Webinar Genetik Molekularbilogie Struktur und Funktion der DNA
von Selzer-McKenzie SelMcKenzie
Video: http://youtu.be/2CeZ1EIR04c
Grundlegende Erkenntnisse zur Natur des genetischen
Materials wurden an Bakterien und Bakteriophagen (Bakterienviren) gewonnen.
Bakterien sind Prokaryonten, die sich in vielen Merkmalen von höheren
Organis¬men, den Eukaryonten, unterscheiden. Das wichtigste
Unterscheidungs¬merkmal kommt bereits im Namen zum Ausdruck: Eukaryote Zellen
be¬sitzen einen Zellkern, der von einer Kernhülle aus zwei Membranen um¬geben
ist und die Chromosomen enthält, die wiederum das genetische Material, die DNA,
tragen. Die DNA von Prokaryonten liegt in Form eines einzelnen, ringförmigen
Moleküls in der Zelle vor. Zusammen mit meh¬reren Proteinen bildet sie das
Nukleoid („kernähnlich“), das nicht durch eine Hülle vom Zytoplasma getrennt
ist. Obwohl sich der Aufbau des Nu-kleoids von dem der Chromosomen
eukaryotischer Zellen erheblich unterscheidet, wird es oft als
„Bakterienchromosom“ bezeichnet.
12.1 Durch Transformation wird genetische Information
übertragen
Erste Experimente zur Aufklärung der Natur des genetischen
Materials wurden im Jahr 1928 von dem Mikrobiologen Frederick Griffith
durch¬geführt. Er experimentierte mit Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae),
Bakterien, die bei Menschen Lungenentzündung auslösen, bei Mäusen meist zum Tod
führen. Von diesen Bakterien gibt es auch weniger gefährliche Varianten.
Infiziert man Mäuse mit Bakterien die¬ser nicht-virulenten Stämme, erkranken
sie zwar, sterben aber nicht (Tab.12.1a,b).
Virulente Bakterien unterscheiden sich äußerlich von
nicht-virulenten durch das Vorhandensein einer Hülle, die reich an
Zuckermolekülen ist (Polysaccharidhülle), was ihnen eine glatte Oberfläche
verleiht und wes¬halb Griffith sie als S (smooth) bezeichnete. Diese Hülle
schützt die Bak¬terien vor Phagozytose durch weiße Blutkörperchen
(Makrophagen). S-Pneumokokken sind pathogen, weil sie von ihrem Wirt nicht
vernichtet werden können (Tab.12.1a). Nicht-virulenten Bakterien fehlt diese
Hülle und sie besitzen eine rauhe Oberfläche, weshalb sie als R (rough)
bezeich¬net wurden. Eine Infektion von Mäusen mit Bakterien des virulenten
S-Stamms, die jedoch durch Hitze abgetötet worden waren, hatte keinerlei
Auswirkung; die Mäuse überlebten. Eine Infektion mit einer Mischung aus
abgetöteten Bakterien des virulenten S-Stamms und lebenden Bak¬terien des
nicht-virulenten R-Stamms führte überraschenderweise zum Tod der Mäuse
(Tab.12.1d). Aus den toten Mäusen isolierte Griffith Bak¬terien des S-Typs, die
nach erneuter Infektion zum Tod der Mäuse führ¬ten. Die nicht-virulenten
R-Bakterien hatten Eigenschaften der virulen¬ten S-Bakterien angenommen, es
hatte eine Verwandlung, eine Transfor¬mation stattgefunden (Tab.12.1b–d).
Im Jahr 1944 konnten Oswald T. Avery, Colin MacLeod und
Maclyn McCarty nachweisen, dass Desoxyribonukleinsäure (DNA) das
„transfor¬mierende Prinzip“ darstellt. Sie setzten die von Griffith
durchgeführten
Experimente fort und isolierten zunächst die einzelnen
Komponenten
12 der
Bakterien des S-Stamms – also Polysaccharide, Lipide, Nukleinsäuren
und Proteine. Jede Komponente mischten sie einzeln mit
Zellen vom R-Stamm und injizierten diese Mischungen in Mäuse (Tab.12.1e–i). Nur
die Mischung, die außer den nicht-virulenten R-Bakterien noch die Nukleinsäure
der virulenten S-Bakterien enthielt, führte zur Transfor¬mation der
nicht-virulenten zu virulenten Bakterien. Das bedeutet, nur die DNA, nicht aber
die anderen Moleküle können eine Eigenschaft der Bakterien verändern. Man
konnte sich die Transformation nur so vorstel¬len, dass in den Mäusen die
Bakterien vom R-Typ die Nukleinsäure der Bakterien vom S-Typ aufgenommen haben,
wodurch sie ihren Charakter veränderten und virulent wurden. Die Nukleinsäure
bestimmt also die Merkmale des Bakteriums, in diesem Fall die Art der
Polysaccharidhülle und somit die Pathogenität.
