Oil Trading SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Video http://www.youtube.com/watch?v=1Y2_EAvMAKw
ÖL-INVESTOREN BRAUCHEN 09
EINE CLEVERE STRATEGIE
Auch wenn Rohöl derzeit nicht knapp ist, könnte sich diese Situation in den kommenden Jahren durchaus ändern. Auf lange Sicht bietet das flüssige Gold daher einiges Aufwärtspotenzial. Kurz¬fristig sind Kursrückschläge jedoch nicht auszuschließen. In diesem Umfeld können Zukäufe vor allem in Schwächephasen sinnvoll sein.
Nicht einmal 8400 Menschen leben in Cushing. Doch auf die Kleinstadt im US- Bundesstaat Oklahoma richten sich regel-mäßig die Blicke der Ölspekulanten. Denn der Preis eines wichtigen Rohöl-Futures wird hier entscheidend beeinflusst, dienen die riesigen Rohöl-Tanks in Cushing doch als Grundlage für den WTI-Terminkontrakt an der New Yorker Warenterminbörse Nymex. Ursache der Aufmerksamkeit ist eine Kapitalmarkt-Anomalie. Eigentlich sollte die Sorte WTI (West Texas Intermedi-ate) teurer sein als die Nordsee-Sorte Brent. Schließlich ist die Raffinierung von Brent wegen des höheren Schwefel-Gehalts aufwendiger. Aber oft — und zuletzt immer öfter— liegt die Brent-Notiz über dem WTI-Kurs. Erklärungsversuche gibt es zuhauf: Jüngst wurde die zunehmende Knappheit an Nordsee-Öl für den Spread zwischen beiden Sorten verantwortlich gemacht.
„Auf dem Brent-Markt geht es knapp zu", schreibt das in Wien ansässige Beratungs-haus JBC Energy. Auch Probleme bei der Weiterverarbeitung oder beim Transport sorgen für Kursverzerrungen. Kann zum Beispiel eine Raffinerie wegen einer überraschenden Reparatur weniger Rohöl verarbeiten, nehmen die Lagerbestände in Cushing unerwartet zu. Die Folge: Wegen des höheren Angebots sinkt der Preis. Fällt eine Pipeline aus, kommt weniger Rohöl in Cushing an. In diesem Fall müsste der Preis steigen, zumindest theoretisch. In der Pra¬xis ist die Preisbildung an den Terminbör¬sen natürlich komplexer, dominieren doch vor allem die Konjunkturerwartungen der Anleger die Kursentwicklung der Kontrakte.
Offshore-Förderung gewinnt langfristig an Bedeutung Stürmisch geht es an den Terminbörsen während der Hurrikan- Saison zu, weil Bohrinseln und Verladestationen im Golf von Mexiko manchmal aus Sicherheitsgründen geschlossen werden müssen. Elementar ist der Nachschub aus dem Nahen Osten, wo mehr als 60 Prozent der globalen Ölvorkommen vermutet wer¬den. Langfristig dürfte auch die Bedeutung von Ölquellen unter dem Meeresgrund zunehmen. Doch die Explosion der BP-Bohr¬insel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko rief die enormen Kosten und Risiken dieser Offshore-Lagerstätten ins Bewusstsein. Immerhin sollen rund 780 Millionen Liter Rohöl ausgetreten sein. Zunächst werden die Ölkonzerne deshalb ihre Expansionspläne am Golf von Mexiko auf Eis legen und sich stattdessen lieber
auf weniger sensible Gebiete, wie etwa vor der brasilianischen Atlantikküste konzentrieren. So lange der Preis des kostbaren Energieträgers nicht deutlich zurückgeht, wird auch die Förderung aus anderen unkonventionellen Lagerstätten, wie zum Beispiel kanadischen Ölsanden, unermüdlich vorangetrieben. Zu groß ist der Verbrauch in den Industriestaaten und den aufstrebenden Nationen Asiens, allen voran Chinas.
Das Reich der Mitte wird wohl auch 2010 mit einem zweistelligen Prozentsatz wachsen, Wirtschaftskrise hin oder her. Indien und Indonesien boomen ebenfalls. Die Weltkonjunktur dürfte sich allerdings leicht abschwächen, die globale Wirtschaftsleistung nur noch um annähernd 4 Prozent zunehmen.
Trotzdem wird der globale Ölmarkt wohl bis Mitte 2011 von einem Angebotsüberschuss gekennzeichnet. Vor allem die mangelnde Förderdisziplin der 12 OPEC-Staaten sorgt seit dem Sommer 2008 dafür, dass jeden Tag etwa eine halbe Mio. Fass mehr gefördert als verbraucht wird. Denn der rasante Anstieg auf fast 150 US-Dollar machte damals eine Anhebung der Produktion besonders lukrativ. Schließlich liegen die Förderkosten der meisten aktiven Ölfelder unter 40 US-Dollar. Höhere Grenzkosten haben Gesellschaften, die den kanadischen Ölsanden das flüssige Gold abpressen oder deren Felder sich in der Tiefsee befinden. Eine Faustregel der Analysten besagt: Ab einem Verkaufspreis von 65 US-Dollar lohnt sich die Förderung in diesen Regionen. Auf Basis der aktuellen Notierungen bringen also selbst diese teuren Felder den Konzernen jede Menge Profit.
