 1907 folgten KV 54 (Balsamierungsdepot Tutanchamuns) und das vieldiskutierte KV 55, das zunächst für das Grab der Königin Teje gehalten wurde, 1908 schliesslich, nochmals durch Ayrton, das Grab des Haremhab (KV 57) mit der noch frischen Farbenpracht seiner bemalten Reliefs. Die letzte Entdeckung dieser Serie, KV 58, brachte Fragmente von Goldfolie mit dem Namen Tutanchamuns und damit weitere Hinweise auf ein Begräbnis dieses Königs.

1909 begann Carter seine Zusammenarbeit mit dem Earl of Carnarvon als neuem Sponsor, und dieser übernahm kurz vor dem Ersten Weltkrieg die Grabungskonzession von Davis. Trotz der Meinung von Davis und Maspero, das Tal sei nun bis in den letzten Winkel erforscht, begannen Carnarvon und Carter im Herbst 1917 mit der systematischen Suche nach dem noch unentdeckten Grab des Tutanchamun und konnten ihre Bemühungen im November 19 z2. mit seiner Entdeckung krönen. Der Fund des vollständigen Grabschatzes ist immer wieder als die grösste archäologische Entdeckung zumindest des zo. Jahrhunderts gepriesen worden, zugleich aber auch Beispiel einer weltweiten Vermarktung, die während der vielbesuchten TutanchamunAusstellungen 19611981 eine Neuauflage erlebte. Die Räumung des Grabes und die Konservierung seines Inhalts zog sich bis 1932 hin, und es dauerte noch Jahrzehnte, bis die Veröffentlichung des spektakulären Fundes langsam in Gang kam; sie ist noch lange nicht abgeschlossen. Eine wichtige Grundlage sind die Aufnahmen (Glasnegative), die Harry Burton während der Entdeckung und Bergung des Grabschatzes gemacht hat; daneben hat Burton in dieser Zeit auch Dokumentationen einiger Gräber angefertigt, vor allem für das Sethos' I. Dazu kommen die unveröffentlichten Notizbücher von Carter, die sich im Griffith Institute in Oxford befinden und seine vielfältigen Aktivitäten im Tal der Könige festhalten.

Über den spektakulären Schatzfunden und der Suche nach neuen Gräbern wurde die Beschäftigung mit dem Bild und Textprogramm der Königsgräber lange vernachlässigt, obwohl schon Champollion und später Gaston Maspero wichtige Grundlagen gelegt hatten. Alexandre Piankoff bemühte sich seit den 193oer Jahren, in die Geisteswelt der Unterweltsbücher einzudringen und sie durch Textausgaben mit Übersetzung der Wissenschaft zugänglich zu machen. Mit der Unterstützung der Bollingen Foundation konnte er 19491951 die umfangreiche Grabanlage Ramses' VI. vollständig ausfotografieren und 1954 veröffentlichen. In schöner Ergänzung kümmerte sich Elizabeth Thomas vor allem um die bescheideneren, nicht dekorierten Anlagen im Tal und hat dafür eine immer noch grundlegende Dokumentation zusammengetragen.

Inzwischen hat das Tal der Könige immer mehr Interesse gefunden. Friedrich Abitz erforschte Architektur und Bildprogramm verschiedener Gräber, Kent Weeks begann eine Kartographie des Tales ( «Theban Mapping Project») und seit 1995 die Freilegung des riesigen Prinzengrabes KV 5, Christian Leblanc wandte sich nach dem Tal der Königinnen der ausgedehnten Anlage von Ramses II. zu, und auch weitere Grabanlagen sind in den letzten Jahren freigelegt und aufgenommen worden. In jüngster Zeit widmen sich mehrere Expeditionen den Schuttbergen, die sich zwischen den Grabeingängen aufgehäuft haben und viele interessante, früher übersehene Funde preisgeben.

Die Gräber:

Bescheidene Anfänge: Die Thutmosiden

Wo sich das Grab von Amenophis I., der später als Schutzgott der Handwerker in Deir elMedine verehrt wurde, befunden hat, is: immer noch umstritten, doch lag es wohl in der Nähe des Friedhofes der 17. Dynastie und nicht im Tal der Könige. Für seiner: Nachfolger Thutmosis I. gibt es einen Bericht des thebanischen Bürgermeisters und Bauleiters Inene, der beschreibt, «wie mar_ das Felsgrab Seiner Majestät aushob, in der Einsamkeit, ungesehen und ungehört», also ganz im Geheimen. Dahinter steht jedoch nicht die Furcht vor Grabräubern, die zu allen Zeiten eine Bedrohung waren, sondern eine Wandlung des Jenseitsglaubens. Die Pyramiden strebten zum himmlischen Jenseits, die neuen Felsgräber senken sich in die Unterwelt, die geheim unc verborgen ist, keinem Sterblichen sichtbar, die aber die Sonne jede Nacht verjüngt. Die Ausschmückung der Sargkammer mit dem Unterweltsbuch Amduat macht das Grab nun zu einer Stätte der nächtlichen Sonnenfahrt, die den König mit einbezieht und, nach dem Vorbild der Sonne, seine tägliche Erneuerung garantiert. So konnte sich Thutmosis I., der als erster Pharao den Euphrat erreichte und die Grundlagen für das ägyptische Grossreich der i8. Dynastie legte, mit einer höchst bescheidenen Grabanlage begnügen.

Der Grundriss übernimmt von den Pyramidenanlagen der späten 1 2.. Dynastie die «geknickte» Achse, die alle Gräber bis zu Echnaton beibehalten; neu ist jedoch der rhythmische Wechsel von Treppen und schräg in die Tiefe führenden Korridoren. Die Grabachse spiegelt jetzt die gekrümmten Jenseitswege, und die ovale Form, welche die Sargkammer in den ältesten Gräbern hat, weist ebenso auf die Unterwelt wie der ovale Abschluss des AmduatBuches. Typologisch bildet das Grab KV 3 8 das älteste im Tal, auch wenn Thutmosis I. erst unter seinem Enkel Thutmosis III. hier definitiv bestattet wurde, nachdem ihn seine Tochter Hatschepsut für eine Weile in ihr eigenes Königsgrab (KV zo) umgebettet hatte. Dieses Grab der Hatschepsut ist von ungewöhnlicher Länge (213,5 Meter) und auch sonst ein Sonderfall; es beschreibt im Grundriss nahezu eine Spirale und endet in einer Sargkammer mit drei Pfeilern und drei Nebenräumen. Wegen der schlechten Qualität des Gesteins wurde die Dekoration (Amduat) auf separaten Steinplatten angebracht, die sich jetzt im Ägyptischen Museum in Kairo befinden.

Zu den frühesten Gräbern muss noch KV 42 gehören, mit einer unfertigen Dekoration, die auf ein Königsgrab weist, und einer ovalen Sargkammer. Als ursprünglicher Grabherr bietet sich Thutmosis II. an, der nur wenige Jahre regierte, doch wurde das Grab später neu benutzt. So beginnt die wirklich fassbare Entwicklung erst mit Thutmosis III., der nach dem Tode der Hatschepsut die Alleinherrschaft antrat und auf unermüdlichen Feldzügen, Jahr für Jahr, die neuen Positionen des ägyptischen Weltreiches in Syrien verteidigte und verbesserte, dazu auch als grosser Bauherr hervortrat.

Im Februar 1898 entdeckten Arbeiter der Antikenverwaltung in einer engen Felsschlucht, hoch über dem Niveau des Tales, den Eingang zur Grabanlage dieses Königs (KV 34); der Präsident der Verwaltung, Victor Loret, traf erst einige Tage später ein, und wenig später wurde in einer anderen Ecke des Tales das Grab von Thutmosis' Sohn und Nachfolger Amenophis II. aufgefunden. Bis dahin kannte man aus der 18. Dynastie nur die Gräber von Amenophis III. und Aja im Westtal.

Der Eingang des Grabes liegt im Norden, die Sargkammer ist nach Osten abgeknickt, und der Grundriss, auch die ovale Sargkammer, spiegelt so die gekrümmten Räume des unterirdischen Jenseits. Neue Elemente sind der Schacht (6 Meter tief) und eine obere Halle mit zwei (undekorierten, aber mit einem Quadratnetz überzogenen) Pfeilern, die durch eine Treppe direkt mit der Sargkammer verbunden ist. Der Schacht, der am Ende der 19. Dynastie wieder verschwindet, ist gern als Hindernis für Grabräuber gedeutet worden, dazu als Mittel, eingedrungenes Regenwasser aufzufangen; doch hat er auch eine religiöse Bedeutung, als direkter Zugang zur Unterwelt und Höhle des Gottes Sokar. In späteren Gräbern wurde seine Rückwand zuge mauert und wie die Wände mit Götterszenen bemalt, so daG ein Ende des Grabes vortäuschen konnte; seine Dekorati machte ihn zu einem Ort, an welchem der gestorbene Pharau die Welt der Götter eintritt. Bei Thutmosis III. sind hier no, keine Götterszenen angebracht, aber der Rahmen für diese Szenen, mit dem dekorativen Fries aus bunten Schilfbündeln (ägyptisch Cheker) und dem HimmelsZeichen, ist bereits vorgemalt

Im übrigen führt ein rhythmischer Wechsel von Treppen ir Korridoren, nur durch den Schacht und die obere Pfeilerha unterbrochen, bis zur Sargkammer mit ihren vier kleinen N benkammern, die für Beigaben bestimmt waren; diese Vierza der Seitenräume bleibt für lange Zeit verbindlich. Von den B, gaben waren bei der modernen Entdeckung nur noch Reste Holzfiguren des Königs und diverser Gottheiten vorhand, Der königliche Sarkophag aus Quarzit befindet sich noch Grab, die Mumie fand sich 1881 im Versteck (Cachette) Deir elBahari, eingehüllt in ein Leichentuch mit dem Text deSonnenlitanei.


Plan des Grabes von Thuthmosis III.

Korridore und Treppenräume blieben, wie in allen Gräbern der r8. Dynastie, ohne Dekoration. Auf den Wänden der oberen

Halle ist ein Katalog mit 741 Gottheiten aus dem Amduat angebracht, der ohne Parallele ist. Zu jeder Figur (feindliche Wesen sind fortgelassen) gehört ein Stern und ein Weihrauchnapf, eines der Zeichen für die BaSeele.

Das Amduat mit seinen zwölf Nachtstunden schmückt die Wände der Sargkammer, deren Grundriss 14,60 x 8,5o Meter misst. Dabei folgt die Anordnung der Stunden den Vermerken, die sich im Text des Buches finden und auf die Himmelsrichtungen Rücksicht nehmen. So gehören die Stunden 14 auf die Westwand, 5 und 6 auf die Südwand, 7 und 8 auf die Nordwand, 912. auf die Ostwand. Dieses Ideal konnte allerdings nur ungefähr erreicht werden, denn Probleme mit dem vorhandenen Platz machten mehrfach Umstellungen und Auslassungen notwendig, dazu mussten viele Figuren eng gestaffelt und Register aufgeteilt werden. Die Figuren sind nur in Umrissen (Strichzeichnung) ausgeführt, in schwarzer und roter Farbe; die Texte geben kursive Hieroglyphen, wie sie auch im Totenbuch benutzt wurden, so dass sich der Eindruck eines monumentalen Papyrus ergibt.

Auf den zwei Pfeilern in der Sargkammer sind zwei Seiten mit der Kurzfassung des AmduatBuches geschmückt (nur Text, keine Figuren), die einem ausführlichen Inhaltsverzeichnis entspricht. Vier Seiten tragen die 76 Figuren der Sonnenlitanei, auch sie in Strichzeichnung, eine weitere die Darstellung des Königs mit seiner Mutter Isis in einem Boot sowie von Mitgliedern der königlichen Familie und dazu die bekannte Szene, in der Isis als Baumgöttin den König stillt; dies ist die einzige Götterdarstellung im Grab, während schon im folgenden Königsgrab von Amenophis II. alle sechs Pfeiler der Sargkammer mit Götterszenen bemalt werden. In der Sargkammer und im Schacht ist die Decke als blauer Himmel mit gelben Sternen bemalt und steht damit für das himmlische Jenseits, das der BaSeele des Verstorbenen offensteht.

Erste Wandlungen:Amenophis II. und Thutmosis IV.

Der Eingang des Grabes von Amenophis II., der die Eroberugen seines Vaters als nimmermüder Kriegsherr verteidigte, lie, versteckt am Fuss einer hohen Felswand (KV 35). Victor Lore: fand ihn im März 1898, nur einen Monat nach der Entdeckunides ThutmosisGrabes. Die Achse des Grabes ist wiederum knickt, dieses Mal genau im rechten Winkel. Dazu ist der rhyr mische Wechsel von Treppen und Korridoren beibehalten, ur zwischen die beiden Pfeilerhallen wird ein zusätzlicher Korrido7 eingeschoben. Gegenüber den vorangehenden Gräbern sind Wände und Decken der Korridore jetzt mit grösserer Regelur: ssigkeit aus dem Felsen gehauen. Nur die Sargkammer mit ihre Pfeilern wurde ausgemalt, alle anderen Räume sind ohne Dekoration geblieben. Zum Schutz der bemalten Wände vor den Besuchern hat man schon früh Glasplatten davorgesetzt, wie e= jetzt auch in anderen Gräbern geschieht.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger geht Amenophis II. wieder zu einem rechteckigen Grundriss der Sargkammer über und gibt ihr eine Gestaltung, die bis zu Sethos I. Vorbild bleibt; au: einen höher gelegenen Teil mit sechs Pfeilern folgt ein tiefer liegender mit dem Sarkophag des Königs. Wie bei Thutmosis sind vier Seitenkammern für die Beigaben bestimmt, von denen Loret noch einige hölzerne Figuren antraf; in einer Königsfigur war ein Papyrus versteckt, der die älteste Fassung von TotenbuchSpruch 168 gibt, in welchem die zwölf «Grüfte» der Unterwelt mit ihren Göttern beschrieben werden. In der zweiten Seitenkammer auf der rechten Seite stiess Loret auf neun Königsmumien. die nach dem Ende des Neuen Reiches, um i000 v. Chr., hierher in Sicherheit gebracht wurden. Die Mumie von Amenophis selber lag noch in ihrem Sarkophag aus Quarzit und wurde zunächst im Grab belassen, aber 1934 nach Kairo gebracht. Daneben blieben auch Reste der separaten Kanopen (Eingeweide) Bestattung erhalten. Weitere Funde waren UschebtiFiguren, Modelle von Booten, Gefässe aus Fayence, Glas und Ton sowie diverse Amulette; Kuhkopf, Panther und viele andere Objekte haben Parallelen im Grabschatz des Tutanchamun.

Alle Funde aus dem Grab, zu denen auch Beigaben für einen Prinzen gehören, sind jetzt im Ägyptischen Museum von Kairo ausgestellt.

Die Wände der Sargkammer sind weiterhin mit dem Amduat in Strichzeichnung ausgeschmückt, doch werden die Nachtstunden jetzt nacheinander auf die Wände gebracht, ohne Unterbrechung der Reihenfolge; der Beginn ist auf der Rückwand, die zwölf Stunden folgen einander im Uhrzeigersinn, und die Kurzfassung steht am Schluss, auf der linken Wand. Die ganze Komposition wird von einem breiten, roten Sandstreifen eingerahmt, der das Totenreich in der westlichen Wüste andeutet, in das die Sonne jeden Abend versinkt. Sandstreifen trennen auch die einzelnen Register in den Stunden. Die Sonnenbarke fährt auf einem Wasserstreifen, doch ist auf der rechten Wand der Übergang von der wasserreichen dritten Nachtstunde zum Sandreich des Sokar in der vierten deutlich zu sehen. Die letzte Nachtstunde, in der sich in einer riesigen Schlange die Verjüngung der Sonne vollzieht, hat einen ovalen Abschluss. Die Wände enden oben wieder in einem dekorativen ChekerFries; die Decke des Raumes ist als gestirnter Himmel bemalt.

Alle sechs Pfeiler in der Sargkammer sind mit Szenen geschmückt, die den König vor einem Gott oder einer Göttin zeigen, die ihm das LebensZeichen (Anch) an die Nase halten. Seine Partner sind dabei Osiris, Anubis und Hathor, die neben dem Sonnengott Re (dessen nächtliche Fahrt das Amduat beschreibt) für den Verstorbenen die grösste Bedeutung haben und sein Fortleben im Jenseits garantieren; das erste Pfeilerpaar ist ganz für Osiris reserviert, den Herrscher der Toten, das dritte für Hathor, während sich beim zweiten Anubis und Hathor die Dekoration teilen. Die Gottheiten tragen verschiedene Beinamen, der König wird meistens «geliebt von Osiris» genannt. Alle Szenen sind, wie im Amduat, meist nur in schwarzer und roter Farbe ausgeführt, bunte Bemalung findet sich erst im folgenden Königsgrab von Thutmosis IV. Doch ist das HimmelsZeichen über allen Götterszenen (und ebenso über dem Amduat) blau bemalt, und eine bunte Umrahmung umgibt jede der Szenen. Blau sind auch die Wasserflächen im Amduat ausge malt, vor allem in der zehnten Nachtstunde, in der Ertrunken im Urgewässer Nun dahintreiben.

Einige der hohen Beamten des Königs erhielten als besonder! Gunst eine Bestattung im Tal der Könige. Dazu gehören, jewei.mit einem bescheidenen Schachtgrab, der Wesir Amenemor: (KV 48) und der nubische Wedelträger Maiherperi (KV 3 6 dem ausser zahlreichen Waffen auch eines der frühesten illustrierten Totenbücher mitgegeben wurde. Ein Sonderfall ist de7 Bürgermeister Sennefer, der in dieser Zeit wohl die massgebende Persönlichkeit in Theben war und sich eine ungewöhnliche,bei einem König mit Pfeilern ausgestattete Grabkammer in der BeamtenNekropole (TT 96) anlegen liess, die vor allem durc.7 ihre reizvolle Ausmalung mit Weinlaub den Besucher entzück:Funde aus KV 4z belegen ihn auch für das Tal der Könige, doc.r bleibt es fraglich, ob er dort bestattet wurde. Etwas später entstand das Schachtgrab des Feldervorstehers des Amun Userha: (KV 45), in welchem Carter Fragmente von den Kanopenkru  gen dieses Beamten fand.

Thutmosis IV. ging mit seiner Anlage (KV 43) in die Nähe des HatschepsutGrabes, folgte aber sonst dem Vorbild seines Vorgängers. Allerdings schiebt er zwischen die beiden Pfeilerhallereinen zusätzlichen Treppenraum und die Vorkammer ein, womit er die Zahl der Durchgänge von sieben auf neun erweitern auch sein Sarkophag, der noch heute im Grab steht, und der Totentempel sind in neuen, grösseren Massen entworfen worden. Die Vorkammer und der Schacht sind die einzigen Räume, die Dekoration erhielten (und nur auf zwei bzw. einer von den vier Wänden), während die Sargkammer gänzlich unfertig blieb. Au: der rechten Wand der Vorkammer verewigt eine Inschrift in schöner Kursivschrift (Hieratisch) eine spätere Inspektion des Grabes, die unter König Haremhab erfolgte. Die jetzt erstmals bunt ausgemalten Götterszenen sind zeitgleich mit dem Höhepunkt der Grabmalerei in den Beamtengräbern der thebanischen Nekropole, etwa in den Gräbern des Nacht und des Menena. Die reichverzierten Kleider der Hathor zeigen eine Freude am Detail, die in den früheren Gräbern noch fehlte. In der unfertigen Sargkammer finden sich, noch unvoll ständig, ein erstes Mal die vier kleinen Nischen, die für die Aufnahme der «Magischen Ziegel» bestimmt waren, die den Schutz des Begräbnisses verstärken sollten. Die Magischen Ziegel blieben erhalten wie auch viele andere Grabbeigaben, darunter der repräsentative Streitwagen des Königs.

Ein weiterer gut erhaltener Streitwagen fand sich im Grab des Befehlshabers der Wagentruppe Juja und seiner Gemahlin Tjuju, das James Quibell mit seinem reichen Inhalt im Februar 1905 entdeckte; bis zur Freilegung des TutanchamunGrabes war dies der reichste Grabschatz aus dem Tal der Könige. Als Eltern der Königin Teje und Schwiegereltern Amenophis' III. erhielten Juja und Tjuju ein kleines, undekoriertes Korridorgrab im Tal der Könige (KV 46). Ihre Mumien, in zahlreiche Särge hineingeschachtelt, sind Meisterwerke der Balsamierungskunst, und ihre Grabausstattung, jetzt im Museum in Kairo, zeugt vom hohen Stand der materiellen Kultur. Was aber fehlt, ist der Reichtum religiöser Texte und Motive, der ein Königsgrab auszeichnet; wenige Amulette und ein Totenbuchpapyrus, dazu die Schutzgötter auf den Särgen, mussten zur Sicherung der jenseitigen Existenz genügen.

Abseits im Westtal:Amenophis III. und Aja

1799 entdeckten zwei Ingenieure der Expedition Bonapartes das abgelegene Grab von Amenophis III. (KV zz), dem Vater Echnatons, das erst in den letzten hundert Jahren etwas Beachtung fand und inzwischen gründlich gesäubert wurde. Ein letztes Mal sind hier die Wände der Sargkammer mit dem Amduat ausgeschmückt, dazu die Pfeiler des Raumes, wie die Wände im Schacht und in der Vorkammer, mit Götterszenen; die Decken dieser Räume waren mit Sternen verziert. Auf den Pfeilern ist noch das engmaschige Quadratnetz der Vorzeichnung sichtbar. Die Nebenräume, deren Zahl gegenüber den Vorgängern stark erweitert wurde (vielleicht für das Begräbnis von Gemahlinnen des Königs), blieben weiterhin ohne Dekoration. Für die weitere Entwicklung sind die Fortsetzung hinter der Sargkammer und die Betonung eines der vier Seitenräume durch einen Pfeiler wegweisend. Von den Beigaben, die einst in diesen Räumen aufgehäuft waren, haben sich nur klägliche Reste erhalten. In der Korridoren wird jetzt ein quadratischer Querschnitt von für  mal fünf ägyptischen Ellen (ä 52,3 cm) erstrebt, der auch für d folgenden Gräber noch verbindlich bleibt.

Neu in das Bildprogramm aufgenommen sind die Himmel, göttin Nut und die «Westgöttin» als besondere Erscheinung de: Hathor; die beiden Göttinnen verkörpern die Sphären — Himmel und westlichunterweltliches Totenreich —, in die der Verstorbene aufgenommen wird, denn sein Leib bleibt in der Unterwelt, während seine BaSeele frei ist, auch den Himmel aufzusuchen. Beide Sphären sind dazu die Welt der Götter, und dami: mag es zusammenhängen, dass Amenophis III. für die Wände in seinem Schacht und in der Vorkammer einen blauen Hintergrund wählt, damit eine «Götterfarbe», die auch Haremhab als Hintergrund für seine Götterszenen verwendet. Über der Gestalt des Königs erscheint nur in diesem Grab regelmässig ein schützender Geier.

Es ist anzunehmen, dass Amenophis IV. (Echnaton) vor seinem Entschluss, Theben zu verlassen, ein Grab im Tal der Könige beginnen liess. Dafür bietet sich als Kandidat KV 25 im Westtal an, mit einem sorgfältig ausgehauenen Eingang und der Korridorbreite von 2,37 Metern, wie sie für ein Königsgrab damals üblich war; das Grab ist allerdings über den ersten Korridor nicht hinausgelangt und blieb ohne Dekoration, so dass eine letzte Gewissheit fehlt. Das Westtal wurde jedoch noch eine Weile bevorzugt, und es gibt die Vermutung, dass auch Tutanchamun hier bestattet werden sollte, bis sein Nachfolger Aja das begonnene Grab für sich selber reservierte und dem jung verstorbenen König ein Notbegräbnis im Haupttal ausrichtete.

