Azteken Teotihuacan Mexico Selzer-McKenzie SelMcKenzie
Film and Author by D.Selzer-McKenzie
Die Azteken (von Nahuatl aztecatl, deutsch etwa „jemand, der
aus Aztlán kommt“) waren eine mesoamerikanische Kultur, die zwischen dem 14.
und dem frühen 16. Jahrhundert existierte. Im Allgemeinen bezeichnet man mit
dem Begriff „Azteken“ die ethnisch heterogene, mehrheitlich Nahuatl sprechende
Bevölkerung des Tals von Mexiko; im engeren Sinne sind damit aber nur die
Bewohner von Tenochtitlán und der beiden anderen Mitglieder des sogenannten
„Aztekischen Dreibundes“, der Städte Texcoco und Tlacopán, gemeint.
Ab dem späten 14. Jahrhundert weiteten die Azteken im Laufe
der Jahre ihren politischen und militärischen Einfluss auf die umliegenden
Städte und Völker aus, die nicht direkt dem Reich angegliedert, sondern zur
Zahlung von Tributen gezwungen wurden. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht
kontrollierten sie weite Teile Zentralmexikos mit dem Tal von Mexiko als
Zentrum. Zwischen 1519 und 1521 wurden die Azteken schließlich von den Spaniern
unter Hernán Cortés unterworfen.
Die Azteken bezeichneten sich selbst meist als Mexica [meːˈʃiʔkaʔ],
nach dem Namen des Ortes oder der Region Mexico – der Ursprung des heutigen
Ländernamens Mexiko – bzw., nach ihren Siedlungsplätzen Tlatelolco und
Tenochtitlán, auch Tlatelolca [tɬateˈloːlkaʔ] und Tenochca [teˈnoːtʃkaʔ]. In
alten Quellen wird der Begriff „Azteken“ nur im Zusammenhang mit dem mythischen
Herkunftsort Aztlán verwendet. Der erste, der ihn in moderner Zeit benutzte,
war der Jesuit Francisco Javier Clavijero im 18. Jahrhundert; bekannt wurde er
jedoch erst durch Alexander von Humboldt.
Gründungsmythos und Herkunft
Die aztekischen Mythen beschreiben vier große Zeitalter, die
der bestehenden Welt vorangingen und in Katastrophen endeten. Das fünfte
Zeitalter wurde eingeläutet durch das Opfer eines Helden, der sich in die Sonne
verwandelte.
Das heutige Wappen Mexikos greift den Gründungsmythos von
Tenochtitlán auf: Es zeigt einen Adler, der mit einer Schlange in den Krallen
auf einem Kaktus sitzt.
Nach der Legende wanderten die Azteken im 14. Jahrhundert
von einem Ort im Norden namens Aztlán zum Texcoco-See in Zentralmexiko,
angeführt von ihrem Gott Huitzilopochtli. Als sie bei einer Insel im See
ankamen, konnten sie einen Adler beobachten, der, auf einem Feigenkaktus
(spanisch Nopal) sitzend, eine Schlange fraß. Gemäß der Prophezeiung war dieses
Ereignis dazu bestimmt, ihnen den Platz zu zeigen, an dem sie sich niederlassen
sollten. Die Azteken erbauten ihre Stadt Tenochtitlán an dieser Stelle, an der
sich das heutige Mexiko-Stadt befindet. Der Adler auf dem Kaktus mit der
Schlange aus der Legende ist heute auf der mexikanischen Flagge abgebilde
Aufstieg und Blütezeit
Historisch gesehen lässt sich die erste Niederlassung der
Azteken im Gebiet von Tenochtitlán für den Zeitraum zwischen 1320 und 1350
nachweisen;[1] aus archäologischer Perspektive nach neueren Ausgrabungen
(Stand: Dezember 2007) wird auch die Zeit zwischen 1100 und 1200 für möglich
gehalten.[2] Die ersten Herrscher Acamapichtli, Huitzilíhuitl und Chimalpopoca
waren Vasallen des Tepaneken-Herrschers Tezozómoc in der Zeit von 1372 bis 1427
und knüpften in dieser Zeit durch Heirat diplomatische Verbindungen zu den
Nachbarstädten. Nach und nach erlangten die Azteken dadurch eine gewisse
politische Gleichberechtigung mit den anderen Städten.
Als Tezozómoc starb, ermordete sein Sohn Maxtla
Chimalpopoca. Dessen Onkel Itzcóatl verbündete sich nun mit dem ehemaligen
Acolhua-Herrscher von Texcoco, Nezahualcoyotl, und belagerte Maxtlas Hauptstadt
Azcapotzalco. Maxtla kapitulierte nach 100 Tagen und ging ins Exil.
Tenochtitlán (Mexica), Texcoco (Acolhua) und Tlacopán (Tepaneken) festigten
danach formell ihre Kriegsallianz, den aztekischen Dreibund, die das Tal von
Mexiko dominierte und die Macht schließlich jenseits der Grenzen des Tals
ausdehnte. Mit der Zeit wurde Tenochtitlán die beherrschende Kraft innerhalb
der Allianz.
Itzcóatl bewirkte auch innenpolitisch weitreichende
Veränderungen. Während ein neuer Aquädukt nach Tenochtitlán gebaut wurde, um
die Trinkwasserversorgung der wachsenden Bevölkerung zu sichern, ließ er auch
viele alte Bilderhandschriften vernichten. Die Gründe dafür sind noch nicht
geklärt [3], doch es ist wahrscheinlich, dass Itzcóatl für die Herrschaft seiner
Familie eine Legitimationsgrundlage schaffen wollte.
Itzcóatls Neffe Moctezuma I. erbte 1440 den Thron und
erweiterte das Herrschaftsgebiet nochmals. Allerdings wurde Tenochtitlán
zwischen 1445 und 1450 durch eine Heuschreckenplage, eine Überschwemmung und
eine Hungersnot schwer getroffen, was die Versorgung der Stadt mit
Lebensmitteln als Schwachpunkt offenbarte und die Notwendigkeit von Tributen
noch einmal bekräftigte. Vermutlich wurde während Moctezumas Herrschaft auch
die Praxis der Blumenkriege eingeführt. [4] Sein Sohn Axayacatl, der 1469
(möglicherweise auch erst 1471) an die Macht kam, erweiterte den von den
Azteken kontrollierten Bereich um einige Gebiete der Mixteken und Zapoteken,
doch erlitt er gegen das mächtige Reich der Tarasken von Tzintzuntzan eine
empfindliche Niederlage. Die Azteken führten bis zur Ankunft der Spanier gegen
die Tarasken keine großangelegten militärischen Aktionen mehr durch.
1482 übernahm Axayacatls älterer Bruder Tízoc kurz die
Herrschaft, unter dem das Reich außenpolitisch an Ansehen verlor, bis er 1486
durch seinen jüngeren Bruder Auítzotl ersetzt wurde, der die Armee neu
organisierte. Das Imperium erreichte während seiner Regentschaft das größte
Ausdehnungsgebiet. Sein Nachfolger war Moctezuma II., der durch mehrere Feldzüge
die Tlaxcalteken außenpolitisch isolierte und die Kontrolle über das Tal von
Oaxaca endgültig sicherte. Moctezuma stärkte die Führungsposition Tenochtitláns
innerhalb des Dreibunds, was sich unter anderem darin zeigt, dass er aktiv in
die Thronfolgeregelung Texcocos eingriff und eigenmächtig den Nachfolger des
1515 gestorbenen Königs Nezahualpilli bestimmte.
Untergang
→ Hauptartikel: Spanische Eroberung Mexikos
Aufgrund ihrer Aggressivität waren die Azteken bei ihren
Nachbarn mehr verhasst als beliebt. Diese schafften es nicht auf diplomatischer
Ebene und auch nicht durch Blutheiraten, den Machtdrang der Azteken zu bremsen.
Die Ankunft der Spanier unter Führung von Hernán Cortés war für einige Stämme
die einzige Chance, der Herrschaft der Azteken zu entkommen. Der aztekische
Herrscher Moctezuma II. erfuhr bereits frühzeitig von der Ankunft der Spanier,
doch verhielt er sich zu zögerlich. Nachdem die Spanier zusammen mit ihren
Verbündeten, den Tlaxcalteken, im November 1519 nach Tenochtitlán gekommen waren,
nahmen diese Moctezuma im Handstreich gefangen und kontrollierten über ihn die
Geschicke des Reiches.
Als Cortés im Frühjahr 1520 wieder an die Atlantikküste zog,
weil von Kuba aus ein Trupp mit der Aufgabe gelandet war, ihn festzunehmen,
erhoben sich die Azteken gegen die in der Stadt verbliebenen Spanier. Nach
seiner Rückkehr kam es zu Kämpfen zwischen Spaniern und Azteken, in deren
Verlauf Moctezuma von seinen Landsleuten getötet wurde. Cortés sah daraufhin
keine andere Möglichkeit als die Flucht aus der Stadt. Der Versuch, in der
Nacht zum 1. Juli 1520 aus Tenochtitlán zu entkommen, kostete fast drei Viertel
der spanischen Soldaten das Leben.
Während sich Cortés' Truppe in den folgenden Wochen erholte,
wütete in Tenochtitlán eine Pockenepidemie, durch die gut sechzig Prozent der
Bewohner der Stadt starben, darunter auch der neue König Cuitláuac. Sein
Nachfolger Cuauhtémoc schaffte es nicht, den Abfall des Königs von Texcoco zu
verhindern. Zusammen mit den Tlaxcalteken, Kriegern aus Texcoco und Verstärkung
aus Kuba begann Cortés mit der Belagerung der Stadt, die am 13. August 1521
endete.
Cuauhtémoc, der letzte aztekische Herrscher, wurde 1525
hingerichtet. Die meisten Gebäude Tenochtitláns waren während der Belagerung
zerstört worden; auf ihren Ruinen wurde das neue Mexiko-Stadt errichtet. In den
Jahren nach der Ausrufung des Vizekönigreichs Neuspanien 1535 wurde ein
Großteil der einheimischen Bevölkerung zum Christentum bekehrt und die
aztekische Kultur verschwand allmählich, ohne jedoch völlig zu erlöschen.
Über die Geschichte und Kultur der Azteken existieren keine
schriftlichen Quellen aus der Zeit vor der spanischen Eroberung. Der Grund ist
sowohl das Fehlen eines leistungsfähigen Schriftsystems, mit dem Aufzeichnungen
von Texten möglich gewesen wären, als auch die Zerstörung der
bilderschriftlichen Manuskripte durch Eroberung und christliche Missionierung.
Informationen über die Geschichte und Kultur vor der Eroberung beruhen deshalb
zu einem wesentlichen Teil auf mündlichen Traditionen, die unter der spanischen
Kolonialherrschaft, vor allem im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert
aufgezeichnet wurden, sowie auf in dieser Zeit angefertigte Kopien und
Bearbeitungen von Bilderhandschriften (Aztekencodices), die oft von Angehörigen
der in Mexiko tätigen Bettelorden in Auftrag gegeben und kommentiert wurden.
