Samstag, 28. Januar 2012

Rennsteig Thüringen Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie


Rennsteig Thüringen Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie

 Rennsteig Thüringen Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Der Rennsteig im Thüringer Wald ist eine der schneesichersten Regionen in Deutschland. Die Strecke unter die Langlaufskier zu nehmen ist ein besonderes Erlebnis. Und wenn es doch einmal taut, entdeckt man viel Interessantes am Weg — wie die ehemalige Stasibunkeranlage in Frauenwald und den Ursprung der Christbaumkugel in Lauscha.



 Schneeflocken tanzen im Scheinwerferlicht vor der Windschutzscheibe. Die Straße führt durch ei¬nen dick verschneiten Märchenwald. Hinter der nächsten Kurve vermutet man das Ende der Welt. Doch dann tauchen wieder ein paar Schieferhäuser auf, die dem Schneesturm trotzen. In den wenigsten brennt Licht.
„Viele Einwohner wandern in die größeren Städte ab", sagt Klaus, der Taxifahrer. Er holt Urlauber von den kleinen Bahnhöfen ab und bringt sie in ihre Unterkünfte. „Im Winter ist kaum was los", erzählt er weiter, „die Meisten laufen den Rennsteig im Sommer." Der kräftige Mann trägt zwei Creolen am Ohr, einen dicken Ring am Finger und auf dem Kopf eine Fuchsfellmütze, die nach russischem Winter aussieht. Früher war er einmal Glashersteller, später verkaufte er Christbaumschmuck auf Weih-nachtsmärkten in aller Welt. „Die Italiener mögen besonders Windlichter, die Japaner kaufen alles, was sie noch nicht kennen und die Amerikaner lieben blinkenden Kram und nackte Männerhintern am Weihnachtsbaum", erzählt er und lacht. Am Ziel lädt er die Skier aus dem Kofferraum und wünscht

eine gute Tour. „Gut Runst" grüßten sich schon 1906 die ersten Skiwanderer auf dem Rennsteig. Am nächsten Morgen surren die Bretter leise im Schnee, die Stöcke knarzen im Takt dazu. Der Wald links und rechts der Loipe sieht aus wie ein bewegtes van Gogh-Gemälde: Überall hängen Schneefetzen wie Pinselstriche in den Astgabeln. Der Wind rauscht durchs Dickicht und rüttelt an den Zweigen, dass sie ihre weiße Pracht hergeben mögen. Doch selbst die zartesten unter ihnen nicken nur sachte und halten an ihrer Verkleidung fest, als wollten sie diese unbe-dingt den wenigen Langläufern zeigen, die an die¬sem Tag den Rennsteig im Thüringer Wald entlang-gleiten.
An der Teufelsbuche
Trotz seines Namens hat der beliebte Kammweg, der 1330 erstmals als Rynnestyg erwähnt wurde, nichts von einer Rennstrecke. Es geht auf schmalen Pfaden bergauf und bergab, über freie Aussichtshügel und wieder in den Wald hinein. Mal ist die Loipe perfekt gespurt, mal folgt man bloß den Skiabdrücken der