In späteren Experimenten zeigte sich, dass durch
Transformation nicht nur die Information für die Eigenschaft der Oberfläche
(glatt oder rauh) übertragen wird, sondern dass viele andere Eigenschaften, wie
etwa Resistenzen gegen Antibiotika, hierdurch übertragen werden können (s. Kap.
13, S. 152 und Kap. 19, S. 260). Die Übertragung genetischer Information
zwischen Individuen derselben Generation, wird, zur Unter¬scheidung der
Genübertragung von einer Generation auf die nächste, als horizontaler
Gentransfer bezeichnet.
12.2 DNA – das genetische Material
Oswald T. Avery und seine Kollegen hatten die DNA als Träger
der geneti¬schen Information identifiziert, die die Merkmale einer
Bakterienzelle verändern kann. Der endgültige Beweis dafür, dass DNA die
genetische Substanz ist, gelang Alfred Hershey und Martha Chase im Jahr 1952.
Für ihre Experimente benutzten sie Bakteriophagen (kurz Phagen). Den Na¬men
hatten sie von Felix d'Herelle erhalten, der Bakteriophagen 1917 erstmals in
Shigella-Bakterien, den Erregern der Ruhr, nachgewiesen hat. Bakteriophagen sind
Viren, die Bakterienzellen infizieren. Sie be¬stehen aus einer Nukleinsäure
(meistens DNA, seltener RNA) und einer Proteinhülle mit einem Schwanz, der die
Anheftung an eine Bakterien-
zelle ermöglicht (Abb.12.1), wobei jeder Phagentyp eine enge
Wirtsspe¬zifität besitzt, also nur Zellen bestimmter Bakterienarten befällt.
Nach der Anheftung gelangt die Nukleinsäure des Phagen in
die Zelle, während die Hülle in der Regel außen verbleibt. Durch die Infektion
wird der gesamte Biosyntheseapparat der Bakterienzelle umprogrammiert, indem
die Synthese bakterieller Proteine verhindert wird und nur noch Komponenten des
Phagen (DNA, Proteine) hergestellt werden. Pha-gen sind ebenso wie Viren keine
selbstständigen Organismen, da sie kei¬nen eigenen Stoffwechsel haben und sich
nicht autonom, sondern nur innerhalb einer pro- bzw. eukaryotischen Zelle unter
Ausnutzung des zellulären Metabolismus vermehren können. Sie wurden deshalb
auch als „Parasiten auf genetischem Niveau“ (Salvador Luria) bezeichnet. Für
die Genetik sind Bakteriophagen von ganz besonderer Bedeutung ge¬wesen. Die an
ihnen gewonnenen Erkenntnisse schufen die Grundlage für die moderne
Molekularbiologie (Box 12.1).
Hershey und Chase infizierten eine Bakterienkultur mit
Phagen und gaben gleichzeitig in das Medium Nukleinsäurevorstufen (Nukleotide,
s.u.), die mit radioaktivem Phosphat (32P-Isotop) markiert waren. Bei der
Synthese der neuen Phagenpartikel wurden diese 32P-markierten Nu-kleotide in
die DNA eingebaut.
