Mittwoch, 15. September 2010

Tierfilme Naturfilme drehen Animals Tiere Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Tierfilme Naturfilme drehen Animals Tiere Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Video
http://www.youtube.com/watch?v=IwuscwjfTJU

Ein Praxisbericht von D.Selzer-McKenzie, Cameraman and Producer
Beruflich Tierfilme zu drehen, erscheint Außenstehenden oft als eine beneidenswerte Tätigkeit. Schon mehrfach wünschten mir Bekannte ernsthaft „einen schönen Urlaub“, wenn ich zu Dreharbeiten ins Ausland aufbrach. Das verklärte, romantisierte Bild allerdings, das sich mancher vom Beruf des Tierfilmers macht, hat mit der Wirklichkeit denkbar wenig zu tun.
Nischendasein
Wer sich möglicherweise mit dem Gedanken trägt, ins Tierfilmgeschäft einzusteigen, sollte wissen, dass es sich hier um eine im Grunde winzige Nische handelt. Zwar werden im Fernsehen täglich Tierfilme gezeigt – die weitaus meisten aber sind angekaufte Produktionen aus dem Ausland, besonders aus Großbritannien, Neuseeland und den Vereinigten Staaten.
In ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz dürfte es nur wenige Dutzend Berufstierfilmer geben, also Menschen, die ihr Einkommen überwiegend bis ganz aus Tierfilmen bestreiten.
Spezialisierung
Praktisch jeder der wenigen Berufstierfilmer ist auf einen bestimmten Bereich spezialisiert, also auf eine Nische innerhalb der Nische. Zum Beispiel gibt es reine Unterwasser- oder Makrofachleute oder Spezialisten für frei lebende Großsäugetiere. Niemand ist auf jedem dieser Felder gleich gut, und mancher ausgezeichnete Unterwasserfilmer macht eine geradezu klägliche Figur, wenn er Tiere des Festlands filmen soll.
Zoologischen Rat einholen

Das aufwändige Versteck zum Filmen an einer Bruthöhle des Schwarzspechts befindet sich in elf Metern Höhe
Um Tiere erfolgreich zu filmen, benötigt man nicht nur solide Kenntnisse zum Thema Aufnahmetechnik, sondern darüber hinaus unbedingt zoologisches Fachwissen.
Trotzdem wird es häufig erforderlich sein, zusätzlich den Rat von Fachleuten vor Ort einzuholen, zum Beispiel von Wildhütern, Jägern, Naturschützern oder Wissenschaftlern.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Honorare, die ich an entsprechende Informanten bezahlte, meistens gut angelegt waren und mir oft Filmmöglichkeiten eröffneten, von denen ich nicht zu träumen gewagt hatte. Soziale Kompetenz ist daher eine auch für Tierfilmer wichtige Eigenschaft.
Geduld mitbringen
Die vielleicht wichtigste Voraussetzung, die ein Tierfilmer mitbringen muss, ist eine schier endlose Geduld bei den Dreharbeiten, denn erzwingen lässt sich im Tierfilm auf Dauer nur wenig.
Zumindest in meinem Fachgebiet – dem Filmen frei lebender Säugetiere und Vögel – dürfte langfristig gelten, dass ungefähr jeder zweite Tag völlig umsonst ist und zu keinerlei Ergebnissen führt. Ich habe schon lange aufgehört, mich darüber zu ärgern, und tröste mich mit der Einsicht, dass all die nutzlosen und verschwendeten Tage erst die Voraussetzung bildeten, um an den anderen Tagen eben doch ans Ziel zu gelangen.
Viele Dinge lassen sich im Tierfilm selbst mit ausgezeichneter Fachkenntnis und hohem Einfühlungsvermögen nur schwer abschätzen. Auch das Wetter kann Tierfilmer oft zur Verzweiflung treiben. Auf Dauer allerdings gilt, dass Glück und Pech sich in etwa die Waage halten und einen umso geringeren Einfluss ausüben, je länger die Dreharbeiten zu einem Tierfilm angesetzt sind.
Die Tiere überlisten

Tarnzelt zum Filmen von Wasservögeln

Andreas Schulze an der Rückseite des Tarnzelts
Viele Tierarten besitzen vor dem Menschen eine beträchtliche Fluchdistanz, die es mit allerlei Tricks zu überwinden gilt. Um frei lebende Säugetiere oder Vögel eindrucksvoll vor die Kamera zu bekommen, wird es oftmals erforderlich sein, mit dem Tarnzelt zu arbeiten. Besonders an Vogelnestern gibt es meist keine sinnvolle Alternative.
Ein weit verbreiteter Irrtum ist es übrigens zu glauben, Filmen an Nestern vermindere den Bruterfolg der betreffenden Vögel. Richtig ist vielmehr, dass der Bruterfolg eindeutig höher liegt, vorausgesetzt, die Arbeiten werden fachgerecht durchgeführt.