Ihren Inhalten nach sind historische Dokumente von religiösen zu unterscheiden.
Auf Veranlassung von Spaniern niedergeschrieben wurde unter
anderem der Codex Mendoza von 1541, der die Eroberungen der aztekischen
Herrscher und die Tributprovinzen auflistet und auch einen kurzen
ethnographischen Überblick enthält. Zu den wichtigsten frühkolonialen
Zeugnissen über die Kultur zählt daneben in erster Linie die zweisprachige
(spanisch/nahuatl) „Historia General de las Cosas de la Nueva España“ (die
letzte endgültige Fassung ist der „Codex Florentinus“) des Franziskaners
Bernardino de Sahagún, der Aussagen von indianischen Gewährsleuten zu einer
weitgespannten Thematik aufzeichnete und redigierte. Weitere wichtige Quellen
hauptsächlich historischen Inhalts sind in spanischer Sprache die „Historia de
las Indias de Nueva España“ des Dominikaners Diego Durán, die „Crónica
Mexicana“ des aus hohem indianischem Adel stammenden Hernando de Alvarado
Tezozómoc, und die verschiedenen Geschichtsdarstellungen des aus dem Adel von
Texcoco stammenden Fernando de Alva Ixtlilxóchitl. In Náhuatl sind die „Anales
de Cuauhtitlan“ und die „Historia Tolteca-Chichimeca“ geschrieben, deren
Verfasser anonym geblieben sind. Das umfangreichste Geschichtswerk bilden die
verschiedenen ebenfalls in Náhuatl verfassten „Relaciones“ des Domingo
Chimalpahin Quauhtlehuanitzin aus Chalco.
Nahuatl wird noch heute von Teilen der indigenen Bevölkerung
Mexikos, den Nahua, gesprochen. Es gibt auch eine Version der Wikipedia in
Nahuatl.
Das Reich der Azteken war kein territorial geschlossenes
Reich, wie es etwa die Imperien der europäischen Geschichte darstellten. Es war
vielmehr ein Zusammenschluss der drei im Becken von Mexiko gelegenen Städte
Tenochtitlán, Texcoco und Tlacopán, deren politische und rechtliche Systeme
sich aufgrund alter Traditionen voneinander stark unterschieden und
dementsprechend auch nicht vereinheitlicht waren. Die jeweiligen Herrscher
regierten ihre Städte und die von ihnen abhängigen Gebiete unabhängig
voneinander und agierten nur dann zusammen, wenn ein gemeinsames Interesse
vorhanden war, etwa bei Eroberungen. Die drei Städte waren formell
gleichberechtigt, was sich aber besonders in der Zeit von Moctezuma II. zugunsten
Tenochtitláns änderte. Die von den Städten abhängigen Gebiete bildeten keine
geschlossenen Territorien, sondern die Besitzungen waren entsprechend der
Beteiligung an den jeweiligen Eroberungen miteinander eng verschränkt.
Die Azteken übten ihre Herrschaft hauptsächlich in Form von
Tributforderungen aus. Ziel der Expansion war die wirtschaftliche Nutzung,
nicht die Beherrschung der unterworfenen Gebiete. Direkte Ansiedlung auf dem
Gebiet des unterworfenen Feindes fand kaum statt, auch wurde das aztekische
Rechtssystem nicht aufgezwungen; die althergebrachten lokalen Strukturen
blieben unangetastet. Nachteile ergaben sich jedoch dadurch, dass das von den
Azteken unterworfene Gebiet ethnisch sehr differenziert war, was oft zu
diplomatischen Verwicklungen führte, die die Spanier schließlich für sich
ausnutzen konnten.
Oberhaupt der Stadt Tenochtitlán war der huey tlatoani
„Großer Sprecher“, der in der Literatur oft als „König“ oder „Kaiser“
bezeichnet wird. Faktisch war der Tlatoani ein absoluter Monarch, der alleine
über die Stadt regierte und dessen Nachfolge von männlichen Angehörigen seiner
Familie gestellt wurde. Das Amt des Stellvertreters, des Cihuacóatl, wurde erst
unter Itzcóatl eingerichtet und maßgeblich von seinem ersten Inhaber Tlacaélel
geprägt. Seine Aufgaben waren vor allem innenpolitischer Art. Rangmäßig
niedriger waren die Ämter des Tlacateccatl und des Tlacochcalcatl, die beide
sowohl zivile als auch militärische Funktionen innehatten. Sie waren aber
wichtige Durchgangsämter für den künftigen Herrscher. Für die Rechtsprechung
war je ein separates Gericht für Adelige und Nicht-Adelige zuständig. Die Stadt
Texcoco besaß außer ihrem Fürsten noch vier Ratsgremien, die für die
Rechtsprechung, Krieg, Musik, Kunst und Wissenschaft und auch den Staatsschatz
zuständig waren.
Die aztekische Gesellschaft kannte vier hauptsächliche
Klassen: Adel (pilli, pl. pipiltin), Bauern und Handwerker (Macehualli, pl.
macehualtin), Händler (pochteca) und Sklaven (tlatlacotin). Die Zugehörigkeit
zu einer Klasse war weitgehend von Geburt vorgegeben, wenn auch die macehualtin
durch herausragende Verdienste im Krieg in einen besonderen, nicht erblichen
Adelsrang aufsteigen konnten. So jemand konnte sich, wie alle übrigen Krieger
Teteuctin nennen, wenngleich sein mit diesem Titel einhergehendes Gewand sich
von denen der Militärlogen leicht unterschied. Somit bestand nur eine geringe
soziale Mobilität.
Adel
Die Adligen (pipiltin) standen sozial an der Spitze der
Gesellschaft. Das Staatsoberhaupt (tlatoani, „Sprecher“) entstammte stets dem
Adel.
Der wirtschaftliche Status der Adligen war keineswegs
einheitlich. Die Angehörigen der obersten Adelsschicht lebten in Palästen mit
ausgedehntem Landbesitz, der aber nicht notwendigerweise auch direkt in der
Nähe des Palastes lag. Das Land wurde von abhängigen Bauern bearbeitet, die
einen festgelegten Anteil am Ertrag abgeben mussten. Die Angehörigen niedriger
Adelsschichten unterschieden sich oft nur wenig von den Bauern.
Die Söhne der Adligen erhielten in Tempelschulen (calmecac)
eine militärische, religiöse und auch administrative Ausbildung, um sie auf
ihre späteren Aufgaben vorzubereiten. Die Nachfolger der Familienoberhäupter
konnten jedoch nur dann offiziell ihr Erbe antreten, wenn sie sich zuvor im
Krieg ausgezeichnet hatten. Viele pipiltin wurden aber auch, oft nur für eine
gewisse Zeit, Priester (tlamacazqui), die im Zölibat lebten und im Gegensatz zu
vielen anderen mesoamerikanischen Kulturen keine weltliche Macht ausübten.
Adelige besaßen generell mehr Rechte als die Bauern, wurden
aber auch strenger bestraft. Sie durften beispielsweise farbige Kleidung aus
Baumwolle tragen und mehrstöckige Häuser bewohnen, dafür jedoch wurden sie bei
einem Verbrechen, für das ein Bauer „nur“ versklavt worden wäre, zum Tode
verurteilt.
Reisende Händler
Die reisenden Händler (pochteca, Einzahl pochtecatl) waren
eine zahlenmäßig kleine, auf Grund ihrer Schlüsselposition für den Warenverkehr
wie für die Verbreitung von Informationen jedoch wichtige Klasse. Viele dienten
auch als Spione. Sie folgten eigenen Bräuchen, lebten in eigenen Stadtvierteln,
gehorchten einem eigenen Verhaltenskodex und unterlagen sogar einer eigenen
Gerichtsbarkeit. Besonders Fernhändler konnten oft einen Reichtum anhäufen, der
dem von Adelsfamilien gleichkam.
Bauern
Die einfachen Menschen (macehualtin, Einzahl macehualli)
bildeten den Hauptteil der Bevölkerung. Sie waren grundsätzlich frei und hatten
zumeist das Nutzungsrecht über ein Stück Land, das einem Adligen gehörte. Sie
waren zum Kriegsdienst verpflichtet. Gegen Ende der Aztekenzeit lebte ein
Großteil der Macehualtin in Tenochtitlán nicht mehr von der Landwirtschaft,
sondern vom Handwerk oder Kleinhandel. [5][6]
Die Macehualtin waren nicht an das Land eines bestimmten
Adeligen gebunden, sondern konnten fortziehen und auf dem Land eines anderen
arbeiten. Es gab in bestimmten Regionen jedoch auch Verbände mehrerer Bauern,
calpolli genannt, die gemeinsam Land besaßen, das in Parzellen aufgeteilt wurde
und von den Bauern alleine bearbeitet werden konnte. Dennoch mussten auch sie
Tribut leisten, jedoch nicht an Adelige, sondern direkt an den jeweiligen
Herrscher. Die internen Angelegenheiten eines calpolli regelte ein
Calpollli-Ältester.
Sklaven
Die Position der Sklaven (tlatlacotin, Einzahl tlacotli)
ähnelte eher der Sklavenhaltergesellschaft der Antike in Europa als der
Sklaverei durch die Europäer im selben Zeitalter. Der Status des Sklaven war
nicht erblich, das heißt, die Kinder eines Sklaven waren frei. Ein Sklave
durfte Dinge und selbst andere Sklaven besitzen, ebenso konnte er sich
freikaufen. Im Falle von Misshandlungen oder bei gemeinsamen Kindern mit ihrem
Herrn konnten Sklaven bzw. Sklavinnen für frei erklärt werden. Starb der Herr,
wurden die Sklaven vererbt, doch kamen in der Regel diejenigen mit den größten
Verdiensten frei.
Sklave wurde man oft durch eine Verurteilung für ein
Verbrechen. Ein Mörder, der zum Tode verurteilt war, konnte auf Antrag der
Witwe des Opfers deren Sklave werden. Ein Vater konnte seinen Sohn als Sklaven
verkaufen, wenn dieser von einer Amtsperson als unerziehbar erklärt wurde.
Häufig wurde man auch Sklave, wenn man seine Schulden nicht bezahlen konnte.
Landwirtschaft
Das Becken von Mexiko bot eine Vielzahl von natürlichen
Ressourcen. Mehrere Seen versorgten die Bewohner des Tals mit Fisch und über
ihre Zuflüsse mit Trinkwasser. Der größte Teil der produzierten Nahrungsmittel
kam aus der Landwirtschaft. Im tropischen Klima Mexikos konnten die Azteken
Mais, Bohnen, Kürbisse, Amarant (eine getreideähnliche Pflanze), Chia (ein
Kraut aus der Gattung der Salbei mit fettreichen Samen), Agaven und Kakteen
anbauen; daneben wurden insbesondere Heilkräuter kultiviert. Viehzucht in
großem Stil fand nicht statt, lediglich Truthühner und Hunde wurden gehalten.