Eine zweite, mit Phagen infizierte Bakterienkultur ließen
sie in Gegen¬wart von Proteinvorstufen (Aminosäuren) wachsen, die mit
radioakti¬vem Schwefel (35S) markiert waren. Diese wurden bei der Neusynthese
der Phagenpartikel in die Hülle eingebaut. Mit den so gewonnenen, 32P-oder
35S-markierten Phagen infizierten sie erneut Bakterien (Abb.12.2). Kurz danach
trennten sie durch kräftiges Schlagen mittels eines Küchen¬mixers die leeren
Phagenhüllen ab und untersuchten anschließend den Verbleib der radioaktiv
markierten Substanzen. Nach Infektion mit 35S-markierten Phagen konnten sie
keine radioaktive Markierung inden neu infizierten Zellen entdecken, nach
Infektion mit 32P-markierten Phagen konnten sie jedoch im Innern der
infizierten Bakterienzellen 32P nachweisen. Die Markierung konnten sie auch in
den neu synthetisierten Phagenpartikeln wieder finden.
Damit wurde gezeigt, dass die DNA das eigentliche genetische
Mate¬rial darstellt, das an die nächste Generation weitergegeben wird. Die
Pro-teine bilden lediglich die Hülle der Phagen, die nach der Anheftung an die
Wirtszelle und dem Eindringen der DNA außen verbleibt.
12.3 DNA – ein polymeres Molekül
Was aber ist die chemische Natur der DNA? DNA wurde
erstmalig 1869 von Friedrich Miescher aus Eiter isoliert und „Nuclein“ genannt,
da sie aus den Zellkernen (Nuklei) der im Eiter vorhandenen weißen Blutzellen
stammte. DNA hat eine einfache chemische Zusammensetzung: Kohlen¬stoff,
Wasserstoff, Stickstoff, Phosphor und Sauerstoff. Wie kann dieses Molekül so
komplexe Funktionen wie die Kodierung der Information für alle Merkmale der
Organismen ausüben sowie seine identische Wei¬tergabe von einer Generation zur
nächsten ermöglichen?
Die genauere Analyse zeigt, dass DNA ein Polymer ist, das
aus einer langen Kette von Einheiten, den Nukleotiden, besteht. Jedes der vier
ver¬schiedenen Nukleotide besteht aus einem Zuckermolekül (der
PentoseDesoxyribose), einer Phosphatgruppe und einer stickstoffhaltigen,
hete-rozyklischen Base. Heterozyklisch deshalb, weil sich im Ring sowohl
Kohlenstoff- als auch Stickstoff-Atome befinden (Abb.12.3a).
Insgesamt kommen in der DNA vier verschiedene Nukleotide
vor, die sich nur durch ihre Base unterscheiden. Die Basen Thymin (T) und
Cytosin (C) sind Derivate des Pyrimidins, einem Sechsring mit zwei
Stickstoff-Atomen. Die Basen Adenin (6-Aminopurin, A) und Guanin
(2-Amino-6-Hydroxypurin, G) leiten sich vom Purin ab, das aus zwei
heterozyklischen Ringen besteht (Abb.12.3b). Ein Nukleotid kann ein, zwei oder
drei Phos-phatreste enthalten. Man bezeichnet es dann als
Desoxyadenosin-monophosphat (dAMP), Desoxyadenosindiphosphat (dADP) und
Desoxy-adenosintriphosphat (dATP).
Eine Base, die mit einem Desoxyribosemolekül verknüpft ist,
bezeich¬net man als Nukleosid. Die Verbindung erfolgt durch eine
N-glykosidische Bindung zwischen einem Stickstoffrest der Base (N9 des Purin-,
N1 des Pyrimidin-Rings) und dem C1’-Atom des Zuckers zu einem
2-Desoxynu-kleosid (Desoxyadenosin dA, Desoxycytidin dC, Desoxyguanosin dG und
Desoxythymidin dT). Nach Veresterung der 5’-OH-Gruppe des Zuckers eines
Nukleosids mit Phosphorsäure entsteht ein Nukleosid-5’-mono-phosphat. So wird
z.B. aus Desoxyadenosin Desoxyadenosin-5’-Mono-phosphat, dAMP. Zwei weitere
Phosphatreste können an den 5’-Phos-phatrest über Säureanhydridbindungen
hinzugefügt werden, wodurch Desoxyadenosin-5’-Diphosphat, dADP bzw.
Desoxyadenosin-5’-Triphos-phat, dATP entsteht.
