Freitag, 19. Februar 2010

Porsche 356 Porsche SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Porsche 356
Author D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=tcoq_GS0Dw8
Die Feinde eines Porsche-356-Restaurators sind zahlreich: der Rost, die komplexe und delikat geformte Blechhaut, deren Reparatur einen begabten Karosseriebauer fordert, die heftigen Ersatzteilpreise. Aufgrund dieser Aktenlage lassen sich nur wenige Hobbyschrauber auf das Wagnis einer Vollrestaurierung
in Eigenregie ein. Wir trafen einen von Ihnen, der lernte, eine weitere Gattung von Gegnern ebenso
zu fürchten: die Vorbesitzer...
Nein, es ist alles andere als fein, gleich mit der Frage nach dem Preis des Ganzen in die Tür zu fallen. Schließlich geht's ja auch nicht ums Geld. Eigentlich. Doch wer ein¬mal in aktuelle Porsche-356A-Ersatzteil¬listen geguckt und Gebrauchtteil-Angebote studiert hat, dem geht die Preisfrage mit einiger Sicherheit nicht aus dem Sinn. Spä¬testens wenn die Nachricht durchgedrun¬gen ist, dass ein vorderer Kotflügel theore¬tisch 3000 Euro kostet, praktisch aber ebensowenig lieferbar ist wie fast alles an¬dere, wundert man sich auch nicht mehr über Kostenvoranschläge für Profi-Vollres

taurierungen, die in Nähe der 100.000-Euro-Marke liegen. Der Porsche 356 — ein für Normalver¬diener unerreichbarer Traum? Raus aus den Preislisten, rein ins Vergnügen. Andre¬as van Hüth öffnet die Bei¬fahrertür und bittet zur Probefahrt in seinem 1958er356ACoupe, ei¬nem 1600er mit 60 PS und sanftem Gemüt, das ihm schon zu Neuwagen¬zeiten zum Spitznamen „Dame" ver¬half. Ein paar kleinen Details des hellblau¬en Autos — Originalbezeichnung: Mei¬ßenblau — sieht man auf den zweiten Blick an, dass hier nicht einfach alles Alte in den Neuzustand versetzt wurde, koste es, was es wolle. Aber Lack und Spaltmaße begeis¬tern. Einmal eingestiegen erkennt der Pas¬sagier, dass der Teppichsatz ganz offen¬sichtlich aus alten Originalteilen besteht, die Kunststoffverkleidung des Mitteltunnels hat zudem einen kleinen Riss, aber all das ist egal, sobald die Fuhre rollt. Die alte Da¬me gibt sich so leichtfüßig und elegant, wie man es erwarten darf. Alles funktio¬niert perfekt, vom Einrasten des Blinker¬schalters bis zur beruhigenden, unaufge

regten Geräuschkulisse vermittelt alles den Eindruck, es technisch mit einem neuen Auto zu tun zu haben. Auch mit ihren 60 PS ist sie durchaus agil, was nicht zuletzt ihrem Gewicht zu verdanken ist, das mit 860 Kilo auf Smart-Niveau liegt.
Und schon ist es passiert, die Frage nach dem Investitionsrahmen ist doch gestellt: „16.000 Mark hat mich das Auto 2001 ge¬kostet. Reingesteckt habe ich in den fol¬genden vier Jahren dann zusätzlich 15.000 Euro. Ich habe ziemlich genau Buch ge¬führt", erklärt der 45-jährige Elektromon¬teur. Macht zusammen keine 23.000 Euro für einen außergewöhnlich guten 356A — sehr erstaunlich. Wer nun glaubt, die Res-taurierungsbasis müsste dann wohl ausge¬sprochen gut gewesen sein, liegt knapp daneben. „Das Auto war streng genommen ein echter ,Fünfer'. Die Bodenplatte samt Schwellern war zu gebrauchen, der Rest der Karosserie praktisch schrottreif, der In¬nenraum verschlissen und der Motor am
Ende", sagt der Mann aus Bocholt. Wie ge¬sagt: sehr erstaunlich.
Streng genommen hat van Hüth anno 2001 bekommen, wofür er bezahlte — laut Preislisten gab's schon damals für 16.000

