Donnerstag, 5. November 2015

Chinas Reserveabflüsse


Chinas Reserveabflüsse

Author D.Selzer-McKenzie

https://youtu.be/e16vNXwA5FQ

Seit Mitte 2014 sind Chinas Devisenreserven deutlich geschrumpft, zuletzt mit zunehmender Geschwindigkeit. Grund für diese neue Situation sind Nettokapitalabflüsse, die durch die Liberalisierung des Kapitalverkehrs ermöglicht werden. Um krisenhafte Abwertungsphasen zu verhindern, dürfte die chinesische Notenbank (PBoC) diese Politik noch einige Zeit fortsetzen. Die Rücknahme der Maßnahmen zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs wäre nur die allerletzte Alternative.            

Chinas »neue Normalität«: Schwache Währung und Kapitalabflüsse

Ein seit Jahrzehnten andauernder Trend hat sich gewendet. Die Devisenreserven der PBoC sind von ihrem Höchststand Mitte 2014 bis September kontinuierlich gesunken. Noch beunruhigen¬der ist, dass sich der Reserveabbau zuletzt sichtbar beschleunigt hat (siehe Grafik 1).

Wegen seines hohen Außenhandelsüberschusses verzeichnet China nach wie vor einen erheblichen Leistungsbilanzüberschuss, der für sich genommen Forderungen der Chinesen gegen den Rest der Welt erzeugt, also zu einem »Kapitalexport« führt. Was ist anders geworden? Jetzt exportiert jemand anderes dieses Kapital als bislang. In der Vergangenheit war es chinesischen Unternehmen und Privaten größtenteils nicht möglich, im Aus¬land zu investieren; nur wenige Ausnahmen waren gestattet. Der Großteil der durch die Nettoexporte vereinnahmten Devisen gelangte letztendlich zur PBoC, die damit Devisenreserven ansammelte. Mit neuen Möglichkeiten grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs stehen den Chinesen heute beträchtliche legale Möglichkeiten für Investitionen im Ausland offen. Zudem häufen sich Gerüchte, dass Kapital das Land auch über illegale Kanäle verlässt. Der Effekt dieses veränderten Verhaltens schlägt sich in Chinas Zahlungsbilanz nieder: Die Kapitalexporte sind höher als die Kapitalimporte. Doch der Effekt zeigt sich auch anschauli¬cher. Chinesen, die in den Metropolen dieser Welt Immobilien kaufen, sind mittlerweile ein gewohntes Bild.

Wer Kapital aus China herausbringen will, benötigt Devisen. Die zunehmenden Kapitalexporte erzeugen so Abwertungsdruck

 

auf den Renminbi. An zwei Tagen im August war zu sehen, was geschieht, wenn die PBoC zulässt, dass sich dieser Abwertungs-druck entfaltet: Der US-Dollar/Renminbi-Wechselkurs schnellte in einer schnellen Bewegung um mehr als 31/2 Prozent in die Höhe. Seitdem (wie auch schon zuvor) bedient die PBoC die überschüssige Devisennachfrage aus ihren Reservebeständen. Sie verkauft Fremdwährungen aus ihrem Reserven-Portfolio und erhält dafür Renminbi

keiten eröffnen, werden sie diese auch in der Regel nutzen. Dadurch können sie ihr Portfolio diversifizieren. Dieses Argument spricht für anfängliche Kapitalabflüsse, die nachlassen könnten, sobald ein ausreichender Diversifizierungs-effekt erzielt ist. Chinas Regime könnte hoffen, dass dieses Stadium erreicht wird, bevor der Reservebestand der PBoC auf ein gefährlich niedriges Niveau sinkt und bevor die Kapital¬abflüsse der Binnenwirtschaft systemischen Schaden zufügen.

Andererseits könnte der Kapitalabfluss zumindest zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass Investitionsmöglichkeiten in China sehr teuer geworden sind. In den vergangenen Jahren hat Chinas Volkswirtschaft sehr viel gespart (Grafik 2). Dieses Sparen konnte größtenteils nur im Inland investiert werden. Das könntezu signifikanten Überinvestitionen geführt haben. Die Korrektur dieser Überinvestitionen würde wahrscheinlich länger dauern, weshalb die Abflüsse in großem Umfang anhalten könnten.

Was macht die PBoC? Weiter Reserven verkaufen...

Kurzfristig scheint die PBoC kaum eine Alternative zu ihrer aktu¬ellen Strategie der Reserven-Verkäufe zu haben. Der Abwer-tungssprung von Mitte August zeigte deutlich, wie sich eine Aufgabe dieser Strategie auf den Wechselkurs auswirken würde. Die Motivation für Investitionen im Ausland würde sich ver¬stärken, wenn die Erwartung von Währungsverlusten aus Renminbi-lnvestitionen (oder von potenziellen Währungs¬gewinnen aus Investitionen im Ausland) unter den Investoren Konsens würde. Ein Teufels¬kreis von Renminbi-Abwer-tung und Kapitalabflüssen könnte das Ergebnis sein. Im Endeffekt würden die Renminbi-Wechselkurse deutlich überschießen und Kapitalabflüsse über¬mäßig stark ausfallen - eine Situation, die das chinesische Regime bestimmt verhindern will. sie noch einige Zeit fortsetzen, aber wenn die Kapitalabflüsse im aktuellen Tempo anhalten sollten, könnte sogar das gewaltige Reserven-Portfolio der PBoC irgendwann als unzureichend erscheinen. Das würde die Motivation für Kapitalabflüsse zusätz¬lich verstärken. Nur bis zu diesem Niveau fungieren Reserven als effektiver Puffer.

...oder die Liberalisierung des Kapitalverkehrs umkehren? Sollten die Kapitalabflüsse einen zu großen Teil des Reserven-Portfolios aufzehren oder sollten sie der Binnenwirtschaft zu sehr schaden, könnte Chinas Regime versucht sein, die Liberalisierung der grenzüberschreitenden Kapitaltransfers zurückzurollen. Nach unserer Einschätzung ist ein grundsätzliches Zurückrollen der Kapitalverkehrsliberalisierung aber unwahrscheinlich, solange der Reserveabbau ausreicht. Warum?

Sollte Chinas Regime die Liberalisierungsmaßnahmen wieder zurücknehmen, würde dies signalisieren, dass die chinesische Wirtschaft immer noch nicht fähig ist, um Kapital zu konkurrieren, und dass das Wirtschaftsmodell der letzten Jahrzehnte in einer Sackgasse geendet ist. Man kann davon ausgehen, dass ein Zurückrollen der bisherigen Liberalisierungsmaßnahmen für Chinas Regime alles andere als ein leichter Schritt wäre. Es wäre wohl eher die allerletzte Option. Zunächst dürfte ein Reserveabbau für die chinesische Führung der viel einfachere Weg sein.

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