Zwei Nukleotide können durch Ausbildung einer Bindung
zwischen dem Phosphatrest am C5’-Atom des Zuckers eines Nukleotids und der
OH-Gruppe am C3’-Atom des Zuckers eines anderen Nukleotids unter Abspaltung von
Wasser zu einem Dinukleotid verknüpft werden (= Phos-phodiesterbindung). Durch
Hinzufügen weiterer Nukleotide entstehen Oligo- bzw. Polynukleotide (Abb.12.4).
Somit stellt DNA chemisch gese¬hen ein Phosphat-Pentose-Polymer mit Purin- und
Pyrimidin-Seiten-gruppen dar.
Jedes DNA-Molekül hat eine Polarität, wobei das 5’-Ende
durch eine Phosphatgruppe am C5’-Atom des Zuckermoleküls und das 3’-Ende durch
eine OH-Gruppe am C3’-Atom des Zuckers am anderen Ende ge¬kennzeichnet ist.
Verschiedene Polynukleotide unterscheiden sich in ih¬rer Länge und der
Reihenfolge der Basen. Die Nukleotidsequenz einer DNA wird immer von 5’ nach 3’
gelesen, im Beispiel der Abb.12.4 also 5’-T-C-A-3’.
Erwin Chargaff untersuchte die Zusammensetzung der DNA
verschie¬dener Organismen und fand dabei, dass in den meisten Fällen der Anteil
der vier Basen nicht 1:1:1:1 ist, dass aber stets der Anteil aller
Pyrimidin-Nukleotide gleich dem Anteil aller Purin-Nukleotide ist
(„Chargaff-Regel“):
(C + T ) = (A + G)
Mehr noch, der Anteil an A entspricht immer dem Anteil an T
und der Anteil an G immer dem Anteil an C. Somit ist jede DNA durch ihren
G+C-Gehalt charakterisiert, der bei verschiedenen Spezies zwischen 26% und 74 %
liegen kann. Das bedeutet, dass der Anteil an A+T nicht im¬mer gleich dem
Anteil an G+C ist, dieses Verhältnis schwankt je nach Tier- oder Pflanzenart
zwischen 0,5 und 2,0. So ist bei E. coli A+T/G+C ~1,0, beim Menschen jedoch
1,53. In seiner 1950 veröffentlichten Arbeit schrieb E. Chargaff: „Ob diesen
Basenverhältnissen eine tiefere Bedeu¬tung zukommt, muss noch geklärt werden“.
Heute wissen wir, dass die-sem Verhältnis in der Tat eine besondere Bedeutung
zukommt, da es die Struktur der DNA aus zwei Strängen widerspiegelt (s.u.).
Obwohl die DNA aus nur vier verschiedenen Bausteinen, den
Nukle-otiden, aufgebaut ist, enthält sie alle genetischen Informationen, die
für die Entwicklung, Vermehrung und Funktion eines Organismus nötig ist. Diese
Informationen sind letztendlich in der Reihenfolge der vier Basen A, C, G und
T, der Basen- oder Nukleotidsequenz, verschlüsselt, ver¬gleichbar den
Buchstaben des Alphabets, deren Reihenfolge ein sinnvol¬les Wort oder einen
sinnvollen Satz ergibt.
Der gesamte DNA-Gehalt des Genoms bzw. des haploiden Genoms
bei Eukaryonten, der sog. C-Wert, ist eine für jeden Organismus
charakteris¬tische Größe. Unter den Spezies gibt es eine große Variation des
C-Werts, der von 106 (Mycoplasma) bis zu 1011 bei einigen Pflanzen und
Amphibien reicht. Generell kann man eine Korrelation zwischen der Komplexität
eines Organismus und seines C-Werts (in Basenpaaren) feststellen (s. Tab. 2.1,
S. 10). Allerdings gibt es hierzu auch einige Ausnahmen. So ist das menschliche
Genom etwa 200-mal so groß wie das der Bäcker¬hefe Saccharomyces cerevisiae,
besitzt aber nur 1/200 der Größe der Amöbe Amoeba dubia. Diese als
C-Wert-Paradoxon beschriebene Abwei¬chung lässt sich auf den unterschiedlichen
Gehalt an repetitiver DNA zu¬rückführen (s.u.). Dieser erklärt auch die
Beobachtung, dass es innerhalb einiger Gruppen mit ähnlicher genetischer
Komplexität, vor allem bei Insekten, Amphibien und Pflanzen, eine erhebliche
Variation der C-Wer¬te gibt, die zwischen 109 und fast 1011 bp/haploidem Genom
liegen können.