Bei Kleinvögeln bedeutet dies im Allgemeinen, am ersten Tag nur das Tarnzelt aufzustellen und es mit grünen Ästen vollständig zu verblenden, am zweiten Tag die Attrappen für Objektiv oder Scheinwerfer zu befestigen und erst am dritten Tag zu filmen.
Wie hinreichend bekannt ist, gibt es zahlreiche Vogelarten, deren Nester zum erheblichen Prozentsatz von Elster, Eichelhäher, Raben- oder Nebelkrähe geplündert werden.
Nester jedoch, an denen ein Tarnzelt samt Objektiv- oder Scheinwerferattrappe steht, werden von Rabenvögeln für gewöhnlich gemieden. Auch die Verluste durch Säugetiere sind niedriger.
Film oder Video?

Weißstörche am Schlafplatz
Ursprünglich war im professionellen Tierfilm das 35 mm-Format vorherrschend. Aus Kostengründen wurde es schon in den 1970-er Jahren weitgehend durch den 16 mm-Film verdrängt. Super 8 spielte zumindest im Fernseh- oder Kinobereich noch nie eine Rolle. Fernsehtierfilme werden heute entweder auf Normal 16, auf Super 16 oder auf Video gedreht.
Besonders die jüngeren Tierfilmer setzen fast ausschließlich Video ein, etwa Mini DV, Betacam SP oder Digital Betacam. Auf Video zu drehen, ist insgesamt deutlich preiswerter, hat jedoch den Nachteil geringerer Wertbeständigkeit in der Zukunft. Gerade wer sich ein eigenes, langfristig nutzbares Archiv aufbauen möchte, sollte sich fragen, ob seine Aufnahmen längerfristig überhaupt für eine Fernsehverwertung in Frage kommen.
Selbst bei Digital Betacam dürfte dies definitiv nicht der Fall sein, da der Trend beim Fernsehen zu immer höherer Auflösung geht.
Aufnahmematerial
Spätestens wenn in wenigen Jahren zunächst in den USA und danach in Europa das Digitalfernsehen eingeführt wird, dürfte Betacam-Archivmaterial für Neuproduktionen nicht mehr genügen. Film bietet hier deutlich bessere Perspektiven, vorausgesetzt man dreht mindestens im Format Super 16 und auf niedrig-empfindlichem Material, zum Beispiel auf Eastman 7245 mit 50 ASA bzw. 18 DIN.
Tatsache jedenfalls ist, dass in den vergangenen Jahren die technischen Ansprüche der Fernsehsender erheblich gestiegen sind. Schon seit den 1990-er Jahren werden beispielsweise vom Bayerischen Fernsehen Umkehrfilme wie Eastman 7239 auch im Format Super 16 nicht mehr für Neuproduktionen akzeptiert – obwohl es sich immerhin um Material handelt, das in den 1970-er und 1980-er Jahren für alle möglichen Spielserien eingesetzt und überwiegend nur als Kopie gesendet wurde!

Pirol am Nest
Offiziell hatten wir auch damals schon das 625-Zeilen-Fernsehen in Deutschland, nur wurden die Fernsehgeräte seitdem eben ständig verbessert. Wer seine Aufnahmen längerfristig kommerziell nutzen möchte, sollte daher versuchen, die heutigen technischen Ansprüche deutlich zu übertreffen. Bei Video würde ich 24 p als Mindestanforderung betrachten, im Filmbereich – wie schon gesagt – Super 16 in Verbindung mit niedrig-empfindlichem Material.
Tendenzen im internationalen Tierfilm
Die Entwicklung im Tierfilm geht heute – leider! – weg vom zoologischen Dokumentarfilm im eigentlichen Wortsinn. Produktionen, die ein realistisches, doch damit auch vergleichsweise ruhiges und unspektakuläres Bild der Tiere vermitteln, werden zwar weiterhin hergestellt, doch tun sie sich zunehmend schwer.

