Freitag, 27. März 2009

Börsen-Crash 1929

Börsen-Crash 1929
Author Selzer-McKenzie
Donnerstag, 24. Oktober 1929: „Die Bör­se eröffnete normal und für kurze Zeit blieben die Preise fest. Doch der Ange­botsdruck wuchs sich zur Lawine aus, um 11.30 Uhr war der Markt von blinder, hoffnungsloser Angst erfüllt. Die Panik war da." So beschreibt der renommierte Wirtschaftswissenschaftler John Kenneth Galbraith den Kurssturz an der Wall Street im Herbst des Jahres 1929, der gemein­hin als Beginn der Weltwirtschaftskrise gilt. In der historischen Rückschau aber zeigt sich, dass der Kurseinbruch zwar Auslöser der Krise war - die Ursachen aber tiefer lagen.
Nur wenige ahnten damals, dass der 24. Oktober 1929 das Ende der Gol­denen Zwanziger Jahre markierte. Der erste Weltkrieg war 1918 endlich vorbei, Deutschland hatte den Krieg verloren. Schnell zeigte sich jedoch, dass auch die Siegermächte England und Frankreich wirtschaftlich zu den Verlierern des ersten Weltkriegs zählten. Die USA, die beiden europäischen Ver­bündeten mit Krediten unter die Arme ge­griffen hatten, stiegen als Gläubigerna­tion zur wirtschaftlichen Weltmacht auf Die Waalstreet in New York drängte die
Londoner City in den Hintergrund und dominierte nun das internationale Kredit-und Anleihegeschäft.
Während sich in Europa der Unter­nehmenssektor mit der Umstellung von Kriegs- auf Friedensproduktion schwer tat, produzierten die Unterneh­men in den USA auf Hoch­touren. Fabriken wurden er­neuert und rationalisiert. Au­tos wurden per Fließband gebaut, elektrische Geräte wie Radios, Telefon und Staubsauger wurden entwi­ckelt und auf den Markt gebracht. Das alte Europa konnte hier nicht mithalten, erhielt aber von den USA die notwendigen Kre­dite, um auch am Wohlstand teilzuhaben. Auf Cocktailpartys wurden neue Tanze wie der Charleston vorgeführt. Der Opti­mismus kannte kaum noch Grenzen.


Höhenflug mit Schönheitsfehler. Von einem solchen Umfeld profitiert natürlich auch die Börse. Immer mehr private An­leger entdeckten den Spaß an Börsenge­schäften. Schließlich warfen diese in der Regel auch hohe Gewinne ab. Und selbst mit Hebelkraft wurde spekuliert. Die Makler räumten den Anlegern dafür hohe Kredite ein. Die Wallstreet wurde zu einer Quelle der Prosperität für die Mittelschicht. Auch die Politik begann auf der Welle des Opti­mismus mitzuschwimmen. Herbert Hoover zog 1928 mit dem Slogan in die Präsiden­tenwahl: „Wir in Amerika sind dem end­gültigen Triumph über die Armut näher als je zuvor ein Land in der Geschichte." Er gewann und verkündete weiter, dass Gott den USA die Chance gegeben habe, die Armut aus der Nation zu verbannen.
Er übersah dabei, dass der erreich­te Wohlstand auf Kredit gebaut war-und das nicht nur in den USA selbst, sondern in einem noch erheblicheren Maße zwi­schen den USA und dem Ausland. Die Vereinigten Staaten verzichteten zwar auf Reparationen aus Deutschland, be­standen aber auf der Rückzahlung ih­rer Kredite an die Verbündeten. England und Frankreich versuchten, diese Gelder in Deutschland als Reparationen einzu­treiben. Um diese Zahlungen zu leisten, musste das Deutsche Reich sich wieder­um in den USA verschulden.
Schon kurz nach dem Krieg sah der Ökonom John Maynard Keynes voraus, dass das Schuldengeflecht - bestehend aus alten Kriegskrediten und Reparationen - den Wieder- aufbau des alten Kontinents stark hemmen würde. Er nahm damals als Vertreter des britischen Schatzamts an den Ver-sailler Friedensverhandlungen teil. Sei­ne Forderung, alle Kreditverpflichtungen zu annullieren und damit den wirtschaftli­chen Aufbau Europas zu erleichtern, wur­de überhört.
Im Herbst 1927 heizte die amerikani­sche Zentralbank den Kreditboom noch mal richtig an. Um den Zufluss von Kapi­tal aus Europa nach Amerika zu bremsen, senkte sie den Diskontsatz von vier auf 3,5 Prozent. Zusätzlich begann die Fede-ral Reserve Bank noch mit dem Aufkauf von Staatsanleihen in großem Stil. Wei­terer Treibstoff für die Spekulations- und Kreditblase war damit vorhanden. Und auch für Phantasie war dank technologi­scher Durchbrüche wie dem Telefon, dem Radio, der Massenherstellung im Automo­bilsektor und dem Flugzeug gesorgt.