Vorgänger. Verlaufen kann man sich kaum, denn immer wieder trifft man auf das große „R", das den Rennsteig markiert, und auf Baumstämme, deren Äste als Wegweiser dienen. Der knapp 170 Kilometer lange Höhenweg bildete früher die Grenze zwischen dem Herzogtum Sachsen-Gotha-Coburg und Preu-ßen. Verwitterte Grenzsteine am Wegesrand erinnern an die damalige Zeit, als Kaufleute die Strecke als Handelsstraße nutzten. An der Teufelsbuche umgin-gen Schmuggler den Zoll. Ob hiesige Ortsnamen wie Mordfleck oder Rollkopf mit damaligen Bestra-fungsaktionen zu tun hatten, ist ungeklärt.
Zwischen Frauenwald und Schmiedefeld lockt der Rennsteigbahnhof zur Einkehr. Vor der Tür parken Skier statt Autos, denn der „Bahnhof ohne Ort" liegt mitten im Unesco-Biosphärenreservat Vessertal-Thüringer Wald. Er wurde vor über 100 Jahren als Kopfbahnhof für Zahnradlokomotiven gebaut. Heute finden nur noch Nostalgiefahrten statt. Säu¬len im Jugendstil zieren den Bahnsteig, und ein Minimuseum im ehemaligen Wartehäuschen er-zählt die Geschichte der Kleinbahn „Laura", die von 1913 bis 1965 im Einsatz war. Im historischen
Güterboden versorgt das Restaurant „Gleis 1" die Langläufer mit Vita Cola und Thüringer Klößen mit Soße. Wer einen besonderen Ort für seine Hochzeit sucht, kann hier feiern und sich in einem Mitropa-Speisewaggon aus den 30er-Jahren trauen lassen.
Abendessen „ä la NVA"
An Ideen für besondere Erlebnisse mangelt es am Rennsteig nicht. Ein paar Langlaufschritte weiter kann man in einem ehemaligen Stasibunker über-nachten und ein Leben zwischen Gasmasken und Plastikduschvorhängen erproben, inklusive Wach-ablösung und Frühsport, sowie ein Abendessen „ä. la NVA". Der 3600 Quadratmeter große Bunker wurde in den 70er-Jahren gut getarnt unter einem Wasser-werk gebaut und sollte dem Schutz der Suhler Führungsriege vor chemischen und biologischen Angriffen dienen. „Anfangs waren besonders ost-deutsche Besucher skeptisch", sagt Kathleen Höhn, die gemeinsam mit ihrem Mann Alexander den Bunker kaufte. „Inzwischen veranstalten wir dort unten sogar Geburtstags- und Faschingspartys und Managementseminare." Gemütlicher lässt man den Abend freilich im dazugehörigen Waldhotel am Kaminfeuer bei einem Glas Rotwein ausklingen. Am nächsten Tag hat der Wind es gemeinsam mit der Wärme geschafft, die Bäume von ihrer Last zu befreien. Eine junge Tanne streckt ihre bloßen Zweige in alle Himmelsrichtungen, als plane sie ei¬ne Karriere als Wegweiser. Doch es liegt immer noch genug Schnee zum Langlaufen. Unterwegs laden

gleich mehrere Schutzhütten mit Holzbänken und -tischen zur Rast ein. Nach etlichen Kilometern schmecken die mitgebrachten Butterbrote mit Thüringer Mettwurst besonders gut. Kurz darauf schnurren die Skier wieder in der Loipe, die Stöcke knirschen im Takt. Hin und wieder kreuzt man eine Straße oder quert einen Ort.
In Neuhaus lohnt sich ein Abstecher zum Ursprung der Christbaumkugel. Hier produziert Glasbläser Willi Greiner-Mai in 18. Generation traditionellen Baumschmuck. Seine Vorfahren haben um 1840 im benachbarten Lauscha die gläserne Christbaum-kugel erfunden. Der ganze Laden ist erfüllt von

Skier parken und einkehren: Im stillgelegten Rennsteigbahnhof befindet sich eine Gaststätte.

Weihnachtsnostalgie: Üppig dekorierte Tannen, hängt mit Engeln, Zwergen und Zapfen, funkeln friedvoll vor sich hin. Leise erklingt Weihnachts¬musik. Ein Mini-Knecht Ruprecht schleppt einen Geschenkesack durch den Modell-Wald. Mit Samt-pulver bestäubte Hasen schauen ihm zu. „Wir wol¬len die Weihnachtszeit unserer Kindheit wieder aufleben lassen", sagt Ines Zetzmann, seine Lebens¬gefährtin und Mitgeschäftsführerin.
Welt der Wunder und Träume
Nahezu jedes Schmuckstück ist mundgeblasen und handbemalt. Auf einer Weihnachtskugel schlängelt sich ein Pfad mitten durch den Wald hin zu einem verschneiten Häuschen. Es ähnelt dem Rennsteig-bahnhof. Auf den Tannen ringsum glitzert der Schnee. Am Himmel prangen acht goldene Sterne, ein jeder so groß wie ein ganzes Feuerwerk: Die Spitzen reichen hinunter bis in die Baumwipfel. „Jedes Motiv hat einen realen Bezug, bedient aber auch Wünsche und Träume", sagt Ines Zetzmann, die die Muster selbst entwirft. Blinkende Kugeln und nackte Männerhintern kommen den beiden nicht an den Baum.
An Aufträgen mangelt es der Glashütte nicht. Sie kommen auch von prominenter Seite: Das belgische Königshaus orderte bereits Weihnachtsschmuck, ebenso das Weiße Haus in Washington. Und auch vom Tannenbaum im Kanzleramt in Berlin leuch-teten bereits rote und weiß gefrostete Kugeln aus Neuhaus

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