Donnerstag, 30. Juli 2009

Interwiev mit Trading-World-Championship

Interview mit der Trading-Weltmeisterin Rebecca Tornthorp
Das Interview führte D.Selzer-McKenzie

Mit einer Jahres-Performance von plus 722 Prozent hat Rebecca Tornthorp 2008 als erste Australierin die
„ World Cup Trading Championship" in der Kategorie Futures gewonnen, die als Weltmeister-schaft im Trading gilt.



Frage von Selzer-McKenzie: Sie ha-ben die „World Cup Trading Championship" gewonnen. Wie haben Sie das geschafft?

Antwort von Rebecca Tornthorp: Ich entschied mich erst im Februar, an der Championship teilzu¬nehmen. Anfangs arbeitete ich mit Ein¬zelfallentscheidungen, also diskretionär, da es mir das Gefühl gab, die Situation im Griff zu haben. Nach einem Monat hatte ich zwar 40 Pro¬zent Gewinn gemacht, doch ich war durch den Stress beim diskretionären Traden völlig ausgebrannt. Aus diesem Grund redu¬zierte ich meine Handelssysteme auf le¬diglich vier: auf den Mini S&P, den DAX, den S&P MIB Future und den EuroFX. Der Zusammenhang dieser vier Systeme war sehr wichtig. Man kann auch mit nur einem System arbeiten, aber vier unter-schiedliche sind eine große Hilfe, weil es seltener vorkommt, dass alle vier gleich-zeitig schlecht laufen. Am Jahresende hatte ich schließlich eine Performance von plus 672 Prozent.

Frage von Selzer-McKenzie: Wie sieht Ihr Handelsansatz aus?
Antwort von Rebecca Tornthorp: Ich handle mit ver-schiedenen Handelssystemen, aber die Basis besteht immer aus Weiter-bildung und Disziplin. Jedes System hat mehrere Ein- und Ausstiegsregeln. Zudem ist es wichtig, dass die Syste¬me in unterschiedlichen Märkten ar¬beiten. So ist zum Beispiel die Zusammenstellung von vier Systemen als Trend Fol¬lower (dem Trend folgen) auf Index-Futures nicht empfeh¬lenswert, da sich die Systeme in die¬sem Fall immer gemeinsam bewegen würden. Eine gute Wahl wäre hingegen die Konstellation bestehend aus einem Trend Follower auf den DAX-Future, ei¬nem Counter-Trend (gegen den Trend) auf den Mini S&P, einem Trend Follower auf den EuroFX und einem Trend Fol¬lower auf den Bund Future. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass alle vier Sys¬teme gleichzeitig schlechte Ergebnisse liefern, ist sehr gering.

Frage von Selzer-McKenzie: Sind Sie heu¬te nur noch systematischer Trader?

Antwort von Rebecca Tornthorp: Ja. Ich habe in der Ver¬gangenheit beim Traden auch fallweise entschieden, aber wie bereits erwähnt, birgt das diskretionäre Trading viel Stress in sich. Mit Systemen zu arbeiten ist zwar auch nicht immer einfach, vor allem bei Ver¬lusten, aberwenn man seinem System ver¬traut, ist es auf jeden Fall wesentlich stress¬freier als das diskretionäre Handeln.

Frage von Selzer-McKenzie: Wo liegen die Vorteile systematischer Ansätze?

Antwort von Rebecca Tornthorp: Wenn die Systeme erst einmal laufen, hat man genügend Zeit, seine Ideen zu untersuchen, zu testen und zu verbessern. Stress kommt nur dann auf, wenn ein Trade schiefgelaufen ist. Aber auch hier kann man mithilfe seines Systems ermitteln, ob es sich nur um eine schlechte Periode handelte oder ob etwas in der Strategie nicht mehr funktioniert. Wenn man fallweise agiert, muss man hin¬gegen stets hochkonzentriert sein und hat daher weniger Zeit für neue Ideen.



