Sonntag, 22. Mai 2016

Wandern in der Ardeche, France


Wandern in der Ardeche, France

Author D. Selzer-McKenzie

Youtube-Video: https://youtu.be/9CmWuJRmmrw

Landschaftlich umwerfende Touren ohne jeglichen alpinen Rummel, eine Karstlandschaft

mit den größten Höhlen Europas unter der Erde. Dazu vulkanische Hügel

und mächtige Gipfel oberhalb der zahlreichen Flussläufe - das ist die Provence.

 

4         66 Meter hoch spannt sich der von der Natur geschaffene, steinerne Triumphbogen über die Ard&he. Das kleine Flüsslein hat im Laufe von Jahrmillionen ganze Arbeit geleistet, sich gedul¬dig durch die massive Felswand gefräst und eine spektakuläre Canyon-Landschaft hinterlassen. Das steinerne Tor bei Vallon Pont d'Arc ist zum Synonym für die gesamte Region geworden. Bil¬der davon gehören wie der Eiffelturm in jedes französische Schulbuch.

Abenteuer Kanutour

Für Kanuten ist die Arüche das höchste der Gefühle. Selbst wenn man im August an manchen Tagen vor lauter Booten fast kein Wasser

 

mehr sieht, die Tour bleibt ein echtes Abenteuer. Aber auch Wanderer sollten auf keinen Fall ver¬säumen, einen Extratag für eine Kanutour von Vallon-Pont-d'Arc bis St.-Martin-d'Arüche einzuplanen.

Die Karstlandschaft ist berühmt für ihre zahl¬reichen Höhlensysteme. In der Unterwelt der Aven d'Orgnac, einer gigantischen, drei Hektar großen Tropfsteinhöhle, warten bizarre Säle mit bis zu 50 Metern Höhe. Ein Muss ist auch der Besuch des Chauvet Museums. In der erst 1994 bei Vallon entdeckten Chauvet-Grotte verewig¬te der Cro-Magnon-Mensch schon vor 35.000 Jahren seine Erlebnisse an den Höhlenwänden. Die Grotte wird als „Sixtinische Kapelle der

 

Urzeit" gelobt. Natürlich gibt es auch jede Men¬ge anthropologisch weniger interessante Höh¬len, wo sich trotzdem oder gerade deswegen wunderbar „spelunkeln" lässt.

Bindeglied der Regionen

Kein Wunder also bei so einer Häufung von Superlativen, dass der Rest der Ankche häufig etwas zu kurz kommt. Darum aufgepasst: Die Arüche ist eines der acht Departements der Region Rhöne-Alpes. Ein einsamer Landstrich an der Grenze zu den Ce-

vennen, sozusagen das Bindeglied vom konti¬nentalen Norden zur mediterranen Pro-vence. Eine Land-fen für die Werbung diverser Mineralwasser und toller Trekkingtouren.

Im dünn besiedelten Norden, der so genannten „L'Ardeche Verte", scheint die Landschaft tat¬sächlich einem Gedichtband mit sattgrünem Umschlag entsprungen: Steinbrücken aus der Römerzeit führen über wilde Bachläufe. Opas und Enkel stehen seelenruhig mit ihren Angeln an der Brüstung und stellen den zahlreichen Forellen nach. Die romanische Kirche bei Vey-rines stammt aus dem zwölften Jahrhundert. Die Wanderung von dort hoch zum 1.146 Meter hohen Chiret Blanc wird von Wildschwein-, Reh- und Fuchsspuren begleitet. Oben genießt man ein 360 Grad Panorama und kommt, ziem¬lich außer Atem, zur Erkenntnis, dass die grüne Ardeche ein hinterlistiges Relief birgt. Dem ers¬ten Eindruck nach lieblich wird mit jedem Schritt zusätzlich Höhe gemacht.

Das werden auch die jährlich 15.000 Teilneh¬mer der „L'Ardechois", einem der größten Rad¬rennen der Welt, spüren. Hobbyfahrer und Pro¬fis durchqueren, je nach Leistungs- und Leidensbereitschaft, in drei Tagen die gesamte Ardeche.

Passion und Präzision

Doch nur kein Stress! Sehen und staunen und zum Beispiel im malerischen Lamastre unter schattigen Platanen eine kräftige Dosis savoir

 

entsteht ein filmreifes Palaver mit gestenreichen Emotionen. Dann werden die Maßbänder ge¬zückt und es geht um Millimeter.