Auf hügeligem Terrain praktizierten die Azteken eine
Anbautechnik, die tlacolol genannt wurde. Dabei wurden die Felder zwei oder
drei Jahre bewirtschaftet und lagen danach brach; manchmal wurden die Felder
auch terrassiert. Auf flachem Land betrieb man dagegen Bewässerungsfeldbau,
meist auf sogenannten Chinampas. Die Chinampas waren Anbauflächen, die aus dem
sumpfigen Boden gewonnen wurden und aufgrund ihrer günstigen Bodenfeuchtigkeit
häufig mehrere Ernten im Jahr ermöglichten. In Tenochtitlán besaß nahezu jedes
Wohnhaus ein eigenes Chinampa, auf dem die Hausbewohner ihre eigenen
Lebensmittel anbauten, doch mussten immer mehr Lebensmittel in die Stadt
gebracht werden, je größer die Stadt wurde. Da die Azteken weder beräderte
Fuhrwerke noch Lasttiere wie zum Beispiel Pferde kannten, konnten die
Lebensmittel nur über geringe Entfernungen transportiert werden. Die
flächenmäßig größten Chinampas befanden sich in Xochimilco am südlichen Ende
des Texcoco-Sees, wo noch heute auf diese Weise Landwirtschaft betrieben wird.
Verarbeitendes Gewerbe
Besonders in den großen Städten lebten Handwerker, die sich
in einem hohen Maße spezialisierten. Die wichtigsten und angesehensten Berufe
waren die des Gold- bzw. Silberschmieds, der Maler und auch der
federverarbeitenden Handwerker. Diese Hersteller von Luxusgütern produzierten
vor allem für die adelige Oberschicht, wobei sie Arbeitsteilung betrieben. Sie
waren in Vereinigungen organisiert, die stark den Gilden im mittelalterlichen
Europa ähnelten. Damit besaßen sie auch einige Privilegien, etwa das Recht, ihre
Nachkommen selbst zu erziehen und zu unterrichten.
In der Gesellschaftshierarchie unterhalb der Hersteller von
Luxuswaren befanden sich Berufe wie Töpfer, Korbmacher oder auch die
Weiterverarbeitung von Obsidian, das zum Beispiel für Waffen gebraucht wurde.
Sie betrieben in der Regel kleine Familienbetriebe und waren nicht weiter
organisiert. Ebenso betrieben sie keine Arbeitsteilung, sondern erledigten den
gesamten Herstellungsprozess selbst. Ein weiterer Bereich war die Weberei, die
ausschließlich von Frauen, gleich welcher Gesellschaftsschicht, betrieben
wurde. Hergestellt wurde vor allem Kleidung, wobei es Frauen von niedrigerem
Stand strengstens untersagt war, elegantere und wertvollere Kleidung zu tragen.
Daneben dienten die Stoffe als Dekoration für Haushalte, Tempel, Plätze etc.
sowie als Geschenke, Mitgiften oder ähnliches.
Handel und Tributwesen
Die Azteken betrieben einen schwunghaften Handel bis weit
über die Grenzen des von ihnen kontrollierten Gebiets hinaus. Als
Zahlungsmittel dienten normalerweise Kakaobohnen oder Goldstaub in Federkielen.
Die Händler stellten in der aztekischen Gesellschaft eine eigene Klasse mit
Rechten und Pflichten dar. Während Produzenten kleinerer Mengen von Gütern ihre
Waren, wie Nahrung oder handwerklich gefertigte Produkte, selbst auf den
Märkten feilboten, gab es auch Großhändler, die auf professionelle Art und
Weise größere Mengen vertrieben. Die Großhändler reisten zwischen den Orten
hin- und her und besaßen für den Adel, der nach Luxusgütern aus fernen Gebieten
verlangte, eine besondere Bedeutung. Jedoch handelten sie nicht nur mit Waren,
sondern fungierten auch als Spione oder übernahmen diplomatische Aufgaben, etwa
Gesandtschaften. Sie standen sozial zwischen dem Adel und dem gemeinen Volk,
doch erlangten einige Händler so großen Reichtum, dass sie sich mit
Prestigeobjekten schmücken konnten, die sich sonst nur der Adel leisten konnte.
Mit der Zeit bildeten auch sie Gilden und schufen ein eigenes Rangsystem. Die
Händler stellten einen wichtigen ökonomischen Faktor für die Azteken dar, doch
mit der Eroberung der Stadt Tlatelolco im Jahr 1473, eines mächtigsten
Wirtschaftszentrums auf einer Nachbarinsel Tenochtitláns, wurde die
wirtschaftliche Macht der Azteken noch größer, als sie zuvor ohnehin schon
gewesen war.
Mit zunehmender Expansion der Azteken vergrößerte sich der
Strom von Tributlieferungen in die drei Städte des aztekischen Dreibundes. Die
Tribute wurden eroberten Städten auferlegt und dienten einerseits der
Versorgung der Grundbedürfnisse der Städte, andererseits aber auch zur
Entlohnung von Arbeitskräften, zur rituellen Speisung bei bestimmten Festen und
nicht zuletzt auch der Versorgung der Adeligen mit Luxuswaren. Als Ausgleich
wurden den eroberten Orten der Schutz vor Angriffen und Hilfeleistungen in
Zeiten der Not garantiert.
Die eroberten Gebiete wurden in zuletzt 38 Tributprovinzen
eingeteilt, deren Verwaltungen für die Erhebung zuständig waren, welche ein
aztekischer Tributverwalter (calpixqui) überwachte und koordinierte. Die am
häufigsten geforderten Güter waren außer den Nahrungsmitteln, wie Mais oder
Bohnen, Baumwolldecken und daneben je nach Gebiet Felle oder Vogelfedern, etwa
des Quetzalvogels, des Weiteren auch Meeresschnecken, Kakaobohnen oder
spezielle Kleidungsstücke. Eine andere Möglichkeit war die Anforderung von
Arbeitskräften für Bauvorhaben. Die Tribute wurden üblicherweise zu je zwei
Fünfteln an Tenochtitlán und Texcoco verteilt, das übrige Fünftel ging an
Tlacopán; manche Orte lieferten aber auch nur an eine der drei Städte. Nach der
Eroberung Mexikos durch die Spanier übernahmen diese die penibel geführten
Listen über das Ausmaß und die Art der Tributlieferungen und setzten sie für
ihre eigenen Zwecke ein.
Bei den Azteken nahm die Kriegsführung einen hohen
gesellschaftlichen Stellenwert ein. Bereits bei der Geburt wurden Jungen der
Schlacht „geweiht“; ebenso erhielten sie später eine stark militärische
Erziehung. Die besondere Bedeutung des Militärwesens zeigte sich insbesondere
im politischen Bereich, denn praktisch jeder, der ein hohes Amt übernahm,
musste sich zuvor im Krieg ausgezeichnet haben. Dies galt auch für Angehörige
des Adels und besonders für den tlatoani. Für alle Männer bestand eine
Wehrpflicht auf Zeit, es gab aber auch Männer, die ihr Leben lang als Krieger
dienten. Bewährte Krieger wurden in den Reihen der Adlerkrieger oder
Jaguarkrieger aufgenommen, denen in Tenochtitlán eigene Tempel geweiht waren.
Die Kriegsführung diente vor allem zwei Zwecken. Einerseits
gab es Kriege mit dem Ziel der Unterwerfung anderer Staaten, die danach
Tributleistungen zu entrichten hatten. Da sich besonders Tenochtitlán mit
zunehmender Größe nicht mehr selbst versorgen konnte, ergab sich die
Notwendigkeit, die Versorgung der Stadt durch jene Tributzahlungen
sicherzustellen. Bevor jedoch mit kriegerischen Handlungen begonnen wurde,
wurden nacheinander Gesandte aus Tenochtitlán, Texcoco und Tlacopán geschickt,
die offiziell die Unterwerfung forderten. Verweigerten sich die dortigen
Herrscher, griffen die Azteken an. Nach der Niederlage der angegriffenen Stadt
wurden ihr Tributzahlungen auferlegt. Die zu leistenden Tribute bestanden aber
nicht nur aus Nahrungsmitteln, sondern oft auch aus verschiedensten Materialien
oder auch Luxusgütern wie Quetzalfedern oder Kakao.
Allerdings unterwarfen die Azteken gezielt einige Städte
nicht, um so genannte Blumenkriege führen zu können. Dabei handelte es sich um
Feldzüge, die vorrangig die Gefangennahme feindlicher Krieger zum Ziel hatte,
die später den Göttern geopfert werden sollten. Krieger, die Feinde gefangen
nahmen, wurden hoch geschätzt und erlangten höchste Ehren. Bei dieser Art von
Krieg entfiel jedoch die Kriegserklärung durch Gesandte, vielmehr wurden die
Blumenkriege im Voraus von beiden Seiten geplant und zu einem bestimmten
Zeitraum in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt.
Religion
Die polytheistische Religion der Azteken beruhte auf der
Religion der Tolteken. Hauptgott war Huitzilopochtli, der Gott der Sonne und
des Krieges. Ein anderer besonders verehrter Gott war Quetzalcoátl, die gefiederte
Schlange, der einst ein Herrscher der Tolteken gewesen war und auf einem Kanu
aus der Welt fuhr. Er war als Quetzalcoatl-Ehecatl der Gott des Windes, des
Himmels, des Krieges, der Erde und ein Schöpfergott, doch besonders an ihm war,
dass alle Völker in der gesamten Umgebung der Azteken ihn verehrten. Neben ihm
gab es auch einige Götter unterschiedlicher Wichtigkeit, z.B. den Regengott
Tlaloc. Dabei ist eine Besonderheit, dass fast jeder Bereich durch mehrere
Götter abgedeckt wird.
Quetzalcoatl (Codes Borbonicus, 18. Jahrhundert)
Die Azteken, die eines natürlichen Todes starben, kamen nach
Mictlan, in die neunschichtige aztekische Unterwelt, regiert von dem Totengott
und der Totengöttin. Gefallene Krieger hatten die Ehre, die Sonne auf ihrem Weg
von dem Sonnenaufgang bis zum Zenit zu begleiten. Die Frauen, die im Kindbett
gestorben waren (ihre Art des überlebenswichtigen Krieges), begleiteten die
Sonne vom Zenit bis zum Sonnenuntergang. Menschen, die ertranken oder vom Blitz
erschlagen wurden, kamen in das Paradies des Regengottes Tlaloc, auch bekannt
als Paradies der Blumen.