Das Grab des Aja (oder Eje, KV z3) hat im Gegensatz zu dem Tutanchamuns den Grundriss und die Korridormasse eines Königsgrabes, jedoch nur die erste Hälfte mit ihren drei Korridoren, dem Schachtraum (ohne Schacht) und der stark verkleinerten Sargkammer ohne Pfeiler. Ausgemalt wurde auch hier nur die Sargkammer, in der man den König bei der Fisch und Vogeljagd erblickt, einer typischen Szene der Beamtengräber, wobei er Glück des Vergessens: Tutanchamun       27

von der Königin begleitet ist. In den wenigen Götterszenen erscheinen Osiris, Nephthys, die Westgöttin, Hathor und Nut, dazu eine eigenartige Verschmelzung der thronenden vier Horussöhne, die noch nicht ihre Tierköpfe tragen, mit der Gestalt des Königs und seinen Attributen (Landeskronen, gerader Königsbart). Wie sein Vorgänger Tutanchamun verwendet er daneben einen Ausschnitt aus der ersten Stunde des Amduat und ergänzt das Bild und Textprogramm um zwei Sprüche aus dem Totenbuch, das hier zum ersten Mal auf der Wand eines Königsgrabes erscheint. Dabei dient der Spruch 13o, den auch Tutanchamun mehrfach verwendet, der Mitfahrt in der Sonnenbarke, passt also gut zur Thematik der Unterweltsbücher. Von den beiden Sonnenbarken, der Tages und Nachtbarke, mit denen der Spruch illustriert wird, ist die eine hier umgewandelt und mit der vollständigen «Neunheit» von Göttern bemannt. Da der Text des Spruches auch dazu dienen soll, dem Verstorbenen das ganze Jenseits zu öffnen, wird er sinnvoll durch den Spruch 144 ergänzt, in dem es darum geht, die sieben Tore des Jenseits zu durchschreiten.

Glück des Vergessens:Tutanchamun

Echnatons religiöse Reform traf nicht nur den bisherigen Polytheismus, sondern besonders schwer den traditionellen Jenseitsglauben und seinen Mittelpunkt, den Totenherrscher Osiris. Die Unterwelt mit ihrer nächtlichen Sonnenfahrt wird geleugnet, sie kommt auch in den Hymnen Echnatons nicht vor. In der neuen Residenz von ElAmarna in Mittelägypten liegen die Gräber nicht mehr im traditionellen Westen, sondern im Ostgebirge, und die Toten erhalten ihre tägliche Versorgung im Diesseits, im Tempel des Aton. Trotzdem werden auch für den König und seine Angehörigen weiterhin Gräber angelegt, die Grenzstelen der neuen Hauptstadt geben genaue Anweisungen dafür.

Nach dem Tode Echnatons entschliesst man sich, das königliche Begräbnis wieder in das Tal der Könige zu verlegen. Der unmittelbare Nachfolger, Semenchkare, erhielt dort ein Notbegräbnis in dem kleinen Korridorgrab KV 55, das der Wissenschaft lange Zeit Rätsel aufgegeben hat, weil die Grabausstattung ursprünglich für ganz verschiedene Personen bestimmt war. Erst die Münchner Ausstellung «Das Geheimnis des goldenen Sarges» (zoot ) hat weitgehend Klarheit geschaffen. Die Mumie des jungen Königs lag in einem Sarg, der eigentlich für Echnaton angefertigt war; auch die «Magischen Ziegel», die dem Schutz der Grabkammer dienen, tragen den Namen Echnatons und müssen ganz an den Anfang seiner Regierung gehören, da er hier noch als «Osiris» bezeichnet ist. Der Schrein um den Sarg aber gehört seiner Mutter Teje und die Kanopenkrüge für die Eingeweide seiner Nebengemahlin Kia. Offenbar hat man aus dem königlichen Magazin einige Kostbarkeiten geholt. die man sonst nicht mehr verwenden konnte. Umgekehrt fanden sich im Grabschatz des Tutanchamun Gegenstände, die eigentlich seinem Vorgänger Semenchkare gehörten, was den Eindruck der allgemeinen Unsicherheit verstärkt.

Auch das Begräbnis des Tutanchamun (KV 62.) war improvisiert. Sein Grab ist vom Grundriss und von den Massen her kein Königsgrab, sondern war eigentlich für Angehörige des Königshauses bestimmt. Aber es wurde vollgestopft mit allem, was zu einer königlichen Grabausstattung gehört, und zehrt vom Glanz dieser Schätze, die sich unversehrt erhalten haben. Als die Mumien der Könige nach dem Ende des Neuen Reiches in zwei Verstecke umgebettet wurden, fehlte der jung verstorbene König. Sein Grab war inzwischen unter dem Aushub späterer Gräber versteckt und völlig vergessen worden.

Der einzige Korridor war bis zur Decke mit Schutt verfüllt, in der Vorkammer und einem Nebenraum stapelten sich die Beigaben, und am zugemauerten Eingang zur Sargkammer standen zwei Wächterfiguren des Königs. Die enge Sargkammer wurde fast vollständig ausgefüllt von den ineinander geschachtelten Särgen und vergoldeten Schreinen. In der einzigen Seitenkammer war der Schrein mit den Eingeweidekrügen (Kanopen) des Königs abgestellt, umgeben von vier Schutzgöttinnen und weiteren Beigaben, darunter eine Reihe von Booten und eine reizvolle Figur des Anubis als liegender Schakal.

Dekoriert wurde nur die Sargkammer dieses Grabes, wobei man auf dem engen Raum nur wenige Motive auswählen konnte, die für die Fortdauer Pharaos von Bedeutung schienen. Unge

wöhnlich und im Königsgrab nur hier verwendet ist gleich

rechts der Begräbniszug, bei dem die höchsten Reichsbeamten den Schlitten mit dem Sarg des Königs (unter einem reichver

zierten Baldachin) zum Grab ziehen. Daran schliesst sich die «Mundöffnung» an der Mumie des Königs an, ausgeführt von seinem Nachfolgx 4a, du als amtimndu Ptiesta eln2anthetfell umgelegt hat und Sandalen trägt. Die Figuren zeigen noch die schwellenden Formen der AmarnaKunst Echnatons, aber in gemilderter Fassung.

Der verstorbene König ist durch seine an Osiris angeglichene Gestalt und den gebogenen Götterbart in die Welt der Götter erhoben, denen er in den folgenden Szenen gegenübertritt, zunächst begrüsst von der Himmelsgöttin Nut; der «echte» Osiris, den er umarmt, hat grüne Hautfarbe, und hinter dem König folgt ihm seine göttliche «Sozialseele», der Ka. Die Götterszenen werden auf der linken Wand unterbrochen von einem knappen Auszug aus der ersten Nachtstunde des Amduat, mit der Barke des SonnenKäfers Chepri und einem Teil der SonnenPaviane. So ist, mit Götterszenen und Amduat, das traditionelle Bildprogramm der königlichen Grabkammer zumindest angedeutet.

Der Schritt zum Relief: Haremhab

Als der betagte Aja nach nur vierjähriger Regierung starb, fiel die Krone an den hohen Militärbeamten Haremhab. Dieser hatte sich bereits in Saqqara, der alten Totenstadt von Memphis, in Sichtweite der Pyramiden, ein prächtiges Beamtengrab vorbereitet, mit überaus qualitätvollen Reliefs ausgeschmückt. Mit seinem Königsgrab (KV 57), das wieder im Haupttal zwischen Tutanchamun und Amenophis II. liegt und 1908 entdeckt wurde, knüpft die Entwicklung an die Zeit vor Echnaton an, jedoch mit einer Reihe von wichtigen Neuerungen. Die Achse des Grabes wird nicht mehr abgeknickt, sondern verläuft gerade und ist nur in der oberen Pfeilerhalle leicht verschoben. Die Sargkammer ist wiederum zweigeteilt, aber an den Wänden nicht mehr mit dem Amduat, sondern mit einem neuen Unterweltsbuch ausgeschmückt, das als Pfortenbuch bezeichnet wird. Die bedeutsamste Neuerung aber ist der Übergang zum bemalten Relief, ausgelöst vielleicht durch die Entwicklung der Beamtengräber, von denen einige (etwa Ramose und Chaemhat schon unter Amenophis III. in Theben mit feinsten Flachreliefs geschmückt wurden; die neu entstehende BeamtenNekropole in Saqqara führte dann die Reliefkunst noch mehr zur Blüte und prägte die weitere Entwicklung.

Der Reliefschmuck ist nur bei den Götterszenen im Schacht und in der Vorkammer des Königsgrabes vollendet worden, hier aber von einer nicht wieder erreichten lestlerischen Qualität und einer unerhörten Leuchtkraft der Farben. Der Hintergrund ist überall in einem stumpfen Blau ausgemalt, was diese Leuchtkraft noch unterstreicht, aber vor allem symbolische Bedeutung hat; Blau kennzeichnet den Himmel als Aufenthalt der Götter, in deren Gemeinschaft der verstorbene Pharao eintritt. Dabei dominiert jetzt der Gott Horus, den Haremhab (dessen Name «Horus ist im Fest» bedeutet) neu in das Bildprogramm aufnimmt, zusammen mit Isis, der Mutter des Horus und Schwestergemahlin des Osiris; mit ihrem Beinamen «Herrin des Himmels» vertritt sie wohl auch Nut, die bei Haremhab fehlt. Isis und die Westgöttin, mit ihrem FalkenZeichen auf dem Haupt. tragen eine schwarze Perücke, im Gegensatz zu Hathor mit ihrer blauen oder gestuften Perücke; Osiris und Ptah haben grüne Haut, die Farbe des erneuerten Lebens. Am Ende der Vorkammer erscheinen noch zwei weitere neue Götter, Ptah und Nefertem, die eigentlich zur nördlichen Residenz Memphis gehören. aber von jetzt an einen festen Platz im thebanischen Königsgrab erhalten. Zum ersten Mal erscheint auch Maat, welche die richtige Ordnung der Welt verkörpert; sie begrüsst den verstorbenen Pharao auf beiden Seiten des Eingangs in die Sargkammer und erleichtert ihm damit den Schritt über die letzte Schwelle.

In der Sargkammer hatte man begonnen, die Vorzeichnungen zum Pfortenbuch von unten nach oben in Relief umzusetzen. kam aber damit nicht sehr weit. Nur zwei Nachtstunden, die dritte auf der rechten und die vierte auf der linken Wand, sind vollständig vorgezeichnet, dazu die Gerichtshalle des Osiris auf der Rückwand. Auf der linken Eingangswand hat man sich für die zweite Stunde mit einer Ausführung in Malerei (auch hier mit blauem Hintergrund) begnügt. So gestattet uns dieser unfertig gebliebene Raum einen sehr lehrreichen Einblick in das Werkverfahren der ägyptischen Künstler, von der Glättung der Wand, ersten roten Hilfslinien und aufgemalten Richtungsvermerken bis zum fertigen, aber noch nicht bemalten Relief. Ob die fehlende zweite Hälfte des Pfortenbuches für Teile der Grabausstattung (etwa Schreine) vorgesehen war, bleibt ungewiss, sie fehlt auch bei Sethos I., trotz zusätzlicher Wandflächen. Die Pfeiler waren, wie bei Amenophis II. und III., sicher für weitere Götterszenen vorgesehen, sind aber undekoriert geblieben, ebenso die Decke. In der zweiten Seitenkammer links ist ein Bild des Osiris vor dem DjedPfeiler auf die nur roh geglättete Wand gemalt.

Weise Beschränkung: Ramses 1.

Dieser Begründer der 19. Dynastie, von Haremhab als Nachfolger eingesetzt, gelangte erst in hohem Alter auf den Thron und konnte mit keiner langen Regierung rechnen; er hat in der Tat nur ein Jahr und vier Monate regiert. Die Planung seines Grabes (KV 16) nahm von Anfang an darauf Rücksicht und verkürzte Grundriss und Dekoration auf ein Minimum. Auf eine Treppe, einen Korridor und eine zweite Treppe folgt sogleich die relativ kleine Sargkammer. Nur sie wurde vollständig ausgemalt, mit durchweg blauem Hintergrund; auf eine Ausführung im Relief wurde verzichtet, und auch der Granitsarkophag des Königs trägt nur gemalte Dekoration. Das Amduat fehlt im Bildprogramm und ist, wie bei Haremhab, durch einen Teil des Pfortenbuches ersetzt. Auf jeder Schmalseite des Raumes ist eine Nachtstunde aus diesem Buch angebracht — rechts die dritte, links die vierte Stunde, beide ohne das obere Register, da die niedrigen Wände nicht genügend Platz boten.

In der dritten Stunde wird die Sonnenbarke durch ein langge strecktes Gebilde gezogen, das als «Barke der Erde» bezeichne

ist und die Unterwelt verkörpert, die der Sonnengott in sein widderköpfigen Nachtgestalt durchzieht. Seine Fahrt wird ir

mer wieder von der riesigen ApophisSchlange bedroht, die uter der Barke dargestellt ist. In der vierten Stunde fährt die Bar, des Sonnengottes an einer Reihe von Schreinen mit schwarz au gemalten Mumien vorbei; sie liegen noch im Todesschlaf, bev sie der Anruf des Gottes daraus erweckt und mit einem neuer Leib versieht, der nicht mehr die Gestalt der Mumie hat. Daru7 ter ist eine symbolische Darstellung der Zeit; sie wird als vic fach gewundener Schlangenleib gezeigt, aus dem die einzelni Stunden «geboren» und zuletzt wieder «verschlungen» werde Die zwölf Stunden der Nacht verkörpern sich in den zwölf Gc  tinnen, die auf dreieckigen Gebilden stehen, die halb mit Wasserlinien, halb schwarz (für Finsternis) ausgemalt sind u so den Weg durch die finstere, vom Urwasser erfüllte Unterm, andeuten.

Links blieb noch Platz für eine Szene, die den König zwisch, HorusSohnderIsis und Anubis zeigt. Auch die beiden lang, Wände der rechteckigen Kammer sind mit Götterszenen ausge malt. Auf beiden Seiten des Eingangs empfängt die Göttin Ma: den eintretenden König; sie verkörpert Recht, Wahrheit u: . Ordnung, die auch im Reich der Toten herrschen sollen. Hinter ihr betet oder opfert Ramses links vor Ptah (vor einem grosse: DjedAmulett), rechts vor Nefertem (mit einem TitAmulett . der eine Lotosblüte auf dem Kopf trägt. Im Zentrum der Rückwand thronen Chepri (mit einem SkarabäusKäfer statt des Kopfes) und Osiris Rücken an Rücken; Chepri ist die morgencliehe, verjüngte Gestalt des Sonnengottes, während Osiris 17 Neuen Reich als seine nächtliche Erscheinungsform gilt. \ c  Osiris steht, mit einem Pantherfell bekleidet, eine kleine Figur des IunmutefPriesters, der als idealer Sohn des Osiris auftrirn von rechts her führen, sich an den Händen fassend, Horu.SohnderIsis, Atum und die Göttin Neith den König vor de: Gott. Links opfert Ramses über vier Kleiderkästen vor Chepr und erscheint daneben zwischen einer falkenköpfigen «Seele von Nechen (Hierakonpolis) und einer schakalköpfigen «Seele • von Pe (Buto), alte göttliche Mächte der beiden Landeshälften, die hier zusammen mit dem König einen Jubelgestus ausführen. Unter dieser Szene öffnet sich eine kleine Nische, in der man Osiris auf einer Schlange stehend erblickt, beschützt von einer UräusSchlange vor ihm und umsorgt von Anubis, der hier als seltene Ausnahme einen Widderkopf (statt Schakalkopf) trägt; weitere Nischen in der linken und rechten Wand sind ohne Dekoration.

Der Höhepunkt: Sethos 1.

Die Entdeckung dieses Königsgrabes durch Giovanni Battista Belzoni aus Padua im Oktober 1817 fand in der ganzen damaligen Welt ein lebhaftes Echo; dabei wirkte mit, dass Belzoni einen ausführlichen Bericht über seine Entdeckungen veröffentlichte und eine Kopie mehrerer Räume des neugefundenen Grabes 1821 in London in einer Ausstellung zeigte, die später auch in Paris zu sehen war.

Belzoni und alle frühen Besucher des Grabes waren begeistert von der Pracht der Farben, die noch völlig frisch waren, als ob die Maler gerade erst ihre Arbeit beendet hätten. Dazu gehört auch die Farbigkeit der Hieroglyphen, von denen jedes Zeichen eine bestimmte Farbe hat. Der englische Konsul Henry Salt, der die Arbeit von Belzoni finanzierte, hat in einer Serie von Aquarellen diese leuchtenden Farben festgehalten. Doch klagt schon Champollion, der 1829 zusammen mit Rosellini an der Aufnahme des Grabes gearbeitet hat, über den fortschreitenden Verfall. Er selber «rettete» zwei der schönsten Reliefs, die sich jetzt im Louvre und in Florenz befinden, und viele. andere Pfeiler und Wandfragmente sind heute über Museen in aller Welt zerstreut oder auch ganz verloren. Mechanische Abnutzung, Staub und Feuchtigkeit haben inzwischen weiter zum Verfall beigetragen und von der einstigen Pracht wenig übrig gelassen. Howard Carter bemühte sich nach 1900 um eine Restaurierung des Grabes, aber der moderne Massentourismus stellt weiterhin eine Bedrohung dar. In den Jahren 1921 bis 192.8 hat Harry Burton, der für Carter den gesamten Tutanchamun Schatz fotografierte, auch dieses Königsgrab vollständig ausfotografiert und damit eine Dokumentation des damaligen Zustands gegeben.

Sethos I. ist der erste bedeutende König der Ramessidenzeit auf den einige der schönsten Tempelbauten Ägyptens zurückgehen, vor allem sein Tempel in Abydos, dem Kultort des Osiri, und der Grosse Säulensaal im Amuntempel von Karnak. In Kanak hat er auch seine erfolgreichen Kämpfe in Syrien verewigt, v, sich Ägypten gegen die Hethiter behaupten konnte. Danebe bemühte er sich, die von Echnaton zerstörten Götterbild( wiederherzustellen und die alten Kulte neu zu beleben. Die Qu.lität des bemalten Reliefs in seinen Tempeln wie in seinem Gn bildet einen Höhepunkt in der ägyptischen Kunstgeschichte.

Die Konzeption seines Grabes ist grundlegend neu und wurc. bis zu Ramses III. mit nur geringen Änderungen kopiert. bringt nicht nur architektonisch eine Erweiterung um weiteRäume und eine deutliche Zweiteilung in eine obere und ei: untere Hälfte, sondern zum ersten Mal wird hier ein Königsgn vom Eingang bis zum Sarkophag vollständig dekoriert, während vorher nur einzelne, besonders wichtige Räume ausgeschmückt wurden. In einer ersten Planungsphase wollte Sethc der bisherigen Praxis folgen, entschloss sich aber dann zu ein, grundlegenden Erweiterung. Bis auf wenige unfertige Stellen die gesamte Dekoration (auf ioo Meter Länge!) in bemalteFlachrelief ausgeführt. Der Hintergrund ist in der Regel we:_ im Schacht blau, in der Sargkammer und an einigen hervorg hobenen Stellen gelb (womit Gold gemeint ist).

Beim Eintritt in das Grab stösst man zunächst auf eine Sze die den König anbetend vor dem Sonnengott Re in seiner falk,köpfigen Tagesgestalt ReHarachte mit der Sonnenscheibe ze..= In den jetzt zum Teil zerstörten Beischriften verspricht der G  dem König und seiner Herrschaft die Fülle der Zeit. Es schlie.. sich das Titelbild der Sonnenlitanei an, mit der Sonnenscheibe der Mitte; in der Scheibe verkörpern ein SkarabäusKäfer ein widderköpfiger Gott die beiden Erscheinungsformen Sonnengottes am Morgen und am Abend. Die Tiere (Kroko Schlange, Gazelle) vertreten die feindlichen Mächte, über wel che die Sonne immer wieder triumphiert. Der Text der Sonnenlitanei füllt den Rest des ersten Korridors und soll dazu dienen. den König in den nächtlichen Sonnenlauf zu integrieren. Auf de:linken Wand hebt sich rein optisch der immer gleiche Anfang der 75 Anrufe heraus («Preis dir, Re, mit hoher Macht»), aus denen die erste, «grosse» Litanei besteht, während auf der rechteWand, in der Fortsetzung des Textes, die KartuschenRinge m dem Namen des Königs dominieren. Die Decke des ersten K(  ridors ist mit geflügelten Wesen bemalt, die abwechselnd Gei,und SchlangenKopf haben; solche Vögel schützen mit ihr, ausgebreiteten Flügeln auch die Achse der Tempel.

Der zweite Korridor ist mit einer Treppe versehen und zwei Nischen ausgestattet. Er bringt im oberen Teil die Figur:die zur «grossen» Litanei an den Sonnengott gehören; sie verk pern verschiedene Aspekte der nächtlichen Aktivität des Gor" in der Unterwelt. Darunter ist, nur in Vorzeichnung, auf beic Seiten der Schlusstext zur dritten Stunde des Amduat bracht. Am Ende des Korridors knien Isis und Nephthys, 1:Hände auf das schützende SchenAmulett legend. Darüber 1... auf beiden Seiten der Gott Anubis in reiner Tiergestalt, als S.1kal mit einem Halsband und einer roten Schleife um den H _ Die Figuren gehören zum TotenbuchSpruch 151, wie auch. _ vier Horussöhne, von denen sich im Durchgang zum näch,Korridor noch Spuren erhalten haben (deutlich im folger. Grab von Ramses II.). Über diesem Durchgang erschein: . Göttin Maat in dreifacher Gestalt, jeweils mit Flügeln verse:daneben die Kartuschen des Königs.

Der dritte Korridor zeigt rechts die vierte, links die Nachtstunde des Amduat. In beiden Stunden geht es ur Fahrt der Sonnenbarke durch eine Wüstenregion, die als F des Gottes Sokar, «der auf seinem Sand ist», bezeichnet dieser Gott ist eigentlich der alte Totengott von Mempinim Neuen Reich mit Osiris identifiziert wird. Die Wände jetzt stark zerstört, während Belzoni sie noch vollständig renovieren konnte.

Es folgt der Schacht, ausgeschmückt mit Szenen, die ar beiden Längswänden nahezu symmetrisch angeordnet sind und Der Höhepunkt: Sethos I.   37

den König vor Isis, Hathor und Osiris zeigen; am Anfang ist «HorusSohnderIsis» sein Geleiter. Auf der Rückwand stand eine jetzt verschwundene Figur des Königs vor der Dreiheit Osiris, Anubis und Horus. Daneben war der Durchgang zur oberen Pfeilerhalle ursprünglich zugemauert und bemalt, um ein Ende des Grabes vorzutäuschen.

Die obere Pfeilerhalle weist jetzt vier Pfeiler auf, die mit weiteren Götterszenen dekoriert sind. In der Mitte der Rückwand ist eine Szene durch ihren gelben Hintergrund hervorgehoben; hier wird Sethos von Horus vor den thronenden Osiris geleitet, hinter dem Hathor als Göttin des Westens steht. Die Decke des Raumes ist als gestirnter Himmel bemalt, und die Wände sind dem Pfortenbuch vorbehalten, mit der fünften Nachtstunde im linken Teil und der sechsten im rechten. Die sechste Stunde bringt den Höhepunkt der nächtlichen Sonnenfahrt, die Vereinigung des Sonnengottes mit seinem Leichnam, der im Pfortenbuch unsichtbar bleibt. Analog vereinigen sich die BaSeelen der Verstorbenen mit ihren Mumien, die im unteren Register auf einer langgestreckten Bahre in Gestalt einer Schlange (als Symbol der Verjüngung) liegen.

In der fünften Stunde fand vor allem eine Szene im unteren Register die Aufmerksamkeit der frühen Besucher und wurde oft kopiert, allerdings auch teilweise zerstört. Sie zeigt, im Schutze des Gottes Horus, je vier Vertreter der vier «Rassen» der Menschheit, die der Ägypter unterscheidet: Ägypter, Asiaten, Nubier und Libyer, durch ihre typische Kleidung und Haartracht gekennzeichnet; die Nubier haben dunklere, die Libyer hellere Hautfarbe als die Ägypter. Ungewöhnlich ist, dass die Fremdvölker hier nicht als verachtete «Feinde» erscheinen, sondern auf gleicher Ebene mit den Ägyptern stehen; ähnlich betont Echnaton in seinem Grossen Sonnenhymnus die Fürsorge seines Gottes Aton für alle Völker, und unter Ramses II. «verbrüdern» sich die Ägypter mit den bisher feindlichen Hethitern. Gleich hinter dieser Szene erscheint die Zeit als eine Schlange, aus deren Leib allen Menschen eine «Lebenszeit» (die Hieroglyphen auf der Schlange) im Diesseits wie im Jenseits zugemessen wird. Analog erscheinen im oberen Register Götter mit einem Messstrick, die für alle Menschen jenseitige Felder abmesst Dazwischen wird Apophis als langgestreckte Schlange geba: digt.

In der Verlängerung der bisherigen Grabachse gelangt man reinen Nebenraum mit zwei Pfeilern, der keine Fortsetzung dass nach einer Fortsetzung gesucht wurde, zeigen Zerstörunger auf der Rückwand. Die Dekoration ist nur in Vorzeichnung

ausgeführt und besteht aus drei Nachtstunden aus dem Amduader neunten bis elften Stunde. Ins Auge fallen hier vor allem Ruderer auf der linken Wand (neunte Stunde) und die in veschiedenen Positionen im Wasser Schwimmenden auf der Rii, wand (zehnte Stunde); sie weisen auf Verstorbene, die kü reguläre Bestattung erhalten konnten (z. B. im Nil ertrunk, sind), aber trotzdem am seligen Geschick Anteil haben und :7 Jenseits alles Nötige erhalten. Im unteren Register der elfte  Stunde, auf der Eingangswand, vollzieht sich die Bestrafung im Totengericht Verurteilten. Die Pfeilerseiten tragen weiteGötterszenen, auch sie nur in Vorzeichnung.