Frage von Selzer-McKenzie: Können Sie uns eines Ihrer Systeme genauer vor¬stellen? Welcher Logik folgt das System und wie wird es praktisch umgesetzt?

Antwort von Rebecca Tornthorp: Ich möchte an dieser Stelle eine ganz einfache Ein- und Aus¬stiegsregel im Chart der MAN AG aus dem DAX vorstellen. Das Setup verlangt zwei Voraussetzungen: Erstens muss die Spanne (Hoch minus Tief) von gestern größer sein als die Spanne von vorges¬tern. Das bedeutet, dass gestern die Be¬wegung zwischen Tageshoch und -tief größer war als dieselbe Bewegung vor¬gestern. Zweitens muss der Schlusskurs niedriger sein als der Eröffnungskurs. Das bedeutet, dass die Kurse gefallen sind. In diesem Fall steigen wir am Differenzpunkt (Tief von gestern minus Spanne von ges¬tern) ein und beenden die Position am Ta-gesschlusskurs.
Angewendet auf unser Beispiel bedeutet das: In der MAN-Aktie ist die Spanne am 22. Oktober 2008 größer als die Spanne am Vortag. Spanne ges¬tern: 39,48 (Hoch) — 37,06 (Tief) = 2,42; Spanne vorgestern: 40,89 (Hoch) — 39,10 (Tief) = 1,79. Da außerdem der Schluss¬kurs niedriger ist als der Eröffnungskurs, sind beide Bedingungen für das Setup erfüllt. Unser Einstiegsniveau liegt bei
34,64 (37,06 [Tief gestern] — 2,42 [Span-ne gestern]). Am 23. Oktober wird un¬sere Limit-Order bei 34,64 schließlich ausgeführt und unser Ausstieg erfolgt am Tagesschlusskurs bei 35,54. Am 24. Oktober können wir das Setup erneut anwenden, da die Kurse weiter gefal¬len sind und die gestrige Spanne grö¬ßer ist als die vorgestrige. Spanne ges¬tern: 37,98 (Hoch) — 34,50 (Tief) = 3,48; Spanne vorgestern: 39,48 (Hoch) —37,06 (Tief) = 2,42. Unser Einstieg liegt in die¬sem Fall bei 31,02 (34,50 [Tief gestern] —3,48 [Spanne gestern]) und unser Aus stieg am Tagesschlusskurs bei 34,10. Dies war nur ein Beispiel für viele einfa¬che Konzepte. Natürlich gibt es daneben auch komplexere Methoden.

Frage von Selzer-McKenzie: Wie lange halten Sie ihre Positionen im Schnitt?

Antwort von Rebecca Tornthorp: Ich trade normalerwei¬se intraday, das heißt, ich halte meine Positionen von wenigen Minuten bis hin zu einigen Stunden. Allerdings verfolge ich auch Strategien auf Währungen und Bonds, bei denen ich bis zu fünf Tage im Markt bleibe. Eine gute Intraday-Strate¬gie für den Bund Future zu finden ist oh¬nehin ziemlich schwierig für mich, da die Bewegungen in diesem Markt auf Intra¬day-Basis nie so klar sind. Hier sind mei¬ner Meinung nach längere Positionen we¬sentlich profitabler.

Frage von Selzer-McKenzie: Wie wich-tig ist die Risikoabsicherung über die Festlegung der einzelnen Handelspo¬sitionen, das sogenannte Money Ma¬nagement, für Ihr Trading?

Antwort von Rebecca Tornthorp: Money Management war mir am Anfang meiner Trading-Kar¬riere vollkommen unbekannt. Unter Mo-ney Management verstehe ich das Fin¬den der richtigen Positionsgröße. Das heißt, ich frage mich, wie viel Geld ich für jede Position aufbringen will. Heute kann ich sagen, dass Money Manage¬ment die wichtigste Sache für einen Trader ist. Ohne kann man nicht lange überleben.

Miss Tortnthorp, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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