Opferpraktiken
→ Hauptartikel: Opferkult der Azteken
Die Bedeutung und der Umfang aztekischer Menschenopfer sind
umstritten. Größtenteils stammen die Schilderungen verschiedenster grausamer
Opferrituale von spanischen Missionaren, welche ein Interesse daran hatten, die
Praktiken des heidnischen Volkes negativ darzustellen. Auch zweifelt man daran,
dass die von den Azteken selbst überlieferten Opferkulte in dieser Art auch in
vollem Umfang ausgeführt wurden. Daher sind die folgenden überlieferten
Aussagen nicht unumstritten. Andererseits scheinen neue Grabungsfunde die
Opferrituale zu belegen.[7][8]
Die Azteken sind berüchtigt für ihre religiös motivierten
Menschenopfer, die sie in großer Zahl ausführten. Dazu wurden gefangene
Krieger, Sklaven, aber auch Kinder verwendet. Manchmal opferten sich auch
aztekische Krieger selbst freiwillig, was als große Ehre angesehen wurde. Ein
Verfahren der Opferung bestand darin, die Menschen einzeln auf der Spitze der
Pyramiden auf einem Opferstein an ihren Armen und Beinen festzuhalten und ihnen
mit einem Steinmesser das Herz herauszuschneiden. Der Priester bespritzte sich
selber und die Götterstatuen mit dem frischen Menschenblut. Die Leiche wurde
anschließend die steilen Steinstufen hinabgeworfen. Bei besonders hochstehenden
Opfern wurden Teile gebraten und gegessen. Kinder wurden in Käfigen zugunsten
des Regengottes Tlaloc zum Weinen gebracht und man ließ sie verhungern. Die
Azteken führten sog. Blumenkriege mit ihren verfeindeten Völkern in
beiderseitigem Einverständnis. Bei diesen Blumenkriegen wurde im Kampf
möglichst nicht getötet; das Ziel bestand darin, Gefangene zu machen, die dann
als neue Opfergaben dienten. Diese Opferungen nannten sie nextlaualli –
„Schuldzahlungen an die Götter“. Sie sollten sicherstellen, dass die Sonne
jeden Morgen erneut aufgehen konnte.
Neuesten Erkenntnissen zufolge haben aber auch die „Könige“
selbst Blutopfer von sich gegeben (Schnitt in Hand/Arm/Bein/Ohr), um die
Gottheiten zu besänftigen oder zu bemühen; eine ähnliche Praxis ist auch von
den Maya bekannt. Es ist auch bekannt, dass die Priester des jeweiligen Tempels
sich in das Ohr schnitten, um Blut zu gewinnen, das für Rituale nötig war. Es
wurden nur sehr wenige von den damals bekannten 1600 Gottheiten angebetet, da
nicht alle so wichtig waren. Die Azteken hatten so viele Götter, weil sie bei
jedem Volk, das sie eroberten, deren Götter „adoptierten“ und zu ihren
dazunahmen. Deswegen waren auch nicht alle bekannt. Es gab verschiedene Stämme
unter den Azteken, von denen jeder „seine“ Gottheit bevorzugte.
Die Menschenopfer waren in diesem Maße vermutlich in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eingeführt worden und hatten sich erst
unter den Herrschern Axayacatl oder Auítzotl richtig behauptet. Einige
Wissenschaftler sehen in dieser Entwicklung bereits ein Zeichen der Dekadenz
und eines angekündigten Untergangs des Aztekenreiches, unabhängig von den
Spaniern.
Die Spanier sahen die Opferrituale, die Religion und sogar
die ganze Kultur der Azteken als Werk des Teufels. Charles C. Mann macht in
seinem Buch 1491. New revelations of the Americas before Columbus den Leser
darauf aufmerksam, dass die ganze Geschichte selbst von den Siegern – also von
den Konquistadoren – geschrieben wurde, welche jegliches Interesse hatten, die
aztekische Kultur in schlechtem Licht erscheinen zu lassen, was an den
archäologischen Befunden allerdings nichts ändert.
Kalender
Der aztekische Kalender kombinierte einen für den täglichen
Gebrauch und für die Wahrsagerei dienenden Zyklus von 260 Tagen, der
„tonalpohualli“ genannt wurde. In ihm wurden die Zahlen von 1 bis 13 mit 20
Zeichen verschränkt, so dass 20 verschiedene Kombinationen entstanden. Die
einzelnen Abschnitte von 13 Tagen begannen demnach mit je einem der 20 Zeichen
und wurden nach ihm benannt. Das Sonnenjahr „xihuitl“ dauerte 365 Tage, eine
Anpassung an die tatsächliche Länge des Sonnenjahres durch Schaltung wurde
nicht vorgenommen. Das Jahr bestand aus 18 Abschnitten zu 20 Tagen, die jeweils
mit einem großen Fest endeten. Am Ende des Jahres folgen noch 5 unnütze Tage
(nemontemi), die als unglücklich angesehen und in denen größere Aktivitäten
vermieden wurden.
Schrift
Die Azteken besaßen kein Schriftsystem, mit dem vollständige
Texte wiedergegeben werden konnten. Für ihre Aufzeichnungen und Monumente
verwendeten sie eine erzählende (narrative) Bilderschrift, in denen die
Sachverhalte so gut wie möglich abgebildet wurden. Durch konventionalisierte
Darstellungsweisen wurde die Präzision erhöht. Ergänzend wurde für Namen von
Personen und Orten und zur Kennzeichnung von Waren, Maßen und ähnlichem
hieroglyphenartige Zeichen verwendet. Mit ihnen wurden Inhalte (Ideogramme)
dargestellt oder Worte oder deren Teile durch feststehende Zeichen (Logogramme)
niedergeschrieben. In einer Reihe von Handschriften aus der Region von Texcoco
wurden statt der Logogramme oder ergänzend zu ihnen Silbenzeichen verwendet,
die aus Logogrammen entstanden sind. Fast alle vorspanischen Dokumente (Códices)
wurden von den spanischen Eroberern zerstört, da man meinte, sie beinhalten nur
Lügen des Teufels.
Teotihuacán ist eine ehemalige Stadt im mexikanischen
Bundesstaat México. Die heutige Ruinenstätte liegt in der Nähe der heutigen
Stadt San Juan Teotihuacán mit etwa 45.000 Einwohnern und befindet sich etwa 45
Kilometer nordöstlich von Mexiko-Stadt. Sie weist einige bemerkenswerte
Stufentempel auf, vor allem die große Sonnenpyramide.
Das Stadtgebiet war bereits seit dem sechsten
vorchristlichen Jahrhundert permanent besiedelt. Zwischen 100 und 650 nach
Christus war Teotihuacán das dominierende kulturelle, wirtschaftliche und
militärische Zentrum Mesoamerikas. Auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung besaß
die Stadt möglicherweise bis zu 200.000 Einwohner und war damit zu ihrer Zeit
die mit Abstand größte Stadt des amerikanischen Kontinents und eine der größten
Städte der Welt. Ab etwa 650 begann ihr Einfluss zu schwinden, bis die Stadt um
750 schließlich aus noch nicht vollständig geklärten Gründen weitgehend verlassen
wurde. In Zentralmexiko hielten sich jedoch kulturelle Einflüsse noch bis zur
spanischen Eroberung Mexikos.
Die Azteken, die bei ihrer Einwanderung ins Hochland von
Mexiko Teotihuacan als bereits seit mehreren Jahrhunderten verlassene
Ruinenstadt vorfanden, sahen in ihr einen mythischen Ort und benannten sie mit
dem bis heute fortlebenden Namen Teotihuacan (Tēotīhuacān[1]) Sie verstanden
diesen Namen als wo man zu einem Gott wird.
Die Stadt wird seit der Zeit der Ankunft der ersten Spanier
erforscht, professionelle Ausgrabungen finden jedoch erst seit etwa 1900 statt.
Das Fehlen schriftlicher Hinterlassenschaften erschwerte die Forschungsarbeiten
in nicht geringem Maße und bewirkte, dass viele Erkenntnisse nur durch
Interpretation von Funden gewonnen werden können. Teotihuacán gehört seit 1987
zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Die Ruinenstätte befindet sich in Zentralmexiko, nordöstlich
des Tales von Mexiko im Tal von Teotihuacán. Dieses umfasst ein Gebiet von gut
500 bis 600 Quadratkilometern und wird im Norden durch mehrere erloschene
Vulkane sowie im Süden durch eine Gebirgskette mit Bergen von bis zu 2800
Metern Höhe begrenzt. Durchflossen wird das Tal vom Río San Juan, der saisonal
durch mehrere kleinere Quellen gespeist wird und heute in den Xaltocan-See
mündet.
Im Tal von Teotihuacán herrscht ein warmgemäßigtes Klima;
zwischen 1921 und 1968 wurde ein durchschnittlicher Jahresniederschlag von 550
Millimetern pro Jahr und eine Jahresdurchschnittstemperatur von 14,8 Grad
Celsius gemessen.[2] Der Winter beginnt üblicherweise im Oktober und kann bis
in den Mai hinein andauern. Danach beginnt die bis Oktober dauernde Regenzeit,
wobei der größte Teil des Regens in den Sommermonaten fällt.
Für die Landwirtschaft ist das Tal nur bedingt geeignet.
Während der Ostteil vor allem flachgründige Böden aufweist und kaum Wasser
vorhanden ist, gibt es im Westteil tiefergehende Alluvialböden, und der San
Juan führt hier aufgrund einiger Quellen ganzjährig Wasser. Daneben gibt es in
unmittelbarer Nähe aber auch größere Vorkommen von nutzbaren Rohstoffen, etwa
Obsidian (vor allem am Ostrand des Tales), Kalkstein, Tonminerale und mehrere
Arten von Vulkangestein. Die Flora bestand vermutlich aus Wäldern mit Eichen
und Zypressen in den feuchteren sowie verschiedenen Sträuchern in den
trockeneren Gebieten.[3] An für den Menschen nutzbarer Fauna existierten
mehrere Hasen- und Kaninchenarten, Nagetiere, Vögel, Reptilien sowie eine
Hirschart, der Weißwedelhirsch.
Die Stadt Teotihuacán nahm auf dem Höhepunkt ihrer
Entwicklung eine Fläche von mehr als 20 Quadratkilometern ein.[4] Die Anlage
der Stadt erfolgte auf der Grundlage einer Rasteranordnung, die genauestens
befolgt wurde. So wurde etwa auch der Río San Juan, der die Stadt durchfließt,
durch Kanalisierung dem Raster angepasst.
Die Hauptachse der Stadt bildet die sogenannte Straße der
Toten (in Nahuatl: miccaotli), die die Stadt mit einer Abweichung von 15° 30′
nach Osten in Nord-Süd-Richtung durchzieht, jedoch nicht durchgehend, da sie
immer wieder durch Treppendämme unterbrochen wird. Das nördliche Ende der
Straße bildet die Mondpyramide mit dem ihr vorgelagerten Platz und dem
anliegenden Quetzalpapalotl-Palast. Im Süden läuft sie am Großen Komplex (Great
Compound) und dem diesem gegenüberliegenden Tempel des Quetzalcoatl vorbei auf
den Berg Cerro Gordo zu, auf dessen Gipfel ein Tempel errichtet war. Dort
befindet sich auch der große Hofkomplex, die ciudadela (Zitadelle), in der
möglicherweise die Herrscherfamilie oder deren direkte Untergebene lebten.