Terminkontrakte deuten steigende Ölpreise an
Zudem rechnen die Märkte in den kommenden 12 Monaten mit steigenden Notierungen: Länger laufende Kontrakte sind teurer als die in Kürze auslaufenden. Diese sogenannte Contango-Situation ist für Produzenten beruhigend. Für die Inhaber von Öl-Zertifikaten ist sie ärgerlich. Als Basiswert der meisten Zertifikate dienen näm¬lich Futures der großen Terminbörsen Nymex (New York Mercan¬tile Exchange) und ICE (Intercontinental Exchange) in London.
Ölnachfrage-Wachstum (quartalsweise; Mio. Barrel/Tag)
Läuft ein Kontrakt aus, muss der Emittent einen anderen erwerben, in der Regel den nächstfolgenden. Ist der neue Kontrakt teurer als der vorige, spricht man vereinfa¬chend von Roll-Verlusten. Diese Struktur reizt zu Arbitrage-Geschäften: Rohöl wird auf dem Spotmarkt billig erworben und auf Termin teurer verkauft. Da die Tanks an Land nicht ausreichen, werden dazu Öltanker gemietet, zumal die Charterraten günstig sind. Eigentlich müssten diese Aktivitäten die Terminkurse drücken. Doch der Nymex WTI-Future mit Fälligkeit im Dezember 2010 notiert aktuell (Stand: 20. Oktober) mit 80,93 US-Dollar um 1,84 Dollar unter dem März-Kontrakt und um 3 Dollar unter dem Kontrakt, der im Juni 2011 ausläuft.
LANGFRISTIG DÜRFTE
DER ÖLPREIS
DEUTLICH ZULEGEN
Trotzdem könnte der Ölpreis in der ersten Hälfte 2011 zunächst sinken, falls die Nachfrage in den USA nachlässt: Fällt die weltgrößte Volkswirtschaft in die Rezessi¬on zurück, würde der Angebotsüberschuss wachsen und den Ölpreis drücken. Darauf deutet bisher noch wenig hin. Der ame¬rikanische Immobilienmarkt zeigt sogar erste Anzeichen einer Konsolidierung auf niedrigem Niveau. Der Abbau des Bergs an unverkäuflichen Objekten könnte sich aber weiter verzögern und die Krise verlängern.
Die Erholung der amerikanischen Wirtschaft steht aber auch aufgrund der Überschuldung weiter Bevölkerungskreise, stagnie¬render Einkommen und extrem defizitärer öffentlicher Haushalte auf wackligen Beinen.
Förderkapazitäten sind bereits stark ausgelastet
Aus charttechnischer Sicht stand die Situation lange auf der Kip¬pe. Doch vor wenigen Wochen knackte der WTI-Kurs endlich den wichtigen Widerstand um 77 Dollar. Nach der überraschenden Zinserhöhung der chinesischen Notenbank fiel die Notierung zwar wieder auf fast 80 Dollar zurück. Die Chancen stehen aber nicht schlecht, dass der Ausbruch kein Fehlsignal darstellt. Für diese Einschätzung liefert die fundamentale Lage auf dem globalen Ölmarkt gute Argumente: Denn die Kapazitäten der Nicht-OPEC- Länder sind bereits stark ausgelastet und das OPEC-Kartell dürfte darauf drängen, zur Stabilisierung des Marktes im kommenden Jahr stärker auf die Quotendisziplin zu achten. Die Internationale Energieagentur IEA erwartet für 2011 im Jahresdurchschnitt eine Nachfrage von 87,9 Mio. Fass pro Tag — 1,5 Prozent mehr als
2010. „Für das kommende Jahr rechne ich mit einem WTI-Durch-schnittspreis von 85 US-Dollar", sagt Barclays-Analystin Costanza Jacazio. Langfristig dürfte der Ölpreis aber deutlich zulegen: Die Prognose für 2015 liegt bei 137 US-Dollar.
Diese Einschätzung wirkt nur auf den ersten Blick sehr opti-mistisch. Eine Analyse des im World Energy Outlook von 2008
veröffentlichten IEA-Referenzszenarios zeigt jedoch, dass Öl bald knapp werden könnte. Auf der einen Seite wächst die Nachfrage selbst unter vorsichtigen An¬nahmen um ein Prozent jährlich: bis 2030 also auf 105 Millionen Fass pro Tag. Auf der anderen Seite sinkt die Produktion deutlich. Nur durch massive Investitionen in noch zu erschließende Lagerstätten und hohe Zuwächse bei synthetischem Öl, zum Beispiel aus Erdgas, lässt sich die Lücke schließen. Von großer Bedeutung ist auch, wie viel Rohöl überhaupt aus einem Feld gefördert werden kann: Noch liegt diese Quote meist unter 50 Prozent. Kann dieser Wert spürbar gesteigert werden, würde das Angebot erheblich zunehmen. Ob das schnell genug gelingt, ist wegen technischer, finanzieller und ökologischer Herausforderungen höchst ungewiss.
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