Die vier «Menschenrassen»: Ägypter, Asiaten, Nubier und Libyer

Die Fortsetzung des Grabes beginnt mit einer Treppe, die gen die bisherige Achse etwas nach links verschoben ist. I. Wände sind undekoriert, aber im Durchgang zum nächsten. Korridor war auf beiden Seiten eine besonders schöne Szene auf gelbem Hintergrund angebracht, die Sethos Hand in Hand mit der Göttin Hathor zeigt, die eine reich gestaltete Perücke und darüber ein Kuhgehörn mit der Sonnenscheibe trägt; ihr Gewand ist mit Wünschen für den König beschriftet. Champollion und Rosellini haben bei ihrer gemeinsamen Expedition beide Szenen herausgesägt, so dass sich die linke Szene heute im Museo Archeologico in Florenz befindet, die rechte im Louvre in Paris.

Die folgenden beiden Korridore geben eine nicht ganz vollständige Fassung vom Ritual der Mundöffnung. Dieses Ritual hatte vor allem den Zweck, eine angefertigte Statue zu «beleben» und sie damit zu einem lebendigen Abbild des Verstorbenen zu machen. Vor dem Titel des Rituals thront Sethos vor einem Opfertisch mit Broten, nach denen er eine Hand ausstreckt, während die andere Hand ein Szepter hält. Vor ihm zelebriert der IunmutefPriester, mit einem Pantherfell bekleidet, das Ritual. Zu jedem Ritualspruch gehören Illustrationen, die verschiedene Kulthandlungen vor einer Statue des Königs zeigen; die Statue steht auf einem Sandhügel und wird von Priestern gereinigt, geschmückt und mit Opfergaben versorgt. Am Schluss steht eine ausführliche Opferliste.

Die Figur des thronenden Sethos ist sehr stark beschädigt worden, in alten Kopien aber noch vollständig. Auch die vielen Zerstörungen in den Szenen der Mundöffnung sind erst nach der modernen Entdeckung erfolgt; sie galten vor allem den «Kartuschen» mit dem Namen des Königs, die man als Souvenir aus der Wand herausschnitt. Heute sind Fragmente von der Dekoration des Grabes über Museen in aller Welt verstreut; vieles ist aber auch verloren und nur in den alten Kopien noch sichtbar, die Belzoni und andere bald nach der Entdeckung des Grabes angefertigt haben.

In der Vorkammer, die an die beiden Korridore mit der Mundöffnung anschliesst, stösst man auf eine andere Art der Zerstörung. Im i9Jahrhundert, vor Erfindung der Fotografie, machte man von Reliefs oft feuchte Abklatsche, um eine Kopie zu haben. Dabei wurde bei bemalten Reliefs die Farbe zerstört oder abgelöst, hässliche Flecke blieben an der Wand zurück, und so ist von der früheren Farbenpracht in diesem Raum, Belzoni «Hall of Beauties» nannte, nur noch wenig gebliel, Sethos erscheint hier wiederum bei Opfer und Gebet vor _L ubis, Isis, HorusSohnderIsis, Hathor und Osiris, und auf Rückwand vor Ptah (links) und Nefertem (rechts, mit einer 1 tosblüte auf dem Kopf und einem grossen «Isisblut»Amule:seinem Rücken), die beide stark beschädigt wurden. Die a: Kopien zeigen, dass im Eingang und im Durchgang zur SJ kammer, wie schon im Eingang zum Schacht, auf jeder Seite Figur der Göttin Maat stand, die jetzt verschwunden sind; F7_ mente dieser Figuren befinden sich in verschiedenen Muse. Die Decke der Vorkammer ist als Himmel mit Sternen hen. _ ebenso die Decke im vorderen Teil der Sargkammer.

Die eigentliche Sargkammer ist immer noch, wie seit Am, ophis II., zweigeteilt. Man tritt zunächst in einen Raum  sechs Pfeilern und steigt dann über mehrere Stufen in einen  feren Teil hinunter, in dem ursprünglich der Sarkophag des i‘ nigs stand. In ihm ruhte der König, um sich die Bilder der Un._ welt und über sich die gewölbte «Astronomische Decke». _ mit Listen von Dekansternen und mit Sternbildern bemalt ist konnte seine BaSeele aus dem Sarkophag direkt zum Him aufsteigen und dort dem Sonnengott auf seiner weiteren BI.  folgen.

Von den sechs Pfeilern ist einer vollständig zerstört, die an _ ren weisen zum Teil schwere Beschädigungen auf; nahezu v ständige Pfeilerseiten befinden sich in den Museen von Beund London. Alle waren mit Götterszenen geschmückt, wc hier Osiris dominiert und Göttinnen ganz fehlen. Auf allen se_ Seiten, die zur Mittelachse gerichtet sind, tauchen die scha., köpfigen (links) und falkenköpfigen (rechts) «Seelen» von B_ und Hierakonpolis auf, die sich mit den Fäusten die Brust sc:gen und damit dem König zujubeln. Auf dem ersten Pfeilern erscheint noch einmal der lunmutef im Pantherfell, den wir  reits aus dem Ritual der Mundöffnung kennen; er führt den nig in die Welt der Götter ein.

In der Dekoration der Wände herrscht die gleiche Zweiteilung wie in der Architektur. Man hat im oberen Teil das PfortenDer Höhepunkt: Sethos 1.         41

buch, im unteren Teil das Amduat ausgewählt, jeweils mit drei StundenAbschnitten. Dazu trägt der Sarkophag des Königs, aus durchscheinendem Alabaster, ein vollständiges Exemplar des Pfortenbuches und einige TotenbuchSprüche. Belzoni hat diesen Sarkophag aus dem Grab entfernt, er befindet sich seit 1824 im Sir John Soane's Museum in London; der Deckel (mit einer Figur des Königs) war schon vorher in viele Teile zerbrochen.

Auf der rechten Seite fällt in der dritten Stunde des Pfortenbuches der rot ausgemalte «Feuersee» auf; sein Wasser ist, wie der zugehörige Text betont, nur für Osiris und die seligen Toten kühle Erfrischung, für die übrigen Toten aber feurige Glut. Am Anfang dieser Stunde fährt die Sonnenbarke an einer Reihe von Schreinen mit aufrecht stehenden Mumien vorbei, und im unteren Register erscheint Atum vor der ApophisSchlange.

Die Stunden des Amduat beginnen auf der linken Wand im unteren Teil, nach einer Szene, die Sethos noch einmal vor dem falkenköpfigen ReHarachte zeigt. Gegen das Ende dieser Wand ist eine grössere Nische eingefügt, in der Anubis bei der Mundöffnung vor Osiris dargestellt ist, dazu die vier Horussöhne. Über der illustrierten Langfassung des Amduat steht der Text der Kurzfassung, soweit er dort Platz fand.

Jede der beiden Hälften der Sargkammer hat zwei Nebenräume, die in das allgemeine Dekorationsprogramm mit einbezogen sind. In der vorderen Hälfte ist die linke Kammer mit einer weiteren Stunde (der vierten) des Pfortenbuches ausgeschmückt; hier treffen wir die im Todesschlaf liegenden Mumien und die Darstellung der Zeit als Schlange, zusammen mit den zwölf Göttinnen der Nachtstunden. Die Wände der rechten Kammer hat man für ein vollständiges Exemplar des «Buches von der Himmelskuh» reserviert, das sich zum ersten Mal auf einem der vergoldeten Schreine Tutanchamuns findet und auf der Rückwand von der Darstellung der Himmelskuh beherrscht wird, die von Schu und anderen Göttern gestützt wird; auf ihrem Rücken hat sich der Sonnengott nach einer Rebellion der Menschen zum Himmel zurückgezogen.

Die rechte Kammer im hinteren Teil wurde «Kammer des Djed (ein Symbol des Osiris)» genannt und zeigt im Einganz Spuren eines personifizierten DjedPfeilers, blieb aber sonsohne Dekoration. Dagegen ist die Kammer auf der linken Seit, vollständig dekoriert, dazu besonders gross und mit zwei Pfe. lern ausgestattet. Das Thema der Pfeilerseiten ist Osiris in ve7 schiedenen Gestalten, darunter auch der König als Osiris; dz Thema der Wände im oberen Teil bildet das Amduat (sechste h achte Stunde). Im unteren Teil, der auf drei Seiten eine Art Barbildet, waren Teile des Grabmobiliars abgebildet, so z. B. Gc  terschreine und tierköpfige Betten, wie man sie aus dem Gra.schatz Tutanchamuns kennt. Davon sind nur noch Spuren e halten. Die sechste Nachtstunde, in der rechten Hälfte, zeigt Ende den Leichnam des Sonnengottes, von einer vielköpfig: Schlange umringelt; die Szene hat durch Abklatsche im i9. Jahhundert sehr gelitten, wie auch die Darstellung der Apoph:Schlange vor der Sonnenbarke neben dem Eingang. Auf c Rückwand schreiten vier Widder des Gottes Tatenen vor c Sonnenbarke und ihrer Begleitung. Die interessanteste Szene . den Pfeilern ist beim Heraussägen zerbrochen; sie zeigte den König mit einem Ruder in der Hand bei einem kultischen Lauf («Ruderlauf» ), der mit seinem Erneuerungsfest (SedFest) sammenhängt.

In die Wände der Sargkammer sind vier Nischen für die « gischen Ziegel» eingeschnitten, die dem Schutz des Raumes c nen. Hinter der Sargkammer liegt ein weiterer Raum mit Pfeilern, der verputzt, aber nicht dekoriert wurde. Hier f2Belzoni eine Fülle von UschebtiFiguren des Toten, die im jf seits bei schweren Arbeiten als Ersatz für ihn dienen sollten; I:: te sind diese Figuren, aus Holz oder Fayence, über viele Mus:. verstreut. Mit diesem Raum endet das Grab noch nicht, davon der Stelle, an der ursprünglich der Sarkophag stand, ein Gang steil in die Tiefe, bis er auf das Grundwasser triff: dem sich der Urozean Nun verkörpert, der die Sonne und verstorbenen Pharao jede Nacht regeneriert.

Ein König und viele Prinzen: Ramses II.

Sethos I. hat nur elf Jahre regiert, und es bleibt ein Wunder, wie man in so kurzer Zeit eine derart reiche Grabanlage nahezu vollenden konnte. Der Sohn und Nachfolger, Ramses II., hatte eine Regierung von 66 Jahren vor sich, aber das konnte auf die Planung des Grabes keinen Einfluss haben. Diese Planung setzte in jedem Fall kurz nach dem Regierungsantritt eines neuen Herrschers ein und hatte Vorrang vor allen anderen Projekten. Im Falle von Ramses II. blieb jedoch nach der Vollendung seiner eigenen Grabanlage noch viel Zeit, die für weitere prächtige Gräber genutzt wurde, vor allem das seiner Hauptgemahlin Nefertari im Tal der Königinnen. Daneben hat dieser König ja eine Fülle von Tempelbauten in Ägypten und Nubien hinterlassen und mit der anderen Grossmacht, den Hethitern, nach langen Kämpfen einen friedlichen Ausgleich gefunden.

Man entschloss sich, die neue Anlage für den König (KV 7) im wesentlichen nach dem Vorbild der vorangehenden von Sethos I. auszuführen; jedoch wird die Achse noch einmal abgeknickt, vielleicht mit Rücksicht auf das schlechte Gestein. Das Grab liegt am Fuss eines Abhanges und hat besonders stark durch die zwar seltenen, aber heftigen Regenfälle gelitten, der vordere Teil liegt immer noch zum grossen Teil unter Schuttablagerungen begraben. Seit 1993 ist die Freilegung und gleichzeitige Konservierung des Grabes im Gange.

Die wichtigste Neuerung betraf die Sargkammer, die jetzt in eine dreischiffige Anlage umgewandelt wird, mit einem tieferen Teil für den Sarkophag in der Mitte. Fragmente von einem AlabasterSarkophag des Königs, der auf einer Bahre mit Löwenköpfen stand, haben sich bei den jüngsten Säuberungen gefunden. Die Pfeiler, nunmehr acht an der Zahl (wie im Tempel von Abu Simbel), tragen auf ihrer Innenseite alle einen DjedPfeiler, ein Symbol des Osiris; die einzige Parallele dazu bietet das Grab der Nefertari. Statt des einen VierpfeilerRaumes hinter der Sargkammer bei Sethos I. werden jetzt vier Räume mit insgesamt sechs Pfeilern hinter der Sargkammer ausgehauen und fertig ausgeschmückt. Es scheint, dass dieses Grab keine unfertigen Partien aufweist und noch einmal die gesamte Dekoration in ehabenem, bemaltem Relief zeigt.

Die von Christian Leblanc durchgeführte gründliche Säule: rung des Grabes brachte als ein wichtiges Ergebnis, dass v. schon hier in der Vorkammer neben den traditionellen Gott:szenen die Gerichtsszene aus dem Totenbuch mit ihren Text: (Spruch z5) antreffen. Auch Spruch iro des Totenbuch: mit seinen Darstellungen der landwirtschaftlichen Arbeit Jenseits findet sich in der letzten Kammer. Im übrigen stimmt Bildprogramm weitgehend mit dem bei Sethos I. überein. N.._ gut erhalten sind die Horussöhne auf Standarten im Eingi  zum dritten Korridor. Der Abgang aus der oberen Pfeilerh.: erfolgt jetzt in der vorderen Grabachse, nicht mehr verschob•: Am Anfang der unteren Hälfte wird der König wieder auf den Seiten von der Göttin Hathor begrüsst. Neu ist die Au< staltung der Grabfassade mit der programmatischen Anber_ des Sonnengottes in beiderlei Gestalt (widderköpfiger Cund Skarabäus in der gelben Sonnenscheibe) durch Isis _ Nephthys über dem Eingang. Dazu erscheint die Göttin N jetzt bereits im Eingang auf beiden Seiten; sie kniet auf e:7 Korbuntersatz über den Wappenpflanzen von Ober und 1:7ägypten.

Für die über 5o Söhne des Königs wurde ein kühner Plan worfen und ausgeführt. In unmittelbarer Nähe des König.s...: bes entstand eine Anlage mit 150 oder mehr Kammern _ einer Halle mit i6 Pfeilern im Zentrum (KV 5). Einige der mern sind mit Reliefs von hoher Qualität ausgeschmückt. ‘‘ neben den Prinzen auch ihr königlicher Vater hervortrit: Grab wurde schon i8zz von James Burton betreten, ist aber verschüttet worden und wird erst seit 1995 von Weeks freigelegt, wobei es sich als die grösste Anlage im Ti Könige erwiesen hat. Von den ursprünglichen Bestattungeallerdings nur bescheidene Reste erhalten geblieben.

Bewegte Zeiten: Merenptah bis Siptah

Die übrigen Königsgräber der 19. Dynastie bringen relativ bescheidene Änderungen gegenüber den vorangehenden Anlagen und ihrem Bildprogramm; allerdings war in einigen Fällen infolge innenpolitischer Wirren und Umstürze eine ausgereifte Planung und Gestaltung der Gräber auch nicht möglich. Merenptah trat erst in hohem Alter die Nachfolge seines so lange regierenden Vaters an und hat den Grundriss seines Grabes (KV 8) etwas vereinfacht, mit weniger Nebenkammern als sein Vater; die beiden Korridore mit dem Ritual der Mundöffnung (nur noch in Spuren sichtbar) werden jetzt durch die Vorkammer unterbrochen, mit der Anrufung der Totenrichter in einem Schrein auf der linken Wand und Götterszenen auf den übrigen Wänden. Die Achse verläuft ohne Knick und ohne Verschiebung vom Eingang bis zum Ende des Grabes. Eine Besonderheit ist, dass man die vorspringenden Türleibungen durchweg abgemeisselt hat, um Platz für den riesigen Aussensarkophag zu schaffen, dessen Deckel noch in der Vorkammer liegt; nach erfolgtem Transport wurden die Leibungen wieder vorgemauert und dekoriert, wie erhaltene Fragmente zeigen. Wegen der vielen FeuersteinEinschlüsse hat man eine Felsecke in der oberen Halle unbearbeitet gelassen und die Reliefs oft tief in die Stuckschicht auf den Wänden eingeschnitten.

Seit Merenptah erfolgt stufenweise der Übergang vom Flachrelief zum eingetieften, «versenkten» Relief; zunächst sind noch einige Szenen durch die Verwendung von Flachrelief und durch gelben Hintergrund hervorgehoben, dann ist nur noch versenktes Relief verwendet. Die Eingangsszene mit dem König vor dem falkenköpfigen Sonnengott ist noch in ihrer ganzen Farbenpracht erhalten, während das anschliessende Titelbild der Sonnenlitanei durch moderne Restauration gelitten hat.

Das bisherige Bildprogramm wird an einigen Stellen abgeändert. So werden auf den Wänden des Schachtraumes nur noch Gottheiten dargestellt, nicht mehr der König, der jedoch auf den Pfeilern noch vor den Göttern opfert und anbetet. Dadurch konnten im Schacht mehr göttliche Wesen abgebildet werden als bisher, darunter die vier Horussöhne, die vier Schutzgöttinn, und der Iunmutef. Die erste Pfeilerhalle, mit nur einem Pfeilepaar (das hintere fehlt), ist weiterhin dem Pfortenbuch vorb: halten, das hier mit der vierten bis sechsten Stunde vertreten isjedoch mit Überschneidungen; die Hieroglyphen sind einfarb blau ausgemalt, die Figuren dagegen bunt. Unter den Gottheit der Pfeiler fällt links ein widderköpfiger Osiris auf. Über deAbgang in den unteren Grabteil bringt der König eine Figur c Maat dem Osiris dar.

In der Sargkammer finden sich, auf gelbem Grund, die letzte Stunden des Pfortenbuches, allerdings nur noch in Spuren erha I ten; auf den Schmalwänden sind an die Stelle des Amduat Szt nen aus dem Höhlenbuch und dem Buch von der Erde geser worden. Hier tritt vor allem auf der rechten Wand über eine:widderköpfigen Flügelwesen mit weit gespannten Flügeln da Schlussbild des Höhlenbuches hervor, das die Sonne in mehren Gestalten (Scheibe, Kind und Käfer) zeigt, von zwei Armpaar: bewegt und angebetet von BaSeelen und SchattenZeichen. G: genüber auf der linken Wand ist die Auferweckung des Osi:(liegende Mumie) durch das Sonnenlicht (rote Scheiben) a _ dem Buch von der Erde gezeigt. In der Mitte kann man jetzt c1,. Deckel des mittleren Granitsarkophages bewundern, mit eir. rundplastisch ausgearbeiteten Figur des Königs im Schutze ein, Schlange, die als Uroboros («Schwanzbeisser») den ganz, Deckel umringelt. Darüber wölbt sich, wie bei Sethos I., er «Astronomische Decke» mit Sternbildern.

Bei seinem Nachfolger Sethos II. (KV 15) verlaufen der Z _ gang und die Korridore nahezu eben und werden von keine Treppen unterbrochen. Gleich am Anfang des ersten Korridcstösst man auf eine deutliche Änderung des Bildprogramms. sprünglich sollten, wie es auch in späteren Gräbern noch cl, Fall ist, auf das Eingangsbild des Königs vor dem Sonnengc der Titel und das Titelbild der Sonnenlitanei folgen; man h jedoch die Litanei verschoben und eine zweite Götterszene König vor Nefertem) eingefügt. Die ursprüngliche Dekorativ wurde durch Stuck verdeckt, der später herausgefallen ist.

Damit nicht genug, wurden auch gegenüber auf der recht: Wand zwei Götterszenen angebracht, die Sethos vor dem Sonnengott und danach vor Sokar zeigen. Die Neuerung erzwang im anschliessenden Text der Sonnenlitanei zwei grössere Auslassungen. Auf dieser Wand finden sich von der Vorzeichnung bis zum bemalten Relief alle Stadien der Arbeit. Die Deckenmalerei beginnt mit einem geflügelten Skarabäus, danach wechseln geier und schlangenköpfige Schutzwesen.

Auch der zweite Korridor, der leicht schräg verläuft, beginnt mit Götterszenen auf beiden Wänden, und im dritten ist noch die Vorzeichnung einer Königsfigur am Anfang sichtbar, die später von der Sonnenbarke des Amduat überdeckt wurde. Im zweiten Korridor wurde auf die bisherigen Nischen verzichtet, doch ist der obere Teil der Wände wieder für die Figuren der Sonnenlitanei reserviert (über Texten aus dem Amduat); dahinter finden sich jetzt die zweite und dritte Stunde des Amduat in einer unvollständigen Fassung, und für die vierte und fünfte Stunde im dritten Korridor sind nur die Figuren vorgezeichnet. Die Dekoration ist im zweiten und dritten Korridor nur in roter Farbe vorskizziert und ebenso korrigiert, während die Götterund Königsfiguren im anschliessenden Schachtraum gelb ausgemalt wurden, einige Details auch rot oder blau. Gelb weist hier deutlich auf die Vergoldung der Statuetten aus Holz, die im Grabschatz Tutanchamuns im Original erhalten sind.

Die einzige Pfeilerhalle dieses Grabes entspricht mit ihren PfortenbuchStunden V und VI und der Anbetung des Osiris im Schrein der oberen Pfeilerhalle bei Merenptah, doch weist der IunmutefPriester (hinteres Pfeilerpaar) auf die Pfeiler der Sargkammer, die hier fehlen. Die Dekoration wurde im Relief ausgeführt, blieb aber unfertig. Auf den Pfeilerseiten erscheint jetzt keine ganze Szene mehr, sondern nur die Figur des Königs oder einer Gottheit. Von der zweiten Hälfte des Grabes ist nur ein erster Korridor ausgeführt und provisorisch als Sargkammer ausgeschmückt worden, durch gelbe Bemalung und eine geflügelte Figur der Himmelsgöttin Nut an der Decke. Auf den Wänden erscheinen hinter Anubis Reihen von Göttern in Schreinen, die der Totenwache für Osiris dienen, dazu die langgestreckte Schlangenbahre aus der sechsten Stunde des Pforten buches, auf der sich die Vereinigung der Mumie mit ihrer BaSeele vollzieht.

Es ist deutlich, dass in einer ersten Bauphase nur der Anfang des Grabes ausgeführt und in traditioneller Weise dekoriert wurde. Dann folgte eine längere Unterbrechung, gefolgt von einer zweiten Bauphase mit erheblichen Änderungen des Bildprogramms, die in den folgenden Gräbern wieder aufgegeben wurden, und einem sehr provisorischen Abschluss hinter der ersten Pfeilerhalle. Diese ungewöhnliche Baugeschichte hat verschiedene Erklärungsversuche gefunden, verliert aber vor dem Hintergrund des damaligen politischen Umsturzes in Oberägypten ihre Rätsel.

Bald nach der Thronbesteigung Sethos' II. griff ein Usurpator namens Amenmesse nach der Krone; er ist vielleicht mit dem damaligen Vizekönig von Nubien Mesui identisch (nach einer Theorie von Rolf Krauss sogar das Vorbild für Moses) und sicher ein Angehöriger des Königshauses. Es gelang ihm, zumindest während des dritten und vierten Regierungsjahres (er übernahm die Zählung von Sethos II.) Theben unter seine Gewalt zu bringen. In dieser Zeit wurde die Arbeit am Grabe Sethos' II. (KV 15) unterbrochen und die schon ausgeführten NamensKartuschen des legitimen Königs getilgt; Amenmesse begann mit KV io ein eigenes Königsgrab, das in der kurzen Zeit erstaunlich weit, bis über eine erste Pfeilerhalle hinaus, ausgeschachtet und auch zu einem grossen Teil traditionell dekoriert wurde. Spuren von Kartuschen des Usurpators und von der ursprünglichen Dekoration finden sich noch in der Pfeilerhalle. Eine eigentliche Sargkammer konnte allerdings nicht mehr ausgeführt werden.

Nach der Rückgewinnung Oberägyptens blieben Sethos II. noch knapp zwei Jahre, in denen er einen Teil der Dekoration im Grab des Usurpators abmeisseln und die Arbeiten an seinem eigenen Grab wieder aufnehmen liess. Bis zu seinem Begräbnis, dessen genaues Datum eine Notiz über dem Eingang zum Grab der Tausret überliefert, wurden die erwähnten Änderungen im Bildprogramm ausgeführt und die Dekoration notdürftig zu Ende geführt. Im Grab des Amenmesse kam es später mit der Königin Tachat zu einer sekundären Bestattung.