Dazwischen wird die Straße von zahlreichen Gebäuden flankiert, die man aufgrund
des großen Aufwandes, mit dem sie ausgestattet und errichtet waren, für
Wohnbauten der herrschenden Eliten hält.[5]
Das Zentrum der Stadt bildet die Sonnenpyramide, nach der
Großen Pyramide von Cholula die zweitgrößte Pyramide des amerikanischen
Kontinents.[4] Vor ihr befindet sich die plataforma adosada (zu deutsch etwa
„angeschlossene Plattform“), die als Zeremonialplatz gedient haben könnte. Die
Zone, in denen sich die größten Pyramiden sowie die oben erwähnten Wohnhäuser
der Oberschicht befanden, waren durch eine Mauer von der übrigen Stadt
abgetrennt. Die meisten Gebäude außerhalb davon wurden als sogenannte
Apartment-Compounds identifiziert, große Wohnkomplexe, die für mehrere Familien
ausgelegt waren. Sie waren jeweils in Gruppen (barrios, spanisch für
Wohnviertel) zusammengeschlossen, die sich wiederum um einen größeren Compound
gruppierten, der einen eigenen Tempelkomplex besaß. Es gab auch Viertel, die
von Angehörigen anderer Völker bewohnt wurden, so etwa von Zapoteken, Mixteken
und auch Maya.
Im Nordwesten Teotihuacáns befand sich einer der ältesten
Teile der Stadt, mit einer verhältnismäßig hohen Bevölkerungsdichte und vielen
Tempeln aus der Frühzeit der Stadt. Der Südwesten war dagegen eher spärlich
besiedelt, da sich dort der größte Teil der in direkter Umgebung der Stadt
angelegten bewässerten Felder befand. Im Osten war Landwirtschaft aufgrund des
zuvor geschilderten Wassermangels kaum möglich.
Die Sonnenpyramide liegt im Zentrum Teotihuacáns. Mit einer
Grundfläche von 222 mal 225 Metern, einer Höhe von gut 65 Metern sowie einem
Volumen von rund einer Million Kubikmetern ist sie die drittgrößte Pyramide der
Welt. Sie wurde um 100 nach Christus in einem Arbeitsgang errichtet und war damit
das erste größere Gebäude, das in Teotihuacán gebaut wurde. Ihren heutigen
Namen erhielt sie von den Azteken.
Die Pyramide besitzt heute fünf Stufen; ursprünglich waren
es nur vier. Der archäologische Laie Leopoldo Batres versuchte 1906 bei der
Freilegung, die Pyramide zu restaurieren und ging dabei von der Existenz von
fünf Stufen aus. Tatsächlich entstand die heutige fünfte Stufe überhaupt erst
durch Batres' Arbeiten aufgrund dieser Annahme. An der Seite, die zur Straße
der Toten weist, führt eine Treppe über die an der Pyramide angeschlossene
plataforma adosada auf die Spitze. Dort befand sich ein kleiner Tempel, der
heute nicht mehr zu sehen ist. In ihrem Kern besteht die Pyramide aus Adobe und
Basalt, während die Außenhaut mit Stuck überzogen und bemalt war, wovon heute
aber nichts mehr erhalten ist.
1968 wurde der Eingang einer Höhle entdeckt, die unter die
Sonnenpyramide führte. Dort wurden neben Artefakten aus der Zeit Teotihuacáns
auch Gegenstände aus aztekischer Zeit gefunden. Da außerdem in späteren
mesoamerikanischen Religionen Höhlen immer wieder als Orte der Schöpfung
galten, wird davon ausgegangen, dass die Pyramide religiösen Zwecken diente.
Welchem Gott die Sonnenpyramide geweiht war, ist noch nicht gesichert. Heute
existieren keine Malereien mehr, die die Verehrung eines bestimmten Gottes
belegen könnten; es wurde lediglich ein Gefäß mit einer Abbildung des
„Sturmgottes“ (oft mit dem späteren aztekischen Gott Tlaloc identifiziert)
gefunden, was aber allein ebenfalls kein stichhaltiger Beweis dafür ist, dass
dieser Gott hier auch verehrt wurde.
Die Kunsthistorikerin Esther Pasztory von der amerikanischen
Columbia University bringt die Pyramide dennoch mit einer bestimmten Gottheit
in Verbindung, der „Großen Göttin“.[6] Von ihr existieren einige Abbildungen,
die darauf deuten, dass sie eine Fruchtbarkeitsgöttin war. In einigen Fällen
wird sie darauf auch mit Höhlen in Verbindung gebracht. Pasztorys Annahme
beruht nun auf der Häufigkeit von Abbildungen der Großen Göttin und der daraus
resultierenden großen Bedeutung und auf der Interpretation der Höhle als
typisch weibliches Symbol.
Die am nördlichen Ende der Straße der Toten gelegene
Mondpyramide entstand rund ein Jahrhundert nach der Sonnenpyramide. Bei einer
Grundfläche von 120 mal 150 Metern erreicht sie eine Höhe von 46 Metern. Obwohl
sie damit eigentlich kleiner ist als die Sonnenpyramide, liegt ihre Spitze mit
der Spitze der Sonnenpyramide ungefähr auf gleicher Höhe, da die Mondpyramide
auf einer kleinen Erhebung liegt. Anders als die Sonnenpyramide entstand sie in
mehreren Etappen. Die früheste Mondpyramide wurde um 100 nach Christus
errichtet, bis 350 folgten insgesamt sieben Bauphasen. Grabungen unter der
Pyramide brachten mehrere Kammern zum Vorschein, in denen sich menschliche Überreste
fanden.[7]
Esther Pasztory vermutet, dass die Mondpyramide dem
„Sturmgott“ geweiht war, einer Gottheit, die laut Pasztory für Krieg und Opfer,
aber auch für politische Belange zuständig war.[8] Die Pyramide sei an diesem
erhöhten Platz errichtet worden, weil sie dort von praktisch jedem Punkt in der
Stadt aus sichtbar war. Mit der Architektur der Pyramide sollte demnach das
Volk auch darauf hingewiesen werden, dass die Stadt als Ganzes eine „Festung
der Ordnung“ [9] inmitten der chaotischen und ungeordneten Natur darstellte.
Die Ciudadela war vermutlich eine höfische Anlage oder ein
Palast, vergleichbar der Verbotenen Stadt in Peking. Die umgebenden Mauern
haben eine Seitenlänge von rund vierhundert Metern und schirmen das Innere
weitgehend von Blicken von außen ab. Zentrum der Anlage bildet ein
Gebäudekomplex, bestehend aus Wohnanlagen sowie dem in der Mitte gelegenen
Tempel des Quetzalcoatl, der „Gefiederten Schlange“. Die Ciudadela war nur über
einen kleinen Eingang an der zur Straße der Toten gewandten Frontseite zu
erreichen. Der Platz im Inneren kann nach Ansicht von George L. Cowgill
einhunderttausend Menschen Platz bieten und könnte dementsprechend für
kultische Zwecke benutzt worden sein.[10]
Besonders der Tempel hat immer wieder das Interesse der
Archäologen erweckt. Er hat eine Seitenlänge von 65 mal 65 Metern und ist im
tablero-talud-Stil errichtet. Der Bau des Tempels fand im Wesentlichen in drei
Phasen statt. Die erste Phase bestand aus einem kleineren Gebäude, das mit der
zweiten Phase überbaut wurde. In der zweiten Phase entstand die heutige
Pyramide, zeitgleich mit der Ciudadela nach 200 nach Christus. Später fügte man
in der dritten Phase eine plataforma adosada hinzu, wie sie auch die anderen
großen Pyramiden besitzen. Jedoch ist aufgrund der Skulpturierung hier
eindeutig zu sehen, dass die Pyramide dem Gott Quetzalcoatl geweiht war. An der
Frontseite befinden sich zahlreiche Skulpturen, die den Kopf einer gefiederten
Schlange darstellen. Es existieren aber noch weitere Darstellungen von anders
geformten Köpfen, die bislang noch nicht exakt zugeordnet werden konnten. [11]
Die heute gängigste Interpretation dieser anderen Kopfskulpturen besteht in der
Annahme, es handele sich dabei um eine Darstellung von Köpfen eines noch
unbestimmten Wesens mit Kopfschmuck. Diese Köpfe liegen auf dem Körper der
gefiederten Schlange.
Da Quetzalcóatl auf späteren Codices auch als Abendstern
auftaucht, ist es zudem möglich, dass mit der Pyramide auch dem Planeten Venus
gehuldigt wurde. Dafür sprechen auch die Ausmaße der Ciudadela als Ganzes, denn
mit der Teotihuacán Measurement Unit (TMU; Erklärung im Abschnitt Wissenschaft)
gemessen ist eine Seite der die Ciudadela umgebenden Mauer rund 484 TMU lang;
eine Zahl, die fast genau der Anzahl der Tage im Venuszyklus entspricht, an
denen der Planet als Morgen- oder Abendstern am Himmel zu sehen ist.
Darüber hinaus wurden in mehreren Ausgrabungsphasen immer
wieder Gräber mit menschlichen Überresten gefunden. Die Gräber enthielten
Opferbeigaben, doch waren einige zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung bereits von
Grabräubern geplündert worden.
Die Apartment-Compounds sind Wohnkomplexe, die ab der
Tlamimilolpa-Phase erbaut wurden und zu dieser Zeit die älteren Wohnhäuser aus
Adobe ablösten. Bis zur frühen Xolalpan-Phase errichteten die Bewohner
wahrscheinlich rund 2200 Compounds von unterschiedlicher Größe. In der Regel
besaß ein Compound eine Seitenlänge von fünfzig bis sechzig Metern [12] und war
aus Stein, in seltenen Fällen auch aus Adobe, gemauert und verputzt. Diese rechteckigen
Komplexe waren von einer mehrere Meter hohen Mauer umgeben und besaßen nur
einen Eingang. Im Inneren gab es viele in Gruppen („Apartments“) angeordnete
Räume, Höfe und Gänge und zusätzlich noch mindestens eine Tempelplattform. Nach
den Schätzungen von René Millon wurden die Apartment-Compounds von mindestens
sechzig, vermutlich aber durchschnittlich einhundert Menschen oder mehr
bewohnt. [13]
Jeder Compound wurde nach einem bestimmten Plan in einem
Baugang errichtet und jahrhundertelang bewohnt; bei Reparaturen wurde nur
selten etwas an der ursprünglichen Anlage verändert. Da sich hinsichtlich
Ausstattung und Ausmaßen zum Teil recht große Unterschiede ergeben, scheinen
die Compounds von verschiedenen gesellschaftlichen Schichten bewohnt gewesen zu
sein. Es wurde anhand dessen versucht, eine gesellschaftliche Ordnung zu
rekonstruieren (siehe dazu den Abschnitt Gesellschaft weiter unten). Besonders
in den niederen Schichten kam es so etwa vor, dass Räume auch für handwerkliche
Zwecke genutzt wurden. Die Apartment-Compounds waren außerdem in Vierteln
(„Barrios“) organisiert, die die nächsthöhere Organisationsform darstellten.