Am Ursprung der Loire

Weiter südlich in der zentralen Ardeche tauchen markantere Berge auf. Die Straße windet sich wie ein glühendes metallenes Band gen Him¬mel. Endstation ist knapp unter dem Mt. Me-zenc, dem mit 1.753 Metern höchsten Berg der Ardeche. Die Gegend ist berühmt für ihre „Sucs": kleine massive Felsgipfel vulkanischen Ursprungs, die unvermittelt schier aus der grü¬nen Decke hervorplatzen. „Le Gerbier de Jonc" mit seinen 1.551 Metern ist ein besonders plaka¬tiver Zuckerhut. Der Berg markiert nicht nur die Wasserscheide zwischen Atlantik und dem Mit¬telmeer. In seinem Innern entspringt auch die Loire. Somit herrscht hier auch etwas touristi-scher Rummel. Allerdings nicht zum Nachteil für hungrige Touristen: In den zahlreichen Marktbuden locken luftgetrocknete Würste, Steinpilze und leckere Käsesorten. Zudem gibt es Produkte aus Esskastanien, darunter Gebäck, Mousse und sogar Kastanienbier. Die Ardeche ist einer der größten Verarbeiter von Kastanien. Südwestlich schließt sich die Ardeche Meridio-nale mit dem Tanargue-Gebirge an. Dieses ist an Wildheit und Einsamkeit kaum zu überbie-ten. Hier sind die Gites d'Etappe erstklassige

 

den 1.458 Meter hohen Sommet de Mejan. An den Hängen weiden riesige Schafherden. Oben wird es alpin, richtig felsig. Weit reicht der Blick in die grünen Hügelketten über Burgen und Klöster. Mit einer strammen Tagesetappe ge¬lingt sogar eine Überschreitung in Richtung Loubaresse. Wenn man dann nach mehr als 20 Kilometern Fußmarsch den Turm von Lou-baresse im Sonnenuntergang erblickt, qualmen zwar die Socken, aber die Erlebnisse und Ausbli¬cke sind jede Strapaze wert. Auch diese Tour eignet sich auf Grund der zahlreichen, gut fahr¬baren Trails hervorragend für Mountainbiker.

Wilde Landschaft mit Mehrwert

Nicht weit davon entfernt können Trekker mit dem „Sentier des Lauzes" sogar eine ganz be¬sonders schöne Tour mit dem gewissen Extra und Mehrwert in Angriff nehmen. Im „Vallee de la Drobie" inmitten des „Parc Naturel Regio¬nal des Monts d'Ardeche" haben Einwohner und Künstler gemeinsam einen Wanderpfad gesc affen, der zum sportlichen Anspruch auch

Typisch Provence: das malerisch am Fluss gelegene St. Martin de Valamas.

vivre einsaugen. Das geht so: aus der Epicerie Baguette, Oliven, Ziegenkäse und Wildpastete holen und die alten Männer beim Petanque be¬obachten. Das ist nicht nur so eine holprige Ku-gelschubserei, wie man es mal aus Langeweile im Urlaub am Strand spielt. Das ist Passion und Präzision. Es gibt sogar eine Art Bundesliga für das Spiel mit den Metallkugeln. Meist wirkt das Spiel meditativ. Aber wehe, die Entscheidung, welche Kugel dem „cochonnet", dem Schwein¬chen; am nächsten kommt, ist umstritten. Dann

 

Der Port d'Arc ist das Wahrzeichen der Ardöche-Region.

Anlaufstationen. Strukturell eine Mischung aus Alpenvereinshütte und Jugendherberge sind diese häufig liebevoll renovierten Gehöfte mit unglaublichem Charme. Viele Alt-68er-Kom-munarden haben sich damit einen grünen Le¬benstraum verwirklicht. Dort lässt es sich wohl fühlen und meist auch schlemmen — Obst, Ge¬müse und Fleisch kommen fast immer aus eige¬nem biologischen Anbau oder eigener Aufzucht. Von der Gite in Le Jal führt eine stramme Tour auf den höchsten Berg des Tanargue-Gebirges,

 

Eine Brücke aus der Römerzeit: Sie hält bis heute und ist immer noch für Fußgänger offen.

noch zu Reflexionen über die Landschaft und deren Zukunft anregt. Die Bewusstseinsschlei¬fe führt von St. Melany über Dompnac und er¬höht den Wert der wilden Landschaft anhand zahlreicher Exponate aus Stein, Holz und Me¬tall noch zusätzlich. Ein körperlich und geistig harmonischer Weg des Bewusstseins — unbe¬dingt empfehlenswert! Typisch Ardechoise eben


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