Königin und Pharao:Tausret

Neben Hatschepsut hat das Neue Reich eine zweite Königin, die sich mit allen Attributen eines regierenden Pharao schmückte. Nach dem Tode Sethos' II. übernahm seine Witwe Tausret die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Siptah und liess für ihn das Grab KV 47 vorbereiten, während für sie selber ganz in der Nähe bereits ein Grab im Bau war, das von den Massen und der Dekoration her zunächst als Grab einer Königin entworfen wurde (KV 14); als solches hätte es eigentlich in das Tal der Königinnen gehört, und die Wahl des neuen Ortes stellt ein besonderes Privileg dar.

In den vorderen Korridoren erscheint die Königin vor dem Sonnengott und anderen Göttern, anschliessend vor den Toren des Jenseits und ihren Wächtern. Diese Szenen aus dem Totenbuch bilden, wie bei Nefertari, eine Entsprechung zum königlichen Pfortenbuch und schmücken daher auch die Wände einer ersten kleinen Halle (ohne Pfeiler); hier findet sich auch die Szene mit Osiris im Schrein, die bei den Königsgräbern im Zentrum der oberen Pfeilerhalle steht.

Die Analogie zum Königsgrab wird durch das Ritual der Mundöffnung in den beiden folgenden Korridoren noch stärker betont, ferner durch die Motive aus dem TotenbuchSpruch 151 im Schachtraum und direkt dahinter — eigentlich befinden wir uns, von der Dekoration her gesehen, jetzt bereits in einem Königsgrab, und dieser Eindruck ist dann überdeutlich in der ersten Pfeilerhalle. Diese ist ganz nach dem Vorbild des MerenptahGrabes gestaltet, sogar die gewölbte «astronomische» Decke fehlt nicht. Auf der rechten Wand tritt, wie bei Merenptah, das Schlussbild des Höhlenbuches mit dem Sonnenlauf hervor, über dem widderköpfigen Flügelwesen und dem Doppelsphinx Aker mit der Sonnenbarke. Darstellungen von Beigaben (Möbel, Truhen, Schreine und Gefässe) schmücken den Absatz zwischen den Seitenschiffen und dem vertieften Mittelschiff. Auf der rechten Eingangswand ist das WasserRechteck mit den Ertrunkenen aus der neunten Stunde des Pfortenbuches erhalten, darunter die gefesselten Feinde vor der feuerspeiendenRiesenschlange.

Aber die Masse stimmen nicht, die Pfeilerseiten sind zu klein und tragen daher auch jeweils nur eine Figur; König und Gottheit, die früher eine Szene bildeten, sind jetzt getrennt. Für die Bestattung von Sethnacht wurde die Figur der Königin übertüncht und in der vorderen Pfeilerreihe durch den neuen Grabherrn ersetzt. Kennzeichnend ist auch, dass in den Durchgängen zwischen den Räumen der vorderen Grabhälfte nicht, wie im Königsgrab, die Göttin Maat erscheint (sie betont nur den Eingang zur Pfeilerhalle), sondern Hathor und am Anfang des dritten Korridors die Göttin Meresger als geflügelte Schlange.

Jenseits dieser ersten Pfeilerhalle entsprechen aber auch die Masse dem königlichen Standard, und die zwei folgenden breiten Korridore werden mit dem königlichen Amduat geschmückt, das in die dicke Stuckschicht eingeschnitten und nicht mehr bemalt wurde. Tausret hat sich nun, wohl nach dem Tod des Siptah, von der Königsgemahlin zum regierenden weiblichen Pharao gewandelt, und der neue, «königliche» Teil ihres Grabes dehnte dieses auf eine Gesamtlänge von über

Metern aus. Eine zweite Pfeilerhalle wiederholt, soweit sie vollendet wurde, das Bildprogramm der ersten, aber jetzt in den königlichen Massen. Der stark beschädigte Sarkophag, der in diesem Raum steht, gehört jedoch nicht Tausret, mit der die 19. Dynastie endet, sondern dem neuen Dynastiegründer Sethnacht.

Parallel zur Ausgestaltung ihres eigenen Grabes wurde an zwei benachbarten Gräbern gearbeitet, am eigentlichen Königsgrab des Siptah (KV 47) und am Grab des Bai (KV 13), des leitenden Ministers, der im fünften Jahre des Siptah, noch vor der Alleinherrschaft der Tausret, gestürzt und hingerichtet wurde. Sein Grab ist — für einen Beamten einmalig — im Grundriss als reguläres Königsgrab angelegt, allerdings mit verkleinerten Massen und ohne Pfeiler; die Sargkammer blieb unvollendet. Der Eingang ist auch wie ein Königsgrab dekoriert (SonnenAnbetung, Maat über Wappenpflanzen, Grabherr vor dem falkenköpfigen Sonnengott), im Grabinneren aber war die Dekoration der Tausret Vorbild, mit dem Grabherrn vor Gottheiten und dem König (Siptah), dazu den Toren aus dem Totenbuch; könig liche Texte finden sich nicht. Das Grab wurde nach dem Sturz des Ministers zunächst aufgegeben, aber in der zo. Dynastie für die Bestattung zweier Prinzen benutzt.

Für Siptah wurde während seiner über sechsjährigen Regierung ein Grab im traditionellen Grundriss ausgeschachtet, wobei es gegen Ende jedoch zu einer Kollision mit dem benachbarten Grab KV 3 2. aus der i 8. Dynastie kam; dies führte dazu, dass man den Grundriss etwas verändern und noch einen zusätzlichen Raum vor der Sargkammer einschalten musste.

Die Dekoration ist in den beiden ersten Korridoren noch vorzüglich erhalten, vor allem auch die Decke mit fliegenden Geiern im ersten, der Deckentext (mit dem widderköpfigen SonnenBa zwischen Isis und Nephthys als Klagevögeln) im zweiten Korridor und die begrüssende, geflügelte MaatGöttin im Eingang. Hinter den SonnenlitaneiFiguren und den Schlusstexten aus dem Amduat im zweiten Korridor erscheint jetzt Anubis an der Totenbahre, neben der Isis und Nephthys knien, also das zentrale Bild aus dem TotenbuchSpruch r5t. Die traditionellen Nischen fehlen in diesem Korridor. Im dritten Korridor, der nochmals mit einer geflügelten MaatGöttin beginnt, sind noch Spuren der üblichen Dekoration mit dem Amduat erhalten, und auch in den Räumen dahinter, bis in den zusätzlichen Raum vor der Sargkammer, haben sich Spuren der Dekoration gefunden. Die Sargkammer blieb unfertig und ohne Nebenkammern, nur die vorderen vier Pfeiler sind vollständig ausgearbeitet.

Grenze des Wachstums: Ramses III.

Sethnacht begann mit der Anlage eines neuen Grabes (KV ii), das an die Tradition von Merenptah und Siptah anknüpfte, aber den Zugang noch repräsentativer ausgestaltete, mit zwei Pilastern mit Kuhköpfen auf beiden Seiten, die entweder die Hirnmelskuh Mehetweret oder Hathor meinen. Bei der Ausschachrung des dritten Korridors gab es eine unerwartete Kollision mit dem benachbarten Grab des Amenmesse; das war, nach Siptah, eine neue Katastrophe, die zunächst zur Einstellung der Arbeiten führte. Als der König bereits nach zwei Jahren starb, wurde er nicht im «entweihten» Grab KV II, sondern im Grab der Tausret beigesetzt, obwohl die Nischen mit der Darstellung von Beigaben zu beiden Seiten des ersten und zweiten Korridors auf eine mögliche Notbestattung hinweisen; hier finden sich u. a. das reizvolle Motiv der blinden Harfenspieler, das von den frühen Reisenden öfter kopiert wurde (letzte Nische links), aber auch Fruchtbarkeit spendende «Nilgötter», Motive aus den TotenbuchSprüchen tIo und 148 und Gestalten des Osiris. Diese Malereien sind sehr frisch und lebendig ausgeführt, die Texte in den Korridoren dagegen eher flüchtig und nachlässig.

Der Sohn und Nachfolger Ramses III., der Ägypten vor der Invasion der Libyer und Seevölker retten konnte,hat dann doch beschlossen, die Arbeit an KV 11 weiterzuführen. Er musste wegen des Durchbruchs zum Nachbargrab einen zusätzlichen Raum zwischen dem zweiten und dritten Korridor einschieben, der ein eigenes Bildprogramm erforderte; hier finden sich Anspielungen auf das Erneuerungsfest des Königs (SedFest), zu dem auch die Göttin Meret gehört. Auf der Eingangswand vollzieht der König eine Räucherung und Wasserspende vor dem thronenden PtahSokarOsiris, hinter dem mit ausgebreiteten Flügeln die «Gottesmutter» Isis steht, und auf der rechten Wand opfert er vor Osiris und Anubis.

Ab dem folgenden, etwas verschobenen Korridor folgt die Dekoration wieder dem üblichen Schema, mit dem Amduat (vierte und fünfte Stunde) auf beiden Seiten und den Gottheiten (Horussöhne u. a.) im Schachtraum, in dessen Eingang auf der rechten Seite eine kuhköpfige Hathor erscheint. Die Wanddekoration der ersten Pfeilerhalle ist, wie üblich, dem Pfortenbuch (fünfte und sechste Stunde) vorbehalten, ebenso im einzigen Nebenraum (siebente Stunde), in dessen Eingang Neith und Selkis (mit dem Skorpion auf dem Kopf) den Eintretenden begrüssen. In der zentralen OsirisSzene über dem Abgang ist jetzt der opfernde König in den Schrein des Gottes hineingestellt.

Der untere Teil nach dem Abgang besteht nur aus einem Korridor (mit Szenen aus dem Ritual der Mundöffnung) und zwei Vorräumen mit der Darstellung von Gottheiten, die mit Schutz und Regeneration zu tun haben, sowie dem üblichen Anruf an die Totenrichter. Der ganze untere Teil des Grabes hat durch eingedrungenes Wasser schwer gelitten; die Pfeiler in der Sargkammer sind heute zerstört, doch lässt sich ihre Dekoration aus alten Kopien ergänzen. Auf jeweils zwei Seiten erschien der König, auf den beiden anderen wechselnde Götter. Die Wände waren mit einigen Nachtstunden aus dem Pfortenbuch und Motiven aus dem Buch von der Erde geschmückt. Ein letztes Mal ist eine Seitenkammer (rechts hinten) dem Buch von der Himmelskuh gewidmet.

Ramses III. hat sein Nachleben zusätzlich abgesichert, indem er sich auch in den Gräbern seiner Söhne als Hauptperson darstellen liess, die den Prinzen in die jenseitige Welt der Götter geleitet. Die grosse Zahl von jung verstorbenen Prinzen hat schon an eine Seuche denken lassen. Sechs dieser Gräber liegen im Tal der Königinnen, ein weiteres im Tal der Könige. Dieses anonyme Grab (KV 3) ist nicht nur durch seine Lage, sondern auch durch die Verwendung königlicher Masse beim Korridor und bei den Pfeilern ausgezeichnet, muss demnach dem designierten Thronfolger gehört haben. Doch tritt auch hier der Prinz nur im Gefolge seines Vaters vor die Götter, und der Grundriss ist gegenüber einem Königsgrab stark verkürzt, der einzige Korridor (nur er ist dekoriert) mündet sogleich in eine Halle mit vier Pfeilern, an die sich noch drei weitere Räume anschliessen; abweichend vom Königsgrab erscheint über dem Eingang die geflügelte Sonnenscheibe statt der üblichen SonnenAnbetung, und im Inneren findet sich als erste Gottheit links nicht der Sonnengott, sondern Ptah, während Re und Thot auf der rechten Wand folgen.

Neubesinnung: Ramses IV.

Nach der Ermordung von Ramses III. gelang es seinem Sohn Ramses IV., die vom Harem ausgehende Verschwörung niederzuschlagen und die Schuldigen zu bestrafen. Um die gestörte Ordnung neu zu befestigen, bestätigte der neue König durch den zrossen Papyrus Harris die Schenkungen seines Vaters an die Tempel und ergänzte sie mit eigenen Opferstiftungen. Seine Bautätigkeit konzentrierte sich auf einen Totentempel, der in grossen Dimensionen geplant war, aber unvollendet blieb.

Dieses Mal dauerte es ungewöhnlich lange, bis der Platz für das neue Königsgrab festgelegt war. Das hängt sicher mit dem völlig neuen Konzept der Planung zusammen. Bisher waren die Königsgräber von Regierung zu Regierung immer grösser und reicher ausgestattet worden, jeder König suchte seine Vorgänger zu übertreffen. Diese Entwicklung hatte jetzt, in einer Zeit wirtschaftlicher Probleme, ihre Grenze erreicht. Ramses IV. reduziert den Grundriss und die Dekoration, verzichtet auf Pfeiler und Treppen, auf Nebenräume und auf die vielen Darstellungen des Königs vor den Göttern; sein Grab ist nur etwa 81 Meter lang, gegenüber 135,5 bei Ramses III. Dafür erweitert er die verwendeten Masse, so dass dieses Grab viel geräumiger als alle früheren ist — ein Grabpalast mit Korridoren, die über 3 Meter breit und über 4 Meter hoch sind. Im i9. Jahrhundert diente es daher als «Hotel» für viele Expeditionen, die im Tal der Könige arbeiteten, so auch für Champollion und Rosellini (18z9); von den Besuchern und Bewohnern schon in der Antike zeugen die vielen griechischen und koptischen Graffiti, die über das ganze Grab verteilt sind.

Die Fassade des Grabes ist repräsentativ ausgestaltet, und die Korridore führen nicht mehr steil in die Tiefe, wie in den früheren Gräbern, sondern verlaufen beinahe horizontal. Immer noch sind die beiden ersten Korridore dem Text und den Figuren der Sonnenlitanei vorbehalten, nach der üblichen Eingangsszene, die den König, mit einer reichen Krone geschmückt, vor dem falkenköpfigen Sonnengott ReHarachte zeigt. Die grosse Litanei auf der linken und am Ende der rechten Wand ist durch den stereotypen Anfang ihrer 75 Zeilen gut zu erkennen. An der Decke breiten schützende Vögel ihre Flügel aus, neben Geiern und Falken auch geflügelte Skarabäen. Der zweite Korridor hat auf beiden Seiten Nischen, die mit Figuren der Sonnenlitanei dekoriert sind; die übrigen Figuren folgen auf den anschliessenden Wänden, und ein Teil ist nur in diesem Grab auf die Decke gemalt. Darunter stehen weitere Texte aus der Sonnenlitanei, die 'isher hier üblichen Schlusstexte aus dem Amduat fehlen.

Im dritten Korridor ist das Amduat durch ein jüngeres Unterweltsbuch ersetzt, das Höhlenbuch (erster und zweiter Abschnitt). Die vielen Ovale in den Darstellungen meinen Sarkophage, in denen Götter oder selige Verstorbene liegen. Im untersten Register ist die Bestrafung der «Feinde» dargestellt, die gefesselt und zum Teil bereits geköpft sind. Die Decke ist zuerst eben und mit Sternen geschmückt, danach gewölbt und mit einer ausführlichen Königstitulatur in der Mitte versehen. Von der Mitte des Raumes führt eine schräge Rampe bis zur Sargkammer; sie durchschneidet die Vorkammer, die mit Sprüchen aus dem Totenbuch dekoriert ist, vor allem mit dem Spruch rz5, der das Totengericht behandelt, und benachbarten Sprüchen. In den Texten treten die vielen gelb bemalten NamensKartuschen des Königs deutlich hervor.

Die Sargkammer wird zu einem grossen Teil vom monumentalen GranitSarkophag des Königs ausgefüllt; auch hier ist Ramses IV. über die bisher üblichen Masse hinausgegangen (Länge 3,55 Meter, Höhe 3,32. Meter). Auf den Wänden erblickt man die zweite bis vierte Nachtstunde aus dem Pfortenbuch. In jeder Stunde kniet jetzt der König in der Barke vor dem widderköpfigen Sonnengott und opfert ihm eine Figur der Göttin Maat. Der vorherrschende Farbeindruck ist Gelb, trotz des weissen Hintergrundes bei den Texten; damit wird die Sargkammer als «Goldhaus» gekennzeichnet. Die horizontale (nicht mehr gewölbte) Decke ist völlig neu gestaltet und statt mit Sternbildern und Dekanlisten mit zwei grossen Figuren der Himmelsgöttin Nut bemalt; sie beugt sich über die Erde und wird im linken Teil vom Gott Schu gestützt. In diesen Rahmen ist links das Nutbuch eingefügt, eine Beschreibung des Himmels und seiner Phänomene, rechts ein Teil des Buches von der Nacht, in dem die nächtliche Fahrt des Sonnengottes durch den Leib der Göttin beschrieben wird.

Hinter der Sargkammer folgt ein weiterer Raum, der nicht mehr mit Reliefs, sondern durchweg mit Malerei ausgehmückt ist. Die Texte stammen aus dem ersten Abschnitt des Höhlenbuches, dazu erscheinen in Nischen Opfergaben und verschiedene Gottheiten in Schreinen. Von diesem Raum zwei gen zwei enge Kammern ab, die zur Aufbewahrung der Totenfiguren (Uschebti) dienten und an deren Wänden diese Figuren abgebildet sind. Auch eine hintere, letzte Kammer ist mit Beigaben (Betten, Schreine, KanopenKrüge für die Eingeweide) ausgemalt; über ihrem Eingang verkörpert ein Doppelsphinx die Unterwelt, durch welche die Fahrt der darüber sichtbaren Sonnenbarke geht.

Nochmals Erweiterung: Ramses VI.

Ramses VI. übernimmt das angefangene Grab seines Vorgängers (KV 9), und so gelingt es ihm trotz einer relativ kurzen Regierung von sieben oder acht Jahren, noch einmal eine gewaltige Grabanlage beinahe fertigzustellen, mit einer nahezu vollständigen Sammlung der wichtigsten Jenseitstexte. Für ihre Verteilung hat er ein ganz neues Konzept entwickelt, das ihm so wichtig schien, dass er die von Ramses V. schon vollendete obere Grabhälfte (bis zur ersten Pfeilerhalle) gründlich umgestalten liess. Die traditionelle Sonnenlitanei in den beiden ersten Korridoren wurde getilgt und durch den Anfang von Pfortenbuch (links) und Höhlenbuch (rechts) ersetzt; auch in den folgenden Räumen ist die Dekoration zugunsten dieser beiden Bücher geändert und sogar ein Pfeiler dafür umdekoriert. Auf die Götterszenen im Schachtraum musste nun verzichtet werden, dafür wird der König am Anfang des ersten Korridors auf beiden Seiten vor dem falkenköpfigen ReHarachte und Osiris in verschiedenen Gestalten (rechts mumienförmig) dargestellt.

Das Bestreben, den Lauf der Sonne in das Grab hineinzunehmen und den König einzubeziehen, wird hier nochmals besonders deutlich; Pfortenbuch und Höhlenbuch bilden zwei vollständige Zyklen der Nachtfahrt, die sich vom Eingang bis zur Rückwand der ersten Pfeilerhalle mit den Schlussbildern beider Bücher entfalten. An den Decken werden sie ab dem dritten Korridor von den Himmelsbüchern begleitet, mit einem durchsehenden Bild der Göttin Nut, welche die Sonne im Westen verschluckt und im Osten, am Anfang, neu gebiert. Die Geierdecke im ersten Korridor ist durch eine «astronomische» Decke mit Sternbildern, Listen von Dekangestirnen und Visierfiguren ersetzt, fortgesetzt im zweiten Korridor und an den Seiten der oberen Pfeilerhalle. Die zweite Hälfte des Grabes bringt mit dem Amduat und dem neuen «Buch von der Erde» in der Sargkammer zwei weitere Zyklen, wiederum kombiniert mit den Himmelsbüchern.

Die Gerichtshalle des Osiris im Pfortenbuch tritt jetzt im zweiten Korridor hervor, und im Schachtraum das WasserRechteck mit den Ertrunkenen, dazu die Bilder von Nut und Osiris aus dem Höhlenbuch. Auf den vier Pfeilern sind jeweils zwei Seiten dem König vorbehalten, die anderen beiden Gottheiten, mit Meresger (zweiter Pfeiler links) als einziger Göttin; der widderköpfige AmunRe erscheint zusammen mit Chons auf dem ersten Pfeiler links, auf den übrigen Pfeilerseiten werden noch PtahSokarOsiris, Ptah im Schrein, ReHarachte und der ibisköpfige Thot abgebildet. Die Götter und Königsfiguren im oberen Teil der Pfeiler sind als verschlüsselte Schriftzeichen zu lesen, mit denen Titel und Namen von Ramses VI. geschrieben werden, um auch seinen Namen zu vergöttlichen.

Im Abgang zur unteren Grabhälfte erscheinen die Göttinnen Meresger und Nechbet als geflügelte Schlangen. Dahinter beginnt das Amduat, das den vierten und fünften Korridor ausfüllt — die ersten fünf Nachtstunden fortlaufend links, der Rest auf den rechten Wänden, jedoch mit vielen Umstellungen und ohne die letzte Stunde. Unter der ersten und sechsten Stunde, am Ende des Abgangs, sind auch Neith und Selkis als geflügelte Schlangen dargestellt. Die Decken im unteren Teil konzentrieren sich auf den Sonnenlauf, mit ungewöhnlichen Darstellungen der Sonnenbarke und des Wiederauflebens der Toten, die sich von ihren Bahren erheben, dazu Götterreihen aus den Himmelsbüchern und Stundengöttinnen; im fünften Korridor erblickt man an der Decke u. a. ein grosses Mondsymbol, und in der Vorkammer geht es um die Auferweckung des Osiris.

Im zweiten Korridor des unteren Bereichs kam es links unter der Decke zur Kollision mit dem anstossenden Grab KV Tz, einem Mehrfachgrab ungewissen Datums, das keine königlichen Masse aufweist. Wahrscheinlich wurde die Arbeit für eine Weile unterbrochen, bis die Konsequenzen dieser neuen Baukatastrophe überdacht waren. Der Fussboden und die Decke des Korridors wurden zur Vorkammer hin steil abgesenkt, der Durchbruch zugemauert und verputzt; so entstand zwischen dem Anfang und der Fortsetzung der Decke eine senkrechte Stufe, die mit einem «Schutzbild» bemalt wurde, um das Eindringen feindlicher Mächte zu verhindern. Bild und Text ergänzen sich, um das Grab an dieser gefährdeten Stelle magisch zu verschliessen; Arme und Beine des Sonnengottes verwandeln sich in Schlangen, die aus der Sonnenscheibe hervorschiessen und Feuer gegen die Feinde speien, die bereits gefesselt oder von Pfeilen getroffen sind.

An diesen kritischen Raum schliesst sich die Vorkammer an, die ja seit Ramses II. dem Totengericht und damit der Abwehr des Bösen gewidmet ist. Im Zentrum steht auf der linken Wand wieder der Spruch 1Z5 mit seinem Anruf der Totenrichter; auf der rechten Wand sind die rot bemalten «Feuerseen», von je vier Pavianen bewacht, aus dem Spruch 12.6 angebracht, dazu in der Mitte ein Hymnus an die Göttin Maat, «die das Übel fernhält und deren Abscheu Unrecht ist» und die mit deutlicher Anspielung auf das Totengericht, das ja in der «Halle der doppelten Maat» stattfindet, auch als «Waage des Herrn der Beiden Ufer» bezeichnet wird. Am Ausgang des Raumes erscheint auf beiden Seiten der König, und der begleitende Text fordert dazu auf, ihm die Tore der Unterwelt zu öffnen, da er die BaSeele des Osiris sei.

Die Sargkammer blieb unvollendet und wurde wohl in grosser Eile für das Begräbnis des Königs hergerichtet; auf Seitenkammern hat man verzichtet. Nur die mittleren Pfeiler der vorderen Reihe sind ganz aus dem Felsen herausgelöst und auf allen vier Seiten dekoriert, wobei rechts wieder als einzige Göttin Meresger erscheint, mit einer hohen Federkrone. Die beiden anderen Pfeiler dieser Reihe sind noch mit dem Fels verbunden, und die hintere Reihe macht nur die Frontseite der vier Pfeiler sichtbar. Ihre Dekoration führt das Buch von der Erde fort, dessen Hauptteil auf die beiden Schmalseiten des Raumes verteilt ist. mit dem Beginn vermutlich auf der linken Wand.

Rings um den ganzen Raum läuft ein Fries von knienden. ge fesselten und geköpften FeindFiguren, abwechselnd rot und schwarz bemalt. Die Grube für den Sarkophag ist stärker eingetieft als bisher und enthält jetzt nur noch die Trümmer des einstigen Begräbnisses. Über ihr wölbt sich eine Decke, an der zwei langgestreckte Figuren der nackten Himmelsgöttin die Bücher vom Tage und von der Nacht einrahmen.