Gesellschaft
Die soziale Struktur Teotihuacáns kann nur indirekt
rekonstruiert werden, da direkte schriftliche Belege fehlen. Gemeinhin wird die
Gesellschaft in der Stadt anhand der unterschiedlichen Ausstattung der
Apartment-Compounds in sechs Schichten eingeteilt. An der Spitze standen
demnach die Herrscher mit ihren Familien, die in den Compounds in der Ciudadela
lebten. Darunter scheint eine Schicht von hohen Priestern und Beamten gestanden
zu haben, eventuell unterstützt von Kriegerhäuptlingen. Beide Schichten waren
wohl gemeinsam für die Organisation der Stadt zuständig; vermutlich umfassten
beide Gruppen nicht mehr als einige tausend Menschen. Der Großteil der
Bevölkerung war dagegen Teil der mittleren Schichten, also Bauern und
Handwerker sowie niedere Priester bzw. Beamte. Die Einteilung in diese drei
Schichten erfolgte hierbei nach den drei Compounds Zacuala-Palast, Teopancaxco
und Xolalpan, die jeder für sich jeweils eine Schicht repräsentieren. Zur
Unterschicht zählte eine kleinere Anzahl von Familien, die innerhalb eines
Compounds nur einen oder zwei Räume bewohnte und kleinere Hilfsarbeiten
verrichtete, etwa bei Bauarbeiten. Wahrscheinlich, aber bislang ungesichert,
ist zusätzlich die Existenz von reisenden Fernhändlern wie bei den Azteken
sowie einer etwas größeren Gruppe von Trägern.
Wirtschaft
Die Einwohner Teotihuacáns bezogen den Großteil ihrer
Nahrungsmittel durch Landwirtschaft. Angebaut wurden unter anderem Mais,
Bohnen, Amarant (eine getreideähnliche Pflanze), Paprika, Tomatillo (tomatl)
und Kürbisse. Häufige Anbaumethoden waren Terrassierung und
Bewässerungsfeldbau, zum Teil Sturzwasserfeldbau. Die Existenz von
Bewässerungssystemen, die von den Einwohnern Teotihuacáns genutzt wurden,
konnte erst 1954 durch Luftaufnahmen nachgewiesen werden. Das dazu nötige
Wasser stammt aus einem Quellensystem in der Nähe des heutigen San Juan
Teotihuacán, das möglicherweise von unterirdischen Flussläufen unter dem Cerro
Gordo gespeist wird. Eventuell gab es bereits eine Vorform der Chinampas, wie
sie die Azteken anlegten, auf Böden, die durch die Entnahme von Quellwasser
trockengelegt worden waren. Die Bauern in Teotihuacán hatten dabei nicht nur
ihre eigenen Familien zu versorgen, sondern auch die nicht in der
Nahrungsmittelproduktion arbeitende Bevölkerung zu ernähren. Bei einem
angenommenen Bedarf von 2000 kcal pro Kopf und Tag und zweihundert Arbeitstagen
im Jahr ergeben sich laut einer Studie von William T. Sanders und Robert S.
Santley [14] je nach Bodenbedingungen Überschüsse zwischen einer (Regenfeldbau)
und fünfzehn zusätzlich ernährten Personen (Chinampas). Dennoch konnte sich
Teotihuacán nicht aus eigener Kraft mit Nahrungsmitteln versorgen, für rund
dreißig bis fünfzig Prozent der Einwohner mussten die Nahrungsmittel importiert
werden.
Zusätzlich wurden auch noch Pflanzen gesammelt, etwa
Wacholderbeeren, Binsen, Portulak, Opuntien sowie einige Kräuterarten. Der Anteil
dieser Wildpflanzen an der Nahrung ist nicht sicher bestimmbar. Daneben wurden
noch Tiere gejagt, darunter vor allem Weißwedelhirsche, aber auch Kaninchen und
Wasservögel. Domestiziert wurden lediglich Truthähne und Hunde, doch ist es
unsicher, ob sie zu Ernährungszwecken gehalten wurden. Bislang wurden an
gefundenen Truthahnknochen keine Schlachtspuren gefunden und die Haltung eines
Hundes wäre bei weitem nicht rentabel genug gewesen.[15] Da bei den Azteken
jedoch Hundefleisch als Delikatesse galt, wird es für möglich gehalten, dass
dies auch für die Bewohner Teotihuacáns galt.
Für die große wirtschaftliche Bedeutung Teotihuacáns war
besonders Obsidian wichtig. Obsidian ist vor allem zur Herstellung von
Schneidewerkzeugen geeignet und verhältnismäßig leicht zu bearbeiten. Die
größten Obsidianvorkommen Mesoamerikas liegen im Umkreis von wenigen Dutzend
Kilometern um die Stadt und wurden zur damaligen Zeit auch ausgebeutet.
Hauptsächlich wurde der hochwertige grüne Obsidian verwendet, der im fünfzig
Kilometer in nordöstlicher Richtung gelegenen Pachuca abgebaut wurde, aber es
gibt auch Vorkommen von grauem und braunem Obsidian in der Nähe. Andere
verwendete Rohstoffe waren Ton für Keramik, Basalt, Adobe und Tuff für
Bauvorhaben sowie Mineralien wie Zinnober aus Minen im heutigen Bundesstaat
Querétaro für Malereien. Werkstätten konnten bislang jedoch fast ausschließlich
für Obsidianwerkzeuge und Keramik nachgewiesen werden.
Die Werkstätten waren aufgrund der angewandten
Herstellungstechniken sehr produktiv, während gleichzeitig der Verbrauch der
aus Obsidian gefertigten Werkzeuge eher gering war. Ein großer Teil davon
scheint für den Export gefertigt worden zu sein, denn während William T.
Sanders und Robert S. Santley eine Verbraucheranzahl von mehreren Millionen
Menschen annahmen [16], errechnete der amerikanischer Archäologe John Clark,
dass möglicherweise zehn bis zwanzig Handwerker für die Selbstversorgung der
Stadt ausgereicht hätten. [17]
Handel, insbesondere der Fernhandel, spielte eine große
Rolle für die Wirtschaft Teotihuacáns. Das genaue Handelsvolumen kann nicht
ermittelt werden. Innerhalb der Stadt erfolgte Handel vermutlich vor allem auf
dem Great Compound, einem großen Platz, der der Ciudadela gegenüber an der
Westseite der Straße der Toten liegt. Die Existenz kleinerer Märkte ist (noch)
nicht belegt. Mit dem Fernhandel wurde dagegen auch ein Teil der Rohstoffe in
die Stadt gebracht, der nur wenig oder überhaupt nicht in der Nähe zu finden
war. Dazu zählen etwa Baumwolle und Kakao aus Morelos, Hämatit, Jadeit, Türkis
und Zinnober aus dem Bereich der Chalchihuites-Kultur in Durango und Zacatecas
sowie Keramik aus anderen Regionen; exportiert wurden neben Keramik wie oben
erwähnt Obsidianwerkzeuge. Der Handel führte zu großem kulturellen Einfluss Teotihuacáns
bis in das Territorium des heutigen Guatemala und der USA hinein.
Die Religion spielte im Leben der Bewohner von Teotihuacán
eine zentrale Rolle.[18] Sie war polytheistisch, das heißt es gab mehrere
Götter, die jeweils eine oder mehrere „Aufgaben“ hatten. Viele der wichtigsten
Götter wurden von früheren Kulturen übernommen und auch noch Jahrhunderte
später von den Bewohnern Zentralmexikos verehrt. Unter anderem deshalb
bezeichnet man sie in der Forschung in Unkenntnis ihres echten Namens oft mit
ihren späteren aztekischen Namen, soweit eine eindeutige Identifizierung
möglich war. Zu diesen Göttern zählen unter anderem Quetzalcoatl, die
„Gefiederte Schlange“, Tlaloc, der Gott des Regens und des Ackerbaus, der „Alte
Gott“ Huehueteotl, der schon in der Präklassik in der Siedlung Cuicuilco
verehrt wurde und von dort aus nach Teotihuacán kam, und der „Fette Gott“ sowie
Xipe Totec, der hautlose Gott des Frühlings, beide Fruchtbarkeitsgötter. Eine
andere, wichtige Gottheit war zudem die „Große Göttin“. Oft hatte ein Gott
mehrere Erscheinungsformen; beispielsweise konnte Tlaloc als Schlange, Vogel
oder auch als Jaguar auftreten.
Entsprechend ihrer Funktionen wurden Rituale für jeden Gott
durchgeführt, wie Wandmalereien zeigen. Dabei wurden oft auch Opfer gebracht.
Die Frage, ob auch Menschen geopfert wurden, konnte während Ausgrabungen
endgültig geklärt werden, die zwischen 1998 und 2004 an der Mondpyramide
durchgeführt wurden. Archäologen unter Leitung von Saburo Sugiyama fanden dort
mehrere Gräber mit Toten, deren sterbliche Überreste sichtbare Spuren von
Gewaltanwendung aufwiesen, aber auch von Menschen, die lebendig begraben worden
waren.[19] Da in der Kunst oft auch Motive auftauchen, die mit dem Tod in
Verbindung gebracht werden, wird vermutet, dass ein Totenkult existierte.
Kunst und Architektur
Maske aus Serpentin, vermutlich Tlamililolpa-Phase,
Dumbarton Oaks-Museum, Washington D.C.
In nahezu allen Gebäuden in Teotihuacán gibt es
Wandmalereien. Sie sind die Hauptquelle für die Untersuchungen des täglichen
Lebens der Bewohner sowie der Gesellschaftsstruktur. Bei der Bemalung wurde
üblicherweise rot als Hintergrundfarbe verwendet; die übrigen Farben dienten
zur Darstellung der gewählten Motive. Diese sind zahlreich, ihnen wohnt aber
auch ein hohes Maß an Symbolik inne. Behandelt wurden unter anderem
mythologische und religiöse Darstellungen, aber auch Abbildungen von Menschen
bei ihren alltäglichen Tätigkeiten und vor allem von hohen Würdenträgern und
auch Kriegern in der Schlacht.
Skulpturen gibt es im Wesentlichen in zwei Formen: solche,
die unmittelbar in die Architektur eines Gebäudes eingebunden sind, und
kleinere Objekte, wie kleinere Figuren oder Masken. Für die erste Gruppe sind
die Skulpturen am Tempel des Quetzalcóatl beispielhaft, an dessen Fassade viele
Schlangenköpfe angebracht sind als Abbildung des Gottes Quetzalcóatl. Viele der
kleineren Skulpturen bestehen aus Stein, Alabaster, Obsidian und anderen
Werkstoffen und wurden mit Steinwerkzeugen bearbeitet. Nicht selten sind sie
mit Muscheln oder Obsidian verziert. Vasen und ähnliche Gefäße wurden dagegen
aus Ton gefertigt. Viele der Masken sind eher als Skulpturen zu betrachten, da
sie flache Rückseiten und keine Augen- und Mundöffnungen haben und daher
offenbar nicht zum Tragen durch Personen bestimmt waren.