Mark bestenfalls einen 365A im Zustand vier minus. Wir dick das Minus in seinem Fall aussehen sollte, ahnte der Restaurierer beim Kauf freilich nicht. Der Verkäufer hatte am Telefon erzählt, dass er bereits

35.000 Mark in die Karos¬serie- und La-ckierarbeiten in¬vestiert hätte — das klang gut. „Der Lack war zwar nicht überzeugend und ein paar Unstimmigkeiten an der Karosserie fielen mir auf, aber ich dachte mir, das wäre mit überschaubarem Aufwand hinzubekom¬men. Ein paar Tage später wusste ich es besser: Ich habe schätzungsweise 30, 40 Kilo Spachtel von dem Auto runtergebro¬chen, -geklopft und -geschliffen, danach war von Türen und Kotflügeln nicht mehr viel übrig. Selbst das Dach war, so wie es war, nicht zu gebrauchen. Der Hinter¬grund: Der Vorbesitzer des Autos hatte — ganz offensichtlich mit gutem Grund — Streit mit seinem ersten Karosseriebauer gehabt. Es ging wohl um die Qualität der Arbeit und die dafür angemessene Bezah-lung. Am Ende hat der Blechmann einen Vorschlaghammer rausgeholt und das Ori

ginaldach irreperabel zerdroschen. Das Dach, das Karosserieexperte Nummer zwei dann aufgebraten hat, saß links drei Zentimeter tiefer als rechts, was ich natür¬lich korrigieren musste. Bodenbleche, Schweller und Einstiegsleisten waren kor¬rekt eingesetzt, doch Teile wie Batteriekas-ten, Kotflügelstützen, Bug- und Spritzwän¬de waren Marke Eigenbau und entspra¬chen in ihrer Form und in Details nicht dem Original. Es fehlten beispielsweise Verstärkungssicken — und ich wollte eben alles so original wie nur möglich. Unterm Strich wundert es mich nicht, dass der Vor-besitzer die Brocken hingeworfen hat." Ersatz für Schweller, Bodenbleche, ande¬re Teile des Chassis oder auch den Batte¬riekasten ist zu bekommen, doch bei der Außenhaut eines 356A wird's schwierig. Während für die B- und insbesondere die C-Serie das eine oder andere in den Rega¬len liegt, herrscht beim A-Modell weitge¬hend Ebbe. In der Klassikabteilung des Werks gibt's noch Frontmasken zum Preis von gut 1700 Euro, außerdem die rechte Einstiegsverkleidung und Scheinwerfer¬mulden — das war's. Wer die richtigen Kon¬takte in die Szene hat, kann darüber hin¬aus ab und zu noch Teile aus alten Lager-
beständen auftreiben, aber auch die haben ihren Preis. Ansonsten gilt: Was irgendwie reparabel ist, muss repariert werden. Und wenn alles zu spät ist, bleibt nur die Ein¬zelanfertigung. Konturen und Strukturen der Blechhülle sind komplex, stellen hohe Anforderungen und verschlingen unglaub¬liche Stunden. „Hätte ich mein Auto zu einem echten 356-Karosserie-Experten ge¬bracht, wäre ich inklusive Lack hinterher vermutlich rund 40.000 Euro losgeworden,