Teufelskreis der Krise. Eine Hausse en­det, wenn Geld knapp wird. In der Eupho­rie wurden die Warnzeichen dafür überse­hen. Im Jahr 1929 schwappte eine Welle von Zinserhöhun 9en über die Industriestaa- Europa hinweg. Die No­tenbanken wollten damit ver­hindern, dass das spekulative Geld an die Wall Street in New York floss. Diese Geldpolitik führte zu einer Verknappung der Liquidität. Zusätzlich sorgten erste Unternehmenspleiten für Unsicherheit. Am 24. Oktober 1929 war es dann soweit - die Aktienkurse kamen in den USA ins Rutschen Ende Oktober 1929 war jedem In­vestor klar, dass der Bullenmarkt vor­bei war. Der Dow Jones notierte rund 40 Prozent unter seinem Hoch vom Sep­tember. Viele Investoren, die Aktien auf Kredit gekauft hatten, waren ruiniert und die Stimmung in der Wirtschaft sank. Der Traum von der Überwindung der Armut war ausgeträumt. Konsumen­ten, die auf Kredit ihr Auto finanziert hat­ten, machten sich plötzlich Sorgen. Und auch die Banken schränkten ihre Kredit­vergabe ein.
In der historischen Rückschau müs­sen vor allem die Ratschläge der damals führenden Ökonomen als verheerend bezeichnet werden. Der damaligen öko­nomischen Lehrmeinung zufolge hatten eine Ausweitung der Geldmenge oder Steuererleichterungen keine stimulieren­de Wirkung auf die Güterproduktion, son­dern führten nur zu höheren Preisen. Die Sorge um den Ausgleich des Staatshaus­halts stand im Mittelpunkt der wirtschafts­politischen Bemühungen.
Bei sinkenden Staatseinnahmen mussten folglich auch die Ausgaben zu­rückgehen, wodurch faktisch eine prozy­klische Wirtschaftspolitik betrieben wurde und sich die wirtschaftliche Talfahrt nur noch beschleunigte. Der Volkswirt­schaftslehre der Zeit entsprechend soll­ten Angebot und Nachfrage nach einer gesamtwirtschaftlichen Störung dank fle­xibler Preise und Löhne von selbst wieder ins Gleichgewicht zurückfinden und zur Vollbeschäftigung führen.
Zu den Politikern, die der Gleichge­wichtshypothese der damaligen Volks­wirtschaftslehre anhingen, gehörten der US-Präsident Hoover und der Deutsche Reichskanzler Heinrich Brüning. Ge­stützt auf das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten und ohne Zustim­mung des Parlaments erhöhte Brüning in der Depression die direkten und indirek­ten Steuern, außerdem wurden die Sozi­alausgaben sowie die Löhne und Gehäl­ter im öffentlichen Dienst massiv gesenkt. Im Herbst 1931 verschärfte die Regie­rung durch staatlich festgelegte Lohn-, Preis- und Mietsenkungen noch einmal bewusst ihren Anti-Inflationskurs - mit
ehe Nachfrage noch weiter sank und sich die Deflation verstärkte.
Unternehmen gingen pleite und Ban­ken brachen zusammen. Die Sparer be­gannen ihr Geld im Sparstrumpf zu hor­ten. Deutschland, das nach dem verlore­nen Krieg auf ausländische
durch die große Inflation von 1923 verarmte Mittelstand verlor nun sei­ne Arbeit und sein Einkommen. Dass in einer Deflation die Preise fallen, hilft we­nig, wenn es keine Arbeit und damit kei­nen Lohn gibt.



Eine Revolution in der Volkswirt­schaftslehre. Zwar warb noch 1932 Hoover in seinem Wahlkampf mit dem Slogan „Prosperity is just around the cor-ner". Aber er verlor gegen Franklin Delano Roosevelt und seinen „New Deal". Dieser Begriff stand für staatliche Ausgaben­programme und den Aufbau von Sozial­versicherungen, die tatsächlich der Wirt­schaft Auftrieb gaben. Die orthodoxen Lehren der Ökonomie hatten in der Krise
an Glaubwürdigkeit eingebüßt. In dieser Situation formulierte der britische Öko­nom John Maynard Keynes ausgehend von den Erfahrungen eines relativ star­ren Lohn-Preis-Gefüges die These, dass eine Volkswirtschaft sehr wohl in einem Zustand verharren kann, in
beitslosigkeit herrscht. In ei­ner solchen Situation vermag der Staat laut Keynes durch eine aktive Geld- und Fiskalpolitik gesamtwirtschaftliche Nach­fragelücken zu schließen.
Dem Ökonomen zufolge konnte die Politik also mehr tun, als die Hände in den Schoß zu legen und darauf zu vertrauen, dass die „unsichtbare Hand des Mark­tes" wieder zur Vollbeschäftigung führen würde. Im Verlauf der Krise führten daher immer mehr Länder wohlfahrtsstaatliche Systeme ein. Keynes hatte mit seinen Ar­gumenten eine Revolution in der Volks­wirtschaftslehre herbeigeführt und der Keynesianismus wurde nach dem Zwei­ten Weltkrieg eine Zeit lang zur dominie­renden volkswirtschaftlichen Schule.

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