In der Achse des Grabes hat man in der Rückwand der Sargkammer einen weiteren Raum begonnen und am Ende mit dem etwas abgewandelten Schlussbild aus dem Pfortenbuch bemalt, das den Aufstieg der Sonne aus der Tiefe des Urgewässers zum Himmel zeigt und auf beiden Längswänden von den Horussöhnen, dem König und den personifizierten Dekangestirnen angebetet wird, so dass sich hier am Ende Himmel und Unterwelt als die beiden Jenseitsbereiche begegnen.

Es ist deutlich, dass sich das Bildprogramm dieses Grabes stärker als bisher auf die Sonnenfahrt konzentriert und deshalb die Unterwelts und Himmelsbücher in den Vordergrund stellt. Sonnenlitanei und Ritual der Mundöffnung werden dadurch entbehrlich, und auch die gestirnten Decken weichen den ausführlicheren Himmelsdarstellungen. In den Raumdurchgängen bringt man jetzt Titel und Name des verstorbenen Königs an, statt der Göttin Maat, und darüber schützende Geier.

Die letzten Ramessiden

Ramses VII. (KV i) orientiert sich am Grab seines Vorgängers, begnügt sich aber mit nur einem langen Korridor und einer recht bescheidenen Sargkammer ohne Pfeiler, mit einem weiteren kleinen Raum dahinter. In die Szene der Sonnenanbetung über dem Eingang wird von jetzt an auch der König mit eingefügt, neben Isis und Nephthys. Eingangsszenen finden sich, wie bei Ramses VI., auf beiden Wänden und zeigen den König links vor ReHarachte, rechts vor PtahSokarOsiris, beide falkenköpfig, thronend und zusammen mit dem König in einen Schrein gestellt; vor dem Sonnengott hat der König eine Säbelantilope geopfert.

An den Wänden des Korridors konnte man nach diesen Sze nen links nur die beiden ersten Stunden des Pfortenbuches und gegenüber den Bildteil und den Anfang des Textteiles aus dem ersten Abschnitt des Höhlenbuches anbringen. Der Fries darüber besteht aus geflügelten SkarabäusKäfern, löwenköpfigen Schlangen und dem Namen des Königs. Als Neuerung erscheint am Ende auf beiden Seiten eine Szene, in welcher Pharao als Osiris durch den IunmutefPriester, im Pantherfell und mit Seitenlocke, kultisch gereinigt wird; das Motiv wird bei Ramses IX. nochmals aufgegriffen.

In der Sargkammer ist zum ersten Mal nicht gelber, sondern der neutrale weisse Hintergrund verwendet. Als Sockel dient ein Fries von knienden und gefesselten Feindfiguren, abwechselnd rot und schwarz bemalt, den Farben von Blut und Nichtsein. Auf der Eingangswand wird der Eintretende von zwei reich geschmückten Göttinnen begrüsst, die beide als Werethekau «Die Zauberreiche» bezeichnet sind, im rechten Teil dazu noch als löwenköpfige SachmetBastet; sie treten offenbar an die Stelle der Hathor, betonen aber den bedrohlichen, noch nicht besänftigten Aspekt der Göttin.

Die Seitenwände des Raumes sind in zwei Register aufgeteilt und geben zum Teil Szenen wieder, die zum Buch von der Erde gehören, zum Teil aber auch Szenen, die ohne Parallele sind. Links unten erscheint in der Mitte der Sonnenleichnam als schwarz bemalter Widder, der aus einem Grabhügel herausragt und von widderköpfigen Göttern angebetet wird; dahinter wird die Sonne als Widderkopf aus dem Leib eines Krokodils neu geboren, womit ihre Erneuerung im Urgewässer angedeutet ist. Der obere Streifen der rechten Wand endet mit einer Szene des Sonnenlaufes, in der zwei Armpaare die Sonnenscheibe in Richtung auf den Grabeingang bewegen. Auf der Rückwand wendet sich der König dem Durchgang in den hintersten Raum zu, der ihn vor Osiris zeigt. Die undekorierte Nische in der Mitte der Rückwand dieses Raumes ist von zwei personifizierten DjedPfeilern mit Armen und Augen eingerahmt, die Osiris vertreten, auf den sich die Texte des Raumes beziehen; über ihr erscheint ein abgewandeltes Motiv aus der GerichtsSzene des Pfortenbuches, unter ihr ein «Stilleben» mit aufgehäuften Opfergaben.

Zur Aufnahme der Bestattung diente eine Vertiefung in der Mitte der Sargkammer, über die eine Sarkophagwanne als Deckel gestülpt ist. Während der erste Korridor eine Geierdecke hat, ist die Decke der Sargkammer dreigeteilt und folgt dem Vorbild der oberen Pfeilerhalle bei Ramses VI. Der mittlere Teil ist gewölbt und in der Achse des Grabes mit zwei langgestreckten Figuren der Nut bemalt. Statt Himmelsbücher umschliesst ihr Leib aber Dekantabellen und Gottheiten der Gestirne; in den geraden «Seitenschiffen» schliessen sich Tabellen von Sterndurchgängen und die zugehörigen frontalen Visierfiguren an. Diese «Sternuhren», wie wir sie auch bei Ramses VI. und Ramses IX. finden, waren für eine Zeitbestimmung viel zu ungenau, aber sie gaben mit dem «Leben und Sterben» der Dekangestirne ein Vorbild für das erhoffte Wiederaufleben des Verstorbenen, das in die Gesetzmässigkeit des Kosmos eingebunden wird. Eine lange Schriftzeile verheisst ihm, dass er den Himmel, der bis an das Ende der Zeit auf seinen Stützen ruht, «mit herrlich günstigem Wind» durchfahren wird, der Sonne gleich.

Von Ramses VIII. ist kein Grab bekannt; er hat nur etwa ein Jahr lang regiert und wurde vielleicht in der neuen Residenz im Norden bestattet. Ramses IX. hat dagegen mit KV 6 noch einmal ein Königsgrab in grossem Stil begonnen, trotz seiner relativ langen Regierung von i8 Jahren aber nicht zu Ende führen können; vielleicht gab es bereits Zweifel, ob das Tal der Könige als Königsnekropole weitergeführt werden sollte. Der Eingang ist wieder repräsentativ mit unfertigen Pilastern ausgestaltet und zeigt als ungewöhnliche Variante der SonnenAnbetung die Sonnenscheibe im Leib der schwangeren Himmelsgöttin. Die Wanddekoration beginnt in allen drei Korridoren mit einem schlangenbewachten Türflügel, wie er aus den Darstellungen des Pfortenbuches vertraut ist und hier den Verschluss durch Holztüren magisch verstärkt.

Die Eingangsszene ist wieder verdoppelt und zeigt den König links vor dem falkenköpfigen ReHarachte und Osiris, rechts vor einem AmunReHarachte mit vier Widderköpfen, gefolgt von Meresger als Westgöttin, mit gestufter Perücke; die Szenen sind auf beiden Wänden von einem Schrein umrahmt, und rechts liegt wieder, wie bei Ramses VII., eine geopferte Säbelantilope vor dem Gott. Die restlichen Wandflächen des langen Korridors sind links mit einem Teil der Sonnenlitanei (die seit Ramses V. gefehlt hatte), rechts mit dem Höhlenbuch (erster Abschnitt) geschmückt; nur am Ende der linken Wand erscheint die kultische Reinigung des Königs als Osiris durch den IunmutefPriester als Teil einer fortlaufenden Vergöttlichung des Königs, die sich auf der linken Wand im zweiten Korridor fortsetzt. Vier kleine Nebenkammern erinnern an die Anlage von Ramses III., sind aber ohne Dekoration. Nach dem Vorbild von Ramses VII. schliesst ein Fries mit löwenköpfigen UräusSchlangen und KönigsKartuschen, aber ohne Skarabäen, die Wände oben ab. Die Decke ist mit fliegenden Geiern und SkarabäusKäfern bemalt..

Der zweite Korridor, mit einer weiteren SonnenAnbetung über dem Eingang, führt rechts das Höhlenbuch fort, mit dem zweiten und Teilen des dritten und vierten Abschnitts. Links folgen weitere Figuren aus der Sonnenlitanei und in der Mitte ein Bildstreifen (oberes Register der zweiten Stunde) aus dem Amduat über Sprüchen aus dem Totenbuch. Am Ende der Wand erscheint die doppelte Darstellung des «Feuersees» aus Spruch 12.6 mit dem Anruf des Königs an die bewachenden Paviane; darunter betet der König, der zuvor von einer Gestalt der Hathor begleitet wurde, vor dem falkenköpfigen ChonsSchu als Mondgott. Die Decke ist mit Sternbildern, Dekanlisten und Visierfiguren bemalt, im dritten Korridor zeigt sie das schon aus dem Grab Ramses' VI. vertraute Wiederaufleben der Verstorbenen auf ihren Bahren, dazu Ausschnitte aus den Himmelsbüchern.

In der Szene der SonnenAnbetung über dem dritten Korridor wird der König dieses Mal von einer Neunheit von Gottheiten begleitet. Beide Wände dieses Korridors zeigen als Sockel einen Fries von knienden, geköpften (links) und gefesselten (rechts) Feindfiguren, abwechselnd rot und schwarz bemalt. Die linke Wand bringt den Rest der zweiten und den Anfang der dritten Stunde aus dem Amduat, wobei die Texte zum Teil doppelt, in bunten und in einfarbigen Hieroglyphen, ausgeführt sind.

Schon im zweiten Korridor begegnet man einer Mischung aus buntem und einfarbigem Relief oder Malerei, im Gegensatz zur sorgfältigen Ausführung des ersten Korridors offenbar in grosser Eile erst nach dem Tod des Königs hergestellt.

Am Anfang der rechten Wand im dritten Korridor bringt der König eine Figur der Maat dem Ptah als «Herrn der Maat» dar; dahinter erinnert eine schräge Figur des Osiris, vor dem Wüstengebirge und im Schutz einer grossen Schlange, an den Schluss des Amduat mit seiner schrägen OsirisMumie, die in der Unterwelt zurückbleibt, wenn die Sonne als Scheibe und Skarabäus zum Himmel emporsteigt; auch hier erscheinen über Osiris Sonnenscheibe und SkarabäusKäfer, von Osiris aber wird ausgesagt, dass er sich in der Urfinsternis und in der «Vernichtungsstätte» befindet, dem Ort der Wandlung. In drei Registern ist auf dem Rest der Wand eine sonst unbekannte Komposition angebracht, mit der schlangengestaltigen Sonnenbarke im Mittelregister, die über den Schlangenleib des Apophis dahinfährt; die feindlichen Schlangen vor der Barke sind von Pfeilen getroffen und unschädlich gemacht. Im unteren Register geht es um die Neugeburt der Sonne, und von oben streben in gelb oder rot bemalten und als Sand gepunkteten Kreisen acht «Ausgebreitete» der Sonne zu; ihre Haltung ähnelt dem Zeichen «Stern im Kreis» für die Unterwelt, aber auch den Dahintreibenden im Urgewässer. Bei ihnen fehlt jede Beischrift, während die Texte in den beiden anderen Registern und bei Osiris eine etwas verfremdete Gestalt haben, die man als «aenigmatische» Schrift bezeichnet.

Auf der Rückwand des Schachtraumes erscheint auf beiden Seiten der IunmutefPriester im Pantherfell bei der kultischen Reinigung und Mundöffnung; sonst blieb dieser Raum, wie die folgende Pfeilerhalle, ohne Dekoration, und die Sargkammer, von bescheidenem Ausmass und ohne Pfeiler, ist sehr flüchtig und uneinheitlich dekoriert. Das Bildprogramm der Wände bietet, flüchtig aufgemalt, «Zitate» aus den verschiedensten Unterweltsbüchern, dazu auf der Rückwand die schon aus Ramses VI. bekannte Szene von der Auferweckung des Osiris. Wir treffen u. a. den Sonnenleichnam aus dem Amduat (sechste Stunde), Motive aus dem fünften und sechsten Abschnitt des Höhlenbuches (mit den Figuren von Nut und Osiris auf der Eingangswand), Teile aus dem Buch von der Erde und verwandten Kompositionen. Die Deckenmalerei beginnt mit einer Anbetung des widderköpfigen Sonnengottes durch Paviane, gefolgt von einem doppelten Bild der Himmelsgöttin Nut, die einige wenige Szenen aus den Himmelsbüchern umschliesst, vor allem die Sonnengeburt aus dem Buch vom Tage.

Hier wird noch einmal deutlich, dass man im Grab Ramses' IX. mit Erfolg versucht hat, auf sehr begrenztem Raum ein Maximum an Inhalt zu bieten und insbesondere das erhoffte Wiederaufleben Pharaos im Jenseits in immer neuen Variationen zu beschwören. An solche Vorgaben knüpft wenig später die Sargmalerei der zi. Dynastie mit ihrer Fülle von Bildmotiven an.

Für einen Sohn dieses Königs wurde zwischen den Gräbern von Thutmosis IV. und Hatschepsut KV 19 angelegt, neben KV 5 und KV 3 das einzige dekorierte Prinzengrab im Tal. Ausgeführt ist nur der erste Korridor, mit farbenfrohen Malereien, die den Prinzen RamsesMontuherchepeschef zunächst vor Osiris (links, mit einem schönen Pektoral auf der Brust) und Ptah ( rechts) zeigen, danach vor weiteren Gottheiten; unter ihnen fallen die löwenköpfige SachmetBastet und der widderköpfige Ba von Mendes auf, und auch die Göttin Meresger fehlt nicht. Im Gegensatz zu den Prinzengräbern Ramses' III. tritt dieser Prinz selbständig, ohne seinen Vater, vor die Götter. Er trägt die kennzeichnende «Jugendlocke» an seiner Perücke, dazu die weiten Gewänder der Ramessidenzeit. Die Decke dieses Korridors wurde verputzt, aber nicht bemalt. Im zweiten Korridor wurde eine Grube für den Sarkophag ausgehoben, doch blieb der Raum unfertig und ohne Dekoration.

Ramses X. hat sein Grab (KV t8) im zweiten Korridor abgebrochen und wohl nicht für eine Bestattung vorgesehen; als neuer Königsfriedhof war wohl schon der Haupttempel der DeltaResidenz vorgesehen. Die Dekoration im Relief folgte, wie üblich, in kurzem Abstand dem Aushauen der Räume und beschränkt sich auf die Fassade mit der traditionellen Sonnen Verehrung und die Eingangsszenen auf beiden Wänden des ersten Korridors, die rechts wieder AmunReHarachte mit vier Widderköpfen und hinter ihm die Göttin Meresger zeigten (nur Spuren sichtbar); neu ist eine zusätzliche Figur des eintretenden Königs am Anfang des Korridors, die auch Ramses XI. wieder aufnimmt. Die anschliessende Sonnenlitanei ist offensichtlich nicht ausgeführt worden.

Die vordere Grabhälfte folgt bei Ramses XI. (KV 4) dem üblichen Schema, sie mündet nach drei Korridoren und dem Schachtraum in eine Halle mit vier Pfeilern. Die zweite Hälfte ist jedoch nach dem Abgang auf einen einzigen Korridor verkürzt, auf den unmittelbar die Sargkammer mit vier rechteckigen Pfeilern, einer gewölbten Decke und einem gewaltigen, über zehn Meter tiefen Grabschacht folgt. Am Boden des Schachtes fanden sich Beigaben aus verschiedenen früheren Begräbnissen, denn das Grab hat offenbar als Zwischenlager bei der Bergung der Königsmumien in der 2r. Dynastie gedient. Wachsfiguren, die u. a. die Paviane mit dem «Feuersee» aus TotenbuchSpruch 126 abbilden, führen die Dekoration der vorangehenden Gräber fort. Der König muss den Plan, hier bestattet zu werden, bald aufgegeben haben, da die Wände trotz seiner langen, mindestens 27jährigen Regierung nur erste Ansätze zu einer Dekoration aufweisen, und auch das nur im ersten Korridor. In roter Vorzeichnung erscheint hier der König auf beiden Seiten vor AmunReHarachte, der links als falkenköpfiger Sonnengott und rechts, wie seit Ramses IX., mit vier Widderköpfen und gefolgt von der Göttin Meresger als Westgöttin dargestellt ist.

Dieses älteste der Unterweltsbücher wird altägyptisch als «Die Schrift des Verborgenen Raumes» bezeichnet, also als Traktat über das Jenseits. Amduat («Was in der Unterwelt ist») ist eigentlich eine kollektive Bezeichnung für alle Bücher dieser neuen Gattung. Eine ausführliche Titelei hebt das Wissen hervor, das durch diese Schrift vermittelt werden soll, indem sie neunmal das «Wissen» um jenseitige Phänomene verspricht; damit gibt sie zugleich eine Übersicht über den Inhalt des Buches. An anderen Stellen wird betont, dass dieses jenseitige Wissen schon auf Erden nützlich sei.

Das Buch beschreibt in Wort und Bild die Fahrt des Sonnengottes durch die zwölf Stunden der Nacht, von seinem Untergang bis zu seinem morgendlichen Aufgang. Jeder Stundenabschnitt beginnt mit einer kurzen Einleitung in senkrechten Zeilen, die den Namen der Jenseitsregion, ihres Tores, und den Namen der Nachtstunde nennen; es folgen drei Bildstreifen (Register), von denen das mittlere stets der Barke des Sonnengottes und seiner Begleitung vorbehalten ist. Wie in der irdischen Wirklichkeit des Niltales bedarf es auch im Jenseits eines Bootes, um voranzukommen. Zur festen Besatzung des Sonnenbootes gehören der «Wegeöffner» Upuaut, die Schöpferkräfte Sia ( «Einsicht») und Hu («Ausspruch» ), die Göttin Hathor als «Herrin der Barke» und jeweilige Stundengottheit sowie Horus als Steuermann und «Leiter der Barke»; insgesamt sind es neun Gottheiten, für den Ägypter eine gesteigerte Vielzahl (drei mal drei), die bei den folgenden Göttergruppen öfter auftaucht. Der widderköpfige Sonnengott in seinem Schrein wird als «Fleisch» bezeichnet, um seine nächtliche Leibesgestalt zu kennzeichnen.

Im Mittelpunkt des Geschehens stehen einmal die Handlungen und Reden des Gottes, zum anderen die Beschreibung der Wesen, die an den Ufern des jenseitigen Stromes aufgereiht sind, und ihrer Funktionen. Es ist der erste religiöse Traktat, der den König konsequent in den täglichen Sonnenlauf einbeziehen will. Osiris wird zwar immer wieder genannt und mehrfach abgebildet, doch bleibt er völlig passiv und kommt im gesamten Amduat nicht zu Wort. Auf die verstorbenen Könige wird nur in der sechsten Stunde direkt Bezug genommen, bei der entscheidenden Vereinigung des SonnenBa mit seinem Leichnam in der Mitte seiner Nachtfahrt.

Mit ihrer listenförmigen Anordnung einiger wichtiger Jenseitswesen legt die erste Nachtstunde Grundlagen für eine Ordnung und Erschliessung des Unbekannten, in welchem die Sonne am Abend versinkt. Neben den Sonnenaffen und den Stundengöttinnen verkörpern auch die anderen Gottheiten des oberen und unteren Registers den allgemeinen Jubel, den das Erscheinen des Gestirns hervorruft; mit Ausnahme der Verdammten (der «Feinde») beteiligen sich alle Bewohner des Jenseits daran. Unter ihnen treten am Anfang des oberen und des unteren Registers je neun Paviane hervor, die den Sonnengott bei seinem Untergang wie bei seinem Aufgang bejubeln und ihm den Zugang Zugang zur Unterwelt öffnen. Im unteren Register folgen ihnen zwölf aufgerichtete KobraSchlangen («Uräen»), die mit ihrem «feurigen» Gifthauch die Unterwelt erleuchten und zugleich alle feindlichen Wesen in respektvollem Abstand halten; sie stehen hier stellvertretend, für jede Nachtstunde eine, für die Unzahl von Schlangen, welche die Unterwelt bevölkern.

Das Mittelregister ist nur hier in zwei Streifen aufgeteilt, von denen jeder mit einer Barke beginnt. Hier tritt die Göttin Maat, Verkörperung von Ordnung und Harmonie, direkt vor der Sonnenbarke in doppelter Gestalt hervor; sie eröffnet danach die zweite Stunde und betont damit, dass auch hier, im Jenseits, Recht und Gesetz herrschen. In einer zweiten Barke ist der Sonnengott bereits in seiner morgendlichen Gestalt des SkarabäusKäfers anwesend, angebetet von Osiris, den man als seine Nachtgestalt sieht; so deutet schon der Anfang der Fahrt auf ihr glückliches Ende hin. Am Schluss der ersten Stunde geht es um das «Öffnen» und wiederum «Versiegeln» der Unterwelt, die wegen der Fülle ihrer Bewohner auch «Grösste Stadt» genannt wird.

Die beiden folgenden Stunden eröffnen die eigentliche Unterwelt, die sich zunächst als fruchtbares Gefilde zeigt, dominiert von der Wasserfläche Wernes in der zweiten und vom «Gewässer des Osiris» in der dritten Stunde. In beiden Stunden wird die Sonnenbarke von weiteren Barken begleitet, die vor dem Sandreich des Sokar in der vierten Stunde umkehren müssen; sie transportieren in der zweiten Stunde wichtige Geleiter — die Korngötter, ein Krokodil mit den beiden Landeskronen, ein HathorSymbol mit dem SkarabäusKäfer und das komplexe Bild des Mondes. In der dritten Stunde sind es verschiedene Gestalten des Sonnengottes, die in den Barken gerudert und jeweils von einer hochgereckten Schlange beschützt werden.

Der Gott sorgt für den Unterhalt der seligen Toten, die im unteren Register Kornähren in der Hand oder im Haar tragen. Sie sind die «Bauern vom Wernes», deren materielle Versorgung hier thematisiert ist. Mit den JahresZeichen, welche die beiden ersten Gruppen in der Hand tragen, «machen sie diesem grossen Gott ein Geschenk» und sorgen für den richtigen Ablauf des landwirtschaftlichen Jahres, das in Ägypten aus drei Jahreszeiten besteht: Überschwemmung, Aussaat und Ernte. So garantieren sie, dass für die seligen Toten stets Nahrung im Überfluss vorhanden ist.

In der dritten Stunde wird im unteren Register die Anwesenheit des Osiris mehrfach dokumentiert, viermal mit der Weissen und viermal mit der Roten Landeskrone, dazu in seiner stellaren Form als OrionGestirn (die beiden Gestalten, die sich umwenden); Re wendet sich im Schlusstext der Stunde auch direkt an Osiris und weist ihm seine Schöpferkräfte zu. Daneben gibt es in beiden Stunden noch strafende Wesen mit Messern in den Händen, um alle «Feinde» unschädlich zu machen. Die Gottheiten im oberen Register haben die wichtige Funktion, für die Nilüberschwemmung zu sorgen, die in mythischer Schau aus der Unterwelt hervorkommt und Ägypten in Elephantine (beim heutigen Assuan) erreicht; deshalb beginnt das untere Register mit dem widderköpfigen Chnum, dem Hauptgott von Elephantine.

Mit der vierten Stunde bricht die fruchtbare, wasserreiche Landschaft jäh ab. Es öffnet sich die Wüste von Rasetjau, das «Land Sokars, der auf seinem Sand ist», ein ödes Sandreich, das von vielen Schlangen bevölkert ist; ihre unheimliche Beweglichkeit wird durch Beine und Flügel am Schlangenleib unterstrichen, und einige haben auch eine Vielzahl von Köpfen. Im Zickzack führt ein Weg, der voller Feuer und immer wieder durch Türen versperrt ist, durch diesen Stundenbereich und verbindet die drei Register.

Erstmals muss die Sonnenbarke gezogen werden, um sie voranzubringen, und so fehlt hier und in der fünften Stunde das Rudergestänge am Heck. Dazu verwandelt sie sich selber in eine Schlange, deren Feuerhauch einen Weg in die sonst undurchdringliche Finsternis «sticht»; auch das Szepter in der Hand des Sonnengottes nimmt Schlangengestalt an. Genau im Zentrum der Stunde wird das Sonnenauge, um dessen Bewahrung, Heilung und Erneuerung es hier geht, von Thot und Sokar betreut. Die Leuchtkraft der Sonne ist jetzt so schwach, dass der Gott die Wesen dieser Stunde, wie der Text betont, nicht sehen kann, sondern nur durch seine Stimme mit ihnen verkehrt und für sie sorgt. Doch auch hier herrscht Maat (im unteren Register) und wird den Toten neues Leben gespendet (vier Gottheiten mit dem LebensZeichen in der Hand am Ende des Mittelregisters).

