Aston Martin Auto SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Sein Auftritt auf dem Genfer Autosalon im Jahr 2009 hat selbst die
verwöhntesten automobilen Connaisseure verzückt. Im Licht der
Scheinwerfer funkelte er wie ein Diamant Aber nur die wenigsten
Bewunderer, das war allen klar, würden ihn je ihr Eigen nennen
können. Denn der Aston Martin One-77 ist nicht nur extrem
schnell, extrem schön und extrem selten. Er ist auch extrem teuer.
Rund 1,6 Millionen Euro kostet der weitgehend handgefertigte
Sportwagen. Seiner Modellbezeichnung entsprechend wird das
Fahrzeug nur 77-mal an finanzstarke Käufer ausgeliefert.
Das Fahrzeug? Was für ein verbaler Fehlgriff! Der Aston Martin One-
77 bewegt sich jenseits aller üblichen begrifflichen Einordnungen.
Was sich da in Genf erstmals präsentierte, ist eine Symphonie im
Blechkleid, ein Nervenkitzel — dressed to thrill! Es ist krachender
Rock'n Roll für die Straße, es ist der Bolide mit dem stärksten Saug-
motor der Welt, ein Kraftpaket, dem man ohne Weiteres abnimmt,
dass er beim kleinsten Druck auf das Gaspedal mit seinen gewalti-
gen Walzen den kalten Asphalt von der Nabe reißt.
Bei seinem Anblick haben die Juroren der
wichtigsten Designer-Wettbewerbe die Pokale
gleich reihenweise abgeliefert. Die höchste Eh-
rung erhielt er unmittelbar nach seiner Premi-
erenvorstellung: Die Besucher des Concorso
d'Eleganza wählten den Aston Martin One-77
zum schönsten Concept Car der Welt.
Kaum einer der Besucher im Genfer Walhalla
der Automobile aber ahnt, dass der „Urahn"
des atemberaubenden Top-Models einmal
ätzend als „Coal Scuttle" (Kohlenkasten) ver-
spottet worden ist. Das war im Jahre 1915 und
galt dem ersten Prototypen jener Automarke,
die später einmal zum Innbegriff von britischer
Wertarbeit, Lifestyle und sportivem Luxus
werden sollte.
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Gefahren, besser geschunden, wurde der „Coal Scuttle" als
Testwagen von seinem Erfinder, dem ehrgeizigen und begeister-
ten Rennfahrer Lionel Martin aus der südenglischen Grafschaft
Cornwall.
Der leidenschaftliche Motorsportfan stammt aus einer Familie, die
im Bergbau zu Geld und Ansehen gekommen ist Sie kann es sich
spielend leisten, den Spross zur Ausbildung ins renommierte Eton
zu schicken.
Das Geld fließt auch, als Lionel Martin gemeinsam mit dem talen-
tierten Ingenieur Robert Bamford in der Londoner Callow Street im
Westen der Metropole die Firma Bamford & Martin Ltd. gründet.
Sie beginnen mit dem Handel von Fahrzeugen der Firma Singer.
Aber eigentlich wollen sie Sportwagen bauen. Einzigartig und von
unnachahmlichem Charakter sollen sie sein und höchsten Quali-
tätsansprüchen genügen. Kurz: Ein Auto aus ihrer Schmiede sollte
den Fahrer mit Stolz erfüllen und Britannien repräsentieren.
Den Namen für ihre Fahrzeuge finden Sie, als Lionel Martin das
Bergrennen von Aston Hill gewinnt: Die Marke Aston Martin ist
geboren.
Obwohl die Rennmaschinen danach vielfältige Erfolge in Monza,
Spa, der italienischen Mille Miglia erzielen und diverse Geschwin-
digkeitsweltrekorde brechen, stellt sich der große Erfolg erst nach
dem Zweiten Weltkrieg mit dem Einstieg des britischen Unterneh-
mers David Brown ein. Er kauft das Unternehmen und später auch
die Renn-Schmiede Lagonda für 20.000 Pfund. Gründer Lionel
Martin hatte zuvor mit verschiedenen Geldgebern vergeblich
versucht, einen Konkurs abzuwenden. Er zieht sich schließlich aus
dem Geschäft zurück und stirb am 14. Oktober 1945 in London —
bei einem Fahrradunfall.
David Brown entwickelt die weltberühmte DB (David Brown)-
Reihe, zunächst für die Rennpisten der Welt, schließlich auch als
Serienfahrzeug für die Straße.
Sein berühmtester Wurf und genialer Marketingerfolg ist der
Aston Martin DB5. Er wird als schnittiger und mit atemberauben-
der Technik ausgestatteter Dienstwagen des Leinwand-Agenten
„007", James Bond im Kino-Klassiker „Goldfinger" rund um den
Globus zum Kult. Dank der genialen Erfindungen des legendären
Film-Tüftlers „Q" ist der DB5 ein unschlagbares Werkzeug bei der
Schurkenjagd. Das Auto hat Maschinengewehre unter den Blin-
kern und einen Schleudersitz. Das Heck stößt, wahlweise Rauch-
bomben, Krähenfüße oder schmieriges Öl aus. Zur Verwirrung
von Ordnungshütern verfügt es über rotierende Nummernschilder.
Und seine sportlich-bequemen Ledersitze leisten „007" nicht nur
im Kampf gegen Bösewichte gute Dienste.
Der DB5 ist ursprünglich in vierfacher Aus-
führung für den Film als Prototyp gebaut
worden. Erst später entscheidet Brown,
den Sportwagen auch für den zivilen Markt
zu fertigen. Ausgestattet mit einer Vier-
Liter-Maschine und 235 Stundenkilometer
schnell, wird er mehrere hundert Mal ver-
kauft. Das „007"-Original ist jüngst verstei-
gert worden und wechselte — mit funktions-
tüchtiger Agentenausstattung — inklusive
Provision für stolze 3,4 Millionen Pfund (gut
vier Millionen Euro*) den Besitzer.
Im Jahre 1972 geht die Ära Brown zu Ende.
Die Edelmarke taumelt in die Krise, kann
aber nach verschiedenen Besitzerwechseln
(unter anderem Ford) immer wieder höchst
beachtete Modelle im Markt platzieren. Und
niemals wird die Exklusivität preisgegeben
— bis heute.
So entsteht der im Jahr 2001 eingeführte
Aston Martin Vanquish ausschließlich in
Handarbeit Maximal 350 Fahrzeuge verlas-
sen die Werkshalle pro Jahr. Allein die aus
Aluminium geformte Heckklappe des 528
PS starken Vanquish S (rund 250.000 Euro)
beansprucht zehn Stunden, die gesamte
Fertigungszeit ist auf 385 Stunden festge-
setzt.
Noch heute sind etwa 75% aller jemals
gebauten Aston Martin im Straßenbetrieb
(rund 27.000 Fahrzeuge). Ein Beispiel für die
solide Bauweise und die gute Pflege durch
die Besitzer.
Inzwischen versuchen die Konstrukteure
aber auch neue Zielgruppen zu erschließen,
ohne an Noblesse einzubüßen.
In diesen Wochen startet die britische
Nobelmarke deshalb mit dem jüngsten
Produkt—dem Aston Martin Cygnet, einem
Kleinwagen auf der Basis des Mini-Toyota
iQ. Kosten für den mit Leder, Navi, Klima-
und Mega-CD-Anlage sowie neuen Airbags
vollausgestatteten Edel-Knirps: 48.995 Euro.
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