12.4 Die DNA-Doppelhelix
Im Jahr 1953 wurde von James Watson und Francis Crick ein
Modell der räumlichen DNA-Struktur vorgestellt, zu dessen Entwicklung mehrere
Befunde beigetragen hatten:
1. Die
Beobachtungen von Erwin Chargaff zu den Verhältnissen der Basen in einer DNA
(s.o.).
2. Der Befund
von Alexander Robertus Todd, dass Nukleotide durch
5’–3’-Phosphodiesterbindungen miteinander zu Ketten verknüpft sein kön¬nen.
3. Die von
Rosalind Franklin und Maurice Wilkins gewonnenen Ergeb¬nisse zur
Röntgenstruktur der DNA (Box 12.2). Aus diesen war zu ent¬nehmen, dass es sich
bei der DNA um ein schraubenförmig gewunde¬nes Molekül mit einem Durchmesser
von 2 nm und einer Höhe der Schraubenwindung von 3,4 nm handelt (1 nm =1/1000
tm).
Im sog. Watson-und-Crick-Modell liegt die DNA in Form zweier
Polynu-kleotidketten vor, deren abwechselnd angeordnete Zucker und Phospha¬te
das sog. Rückgrat bilden, während die Basen, vergleichbar den Spros-sen einer
Leiter, nach innen weisen. Die Verbindung der beiden Einzel¬stränge erfolgt
durch Wasserstoffbrückenbindungen (H-Brücken), die je¬weils zwischen einem
Purin des einen Strangs und einem Pyrimidin des anderen Strangs ausgebildet
werden. Auf Grund der chemischen Struktur der Basen kann A immer nur mit T und
G immer nur mit C paaren, wobei bei AT zwei und bei GC drei Wasserstoffbrückenbindungen
ausgebildet werden
Wasserstoffbrücken bilden sich zwischen einem
Wasserstoff-Atom mit schwach positiver Ladung und einem Akzeptoratom mit
überschüs¬sigen Elektronen, also mit schwach negativer Ladung, aus. H-Brücken
stellen im Vergleich zu kovalenten Bindungen schwache chemische Bin¬dungen dar,
die mit geringem Energieaufwand gelöst werden können, was eine wesentliche
Voraussetzung für die beiden wichtigsten Funktio¬nen der DNA, die Replikation
und die Transkription (s. u.), darstellt. Trotz¬dem führt die Summe aller
H-Brücken einer Doppelhelix dazu, dass sie ein sehr stabiles Molekül ist. Auf
Grund dieser Tatsache haben sich DNA-Moleküle über viele tausend Jahre erhalten
und können heute etwa aus ägyptischen Mumien oder aus Hominiden, z.B. dem
Neandertaler, iso¬liert werden. Die beiden Einzelstränge sind antiparallel
(gegenläufig) zu¬einander angeordnet, d.h. sie weisen eine entgegengesetzte
5’-3’-Orien¬tierung auf (Abb.12.7). Da A immer nur mit T und G immer nur mit C
Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden kann, legt die Nukleotidse-quenz des
einen Strangs eindeutig die Sequenz auf dem anderen Strang fest, anders
ausgedrückt, die beiden Stränge sind komplementär zuei¬nander.
Die beiden über H-Brücken verbundenen Einzelstränge winden sich
rechtsherum um eine gedachte, zentral gelegene Achse. Dabei haben die planaren
Basenpaare (bp) einen Abstand von jeweils 0,34 nm vonein¬ander. Insgesamt 10 bp
machen eine volle Windung der Doppelhelix (360 O) aus. Da es sich also um zwei
spiralförmig gewundene Moleküle handelt, wird diese Struktur Doppelhelix
genannt (Abb.12.8). Die Struk¬tur der Doppelhelix wird außer durch H-Brücken
noch durch Wechsel¬wirkungen zwischen den planaren Basenpaaren (die sog.