Kampfläufer am Balzplatz
Diese Bilder demonstrieren den Unterschied zwischen Gegenlicht (rechts) und flachem Auflicht (links). Für die Fernsehausstrahlung eignet dich das Auflicht meist deutlich besser, denn der Kontrastumfang elektronischer Bilder ist noch immer sehr beschränkt.
Auf internationalem Parkett geben reißerisch gemachte Filme den Ton an, die auf Spannung, Effekthascherei und oberflächliche Unterhaltung abzielen, die mit Kitsch und fragwürdigen Inszenierungen arbeiten und deren „Drehbücher“ man getrost als Schundliteratur bezeichnen kann. Meist nehmen derartige Produktionen für sich in Anspruch, stimmige „Geschichten“ zu erzählen und bewusst mit dem Stilmittel der Individualisierung zu arbeiten. Verschwiegen wird freilich, dass sich von den Millionen Tierarten, die auf der Erde leben, nur eine verschwindend geringe Zahl überhaupt für diesen Zweck eignet.
Schon lange dreht sich der internationale Tierfilm daher im Kreis und liefert immer wieder die gleichen konstruierten „Geschichten“ von Eisbär, Löwe, Tiger, Elefant, Pinguin, Igel, Wildschwein, Fuchs, Wolf & Co. Kameratechnisch sind diese Filme meist durchaus gelungen, was wenig verwundert, wenn man den hohen Aufwand an Mensch und Material bedenkt, der von den Sendern in diesen Fällen betrieben wird.

Tarnzelt, verblendet mit frischen, grünen Ästen
Schlechte Berufsaussichten
Insgesamt müssen die Berufssaussichten für Tierfilmer als ausgesprochen mäßig bezeichnet werden. Als Arbeitgeber kommt zumindest in Deutschland, Österreich und der Schweiz heute fast nur das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Frage. Einen festen, auf Dauer gesicherten Arbeitsplatz darf man sich dort allerdings nicht erhoffen, sondern bestenfalls eine freie, weitgehend unabgesicherte Mitarbeit. Schon früh haben die Sender bemerkt, dass Tierfilme recht kostspielig werden, sobald man sie mit fest angestellten Fernsehleuten produziert.
Je zeit- und kostenintensiver ein Tierfilmprojekt erscheint, desto eher wird es daher an freie Mitarbeiter vergeben – die freilich ein spürbar ausgedünntes Budget in Kauf nehmen müssen. Oft genug ist die finanzielle Decke dermaßen dünn, dass an Versicherungen gegen Diebstahl, Unfall, Kopierwerksschäden oder ähnliche Dinge gar nicht zu denken ist, geschweige denn an angemessene Rücklagen für persönliche Zwecke, beispielsweise für den eigenen Rentenanspruch oder die Absicherung der Familie!


Empfindungen eines Tierfilmers
Der Tierfilmer hat jedenfalls stets ein beträchtliches Risiko zu tragen, das ihm plötzlich zum Verhängnis werden und ihn finanziell ruinieren kann. Vor diesem Hintergrund erstaunt es wenig, dass beim professionellen Filmen von Tieren für gewöhnlich keine Urlaubsempfindungen aufkommen und sich auch das Gefühl von Naturgenuss nicht so recht einstellen mag.
Die gegenüber dem Sender eingegangene Verpflichtung, unter oft schwierigsten Bedingungen aus dem Nichts heraus einen Film zu schaffen, erzeugt einen nicht zu unterschätzenden Druck, der dem Tierfilmer ständig im Nacken sitzt.
Begehrte Sendeplätze
Wesentlich schwieriger noch, als einen Tierfilm zu produzieren, ist es, den Auftrag dafür zu bekommen. Die wenigen Fernsehredaktionen, die als Arbeitgeber für Tierfilmer in Betracht kommen, werden in erheblichem Umfang mit unaufgeforderten Demobändern, Projektentwürfen und Ähnlichem eingedeckt. Erschwerend wirkt sich aus, dass schon seit mehreren Jahren immer weniger Aufträge an heimische Tierfilmer vergeben werden.

Ziesel versucht sich an einer Distelblüte. Der Autor hat 2 Tage für diese Aufnahme auf der Lauer gelegen.
Die Sender vermindern gegenwärtig die Zahl und Qualität ihrer Sendeplätze für Tierfilme und kaufen lieber ausländische Produktionen auf, besonders Serien aus dem englischsprachigen Raum. Einige Tierfilmer wurden über Nacht arbeitslos, und der Druck auf die verbliebenen Gelder hat sich spürbar erhöht.
Wer bislang noch nicht im Geschäft ist, darf – wenn überhaupt – meist nur dann auf einen Erstauftrag hoffen, wenn ein anderer Tierfilmer der jeweiligen Redaktion ausscheidet. Vieles hängt ausschließlich vom Zufall ab, weniger von der eigenen Qualifikation, und mancher Tierfilmer – so auch ich – kam nur deshalb ins Geschäft, weil ein Kollege erkrankte oder aus anderen Gründen aufgeben musste. Ein schöner Gedanke, auf Begebenheiten dieser Art angewiesen zu sein...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.