Loire France Reise Travel Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Loire-Radweg und das Radwegenetz „Loiretal der Schlösser" laden Radtouristen ein. Große Attraktionen wechseln mit ruhigen Ortschaften, vorbei an Geschichte, Architektur und Kulinaril
Chambord ist der Inbegriff dessen, was man sich unter einer Reise an die Loire vorstellt: Busse spu-cken im Minutentakt Kulturbeflissene aus aller Welt auf riesige Parkplätze in den Wäldern östlich von Blois aus. Die Besucher strömen zum größten, be¬rühmtesten und prachtvollsten Loire-Schloss. Ob¬wohl der Auftrieb abschreckend ist, fädeln auch wir uns in den Marsch zum königlichen Jagdschloss aus dem frühen 16. Jahrhundert ein und bestaunen das Ensemble mit seinen 426 Räumen, 77 Treppen, un¬zähligen Erkern, Türmen, Türmchen, 365 Schorn¬steinen und Leonardo da Vincis spektakulärer Wendeltreppe. Zwei Spiralen schrauben sich hier in¬einander, ohne sich je zu kreuzen. Gebaut wurde Chambord für bis zu 2000 Menschen, und so verlie¬ren sich auch heute die Massen in der Anlage, die als architektonischer Vorläufer von Versailles gilt. Unmittelbar hinter dem Schloss wird es einsam. Auf unseren Rädern folgen wir den Schildern „Pays des Chäteaux ä vdlo" in die Wälder des Lieblings-Jagd¬reviers Franwis I. Vögel zwitschern, es duftet nach Moos und frischem Gras. Auf einer Lichtung weiden Esel. Eine Kurve weiter steht mitten im Wald ein
einsames Schlösschen: Villesavin. Erbaut wurde es für Jean le Breton, der als Finanzminister von Franwis I. von hier aus den Bau von Chambord be¬aufsichtigte. Was für ein Kontrast zum großen Jagdschloss. Nur wenig abseits der gut besuchten Hauptattraktionen des Loire-Tals findet man die kleineren Häuser und die Ruhe.
Sonne in den Speichen
Wir lassen uns treiben. Folgen Europas letztem gro-ßen ungezähmten Fluss auf seinem Weg zum Meer und steigen dazu wieder aufs Fahrrad. Die Sonne glänzt in den Speichen. Der Loire-Radweg und das Wegenetz „Loiretal der Schlösser" lassen die Herzen der Radfahrer höher schlagen.
In Tours, der 300.000-Einwohner-Kapitale der Pro-vinz Touraine, hat man „die Ampeln radfahrer-freundlich geschaltet, auf Radwegen eine Teerdecke ohne Gullilöcher aufgebracht und die Parkordnung am Straßenrand so geregelt, dass ausparkende Wa¬gen möglichst keine Radler übersehen und überfah¬ren", erzählt Jeröme vom kleinen Fahrradladen im
Zentrum der ehemaligen Königsresidenz. Trotzd gehen wir in Tours lieber zu Fuß, schlendern du enge Gassen und über typisch französische Plä mit sorgfältig beschnittenen Platanen und Cafds Korbstühlen auf dem Trottoire. Auf der von wii schiefen Fachwerkhäusern aus dem Mittelalter säumten Place Plumerau drängen sich die Tisc von Studentenkneipen und Restaurants. Wir foll dem Duft süßer Crees in ein winziges Ecklokal t beugen uns über die Karte der Region. Weh Schlösser sollen wir als nächste ansteuern? Die Wahl fällt auf Villandry, dessen Grünanlai nicht nur Gärtner begeistern. Dabei stiehlt im ein gen Renaissancegarten Frankreichs profanes Gri zeug duftenden Rosen und opulenten einfarbig Arrangements die Schau. Hier gedeihen Tomat Kürbisse und Kohl! Im Frühsommer füllen 51.( Salatköpfe die Lücken. Später nehmen Paprika u Auberginen deren Platz ein. Weiter geht es fluss wärts. Die feldfrischen Erdbeeren, die wir dir beim Bauern kaufen, sind eine köstliche Wegz( rung. Langeais, ein trutzig-grauer Bau mit Zugb cke, Pechnasen und Wehrgang, ging wegen
Hochzeit von Karl VIII. und Anne de Bretagne 1491 in die Annalen ein. Mit der Vermählung, die in der Salle de Mariage mit lebensgroßen Wachsfiguren nachgestellt ist, ging das mächtige Herzogtum Bretagne an das Königreich Frankreich. Etwa zur selben Zeit gruben nur wenige Kilometer entfernt Menschen ihre spartanischen Behausungen in den Stein. Im Vali& troglodytique des Goupillieres betre¬ten wir zum ersten Mal ein Felsenhaus. Louis-Marie Chardon, der 1962 als zehnjähriger Junge mit sei¬nem Vater erstmals ins Tal kam, restaurierte die Höhlenbauernhöfe und machte sie vor zehn Jahren der Öffentlichkeit zugänglich. Er erzählt vom Leben im Mittelalter, als sich die Armen oft mit den Händen eine Bleibe gruben, während mit dem schönen weißen Kalktuff Wohnhäuser und Loire- Schlösser gebaut wurden.
