Rio Tinto
Author D.Selzer-McKenzie
Der Bergbaukonzern Rio Tinto bekommt Chinas Wut zu spüren. Seine Mitarbeiter sollen spioniert haben und damit den Chinesen Schaden von 100 Milliarden Dollar verursacht haben. Die Beweise sind indes dürftig.
Author D.Selzer-McKenzie
Alle Beteiligten rudern zurück — doch der Donner, unter dem China-Investoren und die globale Bergwerksindustrie am Wochenende zu¬sammenzuckten, lässt sich so schnell nicht mehr einfangen. Der Kurs der Aktie des drittgrößten Minenkonzerns, Rio Tin¬to, verlor am Montag 3,3 Prozent im Han¬del in Sydney. Und Analysten zerbrachen sich ihre Köpfe darüber, wie stark China seinen Ärger über eine verschmähte Kauf¬offerte für Anteile an Rio Tinto das Unter¬nehmen noch spüren lassen werde. Halb¬offiziell hatte die chinesische Regierung dem Bergwerkskonzern vorgeworfen, das Land um rund 700 Milliarden Yuan (etwa 100 Milliarden Dollar oder 72,4 Milliar¬den Euro) betrogen zu haben.
Die Angst der Börsianer markiert bis¬lang den Tiefpunkt einer Spirale gegensei¬tigen Misstrauens, wechselseitiger Unter¬stellungen und Vorwürfe zwischen dem offiziellen China und dem Rohstoffriesen Rio Tinto. Allerdings trifft dies den bri¬tisch-australischen Konzern nicht allein: Denn seine in China ausgelösten Proble¬me könnten, so fürchtet die Industriewelt zunehmend, jeden berühren, der mit Pe¬king in Konflikt gerät. Angriffspunkte aber fänden sich dann wohl bei fast jedem China-Investor.
Am 5. Juli hatte die chinesische Po vier Mitarbeiter des Büros von Rio T in det Wirtschaftsmetropole Schang verhaftet. Unter ihnen den australisci Staatsbürger Stern Hu, der das wichs Eisenerzgeschäft von Rio Tinto in Ch leitet. Seitdem werden sie unter dem 4 wurf der Spionage und Bestechung fest, halten. Auf den Computern des Büros eine Fülle geheimer Daten aus Chir. Stahlindustrie gefunden worden, erU ten die Sicherheitskräfte.
Offiziell gibt es keinen Zusamme
hang, doch ziehen nicht nur China-Kris
ker eine Verbindung zum gescheiterte
Versuch der Chinesen, für rund 20 Millia
den Dollar ihren bisherigen Anteil an de
finanzknappen Rio Tinto zu erhöhen. I
letzter Sekunde war der Kauf gescheitere
Stattdessen nahm Rio Tinto die Offen seines größeren Konkurrenten BHP Billi ton an, sein Erzgeschäft zu fusionierer (F.A.Z vom 12. Juni). Damit aber entstehe ein Erzriese, der Chinas Versorgung mit dem Grundstoff für jedes Wirtschafts¬wachstum gefährdet. Denn ohne Erz kein Stahl, ohne Stahl kein Bau, keine Fabri¬ken, keine Brücken oder Eisenbahnen. Dem neuen Erzkonzern kommt nun eine Verhandlungsmacht in den jährlichen Preisgesprächen zu, wie sie Chinas staatli¬che Stahlkocher bislang nicht kannten
Die Abfuhr beim Einstieg ist damit weit mehr als nur Blamage oder Politi¬kum: Aus chinesischer Sicht gefährdet sie die Wachstumspläne der Volksrepublik. Selbst Australiens Regierung vermutet, die Festnahme des Rio-Tinto-Quartetts in Schanghai stehe in Zusammenhang mit den alljährlichen Preisverhandlungen für Eisenerz zwischen den westlichen Gro߬konzernen und den staatlichen chinesi¬schen Stahlkochern.
Ausgelöst hatte die neue Runde im Zer¬würfnis ein unbekannter Staatsdiener mittleren Dienstgrades — und die spre¬chen in China in der Regel niemals ohne Genehmigung von höherer Stelle. Jiang Ruqin, Mitarbeiter der Behörde zum Schutz von Staatsgeheimnissen in der Pro¬vinz Jiangsu, erlangte auf diese Weise zweifelhaften Weltruhm, nachdem die
Internetseite der Behörde am Wochenen¬de einen Artikel zugänglich gemacht hat¬te, in dem Ruqin behauptet, Rio Tinto habe den Staat China und seine Einwoh¬ner durch Spionage 700 Milliarden Yuan gekostet. „Jeder Staatsbürger wurde da¬durch um 500 Yuan betrogen", rechnet Ji¬ang dann vor und dürfte sich bewusst sein, dass er mit solchen Aussagen mit dem Feuer spielt, wenn er den Zorn der Massen in China anfacht.