Konstruktionsweise von tablero (ebener Fläche) und talud
(Schräge) bei der Gestaltung von Gebäudefassaden. Gelb: Tragplatten, rot:
Aufbau des Tablero, grün: innere Konstruktion, braun: rohe Oberfläche unter der
Stuckverkleidung (schwarz)
Die Gebäude in Teotihuacán wurden üblicherweise aus Stein
und Adobe errichtet. Charakteristisches Merkmal der Architektur ist dabei das
sogenannte Tablero-talud. Mit diesem Begriff wird die Abwechslung zwischen
einer senkrechten Fläche (tablero), die kastenartig hervorragt und deren
Innenfeld eingesenkt und oft auch bemalt ist, und einer nach oben und innen
ragenden Schräge (talud) bezeichnet. In der klassischen Periode Mesoamerikas
wurde das Tablero-talud nicht nur in Teotihuacán, sondern auch einigen anderen
Kulturen verwendet, doch ist das Vorkommen dieses Stilelements nicht als
alleiniges Indiz für eine Oberhoheit Teotihuacáns zu sehen, sondern war zu
dieser Zeit vielmehr ein allgemeines Stilmittel.
Ein anderes, typisches Kennzeichen ist der hohe Grad an
Symmetrie. Dies ist nicht nur bei einzelnen Gebäuden, sondern auch der
Anordnung eines einzelnen Gebäudes unter mehreren und sogar in der Stadtplanung
erkennbar. Teotihuacán war nach zwei Achsen in Ost-West- und Nord-Süd-Richtung
angeordnet und das gesamte Grundraster nach einer bestimmten Richtung
ausgerichtet. Ob dabei auch religiöse Motive eine Rolle spielten, wie etwa bei
den Maya, ist ungewiss.
Wissenschaft
Markierungskreis in der Ciudadela
Die ausgereifte Planung der Stadtanlage und der großen Bauten
lassen auf einen hohen Grad an mathematischen und astronomischen Kenntnissen
schließen, wenngleich zumindest letzteres nicht beweisbar ist.[20][21] Zwar
deutet die Ausrichtung des städtebaulichen Rasters auf den Sonnenuntergang am
12. August sowie am 29. April auch auf kalendarisches Wissen hin [22], doch
lässt sich dies auch aus der Sichtlinie zwischen Sonnenpyramide und dem Cerro
Gordo erklären. Für diese Interpretation spricht der Fund zahlreicher
Markierungskreise in und außerhalb von Teotihuacán, die vielleicht zur
Vermessung gedient haben könnten. Dem widerspricht jedoch die Tatsache, dass
solche Kreise auch im Inneren von Gebäuden gefunden wurden.
Für die Errichtung von Gebäuden war wahrscheinlich die
Teotihuacán Measurement Unit (TMU) entscheidend, eine Maßeinheit für eine Länge
von etwa 80 bis 85 Zentimetern. Es wird vermutet, dass diese Maßeinheit die
Standardeinheit für Längenmaße war, auf deren Grundlage die Maße nicht nur
einzelner Gebäude festgelegt wurden, sondern auch die Entfernungen zwischen den
wichtigsten Bauten. Letztlich bewiesen werden kann diese These jedoch noch
nicht.[23] Es wird aber dennoch angenommen, dass auch die Maße vieler Gebäude
oder Entfernungen zwischen Bauten, gemessen in TMU, sich auf wichtige
kalendarische Daten beziehen, denen auch in späterer Zeit noch Bedeutung zukam.
Ebenso gibt es keine Hinweise auf die Existenz einer
vollständig ausgearbeiteten Schrift. Es existieren zwar Glyphen, die von
manchen Forschern als entwickelte Vorform einer Schrift gesehen werden[24],
doch kann man hierbei nicht von lesbaren Texten sprechen. Welche Sprache die
Bewohner Teotihuacáns sprachen, ist deshalb unbekannt.
Die Geschichte Teotihuacáns musste komplett aus
archäologischen Funden rekonstruiert werden. Dabei ergaben sich zusätzlich zu
den Beschränkungen, die sich bei nicht-schriftlichen Quellen ergeben, einige
Schwierigkeiten, da es etliche Funde gibt, die ihrer Datierung nach überhaupt
nicht zu anderen Objekten am Fundort zu passen scheinen. Obwohl es
Erklärungsansätze für einige Fundobjekte gibt, bleibt ein genauer zeitlicher
Ansatz für die einzelnen Epochen schwierig zu definieren.
Aufstieg
Erste Spuren der Besiedlung des Tales von Mexiko lassen sich
für einen Zeitpunkt um 1500 vor Christus nachweisen. Das Tal wurde von Menschen
aus dem Süden bevölkert, deren Nachkommen mit einiger Wahrscheinlichkeit die
späteren Bewohner von Teotihuacán und der Nachbarorte waren.
Während der präklassischen Cuanalan-Phase (circa 550 bis 150
vor Christus) existierten auf dem späteren Stadtgebiet von Teotihuacán einige
Dörfer. In der nachfolgenden Patlachique-Phase (100 vor Christus bis zur
Zeitenwende) entstand daraus eine Stadt mit gut 20.000 Einwohnern, die rund 6
Quadratkilometer an Fläche einnahm. Der Stadtkern befand sich im Nordwesten des
späteren Zentrums. Über das Aussehen Teotihuacáns zu dieser Zeit kann man nur
Vermutungen anstellen, da aufgrund späterer Bebauung kaum Überreste von
Gebäuden der Patlachique-Phase blieben. Aus ebendiesem Grund bestehen die
archäologischen Funde dieser Epoche fast ausschließlich aus Keramik. Während
dieser ersten beiden Epochen war Teotihuacán eines von mehreren regionalen
Zentren im Tal von Mexiko. Im ersten vorchristlichen Jahrhundert wurde jedoch
die Siedlung Cuicuilco im Südwesten des Tals, die zuvor der größte Konkurrent
Teotihuacáns gewesen war, durch einen Vulkanausbruch zerstört. In der Folgezeit
stieg die Einwohnerzahl von Teotihuacán sprunghaft an, vermutlich da die Stadt
viele Flüchtlinge aus Cuicuilco aufnahm.[25]
In den ersten beiden Jahrhunderten nach Christus
(Tzacolli-Phase bis 150 nach Christus) wurden schließlich die Grundzüge für das
heutige Aussehen der Stadt gelegt. Es entstanden die Sonnenpyramide, die Straße
der Toten sowie eine Vielzahl kleinerer Tempel. Wie viele Einwohner Teotihuacán
zu dieser Zeit besaß, kann kaum bestimmt werden; die Schätzungen liegen
zwischen 30.000 und 80.000 Menschen. Die Stadt erstreckte sich aber bereits auf
einer Fläche von über 20 Quadratkilometern und hatte damit ihre größte
Ausdehnung erreicht. Der Bevölkerungszuwachs späterer Jahrhunderte wurde durch
eine höhere Bebauungsdichte erreicht. Es wird vermutet, dass die Gründe für das
schnelle Wachstum hauptsächlich spiritueller Natur sind. Dafür spricht
einerseits die Existenz einer 1968 entdeckten Höhle unter der Sonnenpyramide,
die nachweislich für kultische Handlungen benutzt wurde, und der Bau der
wichtigsten Tempelgebäude in einem relativ frühen Abschnitt der Geschichte
Teotihuacáns. Letzteres dürfte ohne einen hohen Grad an organisierter
Verwaltung kaum möglich gewesen sein, was später auch das wirtschaftliche
Wachstum begünstigte.[5] In der folgenden Miccaotli-Phase (150 bis 250)
entstanden im Zuge einer Einteilung der Stadt in vier große Teile zudem auch
die Straße der Toten, die Cuidadela und der Tempel des Quetzalcoatl.
Blütezeit
Ab dem dritten Jahrhundert stieg Teotihuacán endgültig zur
dominierenden Großmacht auf. Die Bevölkerungszahl stieg in der Zeit der
Tlamimilolpa-Phase (circa 200 bis 450) auf eine Größenordnung zwischen 100.000
und 200.000 Menschen, die sich immer noch auf 20 Quadratkilometern Fläche
konzentrierten. Statt der früher aus Lehmziegeln (Adobe) errichteten Häuser
baute man nun größere Wohnkomplexe, die sogenannten Apartment-Compounds und
überbaute viele der alten Gebäude. In dem Maße, wie Teotihuacáns
wirtschaftliche Macht anwuchs, vor allem durch den Handel mit Obsidian,
strömten nun auch Angehörige anderer Völker in die Stadt, wo sie eigene Viertel
bewohnten. Die landwirtschaftlichen Erträge aus dem Bewässerungsfeldbau im Tal
von Teotihuacán alleine reichten jedoch nicht mehr aus, die Bevölkerung zu
ernähren, weshalb Nahrungsmittel aus dem Tal von Mexiko und aus der Gegend des
heutigen Pachuca de Soto importiert werden mussten.
Der kulturelle Einfluss Teotihuacáns begann sich in der
Tlamimilolpa-Phase auszuweiten. Bei den Maya tritt eine erste Beeinflussung im
vierten Jahrhundert auf, die sich in der Folgezeit in Architektur und Kunst
niederschlägt. Am deutlichsten kann man dies in der Umgebung der Städte
Kaminaljuyú und Tikal erkennen. Ob die Beeinflussung durch eine militärische
Eroberung und eine nachfolgende direkte Kontrolle durch Teotihuacán oder
anderweitig zustande kam, ist nicht gesichert; nur in Tikal ist eine
militärische Einflussnahme im Jahr 378 nachweisbar.[26]
Den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte Teotihuacán jedoch
erst in der Xolalpan-Phase (rund 450 bis 650). Der Einfluss der Stadt
erstreckte sich nunmehr über einen Großteil Mesoamerikas. Neben den
unübersehbaren künstlerischen und architektonischen Ähnlichkeiten bei den Maya
sind selbst im Gebiet der Hohokam-Kultur im heutigen Grenzgebiet zwischen den
USA und Mexiko Handelsbeziehungen mit Teotihuacán und kultureller Einfluss
nachweisbar. In der Stadt selbst verdichtete sich die Besiedlung nochmals.
Niedergang
Es scheint, dass bereits in der ersten Hälfte des sechsten
Jahrhunderts die große kulturelle Ausstrahlung Teotihuacáns zu schwinden
begann. Dies führte in den jeweiligen Gebieten, insbesondere bei den Maya, zu
kulturellen Krisen, die mehrere Jahrzehnte andauerten. Die Bautätigkeit in
Teotihuacán blieb jedoch weiterhin ungebrochen; es kam sogar noch zu einer
erneuten Bevölkerungskonzentration, bis schließlich rund 90 Prozent der
gesamten Bevölkerung des Tales von Teotihuacán in der Stadt selbst lebte.
Erst ab 650, mit dem Beginn der Metepec-Phase, begann die
Bevölkerungszahl aus unbekannten Gründen zu schrumpfen. Die Stadt scheint ihre
ursprüngliche Bedeutung als wirtschaftliches Zentrum allmählich an Konkurrenten
verloren zu haben, bis sie sich schließlich nicht mehr selbst versorgen konnte.
