Sonntag, 17. April 2016

Mammutbäume Redwoods


Mammutbäume Redwoods

Author D. Selzer-McKenzie

Video. https://youtu.be/ZLDds1keLKg

Der da? Oder eher der da vorne? Viel zu mäch-tig. Viel zu dick. Aber der hier, der isses, genau der. Vorsichtiger Blick nach hinten: Niemand zu sehen. Vorne auch nicht. Also los. Über Steine, Moos und nasse Wurzeln. Wenn das jemand mit¬bekommen würde... Muss aber sein. Geht nicht anders. Und jetzt: Ein Männlein steht im Walde - und drückt einen Mammutbaum. Drückt ihn als wolle er ihn niemals wieder loslassen.

Haben Sie mal einen Baum umarmt? So einen zu-gemoosten, dicken, uralten Baum? Müssen Sie mal machen. Ist ein tolles Gefühl. Und noch schöner ist es, wenn man es mit einem Mammutbaum macht. Die gibt es in einigen Stadtgärten und Parks in Deutschland, aber immer nur einzelne. Im nördli¬chen Kalifornien gibt es noch ganze Mammut-baumwälder zum Umarmen. Ganz weich fühlt sich so ein Redwood an. Und wenn man das Ohr an den Baum drückt: Nein, natürlich hört man nichts. Aber irgendwie hat man nach ein, zwei Umarmungsminuten das Gefühl, als wolle er et-was sagen, der Baum. Doch man hört bloß die anderen Geräusche des Waldes. Das Rauschen

auch von den Mammutbäumen stehen nicht mehr viele. Vor den Europäern hatten die Giganten kei¬ne Feinde: Den Ureinwohnern fehlten die Werk¬zeuge zum Fällen, und Feuerbrünste können den Mammutbäumen nichts anhaben. Im Gegenteil: Weil sich ihre Zapfen erst nach einem Waldbrand öffnen, keimen ihre Samen in der nährstoffrei¬chen Asche gewissermaßen außer Konkurrenz. Was anderswo in den USA geblieben ist, sind Res¬te: hier ein Hain, dort eine Gruppe, manchmal sogar nur ein einzelner Baum, der wie ein mah¬nender Zeigefinger in den Himmel ragt. Aber selbst die letzten Überlebenden schaffen es, eine Ahnung davon zu vermitteln, wie es hier früher einmal ausgesehen haben muss. Und die dichten Wälder im Norden Kaliforniens sowieso.

Wenn man hier unterwegs ist, ertappt man sich dabei, wie man alle zehn Minuten anhält, das Auto abschließt und auf einen der Wege hinausläuft, die in den Wald hineinführen. Schon nach wenigen

 

 

 

Beim Waldspaziergang begegnet man auch gern ein paar Wapitis.

Den Riesenmammutbaum findet man weiter südlich und im Landesinnern, zum Beispiel in dem Sequoia-Kings-Canyon-Nationalpark der Sierra Nevada.

Als die ersten Europäer in die Neue Welt kamen, erstreckte sich ein Wald-

teppich über weite Teile des Konti-

nents. Doch mit den ersten Sied¬lern fielen die ersten Bäume, und je mehr Menschen nach Westen drängten, umso breiter wur-

den die Schneisen in den

Wäldern. Später professio¬nalisierte die Holzindustrie den Kahlschlag, und Natur¬schützern gelang es nur langsam, viel zu spät oder

überhaupt nicht, dem

Wüten der Kettensägen Einhalt zu gebieten. Heute sind über 95 Pro-

zent der alten Wälder

verschwunden, und

 

Lange Wege und viele Bäume: Wer seine Ruhe will, nimmt die Brücke in den Wald.

Metern ist es, als habe der Wald einen verschluckt. Immer wieder schaut man nach oben und kann es auch beim 123. Mal noch nicht fassen. Also setzt man sich irgendwann, lehnt sich mit dem Rücken an einen der Stämme, schaut in den Wald und denkt erst einmal an überhaupt nichts. Hoch oben fächern Äste die Sonne zu feinen Strahlen auf, in denen Bienen wie im Scheinwerferlicht einer Büh¬ne hin- und hersummen. Warm ist es. Nach ein paar Minuten unter dieser Strahlendusche stellt sich ein Gefühl dafür ein, weshalb Kaliforniens Mammutbäume auch „Kathedralen der Sierra" ge¬nannt werden - die Stille hier ist wie die in einem Tempel oder einer Kirche. Und so, wie man dort ehrfürchtig vor der Kunst der Baumeister und der möglichen Anwesenheit von etwas Höherem sitzt, sitzt man hier vor Größe, Alter und Würde der Natur. Ein Hauch von Wehmut liegt in der Luft, ein Moment der Traurigkeit. Und ein Satz von John Muir: „Der einfachste Weg ins Universum führt durch die Wildnis eines Waldes."



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