Donnerstag, 21. Januar 2010

Porsche Panamera Autotest SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Porsche Panamera Autotest
Author D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=Vz8dGqDFe5s

Dem Author Selzer-McKenzie wurde der neue Porsche Panamera zur Verfügung gestellt und hier sein Testbericht:
der Sohn sagt, er habe kein Por
sche-Feeling, der Nachbar —
911er-Fahrer — rümpft pikiert
die Nase, und alle Bekannten
fragen einen Löcher in den Bauch, wie er denn sei, der neue Porsche. Keine deutsche Marke bewegt den Auto¬fan so sehr wie die aus dem Stuttgarter Stadtteil Zuffenhausen, die bald ihre Hei¬mat im VW-Konzern finden wird.
Noch wird der Panamera wie eine Sen¬sation behandelt, obwohl der Geländewa¬gen Cayenne schon vor sechs Jahren das Tor zu einem viertürigen Porsche weit auf¬gestoßen hat. Strenggenommen ist der
Neuling eine schlichte Schräghecklimousi¬ne im Oberklassen-Format, nicht mehr und nicht weniger. Aber so einfach ist es nicht. Er ist ein Straßen-Porsche, ja, und er sieht nach Porsche aus, nach 911, nur eben größer. Sind 4,97 Meter Länge nicht zu viel für ein Porsche-Produkt, muss ein Porsche breiter sein als eine S-Klasse?
Ja, er muss so lang und breit sein, denn
nur so ist der Panamera ein echter Viersit
zer, in dem sich nicht nur Pilot und Copi-
olid wohl fühlen. Hinten ist 'tatsiisAilit.li
fürstlich Platz, die Kopffreiheit beträgt
trotz der sportlich-niedrigen Silhouette 95
Zentimeter, selbst die Beinfreiheit ist ange
messen. 1 ass die interen lnze sitze gleichen sind wie vorn, ist in der automobi¬len Welt ein Novum. Sie können beheizt, belüftet und elektrisch verstellt werden — das ist nur eine Frage des Geldes.
Dazu ein kleiner Exkurs: Längst hat Por¬sche Mercedes-Benz in Sachen Aufpreislis¬te deklassiert, beim Panamera hat sie mehr als 100 Seiten und erfordert erst ein¬mal viel Geduld. Zwar ist vieles serienmä¬ßig, zu loben ist unter anderem die hohe passive Sicherheit mit acht Airbags und der aktiven Motorhaube zum Fußgänger¬schutz, aber unser Wagen, der einen Grundpreis von 94 575 Euro hatte, schlug letztendlich mit mehr als 143 000 Euro zu Buch, wobei wir wahrscheinlich noch das eine oder andere Detail übersehen haben.
Selbstverständlich ist bei diesem mone¬tären Extra-Einsatz, der über dem Neu¬preis eines Boxsters liegt, der Innenraum aufs feinste hergerichtet. Holz und Leder dominieren, der Himmel glänzt in Alcan¬tara, der Fahrer ist Herr über mehr als 100 Knöpfe, Hebel und Schalter. Die Heckklap¬pe öffnet auf Knopfdruck automatisch (auch aus der Ferne), sie schwingt weit nach oben und gibt 445 Liter Kofferraum¬volumen frei. Die Rücksitzlehnen und das Mittelteil lassen sich umlegen (40/20/40), es entsteht eine fast ebene Ladefläche von 1,85 Meter Länge. Wer statt des serienmä¬ßigen Laderaumrollos eine feste Abde¬ckung bestellt (155 Euro), schränkt die Höhe des Abteils ein (nur 45 Zentimeter) und hat seine liebe Not, das schwere Trum auszubauen, wenn die 1,85 Meter optimal genutzt werden sollen. Ein Reserverad gibt es nicht, im Kofferraumboden finden sich Batterie, Werkzeug, Verbandkasten und ein kleines Staufach (oder Equip¬ment, das zur 4748 Euro teuren, aber ex¬zellenten Burmester-HiFi-Anlage gehört).
Das Besondere an diesem Porsche ist das gute Raum- und Platzangebot, deshalb hat der Sohn das Feeling vermisst. Es ist eben nicht eng und intim wie im 911, son¬dern man schwelgt geradezu im Raum. Der Fahrer blickt auf die gewohnten Arma¬turen mit dem großen Drehzahlmesser in der Mitte und lernt schnell die wichtigsten der 100 Knöpfe kennen. Leider spiegelt sich der Armaturenträger sehr stark in der Frontscheibe. Verzichten sollte man auf den schlüssellosen Zugang, für 1094 Euro handelt man sich einen hässlichen, fest sit-zenden Schlüssel-Stummel ein.
Das mag man als unschöne Kleinigkeit abtun, aber eine echte Schwäche ist die schlechte Sicht nach hinten. Durch das fla¬une renster sieht man kaum etwas vom rückwärtigen Verkehr, weder im Innen¬spiegel noch nach dem Umdrehen. We¬nigstens bietet Porsche gegen Aufpreis
Park-Piepser und eine Rückfahrkamera. Vermerkt sei, dass ein Heckscheibenwi¬scher 350 Euro extra. kostet. Sinnvoll ist der Abstandsregeltempomat, der stets ein wachsames „Auge" auf den Verkehr hat und optisch warnt, wenn man zu dicht auf¬fährt — sogar wenn das System an sich gar nicht aktiv ist.
Die gewisse Fülligkeit, die der Panamera äußerlich an den Tag legt, ver¬gisst man schnell, wenn die 400 PS den Wagen in Bewegung setzen. Der 4,8-Li¬ter-V8 bietet 500 Newtonmeter Drehmo¬ment bei 3500 Umdrehungen je Minute auf und katapultiert den 1,9-Tonner in we¬niger als sechs Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Hat man 3510 Euro in das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (Serie: manuelle Sechsgangbox) inves¬tiert, muss man kein Meister an Gas und Kupplung sein um diesen Wert zu errei¬chen: Fuß aufs Gas, und ab geht's. Doch nicht nur die schiere Kraft überzeugt, der Panamera bietet auch alle anderen Grund¬tugenden, die man von einem Straßen-Por¬