Stapelkräfte, stacking forces) stabilisiert, indem diese die Einlagerung von
Wassermo¬lekülen zwischen den Basenpaaren verhindern. Zwischen den
Zucker-Phosphat-Bändern der beiden Einzelstränge kommt es zur Ausbildung von
zwei Furchen/Rinnen, der „großen Furche“ und der „kleinen Furche“
12 (major and minor
groove, s. Abb.12.8).
Die von Watson und Crick vorgeschlagene Struktur der
DNA-Dop-pelhelix bietet eine Erklärung für die beiden wichtigsten Funktionen
der DNA, die identische Verdopplung (Replikation, s. S. 137) und die
Übertragung der genetischen Information auf RNA (Transkription, s. Kap. 14, S.
161). Für ihre Arbeit erhielten Watson und Crick zusam-men mit M. Wilkins im
Jahr 1962 den Nobelpreis für Medizin/Physio-logie (Rosalind Franklin war
bereits 1958 im Alter von 37 Jahren ge-storben).
5 Repetitive DNA
Die genetische Information ist in Form der Nukleotidsequenz
der DNA verschlüsselt. Betrachtet man die DNA-Sequenz eines Genoms, so kann man
zwei Gruppen von Sequenzabschnitten unterscheiden: Solche, die nur einmal pro
Genom vorkommen, die Einzelkopie-DNA (single-copy oder unique DNA) und solche
Sequenzabschnitte, die mehrfach pro Ge-nom vorkommen, die repetitive DNA. Zur
Einzelkopie-DNA gehören fast alle proteinkodierenden Abschnitte. Bei
repetitiver DNA, zu der u.a. Transposons und Retrotransposons gehören (s. Kap.
18, S. 247), unter¬scheidet man zwischen mittelrepetitiver und hochrepetitiver
DNA. Mit-telrepetitive DNA kommt in zwei bis etwa 100 Kopien/Genom vor. Unter
dieser befinden sich auch Sequenzen, die in RNA übertragen werden (z.B. tRNA-Gene,
s. Kap. 14.1, S. 161) oder auch einige proteinkodierende Se¬quenzen. Bei
hochrepetitiver DNA handelt es sich fast ausschließlich um nicht transkribierte
DNA, die aus wiederholten Abschnitten von oft sehr einfacher Nukleotidsequenz
besteht, z.B. aus Di-, Tri-, Tetra-oder Pentanukleotiden:
A T A T A T ...
A T C A T C A T C ...
G C T T G C T T G C T T ... oder A G T T T A G T T T A G T T
T ...
Diese können bis zu 10 000-mal oder mehr pro Genom
vorkommen. Re-petitive DNA-Abschnitte kommen entweder gehäuft an einer oder
weni¬gen Stellen im Genom vor (= Tandem-Anordnung), z. B. in den Telomeren oder
den Zentromeren oder sie sind über das gesamte Genom verteilt (= disperse
Anordnung). Repetitive DNA macht man sich bei einigen molekularen Methoden zur
Kartierung von Genen oder beim „geneti¬schen Fingerabdruck“ zunutze (s. Kap.
20.1.3, S. 311). Die Funktion hoch-repetitiver DNA ist unbekannt. Sehr häufig
wird sie als „genetischer Müll“ (junk DNA) bezeichnet, der vermutlich im Lauf
der Evolution seine Funktion verloren hat, aber weiterhin bei jeder Zellteilung
verdoppelt wird.
Den Anteil repetitiver und Einzelkopie-DNA kann man mit
Hilfe des Verhaltens von Einzelstrang-DNA in Lösung bestimmen. Hierbei setzt
man sie Bedingungen aus, die die Bildung von komplementären Doppel¬strängen
ermöglicht. Die Kinetik, mit der die Doppelstrangbildung ab¬läuft, unterliegt
physikochemischen Gesetzmäßigkeiten (Box 12.3).
Auch wenn in der Regel evolutionär niedriger stehende
Spezies einen geringeren DNA-Gehalt aufweisen als höher stehende, so ist die
DNA-Menge nicht immer ein Maß für den Gehalt der genetischen Information
(C-Wert-Paradoxon, s.o., Tab. 2.1). Der prozentuale Anteil repetitiver DNA kann
sich selbst innerhalb naher verwandter Spezies sehr stark unterscheiden
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