vorsichtig geschätzt", skizziert van Hüth die Anforderungen, die eine 356A-Restau¬rierung ans Konto stellt.
Wer ohne das entsprechende Scheckheft zu Werke geht, braucht reichlich Talent, Sorgfalt und Zeit. Dass Andreas van Hüth all das mitbrachte, verrät ein Blick ins Res-taurierungsalbum. Das aktive Mitglied der Oldtimerfreunde Bocholt gönnte sich als einzige Neuteile die Türböden, alles ande¬re baute er selbst nach. Die erwähnten nicht originalgetreuen Partien tauschte der Porsche-Schrauber aus, die Fotogalerie
zeigt zudem, wie drahtverstärkte Radläufe aus dem Nichts entstanden, neue Türhäu¬te, etliche Reparaturbleche für Kotflügel und Seitenteile und vieles mehr. Van Hüth verschweißte all das präzise auf Stoß und verzinnte anschließend große Teile der Ka rosserie, wie er erzählt: „Alle Spaltmaße habe ich auf exakt drei Millimeter einge¬zinnt — meines Wissens war das die Werks¬vorgabe an die Firma Reutter, die die Ka¬rosserien des A fertigte. Die Verwendung von relativ viel Zinn auch zum Erreichen
perfekter Konturen hat nichts mit Pfusch zu tun, auch bei Reutter arbeitete man 1958 nicht anders. Und wer heute das Glück hat, an eine originale Rohbautür aus den Fünfzigern zu geraten und die auch noch bezahlen zu können, muss nach dem kor¬rekten Einpassen mit Zinn arbeiten. Bevor ich das Auto schließlich in meiner kleinen Halle selbst lackiert habe, musste ich noch einige Feinheiten mit Spachtel korrigieren, ganz ohne geht meiner Erfahrung nach nichts."
Auch beim Interieur hatte sich die Frage nach professioneller Hilfe mit dem ersten Kostenvoranschlag erledigt. Auf „mindes¬tens 7000 Euro, eher mehr" taxierte der befragte Sattlerbetrieb die Arbeiten an dem Coupe, also setzte sich van Hürth gemein¬sam mit seiner Frau an die Nähmaschine und bezog die Sitze und alle Verkleidungen mit einem originalgetreuen Mix aus Kunst¬leder und Cordstoff neu. Auch den Innen-himmel zog der Bocholter selbst ein, ihn gibt es ebenso wie den Teppichsatz zu
einem vertretbaren Preis neu. Was auch in diesem Fall freilich nicht heißt, dass sich van Hüth in den gefüllten Regalen bedien¬te, wie er lachend erzählt: „Ich bin durch Zufall über einen passablen zwölfteiligen Original-Teppichsatz gestolpert — Kosten¬punkt: 30 Euro. Ich arbeite im Miele-Ser¬vice und hatte da einen netten Kunden mit einer großen Industrie-Waschmaschine, der nichts dagegen hatte, den Teppichsatz
braucht. Ventile und Ventilführungen ka¬men neu, die Preise dafür sind handelsüb¬lich. Insgesamt hatte ich sowieso noch Glück: Wer eine neue 356er Kurbelwelle braucht, muss 1200 Euro zahlen, die für einen Käfer, die nicht soviel anders ist, kostet 250 Euro. Und neue Zylinderköpfe wollen mit 2500 Euro pro Stück bezahlt sein. Zum Glück gibt's im Ernstfall Ge-brauchtteile."Etwa 2000 Stunden hatte der Porsche- Mann am Ende in sein A-Coupe investiert — und eine besondere Belohnung für die Arbeit sollte anschließend auf ihn warten: „Als das Auto fertig war habe ich mich auf die Suche nach den Erstbesitzern gemacht, einem Binnenschiffer-Ehepaar. Ich habe sie tatsächlich gefunden, beide weit über 80. Als ich mit ihnen auf Probefahrt ging, hatten Sie fast Tränen in den Augen. Und als ich mich dann verabschieden wollte, sagte die Dame des Hauses, dass sie da noch etwas für mich hätte. Sie holte die originale Gepäcktasche im Schottenmuster samt Vorhängeschloss aus dem Schrank, für die die zwei anno 1958 beachtliche 61,55 Mark Aufpreis zahlen mussten. Und dann war da auch noch ein Ordner mit al¬len alten Unterlagen inklusive Kaufvertrag. Beides gemeinsam ist für mich heute das i-Tüpfelchen in Sachen Originalität. Und genau die war mir wichtig", sagt der Por¬sche-Schrauber. „Wir drehen doch noch 'ne Runde?", fragt er, schließt den Koffer¬deckel und rutscht ohne auf eine Antwort zu warten hinters Lenkrad seines Coupes, das der rollende Beweis dafür ist, dass der 356 ein erreichbarer Traum ist. Viel Talent, Sorgfalt und Zeit vorausgesetzt...

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