sche erwartet: feinfühlige, direkte Len¬kung, präzises Kurvenhalten mit be¬herrschbarer Tendenz zum Übersteuern, sehr gut abgestimmtes ESP, vorzügliche, standhafte Bremsen. Da ist die Limousine ganz Porsche, wenn sie auch die Länge und das hohe Gewicht nicht verleugnen kann, aber das ist gut kaschiert.
Wer will, kann sich selbst um die Gang-. wahl kümmern, entweder am Hebel oder mit Wippen am Lenkrad. Das funktioniert alles prima, und im Automatik-Modus schaltet das Getriebe so sanft, als gäbe es einen Drehmomentwandler wie in einer konventionellen Automatik. Nur wenn es ganz langsam gehen soll, dann neigt der Panamera zum Ruckeln. Nicht perfekt ist zudem das Start-Stopp-System (abschalt¬bar). Es ist ein Tribut an die Umweltdis¬kussion und arbeitet einen Wimpern- schlag zu langsam, bis der Motor wieder anläuft. Apropos Sprit: Wir kamen im ge-mischten Verkehr im Rhein-Main-Gebiet auf Werte zwischen 13,0 und 14,2 Liter für 100 Kilometer. 13,7 Liter waren es nach ei-
ner forschen, aber oft durch dichten Ver¬kehr gebremsten Fahrt von Aachen nach Frankfurt. Auf dem Hinweg sind wir nicht schneller als 120 km/h gefahren und wur¬den mit moderaten 9,2 Liter auf 100 Kilo¬meter belohnt. Kein Wunder, bei 120 muss sich die Maschine kaum anstrengen, sie säuselt mit weniger als 2000/min vor sich hin.
Allerdings sind auch 9,2 Liter Super Plus nicht wenig, doch niemand kauft ei¬nen Porsche, um zu sparen. Man will schnell fahren können, und der Panamera ist vielleicht die schnellste Limousine der Welt. Schon die Version S läuft bei vollem Leistungseinsatz völlig unaufgeregt und beinahe spielerisch 282 km/h, der Turbo (74 kW/100 PS mehr) überschreitet sogar die 300-km/h-Grenze.
Man dürfte nicht von einer Limousine sprechen, würde nicht auch ein gewisser Federungskomfort geboten. Der bewegt sich zwar nicht auf dem Niveau der Kon¬kurrenz aus Audi A8, BMW 7er und Mer¬cedes S-Klasse, doch die sind nicht so sportlich wie der Panamera. Unser Wagen war mit der optionalen Luftfederung an beiden Achsen ausgerüstet (1952 Euro), die in der Komfort-Stellung mit den Unbil¬den deutscher Straßen sehr gut klar¬kommt. Im Sportprogramm liegt die Ka¬rosserie 25 Millimeter tiefer, die Federn werden härter. Für hohe Kanten und steile Rampen kann man den Panamera auf Knopfdruck 20 Millimeter „wachsen" las¬sen. Dass die Hinterachse unseres Wagens bei Unebenheiten vernehmlich rumpelte, war wohl ein Einzelfall (wie uns Porsche später sagte, war ein Ventil an der Luftfe¬derung defekt).
Kein Einzelfall soll der Panamera im Marktgeschehen werden. 20 000 Einhei¬ten hat Porsche jährlich geplant. Neben S und Turbo folgen noch ein V6-Modell und eine Hybrid-Variante, auch von einem Die¬sel wird immer wieder gemunkelt. Es wird sich zeigen, ob der Kunde ein Auto zwi¬schen 911 und Cayenne haben will. Aber vom Erfolg des Cayenne waren auch alle

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