Insel Gozo, Malta
Author D. Selzer-McKenzie
Youtube-Video: https://youtu.be/CyooDAI7GsY
Gozo ist die verträumte Schwesterinsel von Malta.
Statt Kunst, Lifestyle und Massentourismus sind hier
authentische Dörfer, gastfreundliche
Landwirte, traditionell arbeitende Salzbauern sowie
idyllische Badebuchten zu finden.
4 Wenn die
Mittagshitze über die Hügel flirrt, fällt die ganze Insel in einen
Dornröschenschlaf. Die Rollläden der Geschäfte sind heruntergelas¬sen, die
Gozitaner sitzen vor dem Haus und dö¬sen oder weilen vor Zeppi's Kneipe
nebenan. Drei Stunden lang. Auch die Tiere suchen im Schatten Zuflucht. Auf dem
Landgut Ta' Mena Estate versteckt sich ein Huhn unter einem Hau¬fen Stroh, die
Gans hat es sich unter einem Reb¬stock bequem gemacht.
„So muss natürliche Landwirtschaft sein", so Bauer
Joseph Spiteri. „Unsere Tiere dürfen sich ihren Bedürfnissen entsprechend
verhalten", sagt er, während ein paar Perlhühner gackernd über den Hof
laufen und noch nicht so recht wissen, wo sie hin wollen. Joseph nimmt ein
meckerndes Zicklein in den Arm, das die Gegend um den Stall erkundet und sich
dabei verklettert hat. „Wir le¬gen großen Wert auf nachhaltige Landwirtschaft,
aber es ist harte Arbeit. Besonders die Weinreben brauchen viel Pflege."
Er rupft ein schadhaftes Blatt heraus und gibt es der Ziege zu fressen.
„Haschisch" aus eigenem Anbau
Das Land hat er von seiner Mutter Carmen geerbt, der
Pionierin des Agrotourismus im maltesischen Archipel. Es liegt im malerischen
Marsalforn-Tal mit Panoramablick auf das Wahrzeichen Gozos, die Zitadelle, und
die umliegenden Hügel und Dörfer. Auf 25 Hektar wachsen 14 Sorten Wein und 1.500
Olivenbäume sowie Erdbeeren, Pfirsi¬che, Orangen und viele Sorten
„Haschisch" (ge¬schrieben: Haxix), so heißt Gemüse auf malte¬sisch:
Zwiebeln, Erbsen, Bohnen, Zucchini, Auberginen, Paprika und Tomaten gedeihen
prächtig, denn Gozo ist der Gemüseladen der maltesischen Inseln. Aus den
Felsritzen sickert
reelGozo/Malta:
Quellwasser und der lehmhaltige Boden spei¬chert es gut.
Deshalb ist die Insel grüner und fruchtbarer als ihre kalksteinige Schwester
Mal¬ta. Oberhalb des Hügels hat Joseph kleine Häuser für Urlauber gebaut.
Schließlich sind das Meer und der Sandstrand von Ramla Bay gerade mal zehn
Autominuten entfernt.
Wer sich auf Gozo ein Auto leiht, bekommt im¬mer einen Jeep.
Damit rumpelt man über schlag-loch-gespickten Asphalt, vorbei an Feldern und
Trockenmauern, durch kleine Dörfer mit über-
großen Kathedralen, an Häusern mit hellen Kalksteinfassaden
und hübsch gedrechselten Balkongeländern. Die größte Attraktion hat die Natur
geschaffen: einen 20 Meter hohen, vom Meer umtosten Felsen mit herausgemeißeltem
Fenster, dem „Azurwindow". Gleich daneben thront der Fungus Rock. Auf dem
Felsen wächst eine schwammartige Pflanze. Die Johanniterrit-ter im 16.
Jahrhundert glaubten, dass sie Wun¬den heilt, und bewachten den Felsen streng.
Unbefugter Zutritt soll mit dem Tod bestraft
für den Tempelbau. Ihre unglaubliche Kraft ver¬lieh ihr das
Essen: Sie ernährte sich ausschlie߬lich von Haxix, nämlich getrockneten und zu
Staub gemahlenen Saubohnen.
