Fussball Schiedsrichter Manipulation
Author D.Selzer-McKenzie
Am 21. August 2004 schoss Jürgen
Fromme ein denkwürdiges
Bild - auS Zufall. Es
zeigte einen jungen
Schiedsrichter.'Dessen
Name stehtrheute für
den größten Skandal
desd eutschenF ußballs
Damals gelang dem FotografenJärgen
Fromme ein ganz besonderes
Bild - bei dem der Zufall Pate
stand. ,,Mit keinem journalistischen Foto
haben wir jemals so viel Geld verdient",
berichtet der mehrfach preisgekrönte Fotojournalist
von der Gelsenkirchener
Agentur firo. Dabei war er am 21. August
2004 eher widerwillig nach Paderborn ge-
,reist, um eine ganz unspektakuläre Pflichtaufgabe
hinter sich zu bringen: Für einen
Fotokalender des Hamburser SV nahm er
den Spieler Benjamin Laut-h ins Visier, der
erstmals nach langer Verletzungspause
wieder mitwirkte. In Erscheinung aber
trat an diesem schwtllen Samstasnachmittag
nicht Lauth, sondern der üann, der
auf einem Foto neben ihm stand.
Im Hermann-Löns-Stadion unterlas
der HSV damals dem SC Paderborn mi-[
2:4, eine Überraschung in der ersten
Hauptrunde des DFB-Pokals. Doch auch
kein ganz außergewöhnlichesR esultatb ei
einem Vergleich des Tabellenführers der
dritten Liga mit dem Letzten der Bundesliga.
Dass es dabei nicht mit rechten Dingen
zuging, wusste niemand, auch wenn es erste
Verdachtsmomente gab. Hamburgs Trainer
Klaus Toppmöller beschwerte sich
schon nach zwanzig Spielminuten beim
Schiedsrichterassistenteann der Seitenlinie
mit den Worten: ,,Hier ist doch was
faul!" Der HSV-Spieler Stefan Beinlich
gab nr Protokoll: ,,In meiner ganzen Karriere
habe ich noch kein derartie merkwiirdiges
Verhalten eines Refereesirlebt.'i
Der junge Schiedsrichter soll zu Paderbornern
gesag haben: ,,Spielt ihr mal so
weiter, dert Rest erledige ich." Und das
machte er mit mehreren Fehlentscheidungen
zu Lasten der Hamburger. Besonders
zwei Elfmeter, die Hoyzer dem Außenseiter
flMettquote auf Paderborn: 5,6:1) gab,
waren aus der Luft gegriffen.
,,Ich hatte damals ein komisches Gefiihl",
erinnert sich Fromme. der zweimal
für das Sportfoto des Jahres ausgezeichnet
wurde, doch das verdrängte er schnell.
Der HSV war schließlich Schlusslicht der.
Bundesligatabelleu nd geradea usd erlt Europapokal
ausgeschiedenT, rainer Toppmöller
stand in der Kritik und wurde Wochen
später auch entlassen. Kaum jemand
ahnte, dass der Berliner Schiedsrichter einer
Bande von Betrügern half, die mit hohen
Wetten große Summen ergaunerte.
Zwei Tage nach dem Fußballspiel im östlichen
Westfalen transportierten sie in Berlin-
Neukölln allein aus dem Büro von Interwetten
Interwetten
in der Herrmannstraße 80 000
Euro Bargeld in einem Pappkarton ab. Insgesamt
mehr als 670 000 Euro gewannen
sie durch das Ergebnis in Paderborn.
Ein-halbes Jahr später erst wurden diese
Straftaten öffentlich. Da erhielt dann
im Januar 2005 Jürgen Fromme samstagabends
den Anruf eines Fotoredakteurs.
der ihm zum Aufmacher auf Seite eins der
,,Bild am Sonntag" gratulierte: ,,Welches
Foto, sagte er mir aber nicht." Doch das
war Fromme lald klar, denn von dem
Skandalthema des Tages hatte er nachmittags
im Stadion gehört: Das Paderborner
Spiel und einige andere sollte Schiedsrichter
Hoy zer manipuliert haben.
Der stritt zunächst alle Vorwürfe ab.
und es ging zu wie im Krimi: Verdächtigungen,
Hausdurchsuchungen, Haftbefehle,
Verhöre. Der DFB-Präsident Theo Zwanzi.
ger befand später:,,Ohne die Staatsanwaltschaft
in Berlin wären wir mit dem Fall
Hoyzer nicht fertig geworden - und er hätte
womöglich auch kein Geständnis abgelegt."
Unter dem Druck der Indizien tater
das wenige Tage später, und die Affäre
wurde schnell aufgeklärt. Der Schiedsrichter
wurde auf Lebenszeit gesperrt und leistete
dem Deutschen Fußball-Bund (DFB)
Schadeirsersatz in sechsstellieer Höhe.
