Donnerstag, 5. November 2015

Texas USA


Texas USA

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/RfMZh_FATtA

Große Weiten, viele Rinder, und alle Männer reiten auf ihrem Pferd mit einem Hut auf dem Kopf. So sehen die Klischees über Texas aus. Manche davon stimmen sogar, aber nicht alle.

 

4         Die martialischen Totenköpfe sausen mit der Fleischhacke nach unten. Diese Szene wie aus einem Horrorstreifen bildet in Lockharts Smoke-house stets die Ouvertüre zu einem leckeren, typisch texanischen Dinnerschmaus. Schon häuft der Chefmetzger mit dem farbenfroh tätowierten Unterarm eine ordentliche Portion „Brisket" auf eine Lage Butterbrotpapier. Zu diesem weich ge-schmorten Beef reicht er Pickles, Gemüse und zahlreiche Saucen. Der riesige Glaskrug mit frisch gezapftem Bier kühlt bereits in einem mit Eis ge-füllten Blechkübel mitten auf dem Tisch.

„No forks needed", keine Gabeln nötig, lautet der Slogan des Kultrestaurants. Üppig, rustikal und geschmacklich phänomenal - ohnehin zum Finger abschlecken. Dallas Bishop-Arts-District mit seinen alten, behutsam sanierten Warenhäu¬sern zählt mittlerweile zu den absolut angesagten Ecken der Metropole. Galerien und Boutiquen, coole Bars und Fine-Dining - die Adresse für den ersten Abend in Texas.

 

Vom 1978 in futuristischem Stil erbauten Reunion Tower bietet sich ein kongenialer Überblick über Dallas. Die Glaskugel mit ihren 171 Metern Höhe bietet ein 360-Grad-Panorama. Selbst die weißen Kreuze auf dem Asphalt der Mainstreet sind von der Plattform aus noch zu erkennen. Sie stehen für eines der nationalen Traumen der USA: die Ermordung John F. Kennedys am 23. November 1963. Fast eine Viertelmillion Menschen säumte die Straßen an jenem Herbsttag, als die tödlichen Schüsse auf den Präsidenten fielen.

Aussehen wie J. R.

Im historischen Westend steuern wir direkt zu Wild Bill's Western Store. Eine Texasrunde ohne Cowboyhut - kaum auszudenken. Wild Bill alias Bill Dewbre hat sogar schon TV-Ekel J. R. Ewing aus dem Straßenfeger der 80er-Jahre „Dallas" Hut und Stiefel verpasst. Professionell doziert Bill über die perfekte Lederpflege seiner verschärften Cow¬boy-Boots und macht uns klar, dass „nur ein ech¬ter Cowboyhut aus Filz gleichermaßen gut vor Sonne und Regen auf langen Trecks schützt". So¬mit sind wir bestens gerüstet für unsere Runde durch das riesige Texas. Mit knapp 700.000 Qua¬dratkilometern passt Deutschland fast zweimal in den größten US-Bundesstaat der sogenannten

 

„lower 48", einzig das weit entfernte Alaska ist noch größer. Und darum beschränken wir uns auf den Nordwesten des Lone-Star-States und kurbeln nach Amarillo.

Klischeedichte am Straßenrand

Amarillo liegt direkt an der historischen Route 66, der Mutter aller Straßen. Hier verdichten sich die USA- und Texas-Klischees in sehr angeneh¬mer Weise. Auf der nahen Cadillac Ranch ließ der kunstbegeisterte Industrielle Henry Marsh 1974 zehn Cadillacs kopfüber im Sand verbud¬deln. Dieses line-up steht für den Aufbruch nach Westen auf der Route 66 und gilt als Hommage an die alten Straßenkreuzer mit ihren weitaus-ladenden Haifischflossen. Täglich stoppen dort Hunderte Reisende mit Spraydosen und signie¬ren, lackieren, gestalten die Wracks aufs Neue. Die zum Teil wieder abplatzenden Reste der Abertausend Lackschichten nutzt der Künstler Lile Crocodile für seine Malereien und Collagen. Lile unterhält eine Galerie im historischen San-Jacinto-District, direkt an der alten Route 66. Baseball-Cap mit Route-66-Buttons, Route-66 - Ring am Finger, Krokodilarmband, Krokodil-Cowboy-Boots - Lile lebt sein Faible für Kroko¬dile und die Route 66. Im „The Big Texan" wird das amerikanische Lebensmotto „Think Big" ultimativ zelebriert. Wer es schafft, ein 72-Unzen-Steak (gut zwei Kilo Rindfleisch) nebst Beilagen zu verputzen, bekommt die Zeche vom Wirt spendiert.

