Djenne Mali Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Die Reise ans Ende der Welt, ins sagenumwobene Timbuktu,
endete in der Hafenstadt Mopti. Islami¬sche Rebellen machten die Weiterfahrt
auf dem Niger zum unkalkulierba-ren Risiko. Doch auch die Impressionen in
Bamako, Sögou und Djennö waren farbenfroh, exotisch, ein¬drucksvoll
Träge fließt der Niger. Längs der Ufer erstreckt sich
Ba-mako. Zweieinhalb Millionen Menschen sollen hier leben. Genau weiß das
niemand. Wenige repräsentative Gebäu-de fallen auf: Libyens Diktator Gaddafi
hatte hier investiert und erfreut sich auch heute noch einer erstaunlichen
Be¬liebtheit. Bamako ist eine weitläufige Stadt: Kolonialbau¬ten, französisch
angehauchte Villenviertel, Menschenge¬dränge im Zentralmarkt, postkoloniale
Ministerien, einige bessere Hotels, dazwischen auch Elendshütten, dichter
Autoverkehr, ein ansehnliches Nationalmuseum, der ver¬lassene Bahnhof, von dem
aus keine Züge mehr nach Da¬kar im Senegal fahren, und nicht zuletzt
Handwerkerquar¬tiere, wo die Schmiede auch heute nicht anders arbeiten als im
Mittelalter. Also das Übliche — nicht uninteressant, sehr afrikanisch, aber am
Ende kein Ort zum Verweilen. Ich wollte ja auch weiter: nach Timbuktu! Es war
noch ein weiter Weg, der vor mir lag.
Dankbar für jeden Gast
Reichlich 200 Kilometer östlich von Bamako liegt S6gou,
Schauplatz des Niger-Festivals. Hier treffen sich einmal im Jahr Künstler,
Musiker, Maler, Tanzgruppen — aus dem gesamten westafrikanischen Umfeld. Zu
diesem Zweck wurde eine Buden- und Zeltstadt am Ufer des Niger auf-gebaut. Viel
Publikum ist hier zusammengekommen. Die Stadt, zumindest ein Teil von ihr,
quillt förmlich über von Menschen: Darstellern, Besuchern, Neugierigen, Verkäu-
fern, „leichten Mädchen"; womöglich auch Taschendieben.
Die malische Kulturszene hat für ein Wochenende ihr Do-mizil hierher verlegt.
Auch etliche Europäer aus Bamako sind darunter; Touristen aber nur in sehr
geringer Zahl. Der Krieg im Norden hat den Tourismus fast zum Erliegen
gebracht. Für viele Malier nichts anderes als eine Katas-trophe. Umso dankbarer
ist man für jeden Gast, der die Reisewarnungen ignoriert. Aber in Sägou lohnt
es sich, einfach zu schauen, sich treiben zu lassen in der fließen-den Masse,
den Reiz des farbenfrohen Spektakels wahr-zunehmen. Man ist entspannt. Der
Krieg weit weg.
Unweit der Stadt liegt das Dorf Säkoro mit einem
res-taurierten Königspalast des Bambara-Volkes. Könige
und deren Nachfahren ver¬körpern in Afrika auch heute noch
eine traditionalistische Autorität. Früher musste hier jeder Bittsteller drei
be¬wachte Pforten passieren, bevor er in den eigentlichen Audienzraum gelangte.
Das Besondere: Jedes Mal musste der Besucher eine Kalebasse Hirsebier
austrin¬ken. Also das schönste Bier: Freibier. Der Grund: „Der Betrunkene sagt
die Wahrheit" Und auf die wollte der König nicht verzichten.
