Adele Spitzeder 1832-1895 Finanzen Trading von
Selzer-McKenzie SelMcKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Adele Spitzeder (auch Adele Vio; * 9. November 1832 in
Berlin; † 27. Oktober 1895 in München) war eine deutsche Schauspielerin und
Betrügerin.
Adele Spitzeder war die Tochter des Sänger- und
Schauspieler-Ehepaars Josef Spitzeder und Betty Spitzeder-Vio. Sie besuchte
teure Privatschulen und verkehrte in der vornehmen Gesellschaft. 1856 gab sie
ihr Debüt als Schauspielerin in Coburg und war dann in Mannheim, München,
Brünn, Nürnberg, Frankfurt am Main, Karlsruhe und Altona engagiert. Sie hatte
mehrere Lebensgefährtinnen.
Spitzeder hatte keine eigene Wohnung, sondern lebte in
Hotels und Gasthäusern und unterhielt eine Privatangestellte. Diesen
aufwändigen Lebensstil konnte sie mit ihren Einkünften aus der Schauspielerei
nicht finanzieren.
Völlig mittellos, versprach sie einem Zimmermann zehn
Prozent Zinsen im Monat für 100 Gulden und zahlte ihm die ersten beiden
Monatszinsen sofort aus. Dies sprach sich schnell herum und bald kamen weitere
Bürger, die ihr Geld zu diesen Konditionen anlegen wollten. 1869 gründete sie
zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Emilie Stier in der Münchner Dachauer Straße
eine Bank. Die Zinsen zahlte sie weiterhin bar aus, was damals nicht üblich war
und ihrem Unternehmen einige Mundpropaganda bescherte.
Die „Spitzedersche Privatbank“ wurde innerhalb kürzester
Zeit vom Geheimtipp aus Insiderkreisen zum Großunternehmen. Spitzeder zog 1871
aus einem einfachen Hotel in das für 54.000 Gulden erworbene Haus in der
Schönfeldstraße Nr. 9, in erster Lage Münchens. Dieses Anwesen ließ sie für
ihre Zwecke umbauen und aufwändig einrichten.
Ihr Geschäftsgebaren und ihre Buchführung waren nicht nur
unkonventionell, sondern regelrecht chaotisch. Das Geld wurde säckeweise in der
Wohnung gestapelt und teils im Tresor eines Friseurs verwahrt. Angestellte,
alle ohne kaufmännische Ausbildung, bedienten sich regelmäßig an den Geldern
und die Finanzbuchführung beschränkte sich auf ein Quittungsbuch, in dem
vermerkt wurde, wer wie viel eingezahlt hatte. Eine systematische kaufmännische
Verwaltung der von ihr vereinnahmten Fremdgelder fand nicht statt; das
Spitzedersche Grundkonzept war ein Schneeballsystem.
Spitzeder wusste um die Vorteile einer guten öffentlichen
Präsentation; sie bestach mehrere Redakteure mit bis zu fünfstelligen
Guldenbeträgen für ein positives Presseecho. Zeitweise unterhielt sie sogar
eine eigene Zeitung. Kreditvermittlern zahlte sie Provisionen in Höhe von fünf
bis sieben Prozent der jeweils ausgereichten Darlehenssumme. Mit großzügigen
Spenden und manchmal resolutem, manchmal fromm wirkendem Auftreten verschaffte
sie sich Vertrauen und den Ruf als Wohltäterin. So eröffnete Spitzeder etwa die
Volksküche im Orlandohaus am Platzl.
Aufgrund der meist bäuerlichen Kundschaft aus dem nördlichen
Umland Münchens wurde ihre Einrichtung bald „Dachauer Bank“ genannt. Der
Spitzedersche Haushalt mit angeschlossener „Bank“ hatte 40 Angestellte. Bauern
verkauften ihre Höfe, weil sie glaubten, von den Zinsen leben zu können.
Spitzeder erweiterte ihre Geschäfte und kaufte und verkaufte diverse Häuser und
Grundstücke in ganz Bayern.
Spitzeder konnte dem stärker werdenden Druck der Regierung,
der Banken und einzelner Zeitungen, die gegen die „Schwindelbank“ zu Felde
zogen, noch einige Zeit widerstehen. Als die Gegner etwa 60 Gläubiger
organisierten, die sich gleichzeitig ihr Geld auszahlen lassen wollten, brach
die Bank zusammen. Spitzeder war nicht solvent und wurde am 12. November 1872
unter dem Vorwurf des Betrugs verhaftet.
In knapp zwei Jahren wurden 31.000 Bürger um insgesamt 8
Millionen Gulden geprellt. Einige begingen Suizid. Auch Gemeinden waren
ruiniert. Parallel dazu stürzten Bankensystem und Wirtschaft in die
Gründerkrise, als deren Teil der Spitzeder-Bankrott gilt.
Adele Spitzeder wurde vor Gericht gestellt und nach
zehnmonatiger Untersuchungshaft zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Als
strafmildernd wurden unter anderem die fehlenden behördlichen Auflagen zur
Buchführung sowie der Umstand anerkannt, dass Spitzeder nie mit irgendwelchen
Sicherheiten geworben hätte. Spitzeder verbüßte ihre Strafe aus
gesundheitlichen Gründen nicht im Zuchthaus, sondern in dem Gefängnis in der
Baaderstraße in München, wo sie ihre Memoiren schrieb.
Nach der Haft ging Spitzeder ins Ausland, da sie in Deutschland
keine Engagements mehr bekam, kehrte dann aber wieder nach München zurück und
veröffentlichte 1878 die „Geschichte meines Lebens“. 1880 versuchte sie erneut,
ein Bankgeschäft zu eröffnen, wurde aber aufgrund mangelnder Zulassung sofort
wieder verhaftet.
Später trat Spitzeder unter dem Namen Adele Vio als
Volkssängerin auf und lebte, von Freunden und Gönnern unterstützt, ein relativ
sorgenfreies Leben.
Am 27. Oktober 1895 starb Spitzeder in München an
Herzversagen und wurde am Alten Südfriedhof in München beerdigt.
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