Der nahe Palo Duro State Park umschließt den zweitgrößten Canyon der USA - nur der Grand Canyon ist noch gewaltiger. Eine der Parade-Touren, der Lighthouse Trail, führt auf gut zehn Kilometern durch eine geologisch atemraubende Farben- und Formenpracht.

Berühmtheiten bei Camp Worth

Wir schwenken südöstlich auf den Highway 287 und steuern zurück nach Fort Worth. Im Stock¬yards Historic District genehmigen wir uns zum Finale ein XXL-Cowboy-Programm der Sonder¬klasse. Zwischen 1860 und 1880 trieben Cowboys Millionen von Rindern auf dem Chisholm Trail in das 1849 gegründete Camp Worth. Das Camp platzte bereits aus allen Nähten, als mit dem An-schluss an die Eisenbahn 1873 Fort Worth ent¬stand und rapide wuchs. Die „Cowboys waren oft monatelang unterwegs und verprassten gleich nach Ankunft einen Gutteil ihres Lohns. Viele der Gebäude unterhielten im Parterre einen Saloon und gleich darüber im zweiten Stock ein Bordell", erklärt Jessica Dowdy vom Besucherbüro mit ei¬nem Grinsen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts diente das sündige Treiben auch den berühmt-

berüchtigen Zugräubern Robert LeRoy Parker und Harry Longabaugh, besser bekannt als

Butch Cassidy und The Sundance Kid, als Unterschlupf. Und es ging noch lange zwielichtig weiter. Zur Zeit der Depression versteckten sich Bonny Parker und Clyde Baron, die als Bonny & Clyde für Furore in der Kriminal-geschichte sorgten, im Stadtviertel „Hell's Half Acre". Noch heute liegt Bonnys Revolver in der Vitrine des inzwischen auf Hochglanz renovierten Stockyard's Hotel inmitten des „Quadratkilome¬ters der Hölle". In den 15 liebevoll und stilecht restaurierten Blocks lebt der Wilde Westen mit all seinen Traditionen, einem spektakulären Nacht¬leben, familientauglichen Shows und jeder Menge Westernshopping weiter. Selbst auf den Kanalde-ckeln prangt ein Longhorn-Schädel. Yee-Haw, also her mit Wild Bill's Filzkrempe und auf ins Getüm-mel. Wir starten in der Exchange Road. Folgen den blankpolierten Markern des Texas Trail of Fame auf dem Boardwalk bis zu John Wayne. Zweimal täglich treiben dort echte Cowboys bulli¬ge Longhorns mit einer Hörnerspannweite von bis zu 2,50 Metern über das historisch abgespeckte Straßenpflaster. Vor dem Stockyards-Exchange-

Zwischen 1860 und 1880Gebäude können sich Touristen auch auf einem lebendigen Longhorn fotografieren lassen oder für eine kleine Übersichtsrunde in eine Postkutsche einsteigen. Ein paar Stiefellängen weiter, gleich ne¬ben Riscky's Saloon, rauchen mehrmals täglich die Colts. Dort liefern sich Stuntmänner eine veri¬table Saalschlacht mit anschließender Schießerei im Freien. Abends im Cowtown Colliseum ent¬scheiden bange acht Sekunden zwischen Ruhm oder Reha. Im weltgrößten Indoor-Rodeo riskie¬ren Cowboys auf Wilden Broncos und tonnen¬schweren Bullen ihre Knochen. Wer es beschauli¬cher mag, geht in den „Weißen Elefanten" gleich gegenüber. Der Saloon gleicht einem Cowboy¬museum. Decken und Wände sind komplett mit Hüten von Westernhelden und Rodeostars zuge¬nagelt. Aber nichts da - wir behalten Wild Bills gutes Stück, denn morgen reiten wir noch am Trinity River entlang, wie einst die Cowboys auf dem Chisholm Trail





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