Zwei gemütliche Tagesetappen und mehrere Schloss¬besuche weiter, wo die Vienne in die Loire fließt, werden in den Tuffsteinhöhlen Pilze kultiviert, edle Schaumweine und Weine gelagert. Wir steuern den Keller der Winzervereinigung von Panzoult an, in der etwa 20 örtliche Weinbauern ihre Produkte vor-stellen: Tische und Bänke sind in dieser Höhle direkt in Nischen im Fels geschlagen. In den Stein gemei¬ßelt und stimmungsvoll beleuchtet, erinnern Zitate an den Dichter und Humanisten Rabelais, der 1483 bei Chinon geboren wurde. Geburtshaus, Arbeits-zimmer und ein kleines Museum kann man auf dem elterlichen Landgut in La Deviniere be¬sichtigen.
Feierliche Ruhe strahlt die Abteikirche von Fontefraud aus. Die junge Studentin, die mit großem Engagement und in
perfektem Deutsch durch die Anla
ge führt, zeigt uns unter anderem das Grab von Richard Löwenherz sowie die imposante romani¬sche Räucherkammer, die in Größe und Äußerem einer respektablen Kapelle gleicht. In den Rabatten glitzern winzige Perlmuttstückchen. Überbleibsel aus einer Zeit, als in den ehemaligen Klosterräumen Häftlinge Knöpfe fertigten.
Wie ein Bilderbuch
Über die Orte Montsoreau, Saumure, Louresse, Ro
chenmenier und Gennes erreichen wir Angers. Die
Stadt „mit dem ältesten Campingplatz Frankreichs",
wie wir bei einem Rundgang durch die mittelalterli
che Festung erfahren. Die mächtige Anlage wurde
einst als sicherer Sammelplatz für Soldaten errichtet.
Heute beherbergt die Burg in einem speziellen
Raum den Teppichzyklus der Apokalypse, ein gewal
tiges Kunstwerk aus dem späten 13. Jahrhundert, in
dem sich die Geschichte wie ein Bilderbuch liest. Aus
aller Welt kommen Besucher nur seinetwegen nach
Angers, indes unterhalb der Burgmauer die Galerie
David-d'Angers ein Schattendasein fristet. Dabei
nimmt die Ausstellung monumentaler Statuen in ei
ner alten Abteikirche nicht minder für sich ein. Am
Stadtrand, jenseits des Flusses begeben wir uns im
Terra Botanica auf Weltreise. Im rekonstruierten
Rumpf eines der ersten Gewürzschiffe erleben wir ei
ne feucht-stürmische Seefahrt zu so verlockenden
Spezereien wie Vanille oder Zimt. Auf wackelnden
Sitzen durchgeschüttelt, fühlen
wir uns im 3D
Kino wie ein Wassertropfen auf seinem Weg von den Wolken bis in die Erde, um später bei einer Fahrt in einer überdimensionalen Haselnuss von oben einen Blick auf das Gelände zu werfen, das eine gelungene Mischung aus botanischem Garten und Vergnü¬gungspark ist.
Hinter Angers endet das Loiretal. Längst folgt nicht mehr Schloss auf Schloss. Umso begeisterter sind wir von Nantes. In der quirligen, aufstrebenden Stadt herrscht Aufbruchstimmung. Seit die Univer¬sität wieder eröffnet und Nantes einen TGV-Bahnhof erhielt, ist wieder Leben in der Stadt, die nach dem Werftenniedergang in den 1980er-Jahren alles ande-re als vorzeigbar war. Wer den Trubel von Paris satt hat, kommt hierher.
Hinter der Stadt mit ihren schönen Plätzen und en-gen Gassen folgen wir dem rechten Ufer der Loire, deren Lauf immer breiter und verzweigter wird. Man riecht schon das Meer. Salzgärten und die typisch grauen Steinhäuser der Bretagne säumen den Weg nach Le Croisic. Die Loire hat den Atlantik erreicht. Wir stehen mit den Füßen im Wasser und lauschen dem sanften Rauschen der Wellen. Und wir lassen den Weg entlang der Loire noch einmal Revue pas-sieren
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