Mammutbäume Redwoods
Author D. Selzer-McKenzie
Video. https://youtu.be/ZLDds1keLKg
Der da? Oder eher der da vorne? Viel zu mäch-tig. Viel zu
dick. Aber der hier, der isses, genau der. Vorsichtiger Blick nach hinten:
Niemand zu sehen. Vorne auch nicht. Also los. Über Steine, Moos und nasse
Wurzeln. Wenn das jemand mit¬bekommen würde... Muss aber sein. Geht nicht
anders. Und jetzt: Ein Männlein steht im Walde - und drückt einen Mammutbaum.
Drückt ihn als wolle er ihn niemals wieder loslassen.
Haben Sie mal einen Baum umarmt? So einen zu-gemoosten,
dicken, uralten Baum? Müssen Sie mal machen. Ist ein tolles Gefühl. Und noch
schöner ist es, wenn man es mit einem Mammutbaum macht. Die gibt es in einigen
Stadtgärten und Parks in Deutschland, aber immer nur einzelne. Im nördli¬chen
Kalifornien gibt es noch ganze Mammut-baumwälder zum Umarmen. Ganz weich fühlt
sich so ein Redwood an. Und wenn man das Ohr an den Baum drückt: Nein,
natürlich hört man nichts. Aber irgendwie hat man nach ein, zwei Umarmungsminuten
das Gefühl, als wolle er et-was sagen, der Baum. Doch man hört bloß die anderen
Geräusche des Waldes. Das Rauschen
auch von den Mammutbäumen stehen nicht mehr viele. Vor den
Europäern hatten die Giganten kei¬ne Feinde: Den Ureinwohnern fehlten die
Werk¬zeuge zum Fällen, und Feuerbrünste können den Mammutbäumen nichts anhaben.
Im Gegenteil: Weil sich ihre Zapfen erst nach einem Waldbrand öffnen, keimen
ihre Samen in der nährstoffrei¬chen Asche gewissermaßen außer Konkurrenz. Was
anderswo in den USA geblieben ist, sind Res¬te: hier ein Hain, dort eine
Gruppe, manchmal sogar nur ein einzelner Baum, der wie ein mah¬nender
Zeigefinger in den Himmel ragt. Aber selbst die letzten Überlebenden schaffen
es, eine Ahnung davon zu vermitteln, wie es hier früher einmal ausgesehen haben
muss. Und die dichten Wälder im Norden Kaliforniens sowieso.
Wenn man hier unterwegs ist, ertappt man sich dabei, wie man
alle zehn Minuten anhält, das Auto abschließt und auf einen der Wege
hinausläuft, die in den Wald hineinführen. Schon nach wenigen
Beim Waldspaziergang begegnet man auch gern ein paar
Wapitis.
Den Riesenmammutbaum findet man weiter südlich und im
Landesinnern, zum Beispiel in dem Sequoia-Kings-Canyon-Nationalpark der Sierra
Nevada.
Als die ersten Europäer in die Neue Welt kamen, erstreckte
sich ein Wald-
teppich über weite Teile des Konti-
nents. Doch mit den ersten Sied¬lern fielen die ersten
Bäume, und je mehr Menschen nach Westen drängten, umso breiter wur-
den die Schneisen in den
Wäldern. Später professio¬nalisierte die Holzindustrie den
Kahlschlag, und Natur¬schützern gelang es nur langsam, viel zu spät oder
überhaupt nicht, dem
Wüten der Kettensägen Einhalt zu gebieten. Heute sind über
95 Pro-
zent der alten Wälder
verschwunden, und
Lange Wege und viele Bäume: Wer seine Ruhe will, nimmt die
Brücke in den Wald.
Metern ist es, als habe der Wald einen verschluckt. Immer
wieder schaut man nach oben und kann es auch beim 123. Mal noch nicht fassen.
Also setzt man sich irgendwann, lehnt sich mit dem Rücken an einen der Stämme,
schaut in den Wald und denkt erst einmal an überhaupt nichts. Hoch oben fächern
Äste die Sonne zu feinen Strahlen auf, in denen Bienen wie im Scheinwerferlicht
einer Büh¬ne hin- und hersummen. Warm ist es. Nach ein paar Minuten unter dieser
Strahlendusche stellt sich ein Gefühl dafür ein, weshalb Kaliforniens
Mammutbäume auch „Kathedralen der Sierra" ge¬nannt werden - die Stille
hier ist wie die in einem Tempel oder einer Kirche. Und so, wie man dort
ehrfürchtig vor der Kunst der Baumeister und der möglichen Anwesenheit von
etwas Höherem sitzt, sitzt man hier vor Größe, Alter und Würde der Natur. Ein
Hauch von Wehmut liegt in der Luft, ein Moment der Traurigkeit. Und ein Satz
von John Muir: „Der einfachste Weg ins Universum führt durch die Wildnis eines
Waldes."
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