Istanbul Turkey Reise Travel Natur SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Video http://www.youtube.com/watch?v=Km21w1tVUao
Die beiden Stadtbrücken über den Bosporus sind weit mehr als nur ar¬chitektonisches Bindeglied zwi¬schen Europa und Asien. Sie sind die Metapher Istanbuls, dieser 15¬Millionen-Stadt und ihrer Mentalität, die zwischen europäischer Orientie¬rung und islamisch geprägter Traditi¬on hin und her wechselt und die un-terschiedlichsten Einflüsse zu einem beeindruckenden Ganzen vereint. So hat das stark religiös geprägte Viertel Eyüp rund um das Pilgergrab eines Bannerträgers Mohammeds nichts mit den ausgelassenen Strandbars von Kilyos gemein. Und die zentralanatolische Strenge des tiefreligiösen Viertels Fatih scheint die modebewussten Besucher der sogenannten „House Cafes" im trendigen Cihangir wenig zu beein¬drucken. Die Läden dort tragen die lässige Handschrift eines mit Finesse entstaubten osmanisch-luxuriösen Stils: Architektin Seyhan Ozdemir und ihr Designpartner Sefer Caglar betreiben gemeinsam das Architek¬tur- und Designbüro „Autoban'.' Sie gehören zu den Schöpfern des zeit¬genössischen Istanbuls, mit noblen Designerläden im Viertel Nisantasi — doch auch bei ihnen gerät die Zeit ambivalent, trifft die Nostalgie ver¬gangener Grandeur auf den glatt po¬lierten Stein neuer Luxusarchitektur. Istanbul atmet Geschichte — seit 2 600 Jahren.
Staffellauf beim Tee
Die zu entdecken, braucht Zeit. Des¬halb reicht Herr Sinan erst einmal lä¬chelnd ein goldverziertes Glas hei¬ßen Apfeltee. Eigentlich ist er Tep¬pichhändler und auch viel zu jung und zu schelmisch, um als Teestun¬den-Philosoph durchzugehen. Den¬noch sind er und seine Verkaufskol¬legen im alten Viertel Sultanahmet der unanfechtbare Beweis, wie un-vereinbar das streng geplante Abhas¬ten aller Sehenswürdigkeiten Istan¬buls mit der türkischen Lebensweise ist. Und dass es volle fünf Tage dau-ern kann, die Hagia Sophia anzuse¬hen. Dabei trennen nur wenige Me¬ter die einstige Krönungskirche By¬zantions von den bunt geknüpften Mustern in Herrn Sinans Laden.
Doch der Weg dorthin ist mit Teppi-chen — nun ja — ausgelegt. Deren Händler alle zum Tee bitten. Natürlich steckt hinter all dieser Gastfreund-schaft auch Kalkül, denn in jedem Passanten mit Fotoapparat sehen die scharfen Kaufmannsaugen auch einen potenziellen Käufer. Aber eben nicht nur. Ein Tourist, der sich auf die ge¬sten- und geschichtsreichen Gesprä¬che einlässt, wird schon am zweiten Tag mit Namen zum Tee gerufen. Am dritten wieder, und noch lauter und freudiger am vierten. Und so werden aus wenigen Metern schnell fünf Tage bis zur berühmten Kuppelbasi¬lika. Deren Mosaike und Wandgemäl¬de wurden zu den diesjährigen Kul-turhauptstadt-Festivitäten sorgsam freigelegt, bevor sich die ziselierten Eingangstore des Moschee-Muse-ums wieder schlossen.
Faszinierende Zeitreise
Die Uhren in Istanbul ticken eben
ein wenig anders als bei uns. Sie
sind schneller — und langsamer zu-gleich: „Zaman sana uymazsy, sen zamana uy' sagt der Türke und meint: „Passt sich die Zeit dir nicht an, so passe du dich der Zeit an." Dabei genügt es in Istanbul oftmals, das Viertel oder auch nur eine Stra¬ße zu wechseln, und man gleitet in eine andere Epoche, eine andere Kultur, ein anderes Leben. Istanbuls Geheimnis ist auch geografischer Natur: Die türkische Metropole er-streckt sich als einzige Stadt der Welt über zwei Kontinente. Und dabei auch durch den Wandel der Zeiten.
Mode der Kontraste
Das im Herbst runderneuert wieder-eröffnete Pera Palace etwa wirkt im Vergleich zu manch anderen Bauten fast schon lächerlich jung. Selbst wenn Greta Garbo sich hier einst einquartierte. Oder Agatha Christie im Zimmer 411 den Mord im Orient-express geschrieben haben soll. Wer in Istanbul nach vergangenen Zeiten
sucht, wird fündig. Doch nicht nur der. Dank Modemacherinnen wie Özlem Süer, Arzu Kaprol oder Banu Bora gilt die Stadt am Bosporus manchem schon als das neue Mai¬land. Mit jungem Design und festen Wurzeln: Süer etwa schöpft ihre In¬spirationen aus der türkischen Kultur. Ob sie ihre Stoffe zur Brechung der Weißtöne ins Schwarze Meer tau-chen lässt oder die Sifa, eine traditio-nelle Heilkunst aus Anatolien, in ihren Entwurf mit integriert. Ihr Kon¬zept hat Erfolg. Die feminine Silhou¬ette, asymmetrischen Linien und ho¬hen Kragen ihrer Kollektion schmei¬chelten auch schon der deutsch-tür¬kischen Schauspielerin Sibel Kekilli.
Zurück in die Vergangenheit
Noch mehr vom modernen Istanbul findet sich im ehemaligen Zollwaren¬haus am Pier von Karaköy, mit traumhaftem Blick auf Hagia Sophia und Blaue Moschee auf der anderen Seite des Goldenen Horns: Seit
2004 zeigt das Istanbul Modern am Bosporus die Sammlungen der Phar¬mazeuten-Familie Eczacibasis. Wer allerdings das heutige Istanbul — samt den Unannehmlichkeiten, die der Transport von 15 Millionen Men-schen eben so mit sich bringt — hin¬ter sich lassen möchte, braucht dazu nur eine kleine Schiffsfahrt: Auf Büy¬ük Ada, der größten aller Prinzenin¬seln im Marmarameer vor Istanbul, scheint die Zeit stehen geblieben: Autos sind verboten, stattdessen ip quietschen Pferdekutschen an den 9 weißen Holzverandas der Villen vor- v bei. Hier ticken die Uhren langsamer, vor allem, wenn ein netter lokaler A Fremdenführer wie Herr Sinan mit in der Kutsche sitzt und wieder Süßes reicht. Ein Biss vom Baklava, dem si¬ruptriefenden, mit gehackten Pista¬zien bestäubten Blätterteiggebäck, entschleunigt dermaßen, dass nur noch eines ganz schnell passiert
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