Vor dem Landgericht Berlin wuide Robert
Hoyzer Ende 2005 wie die Drahtzieher
der Straftaten zu einer Gefänenisstrafe
verurteilt: zwei Jahre und fünf-Monate.
Der Bundesgerichtshoifn Leipzig bestätigte
im Revisionsverfahren2 006d en Schuldspruch.
Der DFB wiederum entschädigte
den HSV mit zwei Millionen Euro. ..Der
Fußball hat seine Naivität verloren. In unserem
Sport gibt es Kriminalität", musste
Präsident Zw anziger erkennen.
Auch der SC Paderborn war in den Fall
yerstrickt: Kapitän Thijs Waterink hatte
vor dem Spiel auf einer Wiese neben dem
Stadion von ,,einem ihm unbekannGi-.
südländisch anmutenden Mitbürser"
10 000 Euro kassiert, wie Präsident fuilfried
Finke berichtete. Waterink ließ sich
- wie später auch Angreifer Alexander
Löbe - im Strafraum fafen, nachdem ihm
der Schiedsrichter beim Stand von 0:2 zugeraunt
hatte: ,,Nun mach doch mal was!"
Waterink nahm alle Schuld auf sich und
sagte den Behörden, er habe seine Mannschaftskollegen
erst nach dem Spiel in
Kenntnis gesetzt und das Geld erst dann
verteilt. Ein Ermittlungsverfahren gegen
ihn wurde gegen eine geringe Buße eingestellt,
vom DFB wurde der damals 36 Jahre
alte Waterink bis zum Saisonende gesperrt,
seine Karriere war damit zu End'e,
Die Untersuchuneen des Fußballbundes
gegen seine Paäerborner Mitspieler
wurden nach Zahluns einer Buße von
20000 Euro ebenfalls- eingestellt, nachdem
sich für den Verdacht ihrer Mitwirkung
keine Beweise finden ließen. Waterink
selbst hat zu den Ereignissen öffentlich
nie Stellung genomrien und lässt
durch seinen Anwalt Jost Ferlinss ausrichten:
,,Weder Herr Waterink nocü'ich sagen
etwas dazu." In einem Telefongespräch
am 1.. März 2005 hatte der Niederländer lediglich
erklärt, er ftihle sich vom SC Paderborn,
der ihm weiter sein Gehalt zahlte,
,,in der Situation alleine selassen".
Sein VereinspräsidenWl ilfried Finke
hat noch heute eine ganz eigene Interpretation
des Betrugsfalles aus dem August
2004 und der Mitwirkung seiner Spieler:
,,Wenn ich mir hundert Fußballsoiele angucke,
sehe ich immer zwei, drei solcher
Szenen." Hamburg lag schon 2:0 in Führung,
nachmittags um halb vier war die
Welt noch in Ordnung. Doch dann kippte
das Spiel, und der SC Paderborn siegte
schließlich mit 4:2. Der Bundeslisist war
völlig außer Tritt geraten, als. eibinnen
hundert Sekunden einen unberechtieten
Elfmeter und eine Rote Karte wäsen
Schiedsrichterbeleidigung gegen Eriile
Mpe.nza über sich ergehen lassen musste.
Im Arger über den Schiedsrichter vergriff
sich der belgische Nationalspieler des
HSV im Ton. Zur Titulierung als ,,Arschloch"
durch Mpenza sagte Hoyzer später
vor dem Sportgericht: ,,Die kam mir sehr
gelegen, war aber gerechtfertigt."
Genau diesen Platzverweis dokumentiert
das firo-Foto, das 2005 fast jede Zeitung
in Deutschland abdruckte und der
,,Spiegel"fü r seineJ ahreschronika uswählte,
von dem der Urheber JtiLrgenF romme
aber sagt: ,,Es ist sicher nicht das schönste
Bild, das mir gelungen ist.'Nicht einmal
das beste von Benjamin Lauth an diesem
Nachmittag: Für den Fotokaleniler wählte
Fromme eine dynamische Spielszene aus.
Auf dem Schnappschusms it dem Teleobjektiv
aus mehr als fünfzig Metern Distanz
steht Lauth an der Mittellinie, kurz vor
dem Anstoß, im blauen Trikot, mit Stirnband
im Haar undmit seinem rechten Fuß
im roten Schuhlässig auf dem Ball.Am linken
Bildrand ist der Rot-Sünder Mpenza
von hinten zu sehen - zwischen beiden
reckt Schiedsrichter Robert Hovzer die
Rote Karte in die Luft. Dieser Aüsschnitt
wurde benihmt, das Sinnbild für den wohl
größten Skandal im deutschen Fußball
überhaupt.
Freitag, 21. August 2009
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