Die fünfte Stunde setzt das Reich des «Sokar, der auf seinem Sand ist» fort, auch den feuergefüllten Weg, der es durchquert. Der Aufbau weicht etwas vom üblichen Schema ab und betont die Mitte durch eine Überschneidung der Register. Dieser Stundenbereich verkörpert den «Westen» und enthält alle wesentlichen Elemente des Totenreiches. Am Anfang steht die Göttin des Westens (wie Maat trägt sie eine Feder im Haar) vor neun Kultfahnen, in denen sich die «Neunheit» und damit die Götterfülle des Jenseits verkörpert. Der gepunktete Hügel mit den beiden Klagevögeln (Isis und Nephthys) ist der Grabhügel des Osiris, aus dem die Sonne als Skarabäus verjüngt hervorgeht.

Die «Schlächter» jenseits des Hügels und die vielen bedrohlichen Schlangen werden beschworen, den Sonnengott «in Frieden» passieren zu lassen, so dass er den Engpass in der Mitte der Stunde überwinden kann. Je sieben männliche und weibliche Ziehende packen jetzt das Zugseil der Barke, dazu von oben her noch der Sonnenkäfer. Die Fahrt geht über ein Oval, das die  Höhle» des Sokar darstellt und in den Doppelkopf des AkerSphinx eingebettet ist. Es ist wohl wiederum ein Bild der gesamten Unterwelt, in der sich jede Nacht die geheimnisvolle Vereinigung von Osiris=Sokar mit dem Sonnengott vollzieht. Über dem Oval wird ein pyramidenförmiger Aufbau vom Kopf der Isis bekrönt. In der Tiefe ist der «Feuersee» durch rote Wellen als Strafort angedeutet, und rechts halten vier Gottheiten, «unsichtbar und nicht wahrzunehmen», den vierfachen, machtgeladenen Kopfschmuck des Sonnengottes auf ihren Knien. Nach der Wüste des Sokarlandes erreicht die Sonne in der sechsten Stunde das «Wasserloch», die Tiefe der Unterwelt, die vom Urgewässer Nun erfüllt ist. Hier ruht der Sonnenleichnam. mit dem der Gott sich als BaSeele vereinigt. Gleich zweimal, am Ende des oberen und des mittleren Registers, ist der Leichnam abgebildet; er wird nicht als Mumie gezeigt, sondern als Sonnenkäfer (Skarabäus) angedeutet, also bereits mit der verjüngten Morgengestalt verbunden. Die vielköpfige Schlange «Vielgesicht» umringelt ihn als Schutz. Dazu gilt dieser Körper auclals «Bild des Osiris», der im oberen Register durch den löwen gestaltigen «Stier mit der Donnerstimme» verkörpert ist. Wie 132und Körper, vereinigen sich Re und Osiris am tiefsten Punkt del Nachtfahrt, und das beginnende Wiederaufleben kündigt sich ir der halb erhobenen Haltung der Gottheiten im oberen und unte ren Register an.

Nur an dieser entscheidenden Stelle sind die «Könige vor Ober und Unterägypten» (mumiengestaltig im mittleren Regi ster) mit ihren Machtattributen (Szepter, Kronen und Uräus Schlangen im oberen Register) hervorgehoben, um beim Wie deraufleben des verstorbenen Pharao zu assistieren. Das unten Register wird vom krokodilköpfigen Sobek und von Nun al Herren des Urgewässers eingerahmt, und in den Texten tritt auch Tatenen hervor, der Herr der Erdtiefe. Eine Neunheit von Schlangenstäben soll mit ihrem Feuerhauch und ihren Messern die «Feinde des Chepri», also der erneuerten Sonne, unschädlich machen.

Um Mitternacht erstrahlt die Sonne neu, aber diese Selbstzeugung des Lichtes ist auch ein Augenblick höchster Gefährdung. Daher steht in der siebenten Stunde die Bestrafung der «Feinde» im Vordergrund, allen voran des Erzfeindes Apophis, der schlangengestaltig auf seiner «Sandbank» vor der Barke liegt und versucht, den erneuerten Lauf des Lichtes zum Stillstand zu bringen. Es gelingt ihm nicht, denn Isis und Seth bezaubern ihn, und Selkis wirft ihre Fesseln um seinen Leib, der von weiteren Helfern zerstückelt wird; dazu wird die Sonne jetzt zusätzlich durch die MehenSchlange geschützt.

Analog triumphiert im Register darüber Osiris über seine Feinde, die ein Strafdämon vor ihm (mit KaterOhren) gefesselt und geköpft hat; auch Osiris ist von der schützenden MehenSchlange umringelt. Hinter der Sandbank im Mittelregister erscheinen nochmals die Grabstätten des Sonnenleichnams, von Messern geschützt, um die bedrohliche Nähe der Gefahr anzudeuten. Im unteren Register thront der Sonnengott als falkenköpfiger «Horus der Unterwelt», um für den Gang der Gestirne zu sorgen, deren Personifikationen den Rest des Registers füllen; den Schluss bildet das hilfreiche Krokodil mit dem Kopf des Osiris, den es aus dem Wasser gerettet hat.

Die achte Stunde fällt durch ihren regelmässigen Aufbau ins Auge. Oberes und unteres Register sind in jeweils fünf «Höhlen» oder «Grüfte» eingeteilt, die durch Türen verschlossen sind, aber durch den Anruf des Sonnengottes geöffnet werden. So gut wie alle Wesen in diesen Grüften thronen auf StoffHieroglyphen, welche die Beischrift als ihre Kleider kennzeichnet. Thema der Nachtstunde ist somit die Versorgung mit Kleidern, die unter den Jenseitswünschen seit alter Zeit einen hohen Rang hat; zur Neugeburt der Verstorbenen gehört auch ihre neue Einkleidung.

Dazu aber schildern die Texte, wie die BaSeelen der Götter und Verstorbenen aus diesen Grüften, die stellvertretend für alle Grüfte des Totenreiches stehen, dem Sonnengott jubelnd antworten; die Klangwelt dieses Jubels können menschliche Ohren nur als  Tiergeschrei und Naturlaute (Summen von Bienen, Geschrei von Katern oder Vögeln, Schlagen auf Metall usw.) wahrnehmen, während es für den Gott vernehmbare Rede wird. So ist auch die Welt der Töne im Jenseits verzerrt! Im Mittelregister wird die Sonnenbarke wieder gezogen, um rascher ans Ziel zu gelangen. Ihr folgen personifizierte SchemesHieroglyphen, Zeichen für die Gerichtshoheit und zugleich für das «Gefolge» des Gottes, dazu die vier Widder des Tatenen, die am Ende des Neuen Reiches zur Gestalt des vierköpfigen Sonnenwidders verdichtet werden.

In der neunten Stunde wird die Mannschaft der Sonnenbarke vorgeführt; ihre Aufgabe ist es, «Re zu dieser Stätte zu rudern, Tag für Tag». Mit ihren Rudern in der Hand bilden sie das beherrschende Thema im Mittelregister, das daneben noch drei Götterbilder zeigt, die für die materielle Versorgung der Toten zuständig sind. Dazu wird im oberen und unteren Register das Thema der Versorgung mit Kleidern aus der achten Stunde fortgesetzt. Die erste obere Gruppe mit ihren StoffZeichen wird als Gerichtshof beschrieben, der «die Feinde des Osiris zu Fall bringt», und die folgende Gruppe von Göttinnen umsorgt Osiris, wozu ebenso die Abwehr seiner Feinde gehört. Der Abschrekkung dienen noch die zwölf feuerspeienden UräusSchlangen im unteren Register, während die neun «Feldgötter» daneben, mit Getreidehalmen in der Hand, wieder den Lebensunterhalt der Verstorbenen sichern, denn «sie sind es, die alle Bäume und alle Pflanzen entstehen lassen».

Die zehnte Nachtstunde bringt im unteren Register das WasserRechteck mit den Ertrunkenen, das im Pfortenbuch das Mittelregister der neunten Stunde füllt. Die wie Osiris im Wasser Dahintreibenden, in verschiedenen Stellungen gezeigt, werden von Horus vor Verwesung und Zerfall bewahrt und nachträglich zu einem seligen Dasein geführt, obwohl ihnen keine reguläre Bestattung zuteil werden konnte. Hier erweist sich das Urgewässer als regenerierendes Element und erfüllt die ganze Nachtstunde, die «Mit tiefem Wasser und hohen Ufern» genannt ist. Dazu herrscht Finsternis, die von den vier Göttinnen mit Schlangen um den Kopf erleuchtet wird.

Im oberen Register geht es um die Bewahrung und Heilung des «Auges», das als Sonnenauge wie als Horusauge erscheint; zuständig ist hier neben Thot (der thronende Pavian) die löwenköpfige Sachmet als Göttin der Heilkunst in mehreren Erscheinungsformen präsent. In der Mitte erscheinen vor der Sonnen barke die BaSeelen des Sokar (Falke auf der Schlange) und des Osiris (falkenköpfige Schlange im Boot), dazu die «Leibwache» des Sonnengottes, die ihn gegen seine Feinde in der Finsternis beschützt und mit verschiedenen Waffen auftritt.

Die elfte Stunde ist erfüllt von Vorbereitungen für den bevorstehenden Sonnenaufgang, das «Herausgehen aus dem Ostberg des Himmels». Vor der Barke wird bereits der «Weltumringler» herbeigetragen — die Schlange, in der sich in der nächsten Stunde das Wunder der Verjüngung ereignet. Isis und Nephthys transportieren als Schlangen die beiden Landeskronen zum östlichen Tor von Sais», bei welchem vier Gestalten der Göttin Neith stehen.

Im oberen Register geht es noch einmal um die Zeit und die Geburt der Stunden, die aus dem Schlangenleib der Zeit hervor:reten und wieder «verschlungen» werden. Es kommt darauf an, den richtigen Zeitpunkt für den erneuerten Sonnenaufgang nicht zu versäumen; deshalb hält der Sonnengott als Atum die Flügel der Schlange fest. Neben der Begleitung des Sonnengottes erscheinen am Ende des oberen Registers vier Göttinnen auf Doppelschlangen, jeweils eine Hand vor das Gesicht haltend. Von ihnen geht der Feueratem aus, der im unteren Register die Feinde verbrennt, die mit ihren BaSeelen und ihren Schatten in feuergefüllte Gruben gestürzt sind. Die Schlange «Die Millionen verbrennt» und strafende Göttinnen mit Messern vollziehen das letzte Strafgericht, um jegliche Bedrohung vom Sonnenaufgang fernzuhalten.

In der zwölften Nachtstunde vollzieht sich die Neugeburt der Sonne. Da es sich um eine Wiederholung der uranfänglichen Schöpfung handelt, assistieren dabei die Urgötter, von denen zwei Paare zu Beginn des unteren Registers dargestellt sind. Der Vorgang wird in das Innere der Schlange «Weltumringler» verlegt, die in der vorigen Stunde herbeigetragen wurde, und die Zugkraft des Geschehens ist durch die ungewöhnlich grosse Zahl der Ziehenden angedeutet, zwölf männliche und dreizehn weibliche. Sie alle ziehen die Barke mit ihren «Millionen» von seligen Toten durch den Leib der riesigen Schlange hindurch. Die verkehrte Richtung, vom Schwanz zum Maul, weist auf die notwendige Umkehr der Zeit, die eine Verjüngung möglich macht; nach der Beischrift treten alle Wesen als hinfällige Greise und Altersschwache in den Schwanz der Schlange ein und kommen als kleine Kinder aus ihrem Maul heraus. Der Sonnenkäfer, schon am Bug der Barke anwesend, fliegt am Ende der Stunde in die ausgebreiteten Arme des Gottes Schu, der die Sonne zum Tageshimmel emporhebt.

Umrahmt wird der Vorgang durch den allgemeinen Jubel, den die Gottheiten im oberen und unteren Register ausführen. Er gilt nicht nur der Sonne, sondern auch Osiris, dem Leben verheissen wird, obwohl er im Totenreich zurückbleibt. Dazu vertreiben die Göttinnen im oberen Register mit ihren feuerspeienden Schlangen ein letztes Mal den Apophis und spenden mit ihren lebenden Fackeln den Toten weiterhin Licht, wenn die Sonne die Unterwelt verlassen hat. Einen Augenblick lang steht die Unterwelt offen, aber Schu «versiegelt» sie neu, die Nachtfahrt ist zu Ende. Zusammen mit Osiris, der mumiengestaltig am Ende des unteren Registers gezeigt ist, versinken alle Verstorbenen wieder im Todesschlaf, solange die Sonne den Himmel überquert.


Amduat: Erste Stunde


Amduat: Zweite Stunde


Amduat: Dritte Stunde

 


Amduat: Vierte Stunde


Amduat: Fünfte Stunde


Amduat: Sechste Stunde


Amduat: Siebte Stunde


Amduat: Achte Stunde


Amduat: Neunte Stunde


Amduat: Zehnte Stunde


Amduat: Elfte Stunde


Amduat: Zwölfte Stunde

 

Sonnenlitanei

Im Grab von Thutmosis III. und seinem Wesir Useramun findet sich neben dem Amduat eine weitere Komposition, die altägyptisch den Titel «Buch der Anbetung des Re im Westen» trägt, aber modern unter dem Namen «Sonnenlitanei» bekannt ist. Mit dem vollständigen Text des Buches, ohne die Illustrationen, war das Leichentuch beschriftet, in das Amenophis II. die Mumie seines Vaters einhüllte. Danach verschwindet die Litanei für mehrere Generationen, wird aber von Sethos I. ausgewählt, um in Zukunft die beiden ersten Korridore der ramessidischen Kö:.:zsgräber zu schmücken.

Sie erhält somit einen sehr prominenten Platz im Königsgrab, nicht ohne Grund. Ihr Thema ist die direkte Gleichsetzung des verstorbenen Pharao mit dem Sonnengott Re, mit seiner BaSeele und mit dem täglichen Sonnenlauf. «Meine Geburt ist die Geburt des Re im Westen», so formuliert der König seine Hoffnung, in den täglichen Gang der Sonne einzutreten und mit ihr neu geboren zu werden.

Die «Grosse» Litanei am Anfang gibt 75 Anrufe an den Gott, die alle mit «Lobpreis sei dir, Re, du mit hoher Macht» beginnen. Jeder Anruf ist durch eine Gottesfigur illustriert, und dazu tritt als 76. Figur, als Widderkopf in der roten Sonnenscheibe, die BaSeele des Re. Diese Figuren hat Thutmosis III. separat auf die beiden Pfeiler seiner Grabkammer gesetzt, verbunden mit einem kurzen Textstück. Sein Wesir Useramun verteilt die Figuren auf zwei Wände und erweitert sie um Figuren von sich und seinen Familienangehörigen, die damit in den Rang von Göttern erhoben sind. Solche Erweiterungen der Figurenreihen erfolgen auch später noch, bis zu den Särgen und Papyri der zi. Dynastie, wo sie als Schutzgötter des Verstorbenen betrachtet werden und schon längst zu Objekten eines Kultes geworden sind.

Die meisten Figuren sind mumiengestaltig, einige wenige in reiner Tiergestalt, so Widder und Skarabäus als die beiden Hauptgestalten des Sonnengottes, dazu der «Grosse Kater», der seinen strafenden Aspekt verkörpert, und das «Göttliche Auge». Auch Osiris erscheint, doch lassen sich die beiden Figurenreihen nicht auf eine Re und eine OsirisReihe aufteilen. Seit Sethos I. wird noch eine Art Titelbild hinzugefügt, das den widderköpfigen Gott und den SkarabäusKäfer in einer grossen Sonnenscheibe zeigt, begleitet von Krokodil, Schlange und Gazelle, die als feindliche Wesen von der Sonne fortstreben.

Das «Buch der Anbetung» berührt sich nicht formal, aber thematisch mit den Unterweltsbüchern. Es geht auch hier um

die Nachtfahrt des Sonnengottes als Vorbild einer täglichen Regeneration, dazu um Beschreibung und Lobpreis derjenigen Gottheit, die nachts in die Unterwelt hinabsteigt, die Toten zu neuem Leben erweckt, die Seligen versorgt und die Verdammten bestraft.

Die vielen Namen und Gestalten des Gottes haben alle einen Bezug zum Reich der Toten und zur erhofften Regeneration. Im

Unterschied zu den Unterweltsbüchern, welche aus Wechselreden des Sonnengottes mit den Bewohnern des Jenseits bestehen spricht in den Texten der Litanei der Verstorbene selber, ähnlich wie im Totenbuch. Er betont, dass er auf den richtigen Weg wandeln möchte, auf «den Wegen des Westens», und hofft immer wieder auf Rettung vor den Gefahren, die dort drohen.

Die Namen und die Figuren, die sie illustrieren, nehmen Bezug auf die wichtigsten Gestalten und Funktionen des Sonnengottes in der Unterwelt. So erscheinen die Morgengestalt Chepri (sogar dreimal), die Abendgestalt Atum, die BaSeele des Re (als zusätzliche Figur), die Gestalten als Widder, Kater und Kind, das «Göttliche Auge» und die Sonnenscheibe, dazu die Begleitfigur des Pavians. Neben Atum treten auch die übrigen Götter und Göttinnen der «Neunheit» auf, wobei aber der gefährliche Seth durch Horus ersetzt ist. Von den übrigen Göttern sind weiterhin Nun und Tatenen vertreten, also Wasser und Erdtiefe.

Osiris erscheint unter den Figuren nur als Chontamenti, doch weisen zwei Namen auf die «Vereinigung» der beiden Götter Re und Osiris hin, die ein zentrales Thema der ganzen Litanei bildet. Der in die Unterwelt hinabsteigende Sonnengott trifft dort auf Osiris als Herrscher der Unterwelt und der Toten. So stellt sich die Frage ihrer gegenseitigen Beziehung, und zu Beginn des Neuen Reiches hat man die bleibende Lösung gefunden, in Re die BaSeele des Osiris zu sehen, die sich jede Nacht mit dem Leib des Gottes vereint, ihn ganz mit ihrem Licht durchdringt und damit zu neuem Leben weckt. Beide werden vorübergehend zum «Vereinigten», zu einer einzigen Gottheit, die «mit einem Munde spricht», wie es die Texte betonen.

Diese Vereinigung wurde im Grab der Königin Nefertari und einigen anderen Gräbern auch bildlich dargestellt, durch eine Figur, die Attribute von Re (Widderkopf, Sonnenscheibe) und Osiris (Mumiengestalt, Isis und Nephthys als Begleiterinnen) zu einer einzigen Gestalt zusammenfügt, gewissermassen ein Bild der Nachtsonne, die das Wesen von Re und Osiris in sich vereinigt. Im Text tritt Osiris aber auch selbständig auf, empfängt Re und reicht ihm seine Hand. Sein Ort ist so geheim, dass nur der mit allem Wissen ausgestattete Verstorbene ihn kennt.

Im übrigen unterstreichen manche Namen die enge Verbindung des Gottes mit dem unterweltlichen Totenreich; so ist er  Der von der Unterwelt», «Der von der Gruft», «Der über seine Gruft gebietet», «Der die Erde erneuert» und sogar direkt «Der Westen». Weitere Namen kennzeichnen ihn als Wanderer durch diese Sphäre, als den «Dahinziehenden», und im Schlusstext der Grossen Litanei sogar als «Zugvogel», der regelmässig verschwindet und wiederkehrt. Jubel und Trauer sind beide vertreten, denn es geht um Tod und Neugeburt, und in einigen Namen wird auf den Leichnam des Gottes Bezug genommen, sogar auf seine Fäulnis und Verwesung, die der erhofften Regeneration vorangehen muss. Als Leichnam ist er «Der im Sarkophag», und als BaSeele vereinigt er sich mit seinem verborgenen Leib. Sein Name «Der Weinende» verweist auf das beliebte Motiv, dass die Menschen einstmals aus den Tränen des Schöpfergottes, aus einer Trübung seines Auges, entstanden sind.

Das Doppelgesicht der Nachtsonne zeigt sich im Nebeneinander von Leuchten und Strahlen auf der einen, Verhüllung und Dunkelheit auf der anderen Seite. Re ist «Der Dunkle» oder «Der mit dunklem Gesicht», aber zugleich auch «Der Leuchtende», dessen Strahlen die Verstorbenen ersehnen. Schliesslich werden die Wohltaten des Gottes für die seligen Toten betont: Er erleuchtet sie, weckt sie aus dem Todesschlaf und gibt ihren Seelen Atemluft.

Doch auch seine strafende Funktion gegenüber den verworfenen Toten wird mehrfach angesprochen; er ist «Der Fesselnde», «Der vom Kessel» und ganz allgemein «Der seine Feinde vernichtet», und «er hat die Hitze in der Vernichtungsstätte angeordnet». Dazu muss er auch hier, wie im Amduat und im Pfortenbuch, seinen Widersacher Apophis überwinden, der seinen Lauf fortgesetzt bedroht. Wie der Titel des Buches betont, soll der Text den Sonnengott gegen seine Feinde «im Westen», also im Totenreich, triumphieren lassen. Hierzu passt das Titelbild, das die Vertreibung dieser Feinde in Tiergestalt vor Augen führt.

Auf die erste, «Grosse» Litanei folgen noch acht weitere sowie diverse Zwischentexte und Identifikationen des verstorbenen

Pharao mit dem Sonnengott, dazu mit dem Urgewässer Nun und damit mit der Welt vor der Schöpfung, aus der auch die Sonne einst hervorging. Ein kurzes Textstück, das Thutmosis III. als einziges, neben den Figuren, für sein Grab ausgewählt hat und das seit Sethos I. separat auf die Decke des zweiten Korridors gesetzt wird, wendet sich an den «Vereinigten», also an die Nachtsonne, die zugleich Osiris ist. Der Verstorbene erbittet in der dritten Litanei, dass Re ihn zu den Wegen des Westens führen möge, und in der sechsten, dass der Sonnengott zu ihm komme, aber zugleich versichert er «Ich bin Re».

Erst gegen Ende stellt sich der Verstorbene auch als Osiris vor, aber im Vordergrund steht sein Wunsch, wie die Sonne neu geboren und vor allen Gefahren bewahrt zu werden, konkret vor den «Schlächtern» und den «Dämonen mit scharfen Messern». Die PelikanGöttin, die ihn begrüsst, ist wahrscheinlich eine Verkörperung der Himmelsgöttin Nut, die dem Toten wie der Sonne zu einer neuen Geburt verhelfen soll. Seine vollständige Vergöttlichung macht die «Gliedervergottung» anschaulich —eine Litanei, in der jeder Körperteil mit einer Gottheit gleichgesetzt wird, so dass es zuletzt heissen kann «Kein Glied von mir ist ohne Gott». In einer letzten Litanei betet der Verstorbene den «Westen» an, der stichwortartig das gesamte Reich der Toten umgreift und zur gleichen Zeit ein Aspekt der Göttin Hathor ist.

Buch von der Himmelskuh

Auf dem äussersten der vergoldeten Schreine, die den Sarkophag Tutanchamuns umgaben, erscheint zum ersten Mal das Bild der Himmelskuh mit dem zugehörigen Text; Sethos I., Ramses II. und Ramses III. reservieren jeweils einen Seitenraum der SargKammer für das Buch, und einen kleinen Ausschnitt hat noch Ramses VI. in der linken Nische seines dritten Korridors angebracht. Das Kuhbild und genaue Anweisungen, wie es auszuführen und zu beschriften ist, stehen im Zentrum eines längeren, vielschichtigen Traktates, in den auch Zaubersprüche hineinverwoben sind.

Der Text beschreibt im ersten Teil die Rebellion der Menschen gegen den alt gewordenen Sonnengott und ihre Bestrafung durch das «Feuer» des Sonnenauges, das auf den Rat der Götterversammlung in Gestalt der Göttin Hathor gegen sie ausge sandt wird. Ein Teil der Menschheit wird vernichtet, der Rest überlebt dank göttlicher Milde und durch die Überlistung der wilden Göttin, die mit blutrot gefärbtem Bier berauscht wird und die Menschen nicht mehr erkennen kann. In ihrem Kult wird sie als «Herrin der Trunkenheit» deshalb immer wieder besänftigt und gnädig gestimmt, indem man ihr Rauschtrank darbringt und für sie musiziert.

Als Folge aber zieht sich der Sonnengott auf dem Rücken der Himmelskuh von der Erde zurück, setzt den Mondgott als Stellvertreter ein und verzichtet auf seine bisherige irdische Herrschaft; sein Sohn, der Luftgott Schu, sorgt nun dafür, dass der Himmel dauernd gestützt wird und nicht auf die Erde herabfällt. Als weitere Stützen des Kosmos erscheinen die Zeit und Pharao, der ja wie Schu als «Sohn» des Sonnengottes gilt. Menschen und Götter sind von nun an getrennt, die Menschen bekriegen sich, der Tod kommt in die Welt, und der Kosmos muss neu geordnet werden. So erklärt dieser Mythos den jetzigen, unvollkommenen Zustand der Welt und das Fernsein der Götter.

