Unije Croatia Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Das kroatische Eiland Unije ist ein ungeputztes Juwel im
Mittelmeer. Hierher kommt nur, wer versehentlich zu früh von der Fähre geht
oder vorsätzlich die Einsamkeit sucht. Aber derer werden immer mehr. Und der
Bürgermeister arbeitet am sanften Fremdenverkehr.
Unije ist Teil eines Archipels aus 13 Inseln in der Kvarner
Bucht. Mit knapp 17 Quadratkilometern ist sie etwa halb so groß wie Borkum. Auf
der Karte sieht das Eiland aus wie ein umgedrehter Revolver: Der Schaft ist
zerfranst durch drei Buchten, die Mündung zeigt auf die Nachbar¬insel Srakane.
Am Abzug liegt der Ort Unije.
Lesesaal aus dem Jahr 1897
Nur 90 Einwohner leben das ganze Jahr hier. Das höchste
Gebäude ist der Glockenturm der Kirche des heiligen Andreas aus dem Jahr 1857.
Eine
viele Geckos wie anderswo Urlauber. Trifft man neben Ziegen
und Feldhasen doch mal einen Menschen, kommt man schnell ins Gespräch: „Es ist
herrlich ruhig. Wir kommen seit 15 Jahren je¬den Sommer", erzählt das
Pärchen, das gerade mit Isomatte und Rucksack beladen zur nächsten Badebucht
wandert. „Früher gab es mal zwei Autos. Als sie aufeinander trafen und sich die
Kühlerhauben knutschten, schaffte man sie schnell wieder ab", berichtet
die junge Frau und lacht. „Aber inzwischen gibt es wohl ein Moped für die
Jugendlichen." Ihr Vater hat ein Ferien¬haus auf Unije. Er ist einer der
knapp 1000 Men-
Hallo und Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal: Auf Unije Morgens um sieben bringt die Fähre
Lebensmittel und Urlauber nach Unije und auf die
hat man noch Zeit, einem Schiff nachzuwinken. Nachbarinseln. Abends fährt sie zurück.
Außerdem steuert ein Catamaran täglich die Insel an.
leger sitzen und zuschauen, wie Brot, Bier, Nek-tarinen und
Toilettenpapier ausgeladen werden. Jeden Tag bringt die Fähre Lebensmittel vom
kroatischen Festland. Manchmal spuckt sie dabei auch ein paar Touristen aus.
Aber meist eher ver-sehentlich. Diese wollten eigentlich erst beim nächsten
Stopp auf „Susak" an Land gehen. Aber wer schon mal da ist, trinkt dann
doch einen Kaffee unter der blauen Markise des Strandcas und schaut sich danach
auf der Insel um - denn die nächste Fähre fährt erst am Abend zurück.
Straße führt steil den Hügel hinauf, vorbei am einzigen
Lebensmittelladen und am Kunsthand-werk-Atelier, das zugleich Souvenirladen
ist. Im Gebäude der Post befindet sich ein kroatischer Lesesaal aus dem Jahr
1897. Den Schlüssel hat der Postmann, er macht aber gerade Mittag, so dass die
Besichtigung warten muss.
Begleitet von einer Schar Schmetterlinge geht es auf
schmalen Pfaden über Macchia-bewachsene Hügel. Grillen zirpen, es duftet nach
Minze und Rosmarin. Am alten Leuchtturm sonnen sich so
schen, die einfach den Sommer hier verbringen. Gern würde
Bürgermeister Robert Nikolk die Teilzeitbewohner dazu bewegen, auch im Winter
zu bleiben. Schließlich wurde die Insel schon vor 3000 Jahren besiedelt. Das
belegen archäologi-sche Funde wie die Reste von drei Befestigungs¬anlagen, die
auf den Hügeln thronen, und die Ruinen einer römischen Villa, erbaut
irgend¬wann zwischen dem ersten bis vierten Jahr¬hundert. Damals bedeckten
Olivenbäume und Weinreben die ganze Insel. Heute leben die
Einheimischen neben Fischfang und Oliven¬anbau auch vom
aufkommenden Tourismus. Später sitzt Bürgermeister Nikolid für ein Gespräch im
Strandcaf. Seine Wurzeln auf die¬sem Flecken Erde reichen 600 Jahre zurück.
