Oil Trading SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=BR3Eb_Dpxz0
Der Untergang der Ölplattform Deep-water Horizon im Golf von Mexiko Ende April ist der Beginn der wohl größten Umweltkatastrophe in der Geschichte der modernen Ölförderung. Eine Kata¬strophe, die zugleich das Dilemma ver¬deutlicht, in dem sich die Weltwirtschaft in ihrem Hunger nach Öl befindet. Während diese trotz zahlreicher Bemühungen um eine Stärkung alternativer Energien immer noch am Öltropf hängt, werden die leicht förderbaren Ölvorkommen zur Mangel¬ware. Nun strebt man in die Tiefe, denn mehrere Kilometer unter dem Meeres¬boden schlummern noch gewaltige Vor¬kommen, die jedoch — im Gegensatz zu jenen in den Wüsten des Orients — alles andere als leicht zu bergen sind.
Nach der jetzigen Katastrophe ge¬hen Analysten davon aus, dass weniger Tiefseebohrungen erfolgen werden. Bis¬her werden die Tiefseekapazitäten noch in vollem Umfang in die Ölvorkommens-prognosen eingerechnet. Strengere Auf¬lagen für die Förderung im Offshore¬Bereich dürften dem Ölpreis längerfristig Rückenwind verleihen.
Die Unsicherheit ist zurück. Kurz- bis mittelfristig rechnen Experten jedoch mit einer Seitwärtsbewegung, die bis zum Jahresende andauern könnte. Zwar hat sich der Ölpreis von den Tiefständen im Dezember 2008 wieder deutlich erholt. Doch seit einigen Wochen ist die Unsicherheit zurück. Die Herabstufung der griechischen Staatsanleihen auf Ramsch-Niveau sowie die schlechtere Einschätzung der Bonität Spaniens und Portugals durch die Ratingagenturen ließen auch am Ölmarkt die Befürchtung einer nachhaltigen Schädigung des glo-balen Wirtschaftswachstums aufkom-men. Wenn wirklich die deflationären Kräfte die Oberhand gewinnen, dann würden sich spekulativ orientierte An¬leger schon deshalb aus dem Markt zu¬rückziehen, weil in einem solchen Fall Waren an Wert verlieren, Geld jedoch an Wert gewinnt.
Zwar wird China immer noch als Faktor gesehen, der eine schwächelnde Nachfrage nach Öl aus dem Westen kom¬pensieren könnte. Doch nun tritt China
wirtschaftlich aufs Bremspedal — aus Angst vor einer Überhitzung der Kon¬junktur und spekulativen Verwerfungen. Vor allem der starke Anstieg der Häuser¬preise wird von Hu Jintao, dem chine¬sischen Staatspräsidenten, und seiner Regierung mit tiefer Sorge beobachtet. Sie wollen und können sich keine Neu¬auflage der Immobilienkrise — nun in ihrem Land — leisten.
Schwache Nachfrageentwicklung. In den kommenden Monaten droht also vor allem wegen eines Konjunktureinbruchs von der Nachfrageseite Gefahr für den Ölpreis. Schließlich müssen zahlreiche westliche Industriestaaten harte Spar¬maßnahmen ergreifen, damit die ange¬häuften Schuldenberge nicht explodie¬ren. Griechenland, Spanien und Portugal sind da nur die bekanntesten Beispiele.
Was dann passieren kann, hat der Preis¬rückgang im Jahr 2008 gezeigt: Binnen weniger Monate fiel der Ölpreis auf ein Viertel des Rekordniveaus von Mitte 2008.
Ölangebot mehr als ausreichend. Mit einem ähnlich dramatischen Einbruch rechnen derzeit zwar nur wenige Exper¬ten. Doch angesichts drohender konjunk¬tureller Rückschläge dürften die Ölpreise unter Druck bleiben. „In letzter Zeit ha¬ben die Anleger zu sehr die Bedeutung Asiens für den Ölpreis betont. Wir müssen uns nun aber ins Gedächtnis rufen, dass auch die nordatlantischen Ökonomien für den Ölpreis wichtig sind. Und sowohl in Nordamerika wie auch in Europa sieht es fundamental nicht so gut aus", so etwa die Einschätzung von Ben Westmore von der National Australia Bank in Melbourne.
Ein Indiz dafür, dass der Markt der¬zeit ausreichend mit Öl versorgt ist, liefern die US-Rohöllagerbestände, die sich im Mai mit 365 Millionen Barrel auf einem Fünfjahreshoch befanden. Die US-Nach¬frage nach Rohöl hat sich in den vergan¬genen Monaten zwar wieder deutlich er¬holt, ist aber immer noch erheblich nied¬riger als in den Jahren 2007 und 2008.
Keine gemeinsame Angebotspolitik. Als Belastung für den Ölpreis erweist sich zudem, dass es um die Förderdisziplin der OPEC nicht zum Besten steht. Der Iran und Angola etwa halten sich nicht an die ihnen zugewiesenen Quoten. Sie produzieren mehr Öl als sie sollen, um ihre maroden
Staatskassen aufzufüllen. Laut der Inter-nationalen Energieagentur (IEA) werden die Ende 2008 von der OPEC beschlos¬senen Förderkürzungen nur noch zu 55 Prozent umgesetzt. Täglich werden fast 2 Millionen Barrel „über Plan" gefördert. Und weiterer Spielraum nach oben wäre vorhanden. Die IEA geht von mindestens 6 Millionen Barrel freien Tageskapazitäten aus, auch wenn die Produktion seit zwei Jahren insgesamt gedrosselt wurde.
Hinzu kommt, dass das Ölkartell ohnehin tendenziell an Einfluss und Macht verloren hat. Große Ölförderländer wie Russ¬land gehören der Organi¬sation gar nicht an. In den vergangenen Monaten pumpte Moskau täglich über 10 Millio¬nen Barrel in seine Pipelines. Die IEA er-wartet für 2010 einen täglichen Ausstoß der Nicht-OPEC-Staaten in Höhe von 52,2 Millionen Barrel. Das entspräche einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 0,7 Millionen Barrel. Damit droht jede Ermahnung der OPEC an ihre Mitglie¬der, sich an die zugewiesen Quoten zu halten, ins Leere zu laufen. Denn warum sollte man sich etwa in Teheran freiwillig
Wfflerin Ei !markt
an „künstliche" Grenzen halten, während Moskau die Ölproduktion nach oben fährt und das Geschäft macht? Eine Frage, auf die die OPEC nur schwerlich eine Antwort finden dürfte.
Berücksichtigt man die aktuelle Angebots- und Nachfragesituation bei Öl, dann fällt es schwer, für das laufen¬de Jahr eine positive Ölpreisprognose abzugeben. Einerseits ist ausreichend Öl vorhanden, andererseits dürfte sich die Nachfrage eher schwach entwickeln. Auf einen Nachfragerückgang werden die Anbieter kaum mit einer deutlichen Förderkürzung reagieren können; dazu fehlt es den Produzenten an Einigkeit. Tendenziell ist in den kommenden Monaten also eher von seitwärts tendierenden bis schwächeren Ölpreisen auszugehen.
Ein Blick auf die Situation am Futures-Markt bestätigt diese Einschätzung. Der¬zeit hat sich dort die Contango-Situation etwas verstärkt. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Marktteilnehmer den Preisvorteil einer raschen Lieferung von Rohöl ge¬ring einschätzen. Sie tun dies, weil sie die Marktpreise als stabil erachten.
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