Pfortenbuch

Am Amduat orientiert sich eine jüngere Komposition, die unter dem modernen Namen Pfortenbuch bekannt ist. Hier ist die Einteilung der Nachtfahrt in zwölf Stunden beibehalten, aber jede Stunde wird jetzt durch die Darstellung einer gut bewachten Pforte von der nächsten getrennt. Zwischen die fünfte und sechste Stunde und am Ende des Buches werden überdies zwei besondere Bildmotive eingeschoben, die das Totengericht bzw. den täglichen Lauf der Sonne zeigen.

Als Gefährt der Sonne dient wie im Amduat eine Barke, doch weist sie nur noch zwei Begleiter des Sonnengottes auf, die Schöpferkräfte Heka («Zauber») und Sia («Einsicht»). Auch sonst ist gegenüber dem Amduat vieles vereinfacht, die Vielzahl der göttlichen Wesen wird gern zu überschaubaren Gruppen zusammengefasst, die einzelnen Namen spielen nicht mehr eine solche Rolle, sogar die Namen der Nachtstunden sind fortgelassen. Trotzdem geht es auch hier darum, Wissen über das Jenseits zu vermitteln und damit vor allem die materielle Versorgung jenseits des Todes zu sichern.

Neben Motiven, die aus dem Amduat vertraut sind und in ähnlicher Form übernommen werden, taucht eine Reihe neuer Motive auf, so die Differenzierung der Bewohner des Jenseits in die vier Rassen der Ägypter, Nubier, Asiaten und Libyer in der fünften Nachtstunde. Besonderes Interesse findet in diesem Buch das Werden und Vergehen der Zeit; die Zeit erscheint als vielfach gewundene Schlange, aus deren Leib die einzelnen Stunden «geboren» und wieder «verschlungen» werden, oder als endloses, doppelt gewundenes Seil, das aus dem Schlund eines göttlichen Wesens abgespult wird (sechste Stunde). Die «Lebenszeit», die aus diesem Vorrat an Zeit auch den Toten zugemessen wird, ist im Jenseits relativiert: Eine Stunde der Nachtfahrt entspricht einer vollen Lebenszeit auf Erden.

Die erste Nachtstunde bildet wie im Amduat eine Art Zwischenreich vor der eigentlichen Unterwelt. Die Sonnenbarke durchfährt das Westgebirge und wird nicht von einzelnen Wesen, sondern allgemein von den «Göttern der Wüste» begrüsst. Zwei Pfähle, der eine mit einem Widder, der andere mit einem Schakalkopf bekrönt, verkörpern die Befehlsgewalt des Sonnengottes, der den Verstorbenen Belohnung wie Strafe zuweist, und der Text betont die Unvermeidlichkeit des TodesgesChicks für alle Wesen.

Mit der zweiten Stunde betreten wir die Unterwelt und sehen uns sogleich den beiden Hauptgruppen ihrer Bewohner gegenüber: im oberen Register den Seligen, die Maat gesprochen und ausgeübt haben und jetzt weiterhin von der Maat leben, und im unteren Register den Verdammten, «die Böses getan haben» und letzt, schon gefesselt, ihre Bestrafung erwarten. Der auf einen Stab gelehnte Atum verkündet ihnen in einer «Strafpredigt», dass sie Re bei seiner Nachtfahrt nicht schauen werden. Zwischen Atum und den «Feinden» liegen vier «Träge» ermattet am Boden — die vier Himmelsrichtungen, die im Jenseits «ermattet» und aufgehoben sind.

In der dritten Stunde wird die Sonnenbarke durch ein Ianggestrecktes Gebilde mit Stierköpfen hindurchgezogen, die «Erd barke», die offenbar die ganze Unterwelt verkörpert, in der sich die nächtliche Verjüngung aller Wesen vollzieht. Über dieser Szene haben sich zwölf Mumien bereits aus ihrem Todesschlaf aufgerichtet, das Licht und der belebende Anruf des Sonnengottes dringen in ihre offen stehenden Schreine. Dahinter folgt der ominöse «Feuersee», aus dem nur die seligen Toten ihren Durst löschen können, während er für die Verdammten feurige Pein bedeutet. Im unteren Register erscheint, als vielfach gewundene Schlange, der Sonnenfeind Apophis, dessen Überwindung in mehreren Stunden beschrieben wird; hier wird er von Atum «umgestürzt» und orientierungslos gemacht, wobei zwei Neunheiten von Göttern mithelfen.

Als Variation des «Feuersees» bringt die vierte Stunde im oberen Register den «See des Lebens», von Schakalen bewacht, und den «See der Uräen», mit zehn aufgerichteten UräusSchlangen, die ihren feurigen Gifthauch gegen die Feinde des Sonnengottes speien. Die Barke fährt an neun Schreinen vorbei, in denen die Mumien noch im Todesschlaf daliegen, aber von Re aufgefordert werden, sich zu erheben. Sie sind die «Götter des Osirisgefolges», deren Leben jede Nacht erneuert wird, für die Dauer einer jenseitigen Stunde. So erblickt man dahinter die zwölf Nachtstunden, als Göttinnen personifiziert, die aus dem Leib einer riesigen Schlange «geboren» und wieder «verschlungen» werden. Im unteren Register erscheint Osiris in einem Schrein, um den sich die Götter seines Gefolges scharen, um alle Gefahren fernzuhalten; die «Feinde» des Gottes werden in den Feuergruben am Ende des Registers gestraft.

In der fünften Stunde erblickt man vor der Barke wieder den Sonnenfeind Apophis, der als riesige Schlange von neun Göttern gepackt wird, um ihn von Re fernzuhalten. Dahinter sind die «BaSeelen der Menschen, die in der Unterwelt sind» nicht in der üblichen Vogelgestalt, sondern als Menschen dargestellt. Am Anfang des unteren Registers erscheinen dann die vier «Rassen» der Menschheit als je vier Ägypter, Asiaten, Nubier und Libyer in ihrer typischen Tracht. Sie alle werden von Horus, auf einen Stab gelehnt, angeredet und mit ihren BaSeelen dem Schutz von Horus und Sachmet anvertraut. Die Götter, die vor ihnen eine Schlange mit den Hieroglyphen für «Lebenszeit» tragen, messen ihnen Lebenszeit zu, und die Götter mit dem Messstrick im oberen Register fruchtbares Land für ihre Versorgung.

In die fünfte Pforte, die dieser Stunde folgt, ist die Gerichtshalle des Osiris als ein besonderes Bild eingeschoben; Haremhab setzt sie beherrschend auf die Rückwand seiner Sargkammer, spätere Gräber ersetzen sie durch eine Szene mit der Anbetung des Osiris. Der Gott thront als Totenrichter auf einer getreppten Empore, vor sich die personifizierte Waage (mit leeren Schalen) und auf den Stufen, ihm zugewandt, die seligen, «gerechtfertigten» Toten, während die Verurteilten, die «Feinde», unsichtbar unter seinen Sohlen liegen, in der Tiefe der «Vernichtungsstätte»; in Gestalt eines Schweines wird eine weitere feindliche Macht vertrieben. Die Bedeutung dieser Szene wird durch die Verwendung von Kryptographie, einer etwas verfremdeten und verschlüsselten Hieroglyphenschrift, zusätzlich betont.

Das Totengericht schafft die Voraussetzung für die Vereinigung der BaSeele mit ihrem Körper in der folgenden sechsten Stunde, am tiefsten Punkt der Nachtfahrt. Anders als im Amduat wird der Leichnam der Sonne hier nicht gezeigt, sondern ruht unsichtbar auf den Armen von zwölf Trägern, unmittelbar vor der Barke und ihrer Zugmannschaft; die Arme der Träger sind durch die Berührung mit diesem «Mysterium» selber unsichtbar geworden. Dafür erblickt man im unteren Register auf einer endlosen, schlangengestaltigen Bahre die Mumien der seligen «Gefolgsleute des Osiris», die der Vereinigung mit ihrem Ba entgegensehen und dadurch zu neuem Leben erweckt werden. Die Erneuerung von Licht und Leben ist von Gefahren bedroht, weshalb im oberen Register ein weiteres Mal die ApophisSchlange (mit den Köpfen, die sie «verschlungen» hat und jetzt wieder freigeben muss) abgewehrt wird; die Götter, die sie bekämpfen, tragen gegabelte Schlangenstäbe in der Hand. Daneben ist die Zeit als ein doppelt gewundenes Seil dargestellt, das aus dem Schlund des Gottes Agen abgespult wird.


Schlussbild des Pfortenbuches

In der siebenten Stunde setzt sich die Abwehr der feindlichen Mächte fort, mit den «Pfählen des (Erdgottes) Geb» vor der Sonnenbarke; an jeden der sieben Pfähle sind zwei «Feinde» ge bunden, die von dämonischen Wesen gepeinigt werden. Als Kontrast geht es im Rest der Stunde um das Schicksal der seligen Verstorbenen, denen «ein Sein bis an sein Ende» gewährt wird, geborgen in der Maat und versorgt von Göttern mit Kornähren und mit Sicheln zum Ernten des Getreides. In der achten Stunde haben sich die Seligen auf ihren Bahren schon etwas aufgerichtet und erhalten von den «Herren des Unterhalts im Westen» im Mittelregister die nötige Versorgung, während den Verdammten weiterhin «Schlimmes zugefügt» wird.

Die Bestrafung verkörpert in der neunten Stunde eine riesige Schlange, die Feuer gegen zwölf gefesselte Feinde vor ihr speit und sie damit «in Flammen setzt». Vor allem aber bringt diese Stunde das WasserRechteck mit den im Urgewässer Treibenden, das uns aus der zehnten Stunde des Amduat bereits vertraut ist; wie dort erhalten die Ertrunkenen Atemluft und Rettung vor Verfall und Verwesung, und ihre vogelgestaltigen BaSeelen werden in der Szene darüber mit Brot und Gemüse versorgt. Im mittleren Register der zehnten Stunde wird ein weiteres Mal der Sonnenfeind Apophis überwunden, hier durch Gottheiten mit Netzen, in denen die wirksame Zauberkraft gespeichert ist.

Die beiden letzten Stunden schildern ausführlich die Vorbereitung des täglichen Sonnenaufgangs, für den ein letztes Mal alle Gefahren beseitigt werden. Ins Auge fallen hier vor allem die riesige Faust, die das Seil hält, mit dem Apophis und seine Helfer gefesselt sind, und das in ungewöhnlicher Frontalansicht gezeigte Gesicht des Sonnengottes, das in einer eigenen Barke durch die Unterwelt gezogen wird; hier ist die machtvolle Präsenz des Gottes sichtbar gemacht und die Hoffnung erfüllt, im Jenseits den Göttern ins Angesicht zu schauen. Sterne eilen der Sonne vor ihrem Aufgang voraus, der von den vier Pavianen in der letzten Stunde lärmend verkündet wird. Auf Schlangen thronende Göttinnen und eine Vielzahl von «Ammen» umgeben das neu geborene Sonnenkind. Das komplexe Schlussbild vermittelt ;irren Blick in alle drei Dimensionen der jenseitigen Welt, in die Tiefe des Urgewässers Nun, auf dessen Armen die Sonnenbarke ruht, in die Tiefe der Erde, die Osiris umschliesst, und in die Tiefe des Himmels, durch die Göttin Nut verkörpert.

 

Höhlenbuch

Dieses Buch, in der frühen 19. Dynastie (um t25o v. Chr.) ent standen, gibt die bisherige Aufteilung in zwölf Nachtstunde] auf; statt dessen ist es in zwei «Hälften» zu je drei Abschnitte] eingeteilt. In den Abschnitten sind die drei Register aus Raum gründen öfter gestaffelt, das unterste ist überall der Bestrafun der «Feinde» in der «Vernichtungsstätte» vorbehalten. Die Son nenbarke erscheint nur im Schlussbild, sonst ist die Gegenwar des Sonnengottes durch seine Scheibe angedeutet (die in de Strafszenen fehlt), und die ersten fünf Abschnitte beginnen mi einer grossen Figur seiner widderköpfigen Nachtgestalt. Sein moderne Bezeichnung (ein originaler Titel fehlt) verdankt da Buch den vielen «Höhlen» oder «Grüften», in welche die Unter welt hier eingeteilt ist. Die vielen Ovale, die ins Auge fallen, me nen die Sarkophage der Unterweltsbewohner.

Das erste bekannte Exemplar wurde unter Merenptah im Zu gang zum Osireion in Abydos angebracht, dazu eine Variant des Schlussbildes in der Sargkammer dieses Königs, später dan auch bei Tausret und Ramses III. Nur Ramses VI. hat nochmal eine vollständige Fassung, die vom rechten Eingangsbild bis zu oberen Pfeilerhalle reicht, sonst finden sich bei Ramses IV Ramses VII. und Ramses IX. nur Ausschnitte des Buches.

In den beiden ersten Abschnitten sind Text und Bildteil g( trennt, die Texte sind reine Monologe des Sonnengottes, erst di folgenden Abschnitte bringen beschreibende Beischriften zu de Bildern, dazu Wechselreden und viele Litaneien. Im dritten Al schnitt erscheint der Leichnam des Osiris in seinem «Kasten und ein zweites Mal, von einer schützenden Schlange umringel unter dem Doppelsphinx Aker. Die Betonung der Erdgötter, vc allem des Tatenen, weist schon auf das spätere Buch von (I( Erde voraus.

Am Anfang des vierten Abschnitts heben Isis und Nephth) den Leichnam des Osiris hoch, um sein Wiederaufleben einzt leiten; dazu wird er von seinen beiden «Söhnen» Anubis un Horus umsorgt. Im fünften Abschnitt wird der Ablauf der Reg ster von zwei separaten Bildern unterbrochen, von denen das er ste die Himmelsgöttin Nut darstellt, umrahmt von Motiven des Sonnenlaufes (Krokodile, Käfer, Widder und Kind); das andere Bild zeigt den ithyphallischen Osiris mit seiner vogelgestaltigen BaSeele auf dem Kopf. Im unteren Register wird hier dreimal die Bestrafung der «Feinde» in grossen Kesseln vorgeführt, die schematisch im Querschnitt gezeigt sind und von den Armen der unsichtbaren «Vernichtungsstätte» gehalten werden.

Im sechsten und letzten Abschnitt kümmert sich Anubis um die Leichname in ihren Sarkophagen, auch um den des Sonnengottes. Die Gestalt des Sonnenkäfers weist schon auf die Verjüngung des Gestirns, aber vorher müssen noch einmal seine «Feinde» (auch weibliche) bestraft und vernichtet werden. Im Schlussbild wird die Sonnenbarke, nur halb sichtbar, von zwölf Göttern aus der Unterwelt herausgezogen; der widderköpfige Käfer vereinigt beide Aspekte, die Nacht und die Morgengestalt des Gottes, der zuletzt als neugeborenes Kind gezeigt ist und seine Nachtfahrt durch Wasser und Finsternis.

 

Ramses VI. gibt uns in seiner Sargkammer die ausführlichste Fassung dieses Buches, aus dem seit Merenptah nur einzelne Szenen verwendet wurden, auch auf königlichen Sarkophagen. Es scheint, dass es wie das Höhlenbuch aus zwei «Hälften» besteht, die jedoch nicht weiter untergliedert sind, wenn man von dem Aufbau in Register und Szenen absieht. Auch sonst steht es :n enger Beziehung zum Höhlenbuch, und einige der Szenen NutBild und OsirisLeichnam) stimmen in beiden Büchern weitgehend überein; auch der «Kasten» des Osiris mit dem Leichnam des Gottes erscheint erneut. Die Gegenwart des Sonnengottes ist wieder durch rote Scheiben angedeutet, die in vielen Szenen von Armen emporgehoben werden und in den Szenen der Bestrafung fehlen, doch erscheint auch mehrfach die Barke des Gottes. Anfang und Schluss der Komposition sind nicht besonders hervorgehoben, so dass sich ein geschlossener Kreislauf ergibt, der immer wieder neu beginnt. Die Betonung liegt auf dem Bildteil, die Texte treten gegenüber dem Höhlenbuch stark zurück, und manche Szenen bleiben ganz ohne Beischrift.

Himmelsbücher:

Nutbuch, Buch vom Tage und von der Nacht

Die Himmelsbücher verlegen die nächtliche Fahrt der Sonne von der Unterwelt in den Leib der Himmelsgöttin Nut, welche die Sonne am Abend verschluckt und am Morgen neu gebiert. Deshalb werden diese Werke nicht an den Wänden, sondern an den Decken der Gräber angebracht, die schon im Alten Reich als Himmel gestaltet wurden, seit Sethos I. dann als gewölbte «astronomische» Decke mit einer Auswahl von Sternbildern und den Planeten. Ramses IV. ersetzt die Sterne durch ein doppeltes Bild (Rücken an Rücken) der Himmelsgöttin, die sich über die Erde beugt. Eines seiner beiden Himmelsbücher, das Nutbuch, ist im wesentlichen eine Beschreibung dieses NutBildes, also eine Topographie des Himmels. Die Motive der himmlischen Nachtfahrt sind weitgehend die gleichen wie in den Unterweltsbüchern; sogar dem Urozean Nun begegnen wir hier am Himmel, seine Wellen umspülen den Kopf der Göttin, und mit Tatenen ist auch der Gott der Erdtiefe vertreten.

Am ausführlichsten ist das Buch von der Nacht, das die Fahrt der Sonne wieder in Nachtstunden gliedert und die Stundenbereiche durch Pforten (als vertikale Schriftzeilen) voneinander trennt. Es findet sich bei Ramses IV. neben dem Nutbuch, jedoch nur zum Teil (bis zur vierten Stunde), und ist vollständig nur bei Ramses VI. überliefert, dort sogar in zwei Fassungen. Die Himmelsgöttin verschluckt die Sonne am Abend im Westen und gebiert sie jeden Morgen aufs neue im Osten, in der verjüngten KäferGestalt oder als Kind. Der König ist hier in die Darstellung mit einbezogen und hilft beim Ziehen der Sonnenbarke. Komplementär tritt bei Ramses VI. und Ramses IX. das Buch vom Tage hinzu, das sonst im Tal der Könige fehlt. Da es mit der Tagesfahrt zu tun hat, erscheint der Sonnengott hier in seiner falkenköpfigen Gestalt, nicht als Widder; trotzdem vollzieht sich auch diese Fahrt, wie die Nachtfahrt, in einem jenseitigen Raum.

Sprüche des Totenbuches

Aus den Pyramidentexten des Alten und den Sargtexten des Mittleren Reiches ging in der 17. Dynastie das Totenbuch hervor, dessen Sprüche man in immer neuer Auswahl auf Papyrusrollen schrieb, aber auch auf Särge und andere Objekte der Grabausstattung. Angehörige des Königshauses wurden in der 17. Dynastie gerne in Leichentücher eingehüllt, die mit Totenbuchtexten beschriftet waren, und für Thutmosis III. hat sein Sohn Amenophis II. ein solches Leichentuch anfertigen lassen, das neben dem Text der Sonnenlitanei auch Sprüche des Totenbuches aufweist. Anfangs erhalten nur wenige Sprüche eine Illustration (Vignette), die den Inhalt oder die Absicht des Spruches in einem Bild zusammenfasst; in der weiteren Entwicklung werden immer mehr Sprüche mit einer solchen Vignette versehen. In diesen Sprüchen geht es um praktische Hilfe und magische Unterstützung für das Jenseits, vor allem um Versorgung und Schutz vor Gefahren, nur selten um eine Beschreibung jenseitiger Regionen, wie sie die Unterweltsbücher erstreben.

Bei Tutanchamun finden sich zahlreiche Sprüche aus dem Totenbuch, vor allem auf den vergoldeten Schreinen um den Sarkophag und auf vielen Teilen seiner Grabausstattung. Sein Nachfolger Aja übernimmt zwei der Sprüche auf die Westwand seiner Sargkammer, wobei der Spruch 130 mit seinen beiden Sonnenbarken thematisch den Unterweltsbüchern nahesteht, geht es doch um die Mitfahrt des Toten in der Barke. Dazu tritt üln kurzes Stück aus Spruch 144, der dem Eintreten ins Toten7eich und dem Passieren seiner Tore und ihrer Wächter dient. In sie seit Sethos I. so stark erweiterte Wanddekoration werden am Ende des zweiten Korridors einige Motive aus dem Spruch i 51 aufgenommen, der mit Balsamierung und Bestattung zu tun hat: liegende AnubisSchakal, die (eigentlich neben der Toten:.'ahre) knienden Göttinnen Isis und Nephthys und die Horussohne. Anubis als Einbalsamierer an der Bahre des Osiris sc beint allerdings nur in den Gräbern von Siptah und Tausret.  Von diesen Sonderfällen abgesehen, hält das Totenbuch erst mit Ramses II. Einzug auf die Wände der Königsgräber. Die Vorkammer, unmittelbar vor der Sargkammer, wird dafür ausgewählt, und der erste, prominente Spruch ist der vom Totengericht (125), bei Ramses II. sogar noch mit dem Bild der Waage, während in den folgenden Gräbern nur der Text verwendet wird, vor allem der Anruf an die Totenrichter mit der «Negativen Konfession» des Verstorbenen, einem Ritual der SündenAbleugnung. Bei Ramses III. erscheint der Bildteil der Sprüche II() und 148 zweimal, in den Nischen des zweiten Korridors und in Seitenkammern der Sargkammer; zusätzlich hat dieser König beide Motive auch noch in seinem Totentempel in Medinet Habu verwendet; damit legt er einen starken Akzent auf die materielle Versorgung im Jenseits, der beide Sprüche dienen sollen.

Ramses IV. hat dann die ganze Vorkammer mit Sprüchen aus dem Totenbuch ausgeschmückt, wobei wieder das Totengericht im Mittelpunkt steht, ergänzt um die Sprüche 12.3/124 und 127, der Auszüge aus der Sonnenlitanei verwendet. Bei Ramses VI. tritt noch der Spruch 1 z6 mit den beiden von Pavianen bewachten «Feuerseen» hinzu, ferner Spruch ioo, der dem Hinabstieg in die Sonnenbarke dient. In verkürzter Form finden sich einige dieser Texte und das Bild des «Feuersees» noch bei Ramses IX. im zweiten Korridor.

In der «Negativen Konfession», die der Verstorbene vor den Totenrichtern zu sprechen hat, um sich von aller Schuld zu reinigen, hat Ramses IV. einige Änderungen gegenüber dem üblichen Text vorgenommen. Bei der Beteuerung «Ich habe nicht zu töten befohlen» steht jetzt der Zusatz «zu Unrecht», denn als Pharao und vor allem nach dem Prozess gegen die Mörder seines Vaters konnte er nicht vermeiden, Verbrecher und Feinde töten zu lassen, auch wenn er nicht persönlich das Urteil aussprechen musste.

Das Ritual der Mundöffnung

Die Mumie, dieses Kunstwerk der Balsamierer, war ein vollkommenes Bild des Toten, das seine äussere Gestalt für die Ewigkeit der jenseitigen Existenz bewahrte. Aber sie musste rituell belebt werden, um ihre Funktion auszuüben. Dies geschah durch das Ritual der «Mundöffnung», eigentlich ein altes Ritual zur Belebung einer Grabstatue, das später auch auf andere Objekte, bis hin zu ganzen Tempeln, angewandt wurde. Modern hat man diesem Ritual 75 Szenen zugewiesen, doch ist es in keiner Quelle vollständig erhalten. Bei Rechmire, dem Nachfolger des Useramun als Wesir von Thutmosis III., besteht es aus 53 Szenen, bei Sethos I. aus 48. Mit diesem Herrscher wird es in das Königsgrab übernommen und schmückt die beiden Korridore der unteren Grabhälfte. Das bleibt auch bei Ramses II. und Merenptah so, doch sind deren Versionen schlecht erhalten, und nur Tausret bietet nochmals eine gut erhaltene, aber sehr verkürzte Fassung.