Vor geschätzten 7.000 Jahren kamen die ersten Bauern von
Sizilien nach Gozo. Später sollen es Römer gewesen sein, die im Norden der
Insel bei Qbajjar flache Becken zur Salzgewinnung in den Fels meißelten. Bei
geeignetem Wetter türmt sich dort noch heute das weiße Gold Gozos. Doch an
diesem Tag glitzert Meerwasser in den Stein-becken. Wenn es verdunstet ist;
Fegt Emmanuel Cini das übriggebliebene Salz zusammen. Er ist einer der letzten
Salzbauern auf der Insel. „Es ist mein Hobby. Andere gehen fischen, ich mache
eben Salz. Es ist schön, weil man draußen ist und immer was zu tun hat",
sagt der agile 73-Jährige mit wettergegerbter Haut. Seit fünf Generatio¬nen
erntet seine Familie Meersalz auf traditio¬nelle Weise. Ist die Saison gut,
gibt es bis zu 30 Tonnen. Oberhalb der Pfannen hat er sich in ei¬ner Felshöhle
einen Laden eingerichtet. Dort la-
gern die schweren Säcke. „Früher kam ein Trans¬portesel
vorbei, der es mitnahm", erinnert er sich. Dann zeigt er ein altes Foto,
auf dem die ganze Familie zu sehen ist. „Damals hatten wir statt Plastik noch
Eimer aus Bast und Besen aus Bambus." Aber man muss mit der Zeit gehen,
findet er. Deshalb liefert er jetzt sein Salz an Res-taurants und Geschäfte auf
der Insel. Seine Toch-
'
ter Josephine verkauft es in kleinen handgepack¬ten
Jutesäckchen direkt am Straßenrand als Souvenir an Urlauber. »Salz macht schön
und stark", sagt die hübsche Frau und lacht.
Von der Schlucht zum Canyon
Oberhalb der Salzpfannen führen herrliche Wanderungen an der
Küste entlang, durch Mohn und Margeriten, vorbei an duftendem Fenchel und
Feigenkakteen. Es lohnt sich hin
und wieder einen Stopp einzulegen und auf einem der Pfade in
eine idyllische Badebucht zu wandern. Eine davon liegt am Ende der Mgarr
ix-Xini-Schlucht, die sich 400 Meter ins Landesinnere schlängelt und dann in
einen zwei Kilometer langen Canyon übergeht. Fernab vom Massentourismus baden
hier hauptsächlich Ein¬heimische sowie Taucher, die nach Seepferdchen und
Skorpionfischen suchen. Die Felswände stehen so eng beieinander, dass früher
oft Kapi¬täne im Sturm Schutz in der Bucht suchten. Einst diente sie als
Galeerenhafen für die Flotte des Malteserordens. Aus dieser Zeit stammt noch
der Wachturm aus dem 17. Jahrhundert, der am Ende der Bucht in den Himmel ragt.
Oberhalb des Strandes hat Noel Vella bunt gestrichene Stühle aufgestellt. Er
betreibt hier einen Kiosk mit dem Charme eines Tante-Emma-Ladens.
Entspannt bleiben
Der Mittvierziger mit Käppi und Brille sortiert gerade
Eiskrem in die Truhe — mit gozitanischer Gelassenheit. Die besaß er schon als
Teenager und wurde dafür von seinen Freunden RewRew genannt — was für Rewind
steht, die Rück-wärts-Spultaste beim Kassettenrekorder. „Man muss das Leben
nehmen, wie es kommt, und es positiv sehen", sagt er. Das war auch sein Motto,
als Angelina Jolie und Brad Pitt vorbeikamen, um ihren Film „By the sea"
zu drehen, und dabei seinen Laden komplett umbauten. Jetzt sind die Wände grün
und orange, neue Regale haben sie ihm dagelassen, in einem steht noch das
Auto¬grammbild von Angelina. „Sie ist wirklich sehr sexy", schwärmt Noel,
„und Brad Pitt ist so nett". Gut möglich, dass Noel in Zukunft mehr Gäste
hat, die auf den Spuren Hollywoods vorbeikom¬men. Aber Massentourismus wird es
wohl nicht geben. Dafür ist der Strand viel zu klein und her¬kömmliche Busse
würden den Weg durch die Schlaglöcher wohl kaum schaffe
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