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Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Das Schlauchboot hüpft über die Wellen wie ein Fluromi. Der Fahrtwind zerrt am T-Shirt. Ei¬gentlich ist das Meer an diesem Tag viel zu unru-hig, um sie zu sehen. Aber plötzlich drosselt Grgur den Motor und schaut durchs Fernglas. „Da sind sie!", ruft er. Wenig später umkreisen Faccia und seine Freunde das Boot. Alle paar Minuten tauchen sie auf, holen Luft und spritzen dabei Wasser¬fontänen in den Himmel.
Wie ein Fingerabdruck
Faccia ist der älteste „Forschungsdelfin" in der Adria. An seiner Rückenflosse hat das Leben ein wildes Graffito aus Kratzern und Furchen hinterlassen. „Die Rückenfinne ist unverwechselbar wie ein Finger¬abdruck", sagt Grgur Pleslid. Der Verhaltensforscher des Blue World Institute in Loisinj erkennt daran die einzelnen Tiere wieder — gleich vor Ort oder später auf den Fotos. „Es ist nicht immer einfach, denn beim Kampf um Weibchen kommen immer neue Narben dazu", sagt Grgur und notiert Datum und Uhrzeit in einer Tabelle. Seit 1987 wird rund um die
kroatische Insel der „gute Delfin" erforscht. So nennt man in Kroatien den Großen Tümmler — den klassi¬schen Flipper. 150 bis 200 davon leben vor und zwi¬schen den Inseln der Kvarner Bucht.
Die Insel Loisinj (ausgesprochen: Luschin) sieht von oben aus wie ein langgezogenes, grünes Puzz¬leteil. Sie ist 33 Kilometer lang und nur knapp fünf Kilometer breit. Ringsum hat das Meer in Jahr¬tausenden kleine Badebuchten ins Land genagt. Im Inselinnern spenden Kiefern und Pinien Schatten. Jedes Jahr kommen mehr Urlauber wegen des Mi¬kroklimas und der vielen Sonnenstunden, deren An¬zahl vergleichbar mit der in Nordafrika ist. Es gedei¬hen Pflanzen und Früchte, die normalerweise erst
weiter südlich wachsen wie Agaven, Feigen, 0: und mexikanische Kakteen. An manchen Ta das Wasser vor der Küste klar wie eine frisch g te Fensterscheibe. Da stört es niemanden met es hier nur Fels- und Kiesstrände gibt. Im Sc ist jeder Zentimeter mit Isomatten und Handtüchern bedeckt.
Füttern ist tabu
Faccia und Co. sind Raubtiere. Die Forscher wollen, dass das auch so bleibt. Deshalb ist Tauchen mit Delfinen hier tabu, füttern ebenso. Drei Jahre lang war das Gebiet südlich von Loisinj und der Nachbar-insel Cres testweise als Meeresschutzzone ausgewie-sen, mit Einschränkungen für die Fischerei. Das Institut setzt sich nun für eine Verlängerung ein, denn hungrige Delfine schwimmen oft Fischkuttern hinterher und verfangen sich dann in deren Netzen. Obendrein sind sie sehr lärmempfindlich und wer¬den durch zunehmenden Bootsverkehr aus der Region verdrängt. Zur Orientierung senden sie Schallwellen aus, mit denen sie sogar den Herz¬schlag der Menschen in ihrer Nähe orten können. Die vielfältigen Geräusche, die dabei entstehen, wur¬den jahrelang mit einem Unterwasserschallempfän¬ger aufgenommen. Manche erinnern an das Knis
tern einer Stromleitung, andere gar an das schauri¬ge Heulen aus einer Geisterbahn.
„Damals dachte ich, die seltsamen Töne stammen von einer defekten Maschine", sagt Goran Franu-lovic über seine erste akustische Begegnung mit Delfinen. Bis dahin hat der ehemalige Kapitän aus der Inselhauptstadt Mali Loisinj die verspielten Tiere auf See oft beobachtet. Doch der 51-Jährige hält ein so großes Reservat für zwiespältig. „Sicher gibt es zu viele Netze und zu wenig Fisch, aber man kann die Fischerei nicht komplett verbieten. Die Menschen le-ben davon. Außerdem müsste dann auch der Tourismus eingedämmt werden, den aber brauchen wir genauso", sagt Goran, der seit der Geburt seines Sohnes an Land arbeitet und Appartements und Se¬gelyachten vermietet.
Steinmauern auf der Insel
Aufgewachsen ist der sonnengebräunte Ex-See-mann in einer der herrschaftlichen Kapitänsvillen, die sich hier überall hinter Palmengärten verste¬cken. 200 Seefahrerfamilien gibt es noch in der Region. Doch die ersten Siedler haben ausschlie߬lich von der Landwirtschaft gelebt, Oliven und Weintrauben angebaut und Schafe gezüchtet. Aus dieser Zeit stammen noch die zahlreichen Stein¬mauern, die man überall auf der Insel findet. Besonders stolz sind die Einheimischen auf die 2000
Jahre alte griechische Bronzestatue, die 1999 auf dem Meeresgrund vor Mali Loisinj gefunden wurde. Es handelt sich um die am besten erhaltene Statue von acht Exemplaren dieser Art weltweit. Da das Ori-ginal noch in Zagreb zur Renovierung ist, kann man auf Loisinj bisher nur eine Kopie bewundern.
Ein neues Graffito
Am Abend fällt die Sonne als glutroter Ball ins Meer. Wie auf Knopfdruck verschwinden die bunten Hand¬tücher von den Felsen. Im Hafen liegen die Souve¬nirstände mit ihrem Angebot aus knallblauen Plas¬tikdelfinen schon im Schatten, wenn die Kellner der Fischrestaurants die ersten Gäste begrüßen. Jose-phine und die Forscher grillen an diesem Abend im Garten und freuen sich über die heutige Begegnung. Bei den Bootsausflügen treffen sie fast immer auf Delfine. Sind die Tiere wirklich so intelligent, wie man sagt? „In Gefangenschaft schon", sagt Grgur, „in den USA sollten vier Delfine einen Pool von Blättern befreien. Sie haben eine darin schwimmen¬de Plastiktüte in vier Teile zerrissen, damit jeder ei¬nen Fisch als Belohnung bekam. Aber bei wilden Tieren wurde so etwas nie beobachtet. Ich denke, sie handeln eher instinktiv." Irgendwo da draußen auf dem Meer kämpft Faccia wahrscheinlich gerade um ein weiteres Weibchen — und holt sich dabei ein neues Graffito
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