Am Montag indes erklärte Ruqin, bei dem ungeheuerlichen Vorwurf nur auf Zahlen zurückgegriffen zu haben, die chi¬nesische Medien wie das staatliche Fern¬sehen veröffentlicht hätten. Neu sind die Zahlen in der Tat nicht, wie auch der Spre¬cher des australischen Außenministeri¬ums am Montag bestätigte. Am 16. Juli hatte der Sender CCTV berichtet, China
laue „in den vergangenen sieben oder ' acht Jahren 700 Milliarden Yuan extra für . Erzimporte gezahlt". Nachzuweisen in¬des dürfte das schwer sein, denn China hat den ausgehandelten Preisen zuge¬-, stimmt. Auch ist es zweifelhaft, dies nun
,
zen. Zumal dieses seit 2004 „nur" Eisen- 1
erz im Wert von gut 40 Milliarden Dollar
in die Volksrepublik verkaufte.
Kurz gesagt, wirft China Rio Tinto vor,
sich verbotenerweise und unter anderem durch Bestechung interne Daten seiner -91111.1 Kunden, der chinesischen Stahlhersteller, besorgt zu haben. Dank dieses Einblicks
sei Rio Tinto in der Lage gewesen, sein Ei¬senerz zu teuer zu verkaufen. Die Tages¬zeitung „Shanghai Daily" zitiert den Di¬rektor eines chinesischen Stahlunterneh¬meng damit, dass „Mitarbeiter von Rio Tinto ihre Gegenüber in den Stahlkonzer¬nen bei den Preisverhandlungen seit Jah¬ren bestochen" hätten, dies sei gängige Praxis in der Industrie. Weiter sagt der Na¬menlose: „Die gesamte Industrie ist ver¬schworen und stimmt sich ab, deshalb funktioniert die Bestechung seit Jahren, kommt aber erst jetzt auf den Tisch." Ein weiterer Informant berichtet der Zeitung, Rio Tinto habe Manager aller 16 Stahlkon¬zerne geschmiert, die an den jährlichen Preisverhandlungen teilnähmen.
Ungeachtet der Lächerlichkeit des Vor¬wurfs gegen die einzelnen Rio-Tinto-Mit- arbeiter — kein Unternehmen in Asien kommt ohne Bestechung in der einen oder anderen Form zu Erfolg, und Markt¬kenntnis ist seit je Grundlage erfolgrei¬cher Preisverhandlungen — deutet der An¬griff auf ein einzelnes westliches Schlüs¬selunternehmen auf eine Verhärtung Chi¬nas im Umgang mit Konzernen aus den Industriestaaten hin. Letztlich zeigt sich einmal mehr, wie die gängige Praxis der
im Einzelfall angreifbar macht.
Dabei wiegt der Vorwurf der Beste¬chung wohl schwerer als derjenige der In¬dustriespionage. „Dem Ganzen könnte nur eine unterschiedliche Auffassung dar¬über zugrunde liegen, was Spionage ist und was das normale Tagesgeschäft der Analyse", sagt denn auch Analyst Warren Edney von der RBS in Melbourne. „Kommt China zu dem Schluss, dass dies ein reines Unternehmensthema ist, könn¬te es sich allerdings dafür entscheiden, nicht mehr bei Rio Tinto einzukaufen." Auch wenn dies „völlig unwahrschein¬lich" erscheine, sahen einige Aktionäre am gestrigen Montag in der Eskalation au¬genscheinlich eine Bedrohung heraufzie¬hen. Bislang macht Rio Tinto rund 10 Mil¬liarden Dollar Umsatz jährlich in China.
Alle Rohstoffkonzerne , hoffen, sich dank der Steigerung des Geschäftes mit der prosperierenden Volksrepublik auf Jahre gesundes Wachstum sichern zu kön¬nen. Das könnte für Rio Tinto gefährdet sein. Der Chef der Eisenerzsparte von Rio Tinto, Sam Walsh, hatte schon Mitte Juli pflichtschuldig erklärt, der Vorwurf, dass Mitarbeiter Offizielle der chinesi¬schen Stahlkonzerne bestochen hätten, entbehre jeder Grundlage. Zugleich er¬klärte der Konzern, sein Geschäft mit Chi¬na laufe bislang ungestört weiter..
Mittwoch, 12. August 2009
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