Schönste Stadt Malis
Szenenwechsel. Djenn6 liegt auf einer Erhebung mitten im
Binnendelta des Niger. In der Regenzeit eine wahrhaf¬tige Insel, ist die Stadt
nunmehr von teilweise ausgetrock-neten Niederungen umgeben und nur über zwei
Brücken zugänglich. Die Altstadt von Djennö wurde schon vor ge-raumer Zeit von
der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Zu Recht. Denn Djennö gilt als schönste
Stadt Malis mit ihrer erhaltenen Lehmarchitektur, den verwinkelten Gas-sen, der
Ursprünglichkeit, seiner unvergleichlich schönen Freitagsmoschee und nicht
zuletzt dem Montagsmarkt. Die Kehrseite ist allerdings auch nicht zu übersehen:
viel Müll, viel Dreck und mitunter offene, stinkende Kloake. Dank ausländischer
Entwicklungshilfe wurden in allen Stadtvierteln Brunnen angelegt, aber an das
Abwasser hat man offenkundig nicht gedacht. Das riecht man. Aber die
hygienischen Verhältnisse seien besser als früher, heißt es zumindest. Dennoch:
Malaria grassiert — vor allem in der Regenzeit. Dann leidet auch die
einzigartige Lehmarchitek¬tur der Stadt. Und die bedarf somit ständiger Pflege.
Die berühmte Moschee wird jährlich im Zuge eines volkstüm¬lichen Wettbewerbs
neu verputzt.
Pirogen auf dem Niger
Erneuter Szenenwechsel. Mit einer motorisierten Pinasse geht
es auf dem großen Fluss nach Mopti. Mopti ist das wichtigste Handelszentrum am
Niger, eine wahrhaftige (Fluss-) Hafenstadt. Ungezählte große Pirogen und klei-
nere Pinassen liegen vertäut am Fluss. Sie stellen das
wichtigste Verkehrmittel auf dem Niger dar, zumal für die drei größeren
Nigerschiffe der Wasserstand außerhalb der Regenzeit zu niedrig ist. Mopti ist
ein Ort höchster Lebendigkeit. Alles scheint zu werkeln oder zu handeln. Ein
Stapelplatz wie zu alter Zeit: Steinsalzplatten aus der Sahara, getrockneter
Fisch aus dem Niger, Hölzer aus dem Süden und vieles mehr. Eine Werft bietet
Anschauung, wie die Niger-Boote entstehen; handwerklich kaum anders als seit
Jahrhunderten.
Jugendtraum Timbuktu
Von Mopti ist Timbuktu heutzutage in einer Tagesreise zu
erreichen. Sollen wir? Darf ich meinen Jugendtraum verwirklichen? Mein
umsichtiger Begleiter Traorö sagt: „Nein!" Er sei zwar noch vor Kurzem
dort gewesen, aber jetzt sei es nicht mehr ratsam. Ich war vorbereitet. Dass es
mit Timbuktu nichts werden würde, schwante mir genau am 25. November 2011, als
mich folgende Meldung elek-trisierte: „Entführungsdrama in Westafrika: In der
Stadt Timbuktu in Mali wurden mehrere Ausländer entführt—die Angreifer töteten
einen deutschen Urlauber, als er sich zur Wehr setzte."
Als Angreifer wurde die terroristische Gruppe al-Qaida im
Maghreb ausfindig gemacht. (Meines Wissens befinden sich die Entführten immer
noch in der Gewalt ihrer Entfüh-rer, wenn sie überhaupt noch am Leben sind.)
Enttäuschung meinerseits, selbstverständlich, aber man muss
auch verlieren können. Wie recht Traor6 mit seiner Weigerung hatte, nach
Timbuktu zu fahren, erwies sich kurz darauf. Scheinbar aus heiterem Himmel,
zumindest unerwartet, brachten Touareg-Rebellen und islamistische Gruppen
Timbuktu in ihre Gewalt. Drei Europäer, die sich zu diesem Zeitpunkt in der
Stadt aufhielten, konnten mit-hilfe Einheimischer herausgeschleust werden. Sie
entgingen somit ihrer Entführung und Ermordung
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