Um 750 kam es zum fast völligen Zusammenbruch. Die wichtigsten Gebäude im
Zentrum der Stadt wurden niedergebrannt, der Großteil der übrigen Viertel blieb
dabei aber weitgehend ohne Schäden. Anzeichen für einen Angriff von außen gibt
es nicht. Es wird daher vermutet, dass die Einwohner die Zerstörungen in einem
rituellen Akt selbst angerichtet haben, wie es schon von den Olmeken bekannt
ist.[27] Gleichzeitig verließen rund 80 Prozent der verbliebenen Bevölkerung
die Stadt. Die Vermutung, ein extrem kaltes Jahr (535-536), das in Europa,
Afrika und Asien historisch nachgewiesen ist[28], hätte diesen dauernden Effekt
gehabt, ist nicht überprüfbar. Gegen diese These spricht, dass außerhalb des
Tals von Teotihuacan keine entsprechende Erscheinung festzustellen ist. Nach
der Aufgabe der Stadt existierte in Zentralmexiko rund zwei Jahrhunderte lang
ein Machtvakuum, das zunächst von keinem anderen kleineren Zentrum ausgefüllt
werden konnte, bis die Tolteken im 10. Jahrhundert schließlich die
Vorherrschaft erlangten.
Nach kurzer Unterbrechung kam es zu einer erneuten,
wenngleich nicht sehr zahlreichen Besiedlung der äußeren Viertel. Allerdings
konnten die Bewohner den früheren großen kulturellen und wirtschaftlichen
Einfluss Teotihuacáns nicht mehr wiederherstellen. Ebenso erreichte das
Kunsthandwerk nicht mehr seine ehemalige Qualität. Die letzten Bewohner
verließen die Stadt mindestens ein Jahrhundert nach der Zerstörung des
Stadtzentrums. Jedoch geriet die Stadt nie ganz in Vergessenheit, sie wurde
stattdessen zu einem wichtigen Wallfahrtsort. Insbesondere die Azteken
verehrten Teotihuacán, da sie den Ort als den Platz ansahen, an dem die Welt
erschaffen und ihre Götter geboren wurden.
Auch nach der Unterwerfung der Azteken durch die spanischen
Konquistadoren zwischen 1519 und 1521 geriet Teotihuacán nie völlig in
Vergessenheit. Die spanischen Chronisten wie Bernardino de Sahagún, Toribio de
Benavente Motolinía, Gerónimo de Mendieta sowie dessen Schüler Juan de
Torquemada erwähnen die Stadt in ihren Schriften. 1675 ließ Carlos de Sigüenza
y Góngora einige Grabungen im Bereich der Mondpyramide vornehmen und einen
Tunnel in die Mondpyramide graben. Seine Arbeiten waren die ersten
archäologischen Ausgrabungen auf dem amerikanischen Kontinent. Auch in
Alexander von Humboldts Ansichten der Kordilleren und Monumente der
eingeborenen Völker Amerikas findet Teotihuacán Erwähnung, wenngleich aus dem
Werk nicht hervorgeht, ob er die Ruinenstätte selbst besucht hat. 1864 ließ die
Comisión Científica de Pachuca die Pyramiden vermessen und ihre geographischen
Koordinaten feststellen sowie eine Landkarte des Gebietes erstellen.
Dennoch konzentrierte sich das Interesse der damaligen
Archäologen vorwiegend auf die Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten Stätten
der Maya. 1884/85 begann der Mexikaner Leopoldo Batres mit einer Reihe von
Ausgrabungen und restaurierte dabei einige der Monumente. Er wurde jedoch
schwer kritisiert, da während der Ausgrabungen immer wieder Artefakte
beschädigt wurden und er in den Augen vieler Archäologen nicht wissenschaftlich
arbeitete. Diese Vorwürfe waren nicht ganz unbegründet, denn Batres war kein
ausgebildeter Archäologe, sondern hatte seine Kenntnisse durch Eigenstudium
erworben. Allerdings bewirkten seine Maßnahmen auch, dass sich der mexikanische
Staat zur Finanzierung weiterer Forschungsprogramme bereit erklärte.
Intensivierung der Forschungen
1915 fasste der deutsche Archäologe Eduard Seler die
bisherigen Erkenntnisse in seinem Werk Die Teotiuacan-Kultur [sic!] des Hochlands
von Méxiko zusammen und analysierte sie. Er interpretierte die Ruinen als
Relikte einer herausragenden Kultur, die innerhalb einer einheitlichen
kulturellen Tradition eine wichtige Rolle innehatte. Von 1917 bis 1922 leitete
dann Manuel Gamio die Ausgrabungsarbeiten in Teotihuacán, ein Schüler des
deutschen Anthropologen Franz Boas und seit 1917 Direktor der neu gegründeten
Dirección de Antropologia. Er ließ den Tempel des Quetzalcóatl restaurieren und
unternahm eine Untersuchung der stratigraphischen Abfolge. Nach dem Ende der
Ausgrabungen veröffentlichte er im dreibändigen Werk La población del Valle de
Teotihuacán die Ergebnisse seiner Forschungen. Darin verglich Gamio die
ursprüngliche indigene Bevölkerung mit der späteren Mischlingsbevölkerung in
gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht. Zu diesem Zweck untersuchte er in
seiner Arbeit unter anderem die geographischen und geologischen Verhältnisse
des Terrains, die körperliche Beschaffenheit der präkolumbischen Einwohner,
ihre religiösen Ansichten, ihre Architektur und auch ihre Kunstwerke, wobei
sich dieser Teil fast ausschließlich auf Skulpturen bezog. Er kam zu dem
Schluss, dass die indigene Gesellschaft immer mehr an Einfluss verlor und in
der Gegenwart vom Verlust ihrer kulturellen Identität bedroht war.
Gamios Werk erweckte endgültig das Interesse der Fachwelt.
1922 wurde im Zuge einer Untersuchung der Keramiktypen und -stile festgestellt,
dass man erst die Beziehungen Teotihuacáns zu anderen Kulturen Mesoamerikas
erforschen müsse, um die Entwicklung der Stadt selbst rekonstruieren zu können.
In den dreißiger Jahren versuchten George Vaillant und Eduardo Noguera, diese
Schlussfolgerung aufzugreifen. Sie stellten Gemeinsamkeiten im Keramikstil mit
Funden aus den mexikanischen Bundesstaaten Guanajuato, Michoacán, Jalisco und
Zacatecas fest.
Der Schwede Sigvald Linné fand dann 1932 mit dem
Xolalpan-Compound den ersten Apartment-Compound; 1942 folgte die Entdeckung des
Tlamimilolpa-Compounds. Er konnte mit der Mazapa-Kultur erstmals eine frühere
Kultur von der Teotihuacáns abgrenzen. Seine Ergebnisse wurden in den ersten
umfassenden Ausgrabungsberichten über Teotihuacán veröffentlicht. Alfonso Caso
fand zudem 1940 die Tlalocán-Wandmalereien, die ein erstes Bild vom täglichen
Leben der Bewohner Teotihuacáns lieferten. Eine andere Studie im Viking-Komplex
(benannt nach der Stiftung, die die Studie finanzierte) machte es 1944 zudem
möglich, zumindest einige Eckpunkte der Chronologie festzulegen. Dem
Ausgrabungsleiter Pedro Armillas gelang es, verschiedene Architektur- und
Keramikstile in Verbindung zu bringen.
Die archäologischen Großprojekte der sechziger und siebziger
Jahre
In den fünfziger Jahren übernahm das mexikanische Nationale
Institut für Geschichte und Anthropologie (spanisch Instituto Nacional de
Antropología e Historia) die Grabungsarbeiten und ließ hauptsächlich mehrere
weitere Compounds untersuchen. Das 1960 initiierte Proyecto Teotihuacán hatte
insbesondere die Strukturen entlang der Straße der Toten im Blick. Neben dem
Quetzalpapalotl-Palast wurden insgesamt zehn weitere neue Gebäude freigelegt,
wodurch das zeremonielle Zentrum entdeckt war. Der Schwerpunkt lag neben der
Ausgrabung bislang unerforschter Gebäude außerdem auf der Entdeckung von
Wandmalereien und Friesen, jedoch bemühte man sich auch, die Ausgrabungsstätte
verstärkt für Touristen zugänglich zu machen. Nach 1962 wurde das Projekt
intensiviert und es kam zur Restauration des Zeremonialzentrums. Schließlich
wurde es auch noch möglich, eine komplette Abfolge der Keramikstile aufzustellen.
1962 begann die University of Rochester mit dem
großangelegten Teotihuacán Mapping Project. Bis 1970 wurde das Gebiet von
Teotihuacán systematisch kartiert und die Grenzen der Stadt selbst gesucht. Zu
diesem Zweck teilte man das Stadtgebiet in 500 mal 500 Meter große Planquadrate
ein und vermaß gezielt alle gefundenen Gebäude. 1973 konnten erste Ergebnisse
der Studie veröffentlicht werden. Hauptergebnis des Projektes war die
Erstellung einer detaillierten Karte der alten Stadt und ihrer Umgebung;
daneben konnte man nun auch die Entwicklung der Stadt nachvollziehen. Das
Projekt schaffte zudem erstmals einen echten Eindruck von der Bedeutung
Teotihuacáns und bildete die Grundlage für viele spätere Studien.
Währenddessen wurden zwischen 1960 und 1975 im Zuge des
Teotihuacán Valley Project im gesamten Tal von Mexiko archäologische Surveys
durchgeführt, um die frühe Siedlungsgeschichte des Tals zu erforschen.
Schwerpunkte lagen dabei auf der agrartechnischen und der demographischen
Entwicklung sowie der Entwicklung der Institutionen früher Hochkulturen.
Neuere Forschungen
Ab 1970 widmete man sich erneut den Zeremonialkomplexen
sowie den Compounds. Das Proyecto Arqueológico Teotihuacán untersuchte zwischen
1980 und 1982 die soziale und wirtschaftliche Struktur Teotihuacáns sowie den
wissenschaftlichen Stand, etwa auf den Gebieten der Astronomie und der
Mathematik. Unter den untersuchten Objekten waren der Tempel des Quetzalcóatl,
die Ciudadela und einige Wohnkomplexe. Bis in die neunziger Jahre hinein
entstanden so Untersuchungen über die räumliche Organisation der einzelnen
Compounds und ihre Eingliederung in das wirtschaftliche Gesamtsystem. Auch
versuchte man sich erstmals an der Erforschung der politischen Geschichte.
Weitere Untersuchungen befassen sich mit der Töpferei, der Umwelt und der
Obsidianverarbeitung.
Die Ausgrabungen dauern unvermindert an, während zugleich
die Zahl der Touristen stetig ansteigt.
Am 4. August 2010 wurde bekannt gegeben, dass der Eingang zu
dem 2003 nahe dem Tempel der Gefiederten Schlange mit Bodenradar entdeckten,
etwa 100 Meter langen Tunnel an der erwarteten Stelle lokalisiert werden
konnte. Der Tunnel war 1800 Jahre lang verschlossen, und es wird damit
gerechnet, dass am anderen Ende die Grabkammern der alten Herrscher von
Teotihuacán liegen könnten. Im November 2010 wurde der geöffnete Tunnel
erstmals mit einer ferngesteuerten fahrbaren Kamera erforscht.[29]
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