Ort der Handlung ist das «Goldhaus», Ausführende sind der SemPriester in der Rolle des treuen Sohnes, der «Vorlesepriester» und weitere Priester und Handwerker. Die Handlungen gelten in den Königs wie in den Beamtengräbern einer Statue des Grabherrn, die auf einer Basis aus Sand steht. Am Anfang erfolgen Reinigungen mit Wasser und Weihrauch, danach die Herstellung der Statue, wobei der SemPriester, bevor er den Handwerkern Anweisungen gibt, im Schlaf die noch im Steinblock eingeschlossene Statue seines «Vaters» schaut und dafür sorgt, dass sie zum getreuen Bild des «Vaters» wird. Schlachtszenen (mit Stier, Ziege und Gans) gehen der eigentlichen Mundöffnung an der fertigen Statue voraus, wobei neben dem kleinen Finger und anderen Instrumenten auch der abgetrennte Stierschenkel die Öffnung bewirkt. Ausser dem Mund werden die Augen geöffnet, denn das Ritual soll die volle Funktion aller Sinnesorgane bewirken. Schliesslich wird die fertige und funktionsfähige Statue noch bekleidet, gesalbt und geschminkt sowie mit Attributen königlicher Macht (Szepter und Keulen) ausgestattet. Dazu bewirkt eine Opferlitanei ihre fortdauernde Versorgung.

GötterSzenen:

Amenophis II. hat die Pfeiler seiner Sargkammer mit Szenen schmücken lassen, die ihn vor Gottheiten zeigen, die eine besondere Bedeutung für seine erneuerte Existenz im Jenseits besitzen. Ihre Geste deutet an, was er von ihnen erhofft: Alle halten ihm das Henkelkreuz, das Zeichen für «Leben», an die Nase, dazu umarmen sie ihn oder halten ihn an der Hand, während der König völlig passiv vor ihnen steht, um ihre Anerkennung und das jenseitige Leben zu empfangen. Ähnliche Szenen wurden im folgenden Königsgrab (Thutmosis IV.) auf einigen Wänden im Schacht und in der Vorkammer angebracht, die Pfeiler blieben dort frei von Dekoration.

Es sind in beiden Gräbern drei Gottheiten, die immer wiederkehren: Osiris, Anubis und Hathor. Der mumiengestaltige Osiris, bei dem nur Kopf und Hände aus der Umhüllung ragen, wurde seit der 5. Dynastie als Herrscher der Toten verehrt, ausserdem war er verantwortlich für das Totengericht. Anubis sorgt für das körperliche Fortleben in Form der Einbalsamierung, und Hathor verkörpert alle Aspekte der Regeneration im Diesseits wie im Jenseits. Es ist bezeichnend, dass gerade diese drei Gottheiten sich auch in einigen Beamtengräbern finden.

Mit Amenophis III. beginnt eine fortschreitende Erweiterung der Götterszenen. Zunächst werden die Göttin Nut und die Westgöttin hinzugefügt, Verkörperungen der beiden Sphären von Himmel und Unterwelt, in die der Tote und seine BaSeele eintreten. Bei Tutanchamun treffen wir erstmals auch Isis, bei Aja ihre Schwester Nephthys und die Horussöhne, die schon lange ihren Platz am königlichen Sarkophag hatten. Wesentliche Erweiterungen bringt dann Haremhab mit HorusSohnderIsis, Ptah und Nefertem sowie vor allem mit der Göttin Maat im Eingang zur Sargkammer; diese begleitet im Amduat die nächtliche Sonnenfahrt und gibt dem Verstorbenen die Gewissheit, auch im Jenseits die ausgewogene Ordnung der Welt, die sie verkörpert, nicht zu verlassen. Ramses I. fügt Chepri und Atum hinzu, zwei Hauptgestalten des Sonnengottes, sowie den König in Gesellschaft je einer der göttlichen Mächte («Seelen») von Buto und Hierakonpolis.

Durch die Ausweitung der Dekoration auf das ganze Grab unter Sethos I. wird es möglich, eine Fülle weiterer Gottheiten in das Bildprogramm aufzunehmen. Darunter erscheinen jetzt neben den Schutzgöttinnen Isis und Nephthys die beiden anderen Neith und Selkis, Sokar als PtahSokar und SokarOsiris, dazu aus der «Neunheit» neben Atum und Osiris noch Schu und Geb, die «Mächte» von Buto und Hierakonpolis, und vor allem der Sonnengott in seiner allgemeinsten Gestalt als falkenköpfiger ReHarachte. Am häufigsten kommt in seinem Grab Osiris vor, gefolgt von HorusSohnderIsis, der Westgöttin und Anubis. In den Durchgängen zwischen den Räumen und seit Ramses II. bereits im Eingang des Grabes erscheint von jetzt an die Göttin Maat.

In den folgenden Königsgräbern gibt es weiterhin Zusätze zum Bildprogramm, so im Schacht von Merenptah und Tausret spezielle Gottheiten (Cheribakef und Mechentiirti), die im TotenbuchSpruch 17 erwähnt sind, bei Tausret auch noch Chnum und die Urkuh Mehetweret, und bei Ramses III. Onuris, Sopdu, PtahTatenen und der Gott Schepsi von Hermopolis, der mit seinem Mondsymbol wohl eine Gestalt des Mondgottes Thot ist. Auf Pfeilern bei Ramses VI. und an hervorgehobener Stelle hinter dem Sonnengott bei Ramses IX. erscheint dann auch die lokale Göttin Meresger «Welche die Stille liebt», Verkörperung der Bergspitze über dem Tal der Könige, die in der «Persönlichen Frömmigkeit» der Handwerker von Deir elMedine schon seit Generationen eine Rolle gespielt hatte, als Schutzschlange bei Tausret erscheint und nun zuletzt auch noch Aufnahme im Königsgrab findet, wobei sie mit ihrem Kopfschmuck an die Westgöttin angeglichen wird.

Der «Reichsgott» Amun, der als «König der Götter» in den damaligen Tempeln die beherrschende Rolle spielt und auch in den Totentempeln der Könige als wichtigste Gottheit verehrt wird, findet in das Königsgrab erst spät Eingang; er fehlt auch i den Unterweltsbüchern. Bei Ramses VI. ist er in der obere Halle auf einer Pfeilerseite dargestellt, und erst im letzten dt Gräber, bei Ramses XI., wird der Sonnengott in der progran matischen Eingangsszene als AmunReHarachte bezeichnet.

Seit der 3. Dynastie, als König Djoser sein Grabmonument ganz aus Stein errichtet, wird auch der Sarg des Königs zum SteinSarkophag umgestaltet; bevorzugtes Material sind noch im Neuen Reich Quarzit oder Granit, die beide Bezüge zur Sonne haben. Die kastenförmigen Sarkophage der z B. Dynastie sind ähnlich wie die Särge der hohen Beamten dekoriert, mit je zwei von den vier «Horussöhnen» auf den Längsseiten. Diese Schutzgötter spielen auch sonst in der Grabausstattung eine wichtige Rolle, etwa bei den Eingeweidekrügen (Kanopen). Dazu tritt auf beiden Seiten eine Erscheinungsform des Gottes Anubis, der ganz allgemein für die Bewahrung des Körpers zuständig ist, und an den Schmalseiten erscheinen die Göttinnen Isis und Nephthys, wobei Isis an das Fussende (sie steht vor dem als Osiris gedeuteten Toten), Nephthys an das Kopfende (also hinter ihm) gehört. Die Himmelsgöttin Nut schmückt im Relief und später auch rundplastisch die Innenseite des Deckels, damit sie die BaSeele des Toten unter die Gestirne aufnimmt.

Die grundlegende Neukonzeption des Bildprogramms unter Sethos I. bezieht auch den Sarkophag mit ein. Er ist jetzt aus durchscheinendem Alabaster und aussen wie innen mit Unterweltsbüchern geschmückt, so bei Sethos I. mit der ersten vollständigen Fassung des Pfortenbuches; ergänzend treten noch TotenbuchSprüche hinzu. Von seinen Nachfolgern sind nur Fragmente erhalten, die aber auf ähnliche Dekoration hinweisen. Merenptah stellte ihn in einen inneren GranitSarkophag, der von zwei weiteren Sarkophagen aus Granit umgeben war. Auch diese Sarkophage waren mit Ausschnitten aus dem Amduat und dem Pfortenbuch dekoriert, und der mittlere trägt eine rundplastische Figur des Königs, der als Osiris bei den spä:eren Sarkophagen von Isis und Nephthys eingerahmt wird. Eingeritzte Figuren (Krokodil, Schlange und eine Göttin mit er hobenen Sonnenscheiben) weisen auf ein Bild des Sonnenlaufes, in den der König einbezogen ist, aus dem Buch von der Erde. Die Ausmasse des äusseren Sarkophages sind bei Ramses IV. nochmals gesteigert, mit einer Breite von über z Metern und einer Höhe von 3,3z Metern. In späteren Gräbern, seit Ramses VII., ersetzt man dann den gewaltigen Sarkophag durch eine überdachte Vertiefung im Boden der Sargkammer, die bei Ramses XI. zu einem tiefen Schacht erweitert ist.

Umgeben war der königliche Sarkophag von vergoldeten Schreinen, die jedoch nur bei Tutanchamun, vier an der Zahl, erhalten blieben. Sie waren reich verziert, innen wie aussen, mit religiösen Texten und Darstellungen, die das Dekorationsprogramm der Grabwände ergänzten; daher ist es unmöglich, zu sagen, ob bestimmte Motive in einem Grab ganz fehlten oder auf den verlorenen Schreinen vorhanden waren. Denn der Turiner Grabplan für Ramses IV. zeigt, dass es solche Schreine auch in den anderen Königsgräbern gegeben hat.

Der Sarkophag aus Stein umschloss mehrere Särge aus vergoldetem Holz, mit einem innersten Sarg aus massivem Gold, der allerdings nur bei Tutanchamun erhalten blieb. Er wird in der zo. Dynastie durch einen aus Silber ersetzt, den wir zunächst nur aus Texten kennen, aber in der Königsnekropole von Tanis auch im Original erhalten haben. Dort fanden sich auch weitere goldene Mumienmasken nach dem Vorbild der prachtvollen Maske des Tutanchamun.

Beigaben und GrabRäuberei:

Zu einer ägyptischen Bestattung gehören schon in der Vorge schichte Beigaben, die dem Verstorbenen nicht nur Proviant für seine Reise, sondern die verschiedensten Hilfsmittel für seine Existenz im Jenseits bereitstellen; darunter befanden sich bereits sehr früh Schiffe, die seinem ungehinderten Fortkommen dienen sollten, und Amulette, die ihm Hilfe und Schutz gewährten. Diese Beigaben werden im Laufe der Zeit immer reicher und zugleich nach der sozialen Stellung abgestuft; schon in der Frühzeit enthalten die Gräber der Oberschicht eigene Magazinräume, um die Fülle der Beigaben aufzunehmen. Aber von Anfang an ist auch die Beraubung der Grabstätten bezeugt, und die Grabräuberei ist das wohl älteste Gewerbe der Welt. Die Aktivitäten der Grabräuber sind in einer Reihe von Dokumenten aus der zo. Dynastie ausführlich festgehalten, wobei auch hohe Beamte in den Verdacht der Korruption oder sogar Mitbeteiligung geraten.

Im vollständigen Grabschatz des Tutanchamun kann man sich am besten eine Vorstellung vom Reichtum und der Verschiedenartigkeit der königlichen Beigaben machen, denn alle anderen Bestattungen sind früher oder später geplündert worden. Da gab es in beschrifteten Krügen eine Fülle von Lebensmitteln und Getränken, Truhen mit Stoffen und vollständigen Gewändern, Perücken, Sandalen und sogar Handschuhe (für den König als Wagenlenker), Möbel aller Art, vom einfachen Schemel bis zu den drei mit Tierköpfen verzierten Prunkbetten, die auch im Grab Sethos' I. zumindest dargestellt waren. Dazu kamen kunstvolle Lampen, um die Finsternis, und Waffen, um Feinde zu vertreiben, weiter machtgeladene Stäbe und Szepter, jedoch keine Königskronen.

Im Neuen Reich kommen ergänzend zu den Schiffen auch reich verzierte Wagen hinzu. Objekte, die der Kosmetik dienen, wie Öle, Salben, Augenschminke, Spiegel, Kämme, Rasiermesser usw., sollten dem Verstorbenen die Lebensfrische bewahren oder wieder zurückgeben, Geräte für das Ritual der «Mundöffnung» ihn fähig machen, seine Sinnesorgane neu zu gebrauchen. Brettspiele sollten symbolisch den Weg durch die Unterwelt nachvollziehen, und Musikinstrumente, wie sie im Kult verwendet wurden, stimmten die Götter gnädig und förderten die erhoffte Regeneration.

Der Grabschatz des Tutanchamun enthält dazu noch reich vergoldete Götterfiguren aus Holz, die zum Teil sehr spezielle Gottheiten und heilige Tiere zeigen und damit das Bildprogramm der Grabwände ergänzen, um so die göttliche Präsenz im Grab zu verstärken. Sethos II. hat diese Statuetten auf die Wände seines Schachtraumes malen lassen, als Ersatz für wirkliche Beigaben. Darunter befinden sich auch Figuren des Königs mit seinen Insignien, vor allem das immer noch rätselhafte Motiv des Königs auf dem Panther. Statuen aus Stein hatten dagegen im Königsgrab keinen Platz, sondern standen in den Tempeln, die dem fortdauernden Totenkult Pharaos dienten.

Aus dem Grabschatz vieler Könige und Beamten des Neuen Reiches stammen sogenannte Uschebti — kleine mumiengestaltige Figuren des Verstorbenen, die Abbild und Diener zugleich sind und in Funktion treten sollten, um eventuelle öffentliche Arbeiten im Jenseits auszuführen, wie das Bewässern, Reinigen und Düngen der Felder. Unter den Beigaben der Königsgräber, besonders zahlreich bei Tutanchamun und Sethos I. erhalten, gab es hunderte solcher Figuren, offenbar für jeden Tag des Jahres eine oder sogar zwei, und aus den verschiedensten Materialien gefertigt (Holz, Stein, Fayence, auch Bronze).

Sprüche des Totenbuches weisen auf die Bedeutung bestimmter Amulette hin, und so überrascht es nicht, dass sich unter den Beigaben zahllose Amulette finden, beim Königsbegräbnis aus besonders kostbarem Material. Indem man sie zum Teil in die Mumienbinden einwickelte, brachte man sie in einen möglichst engen Kontakt mit dem Verstorbenen. Häufig und beliebt sind vor allem das Anch, das Zeichen für «Leben», und das Djed, das Zeichen für «Dauer». Daneben erscheint immer wieder das UdjatAuge, das im Mythos beschädigt und wieder geheilt wurde und so als Symbol für die Regeneration der Sonne wie des Verstorbenen dient.

Das beliebteste Amulett aber war der SkarabäusKäfer, der die verjüngte und erneuerte Sonne verkörpert und so zum machtvollsten Symbol für Wiederaufleben und Regeneration geworden ist und auch an den Wänden der Königsgräber immer wieder erscheint. Er steht gern im Zentrum der Brustplatten (Pektorale), wie sie in den Grabschätzen von Tutanchamun und von Psusennes I. in Tanis erhalten blieben. Seine Anbetung durch Isis und Nephthys weist darauf hin, dass auch Osiris im Neuen Reich zu einem Aspekt des Sonnengottes wurde, der nun in universaler Weise das Fortleben Pharaos im Jenseits garantierte.

Die Mumien der Könige:

Die Ägypter entwickelten schon im Alten Reich eine ausgefeilte Technik der Einbalsamierung, die den Körper für das Fortleben im Jenseits bewahren sollte. In einer Prozedur von 7o Tagen wird er gereinigt und ausgetrocknet, von rasch verweslichen Teilen befreit und in Leinenbinden gewickelt. Die so entstandene Mumie ist jedoch nicht der definitive Jenseitsleib, sondern eine schützende Hülle für die weite, gefahrvolle Reise, die sich beim erneuerten Leben in der Unterwelt wieder in einen voll funktionstüchtigen Körper verwandelt, der von seinem Ba neu beseelt wird.

Bei der Einbalsamierung wurden die Eingeweide (bis auf Herz und Nieren) aus dem Körper entfernt und separat in vier Steinkrügen (Kanopen) bestattet, die in einem Kanopenkasten standen. Seit Amenophis II. wachten vier Schutzgöttinnen über diesen Kasten, während die Kanopen selber dem Schutz der vier «Horussöhne» unterstanden.

Während wir aus dem Alten und dem Mittleren Reich nicht eine einzige Königsmumie besitzen, hat sich aus dem Neuen Reich eine grosse Zahl erhalten. Ihre Fortdauer verdanken diese Königsmumien einer Rettungsaktion, die nach dem Ende des Neuen Reiches von thebanischen Priestern durchgeführt wurde, um weiteren Plünderungen vorzubeugen. Die Umbettungen begannen unter König Smendes in der z . Dynastie, mit Zwischenlagern in den Gräbern von Sethos I., wohin die Mumien von Ramses I. und Ramses II. gebracht wurden, und von Ramses XI., in dessen Schacht sich Gegenstände aus verschiedenen anderen Gräbern fanden. Die Neuwicklung und Einsargung durch die Priesterschaft des Amun erfolgte wahrscheinlich in den Werkstätten von Medinet Habu, dem Totentempel Ramses' III., wobei es zu Verwechslungen kam, so dass die heutigen Zuschreibungen in manchen Fällen fraglich bleiben. Ihre endgültige Bleibe fanden die neu hergerichteten Mumien dann in zwei Verstecken, eines davon im Talkessel von Deir elBahari, das andere im Grab Amenophis' II. (KV 35). Von dort wurden sie 188r bzw. 1898 nach Kairo überführt, und nur die später aufgefundene Mumie Tutanchamuns ist in ihrem Grab verblieben.

Die Arbeit im Grabe

Die Planung seines Grabes und der zugehörigen Anlagen für den Totenkult gehörte zu den ersten Aufgaben eines neuen Königs, wobei es wohl ein Gremium von hohen Beamten war, das die Planungsarbeit durchführte und bestimmte, was gegenüber dem vorangehenden Königsgrab im Grundriss, an den Massen und in der Dekoration zu ändern war. Zugleich erfolgte die Auswahl des Ortes, wobei durch die wachsende Zahl von Gräbern die Möglichkeiten geringer wurden. Da zwischen Tod und Bestattung eines Königs 7o Tage lagen, die Dauer der Einbalsamierung, konnten bestimmte Arbeiten noch über das Todesdatum hinaus weitergeführt werden.

Das Aushauen der Gänge und Kammern nahm mehrere Jahre in Anspruch und erfolgte von der Decke zum Boden. Der Schutt wurde in Ledersäcken und Körben hinausgeschafft, deren Anzahl auf die Arbeitsleistung schliessen liess. In den ausgehauenen Räumen wurden die Wände und Decken mit Poliersteinen geglättet, Löcher mit Gips ausgeglichen und alle Flächen verputzt. Auf diesem Malgrund wurde dann bereits die Dekoration angebracht, während die Steinarbeiter noch tiefer in den Fels eindrangen. Dabei verlief die Reihenfolge der Arbeit von links nach rechts, beim Dekorieren wie beim Aushauen der Räume. Die genauen Masse waren in Bauplänen vorgegeben, von denen sich einige erhalten haben.

Keines der Gräber ist bis in das letzte Detail fertiggestellt, man stösst immer wieder auf Stellen, die nur vorgezeichnet sind oder noch die ursprünglichen Hilfslinien für die Aufteilung der Wände zeigen. Jede Wand oder Pfeilerseite erhielt zunächst Hilfslinien oder ein Quadratnetz, um die vorgesehenen Szenen in den richtigen Proportionen zu skizzieren. Die erste, flüchtige Vorzeichnung wurde in roter Farbe ausgeführt, sodann schwarz korrigiert und ergänzt; das galt nach den Figuren auch für die Schriftzeichen. Seit Haremhab trat dann der Bildhauer in Aktion, um, von unten nach oben fortschreitend, die definitiven Umrisse in Relief umzusetzen und mit der nötigen Innenzeichnung zu versehen.

In einem letzten Arbeitsgang wurden auf das fertige Relief die Farben aufgetragen, die keineswegs dem Belieben des Malers überlassen waren, sondern einem festen Kanon folgten. Als Körperfarbe wurde bei Männern ein Rotbraun verwendet, bei Frauen (und Göttinnen) Gelb; Objekte aus Holz wurden rot, pflanzliche Elemente grün bemalt. Selbst für jede einzelne Hieroglyphe war die Farbgebung vorgeschrieben, konnte sich allerdings durch den Hintergrund verändern. Der Maler musste daher das Schriftsystem sehr gut kennen und war in der Lage, Fehler des Steinmetzen nachträglich durch die richtige Farbe zu korrigieren.

Die hochspezialisierten Facharbeiter, die alle diese Arbeiten ausführten, wohnten in einer eigenen Siedlung auf dem Westufer, die nach einem späteren Kloster unter dem Namen Deir elMedine «Stadtkloster» bekannt ist. Die im Grundriss noch perfekt erhaltenen Häuser, 7o an der Zahl, enthielten zumeist vier Räume, dazu Keller und Dachterrasse. Die «Mannschaft Pharaos», wie sie sich stolz nannte, bestand aus zwei Trupps von jeweils etwa 6o Leuten, jeder unter einem Vorarbeiter. Ihre Arbeitswoche umfasste zehn Tage, die durch einen freien Tag (später wurden es zwei Tage) abgeschlossen und zusätzlich durch viele Festtage aufgelockert wurde.

Über das tägliche Leben in dieser Siedlung orientiert ein ganzer Berg von Akten, der sich aus der späten 19. und der 20. Dynastie erhalten hat und bei der Aufgabe der Siedlung entsorgt wurde; er besteht aus Ostraka, Scherben aus Ton oder Kalkstein, die als billiges Schreibmaterial stets verfügbar waren. Hier wurde über die täglichen Arbeitsvorgänge Buch geführt, etwa über die häufige Abwesenheit von Arbeitern aus den verschiedensten Gründen, über die Ausgabe der nötigen Werkzeuge und Lampen, über die monatliche Entlohnung in Naturalien, Tauschhandel aller Art (Geld gab es ja noch nicht) und über die häufigen Streitereien vor Gericht.

Darüber hinaus besitzen wir Denksteine, die von Bewohnern als Zeichen ihrer persönlichen Frömmigkeit für verschiedene Gottheiten aufgestellt wurden, und ihre Felsgräber, die sie mit sicherer, im Tal der Könige geschulter Hand ausgemalt haben. Hier dominieren Texte und farbenfrohe Bilder aus dem Totenbuch, und beliebt sind zusammenfassende Bilder des Sonnenlaufes, in den auch diese Facharbeiter, wie ihre Könige, einzutreten hofften.

Gefährdung und Bewahrung

Die Besucher des 19. Jahrhunderts haben den Gräbern im Tal der Könige schwere Schäden zugefügt. Damals hatte man keine Hemmungen, lose daliegende Fragmente der Dekoration als Souvenir mitzunehmen oder einzelne Königsnamen und sogar ganze Szenen aus den Wänden und Pfeilern herauszuschneiden, wobei zumeist auch benachbarte Wandteile beschädigt wurden. Auf diese Weise haben einige der Gräber schwer gelitten; dazu trat die Unsitte, von interessanten Szenen feuchte Abklatsche zu machen, welche die vorhandenen Farben mitnahmen und hässliche Flecken hinterliessen. Durch Fackeln und Kerzen wurden vor allem die Decken mit Russ geschwärzt, bevor man 1902. eine Stromversorgung einrichtete.

Im zo. Jahrhundert erfolgte die Schädigung der Gräber weniger brutal, aber immer noch wirksam. Die zwar seltenen, aber dann verheerenden Regenfälle haben vielfach Schäden angerichtet; dazu tritt die stetige Abnutzung durch den wachsenden Massentourismus, konkret durch Staub, Feuchtigkeit und direkten Kontakt mit den Wänden. Die Antikenverwaltung versucht durch das Verglasen der Wände und durch Böden aus Holz dem entgegenzuwirken, aber es ist abzusehen, dass der Verfall weiter fortschreitet. Deshalb findet der Gedanke wachsende Zustimmung, die wichtigsten und am stärksten gefährdeten Gräber auf Dauer zu schliessen und durch Nachbauten zu ersetzen. Diese müssen nicht Kopien des jetzigen, oft sehr traurigen Zustands sein, sondern könnten zerstörte Teile aus alten Kopien und aus Museen ergänzen und so den ursprünglichen Zustand vielfach wiederherstellen. Entscheidend ist die vollständige Dokumentation der Gräber, die in vielen Fällen immer noch aussteht.

Ein entsprechendes Projekt wurde im Opernhaus Kairo am i. Oktober 1991 vorgestellt und fand damals nicht ungeteilte Zustimmung, da man sich über die Reaktion des Tourismus unklar war. Inzwischen aber sind einige Nachbauten (Sennedjem, Tutanchamun, Thutmosis III.) bereits mit grossem Erfolg in Ausstellungen gezeigt worden, und es ist abzusehen, dass eine Bewahrung der kostbaren Monumente für künftige Generationen nur in dieser Form möglich sein wird.

 

 

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