Lüneburger Heide Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Ein Rundgang durch die Iserhatsche beginnt mit der his-torischen Jagd-Villa, die dem Gesamtkunstwerk den Na¬men gab. Das Jagdschloss im schwedischen Holzbaustil nennt der heutige Schlossher „das erste Fertighaus in der Lüneburger Heide" — ein imposantes Fertighaus aller¬dings, mit 30 Zimmern auf 1 500 Quadratmetern. 1910 war es auf der Weltausstellung in Brüssel gezeigt wor¬den. Dann wurde es dort demontiert, um an seinem jet¬zigen Ort in der Nähe Bispingens wieder aufgebaut zu werden — für den Königlich Preußischen Kommerzienrat Ernst Nölle, den Großvater der Demoskopin Elisabeth Nölle-Neumann. Das VVort„Iserhatsche" kommt übri-gens aus dem Schwedischen und bedeutet so viel wie „Eisenherz" Es war des Kommerzienrates Kosename aus Kindertagen, der bis heute erhalten blieb. 1928 kauf¬te die Familie Reemtsma das Anwesen, das im Zweiten Weltkrieg als Lazarett und von 1962 bis 1990 als Land¬schulheim für Berliner Kinder diente. So lernte es der heutige Besitzer Uwe Schulz-Ebschbach kennen, dessen Kinder hier zur Erholung weilten. 1986 kaufte er das stark in die Jahre gekommene Gebäude samt der umlie¬genden 23. Hektar. Drei Jahre später begann er damit, das Schloss zu restaurieren und (s)eine Fantasiewelt in¬mitten der Natur zu schaffen.
Bilder aus Schloss Sanssouci
Im Schloss werden sechs Zimmer gezeigt, etwa der „Ka¬min-Trophäen-Raum" mit Möbeln aus der Jahrhundert¬wende. Jedes einzelne Stück hat der Hausherr persönlich in Antiquariaten erworben. An den Wänden hängen Hei¬debilder und Jagdtrophäen. Da der Eigentümer selbst je¬doch kein Jäger ist oder war, kaufte er in Hamburg die Bestände eines Jagdausstatters mit Hunderten von Ge¬weihen auf. Das „Damen"- bzw. „Jagdzimmer" ist ganz im Biedermeier-Stil eingerichtet. Die Wände sind mit ei¬ner handgedrucken Tapete verziert, die Jagdgesellschaf¬ten in der Heide zeigt, die Teppiche sind aufgemalt. Im „Diana-Sanssouci-Zimmer" hat Uwe Schulz-Ebschbach Wandbilder der Jagdgöttin aus Schloss Sanssouci an die Wände kopiert. Zu sehen sind Werke von Francois Bou¬cher, Tizian und Peter Paul Rubens. Selbstverständlich hat der Hausherr auch hier eigene Ideen verwirklicht. So gibt es an dem von einem einheimischen Handwerker gebau¬ten Tisch eine Fernbedienung, mit der ein höchst eigen-williges Glockenspiel im „ Ebereschen-Eisen-Glocken¬baum" bedient werden kann, der von diesem Raum aus auch im Garten zu sehen ist. Das Glockenspiel spielt dann diverse Melodien. Lieblingsmelodie des Schlossherrn ist die thüringische Hymne „Unterm Vogelbeerbaum':
Glockenklang und Lebensweisheiten
Der Glockenbaum hat die stattliche Höhe von acht Me¬tern, einen Stammumfang von 2,38 Metern und 12 be¬spielbare Glocken. Er ist — ebenso wie zahlreiche weitere Skulpturen im „Philosophischen Barocken Eisenpark" — ein Werk des Berliner Malers und Bildhauers Wulfried 0. Hengstenberg. Seit über 30 Jahren arbeitet der interna¬tional bekannte Künstler in der ältesten Schmiede Berlin- Schönebergs. Sein „Ebereschen-Eisen-Glockenbaum" ist zugleich der Mittelpunkt des Eisenparks, der mit sei¬ner Sammlung von über 200 philosophischen Sprüchen
auf den schneeweißen Balken des umlaufenden Spaliers zum Lesen und Nachdenken animiert. Eine kleine Kost¬probe: „Willst der Welt Dich erfreuen, musst Du ihr Wer¬te verleihen." Hierbei handelt es sich übrigens um eine von Dirk Roßmann abgewandelte Goethe-Sentenz. Der Unternehmer gehört zu den regelmäßigen Besuchern, Freunden und Förderern der Iserhatsche.
Ein Zauberberg der Sammelwut
Das eindrucksvollste Bauwerk der Iserhatsche ist ohne Zweifel der „Montagnetto': was übersetzt „kleiner Berg" heißt. Der künstliche Felsen, der in Anlehnung an die Fel¬seninsel „Stein" im Wörlitzer Park entstand, ist ein Multi-funktionsbau mit Wasserfall, Vulkan, Burg und einem schier unerschöpflichen Innenleben. Da gibt es eine „Backofengrotte" eine „Hochzeitsschmiede"für standes¬amtliche Trauungen und eine Säulenhalle, den „Sala del Monte': der Platz für 100 Personen bietet. Die neue Landmarke der Lüneburger Heide beherbergt zugleich die größte Streichholzschachtel-Sammlung (Fachbegriff: „Phillumenie") der Welt: 300 000 Schachteln und Brief¬chen konnten für die Nachwelt gerettet werden und be¬weisen anschaulich, wie stilvoll eine kleine Flamme vor der Erfindung des Einwegfeuerzeugs entfacht werden konnte. Weitere außergewöhnliche Sammlungen im Montagnetto: Zuckerwürfel, Kaffeesahne-Deckel, Spiel¬karten, Spieluhren und neuerdings auch Mini-LKW. Be¬sondere Bedeutung kommt den Sammlungen rund ums Bier zu, dem Uwe Schulz-Ebschbach als „weltumspan¬nender verbindender Flüssigkeit" ein besonderes Denk¬mal setzten wollte. 16 484 original abgefüllte Bier flaschen aus 168 Ländern sind hier versammelt, außer¬dem 1,5 Millionen Kronenkorken und Bierdeckel.
Die Arche im Garten
Die neueste Sehenswürdigkeit auf der „Iserhatsche" ist ein Nachbau der Arche Noah in Garten des Montagnetto. 30 Meter lang, 15 Meter breit und 10 Meter hoch. Auch wenn Uwe Schulz-Ebschbach nicht direkt den göttlichen Auftrag zum Bau des biblischen Rettungsbootes erhielt, vielmehr Holzheizungsanlage und Geräteschuppen der Iserhatsche stilvoll verkleiden wollte, macht dieses Bau¬werk doch jedem klar, dass die Bewohner der iserhat¬sche auf alles vorbereitet sind —Weltuntergang inklusive. Auf jeden Fall lohnt es, sich dieses höchst eigenwillige Ensemble anzusehen. Es versetzt den Besucher in eine Fantasiewelt, zu der Kinder noch leichter Zugang finden als Erwachsene. Die zuständigen Baubehörden ließen „dem Verrückten aus Berlin" bei seinen Bauwerken wei¬testgehend Narrenfreiheit. Der Schlossherr selbst spricht von einer „kontrollierten Baufreiheit': Einzige Bedingung: Zugang für die Öffentlichkeit.
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