Doha Qatar Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Katar will das Beste vom Besten für seine Metropole: First-Class-Hotellerie, architektonisi
Meilensteine, Weltklasse-Sportstätten. Größenwahn? — Keinesfalls. Alles wirkt gut durchda(
Der Emir wandelt geschickt auf dem schmalen Grat zwischen Tradition und Globalisieru
► Hamad hat noch Minztee geholt, ein kleines
Glas, heiß und dampfend. Tee ist gut, wenn man
Shisha raucht. Die Minze spült die Geschmacksnerven,
anschließend schmeckt der nächste Zug intensiv
wie der erste. Hamad prüft den Tabak, der
oben auf der Wasserpfeife liegt. Er ruft etwas Richtung
Küche, ein Junge kommt mit dem Kohlengefäß,
dessen Glühen ein schwankendes Loch in die
Dämmerung brennt.
Auf und Ab der Baukräne
Man kann nicht allzu weit sehen an diesem
Abend. Die Luft ist schwer, schwül und schwefelgelblich.
Hinter der Corniche schiebt sich
die Scherenschnitt-Skyline der West Bay
in den Dunst, Dohas neues Geschäftszentrum,
ein Auf und
Ab an Baukränen, kargen
Hochhaus-Skeletten und
Minaretten wie mah-/
.
nende Zeigefinger, die
Aufmerksamkeit heischen wollen. Vor ihnen schaukeln
alte Fischerboote in der Bucht, Schatten einer
längst vergangenen Zeit; manchmal weht ein
Windhauch ihr klagendes Knarzen übers Meer. Es ist
Winter, kurz vor Sechs, und es sind 32 Grad.
Hamads Wasserpfeifencafd in Katars Hauptstadt ist
ein wunderbarer Ort, um über die Zeitläufe zu sinnieren
— man kann ihnen hier gewissermaßen
beim Davongalloppieren zusehen. Während der Rest
des Emirats unter der arabischen Sonne liegt, als sei
1921 oder auch 1888, hat sich Doha längst auf den
Weg in die Zukunft gemacht. In den vergangenen
drei, vier Jahren ist so ziemlich alles, was an die
Geschichte des Emirats erinnerte, aus dem
Weg geräumt worden: Häuser, Straßenzüge,
komplette Viertel. Aber was will man hier
auch schon mit der Vergangenheit!
Katar ist ein Land, das die Zukunft
am Schlafittchen gepackt hat
und nimmermehr loslassen
möchte. Deswegen plant und
entwirft und designt man
hier, als gebe es — kein morgen. Katar will die
pischen Spiele! Katar will die besten Universi
Katar will die faszinierendsten Museen! Kata
First-Class-Hotellerie und architektonische M
steine und Weltklasse-Sportstätten für die Fu
Weltmeisterschaft 2022. Und weil es dann i]
wann sonst schon alles hat, will es auch noch
überdachten, klimatisierten Fahrradweg entla
Comiche, sieben Kilometer von der Innenst
hinüber zur West Bay. Die Innentemperatur
19 Grad liegen. Das sei ein optimaler Wel
Fahrradfahren, heißt es in der Ankündigung.
Geld spielt keine Rolle
Natürlich könnte man das rasch alles in die
Größenwahn ablegen. Bloß vermittelt ein
Emirat dafür ein bisschen zu oft das Gefühl
hier alles ziemlich gut durchdacht und vor
Der Emir, Sheik Hamad bin Khalifa al-Th
lanciert geschickt auf dem schmalen Grat z
Tradition und Globalisierung. Er besch\
Beduinen-Vergangenheit seines Stammes, gleichzeitig
hat er der arabischen Welt mit dem Nachrichtensender
al-Jazeera eine gemeinsame Stimme gegeben,
die selbst in Washington gehört wird. Seine
Frau, Sheika Mozah bint Nasser al-Missned, ist erfolgreich
dabei, das Bildungssystem auf Augenhöhe
mit den Anführern der PISA-Studie zu bringen. Sie
plant eine „Education City", an der vor allem junge
Frauen ihren Abschluss machen sollen. Die jungen
Männer dürfen im nicht-muslimischen Ausland
studieren. Geld spielt dabei natürlich keine Rolle.
Katar ist eines der reichsten Länder der Welt.
Dohas schönste Ecke
Es ist dunkel geworden, und Hamads Gäste schlendern
zu ihren Autos: Zeit für den Souq Waqif. Das ist
die schönste Ecke der Stadt, mit engen Kasbah-
Durchlässen, verschachtelten Innenhöfen und
Ecken wie aus John-Frederick-Lewis-Gemälden, in
denen die Luft mit Weihrauch geschwängert ist. Der
Souq ist Flanierpromenade und Familienwohnzimmer,
Laufsteg und Shoppingmeile, Festsaal und
panarabischer Debattierclub, alles in einem. In den
'Aden stapelt sich Lawrence-von-Arabien-Kitsch, in
anderen bekommt man Haushaltszubehör, eine
Kunstgalerie präsentiert Fotos aus palästinensischen
Flüchtlingslagern und eine Video-Installation aus
Island. Und natürlich gibt es ziemlich viele Restaurants.