„Viele Menschen sind nach dem Zweiten Welt¬krieg in die USA emigriert",
erzählt er. Deshalb hat auch er dort Verwandte, die er einmal im Jahr besucht:
zwei Onkel und zwei Tanten sowie 53 Cousins und Cousinen ersten und zweiten
Grades. „Ich mag New York", sagt er und schaut Richtung Horizont, „aber
ich bekomme dort Kopfschmerzen. Ich leide, wenn ich das Meer nicht sehe."
Wie seine Umgebung strahlt auch er eine große Ruhe aus. Dabei hat er genug zu
tun. Er ist Geschäftsführer einer Müllentsorgungs-firma, hat eine Frau, drei
Kinder, fünf Katzen und zwei Hunde. Nebenbei organisiert er Meis¬terschaften im
traditionellen Speerfischen und ist Mitglied der internationalen Slowfood
Organi¬sation, die sich für Frische, Geschmack sowie fai¬re und umweltbewusste
Herstellung von Lebens¬mitteln einsetzt. Eine nachhaltige Entwicklung ¬auch im
Tourismus - ist ihm wichtig: „Wir haben kein Hotel, aber 150 Gästebetten. Das
ist auch die absolute Obergrenze", meint er.
Vielleicht wirkt Unije-Ort deshalb wie aus der Zeit
gefallen. Die flachen, breiten Häuser sind wie ein Amphitheater zum Meer hin
ausgerich-
tet. Kein Hochhaus verschandelt die Landschaft. In den
Gärten wachsen Tomaten, Möhren, Zucchini, alles bio - auch ohne Kontrolllabel.
Aufgrund des tonhaltigen Sandsteins und der 2500 Sonnenstunden im Jahr ist die
Insel seit je-her sehr fruchtbar. Ihr früherer Name „Nia" leitet sich vom
griechischen „Heneios" ab, was so viel wie Feld bedeutet.
Sport statt Langeweile
Trotzdem wird nichts in Massen angebaut, wes¬halb vieles mit
der Fähre auf die Insel transpor¬tiert wird. „Als das Schiff im Winter wegen
schlechten Wetters 20 Tage lang nicht kam, ha¬ben wir unser eigenes Brot
gebacken", erzählt der Bürgermeister. Für besondere Anlässe und Not¬fälle
gibt es einen kleinen Flughafen. Eine dreisit¬zige Propellermaschine fliegt von
dort auf die Nachbarinsel Loknj. Früher sind die Kinder da¬mit in die Schule
geflogen. Heute lernen die sie¬ben Schüler per Videokonferenz. Wird es nicht
doch mal langweilig auf einer so kleinen Insel? „Nein", sagt Nikolid. Im
Sommer finden jede Menge Wettbewerbe statt: Wasserpolo, Volley¬ball, Fußball.
Außerdem gibt es ein großes Musikfest in der Kirche.
Wer auf Unije unterwegs ist, egal in welcher Richtung,
sollte unbedingt Wasser und Proviant
mitnehmen. Eine Einkehrmöglichkeit gibt es außerhalb des
Ortes nicht. Obendrein ist es viel schöner, sich auf einen Hügel zu setzen, den
Blick auf die Kreidefelsen und das Meer zu genießen, zu picknicken und sich
dabei vom Wind die Haare fönen zu lassen. Gut möglich, dass im Meer ein paar
Delfine vorbeischwimmen. Das Wasser ist extrem sauber, und die feinkiesigen
Badebuchten hat man oft ganz für sich allein. Am „römischen Weg" liegt die
Bucht Maradol, die bei Seglern beliebt ist. Dort dümpeln ganz malerisch ein
paar Boote. Aus dem Gebüsch am Wegesrand surren Bienen. Seit 2004 erforschen
hier deutsche und kroatische Wissenschaftler das verstärkte Sterben der
Bienenvölker. Dabei wur¬den (nicht stechende) Arten von Bienen aus ganz Europa
nach Unije gebracht, um sie resistent ge¬gen Milben zu machen.
Am Abend trifft man so ziemlich alle Urlauber in den drei
Restaurants am Meer wieder. Alle bieten die gleichen Gerichte zu gleichen
Preisen an. Gegen halb acht tuckert die Fähre heran und saugt die versehentlich
hier Gestrandeten wieder ein. Ein Pärchen verabschiedet seinen Besuch und winkt
dem Schiff hinterher - eine ganze Viertelstunde lang. Auf Unije hat man eben
noch Zeit dafür.
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