Und ziemlich viele WasserpfeifencaKs.
Die Shisha kommt aus dem Osmanischen Reich
und ist im Laufe der Zeit zum beliebtesten Importgut
der arabischen Welt avanciert, noch vor Jagdfalken,
deutschen Luxuslimousinen und 50 Jahre
altem Cognac. In einer Gesellschaft der Unterschiede
ist die Wasserpfeife der große Gleichmacher.
An ihr ziehen alte Beduinen und Studentinnen in
italienischer Designermode, Frauen in schwarzen
Abajas und Männer in weißen Dishdashdas. Das
fällt einem allerdings nicht unbedingt als erstes auf
— als erstes wundert man sich über die Zahl der
Raucher. Sämtliche Aufklärungskampagnen der
Nichtraucherlobby sind an Katar scheinbar spurlos
vorübergegangen. Manchmal, wenn alle Gäste eines
Caf6s mehr oder weniger gleichzeitig ziehen, kann
man das kollektive Blubbern hören, dass die Luft im
Wasserbehältnis der Pfeife erzeugt Manchmal verschwinden
ganze Tischgruppen für zwei oder drei
Sekunden im Qualm des aromatisierten Tabaks und
tauchen erst allmählich wieder auf. Dann riecht es
um sie herum für einen Moment nach Melone oder
frischen Äpfeln. Und wenn sich die Luft im Laufe des
Abends leicht abkühlt und den Wind vom Meer
durchlässt, kommt noch eine Prise Salz dazu.
Der nächste Morgen begrüßt Katar mit einem
Wetter, als hätten sich ein Augustnachmittag am Rio
de la Plata und ein Novembertag im Hamburger
Hafenbecken auf ein Techtelmechtel eingelassen.
Vielleicht auch deshalb ist auf dem zentralen Markt
draußen an der Salwa Road nicht besonders viel los.
Bevor sie ihre Öl- und Gasvorkommen entdeckten,
waren die Kataris Händler. Der Markt am Morgen ist
ja angeblich ein guter Ort, um in die Seele der Menschen
hier zu schauen. Noch besser sind allerdings
die Kissen eines kleinen WaserpfeifencaKs, in dem
alte Männer beobachten, wie ein Kamelverkäufer
auf der anderen Straßenseite versucht, seine Ware
für die Kundschaft aufzuhübschen. Beziehungsweise:
Sie zumindest in die Hufe zu bringen.
Wenn Kamele rennen, sind sie eindrucksvolle Tiere.
Dann werfen sie ihre Hufe, so weit es geht, nach vorne
und versuchen anschließend, mit dem nicht unwesentlichen
Rest ihres Körpers nachzukommen.
Liegende und stehende Kamele allerdings sind ein
anderes Kaliber. Zuerst muten sie wie festgewachsen
an. Aber wer das glaubt, muss sich oft schnell vor Hufen oder einer schleimigen Acht nehmen, die zielgenau aus den Kamellippen
hervorbricht Diese Exemplare hier schauen potenziellen
Neubesitzer mit Blicken an, die signalisieren,
dass sie von allen möglichen Neubesitzern der arabischen Welt diejenigen sind, die die am wenigsten leiden können. Einem Tier Flucht, es trampelt zuerst ein paar andere um und schlenkert dann Richtung Wasserpfeifencaf,
und erst kurz davor kann es wieder eingefangen
werden. Worauf es beängstigend laut und zu gurgeln beginnt. Und die Zähne Und seine Kollegen zum Mitröhren animiert Geräusch ist ähnlich laut wie das der Arbeiten Hotelneubau gegenüber.
Reihe neuer Projekte
Das will Katar übrigens auch noch: die Reisedestination der Region werden. Die beobachten
genau, wie sich das nahe Dubai entwickelt.
Das hält man hier für ein Massenreiseziel, arabisches Las Vegas — nein, danke, so möchte lieber nicht werden. Dass Dohas Sehenswürdigkei
ten bislang gerade mal ausreichen, um zen Stopp-over-Abend zu füllen? Wird sich dem! Das I.M. Peis Museum für Islamische nur das erste einer ganzen Reihe neuer Projekte, Fotomuseum und ein Nationalmuseum gen und eine Nationalbibliothek, die auf gen aussieht wie ein Raumschiff, dessen mal nachschauen möchte, was die da Katar so treiben. Bis es soweit ist, muss Doha ten und Tee trinken. Und eine Shisha rauchen,
und zu.
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